Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung IV
D-2251/2019
mel
Urteil vom 3. Juni 2019
Richterin Nina Spälti Giannakitsas,
Besetzung Richter David R. Wenger, Richter Gérard Scherrer,
Gerichtsschreiberin Sara Steiner.
A._______, geboren am (...),
B._______, geboren am (...),
Parteien
Eritrea,
Gesuchstellende,
gegen
Staatssekretariat für Migration (SEM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz.
Fristwiederherstellungsgesuch;
Gegenstand
Verfügung des SEM vom 27. Februar 2019.
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 27. Februar 2019 lehnte das SEM das Asylgesuch der Gesuchstellenden vom 17. August 2015 ab und ordnete die Wegweisung sowie den Vollzug an.
B.
Diese Verfügung wurde vom SEM am 6. März 2019 mittels eingeschriebener Sendung mit Rückschein versandt. Der postalische Abholungsschein zur Entgegennahme der Verfügung wurde den Gesuchstellenden gemäss der Sendungsverfolgung der Schweizerischen Post am 7. März 2019 zugestellt. Die Gesuchstellenden holten die Verfügung innerhalb der von Art. 20 Abs. 2bis VwVG vorgesehenen siebentägigen Frist nicht ab, weshalb jene am 15. März 2019 wieder ans SEM retourniert wurde.
C.
Gemäss Aktennotiz vom 8. April 2019 bestätigte das kantonale Migrationsamt gegenüber dem SEM telefonisch, dass die Adresse der Gesuchstellenden nach wie vor aktuell sei.
D.
Mit Eingabe vom 10. Mai 2019 erhoben die Gesuchstellenden gegen die Verfügung des SEM vom 27. Februar 2019 beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragten die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Asylgewährung, eventualiter die Feststellung der Unzulässigkeit beziehungsweise Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs und die Erteilung einer vorläufigen Aufnahme, subeventualiter die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz und subsubeventualiter die Wiederherstellung der Beschwerdefrist. In prozessualer Hinsicht ersuchten sie um Einsicht in die vorinstanzlichen Akten und damit verbunden um Frist zur Beschwerdeergänzung, um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG i.V.m. aArt. 110a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 110a |
E.
Mit Zwischenverfügung vom 15. Mai 2019 wurden die Gesuchstellenden aufgefordert, zum Umstand Stellung zu nehmen, wonach ihnen die Verfügung des SEM gemäss den Akten am 7. März 2019 zur Abholung gemeldet worden sei, sie diese jedoch innert Frist nicht abgeholt hätten.
F.
Mit Eingabe vom 22. Mai 2019 reichten die Gesuchstellenden eine entsprechende Stellungnahme zu den Akten.
G.
Mit Zwischenverfügung vom 23. Mai 2019 wurde der Vollzug der Wegweisung gemäss Art. 56
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 110a |
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäss Art. 31
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 110a |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 110a |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 110a |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 110a |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
1.2 Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der Regel in der Besetzung mit drei Richterinnen oder Richtern (Art. 21 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 111 Einzelrichterliche Zuständigkeit - Die Richter entscheiden in folgenden Fällen als Einzelrichter: |
|
a | Abschreibung von Beschwerden infolge Gegenstandslosigkeit; |
b | Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Beschwerden; |
c | Entscheid über die vorläufige Verweigerung der Einreise am Flughafen und Zuweisung eines Aufenthaltsorts am Flughafen; |
d | ... |
e | mit Zustimmung eines zweiten Richters: offensichtlich begründete oder unbegründete Beschwerden. |
1.3 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 111 Einzelrichterliche Zuständigkeit - Die Richter entscheiden in folgenden Fällen als Einzelrichter: |
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a | Abschreibung von Beschwerden infolge Gegenstandslosigkeit; |
b | Nichteintreten auf offensichtlich unzulässige Beschwerden; |
c | Entscheid über die vorläufige Verweigerung der Einreise am Flughafen und Zuweisung eines Aufenthaltsorts am Flughafen; |
d | ... |
e | mit Zustimmung eines zweiten Richters: offensichtlich begründete oder unbegründete Beschwerden. |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 6 Verfahrensgrundsätze - Verfahren richten sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196810 (VwVG), dem Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 200511 und dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200512, soweit das vorliegende Gesetz nichts anderes bestimmt. |
1.4 Am 1. März 2019 ist eine Teilrevision des AsylG in Kraft getreten (AS 2016 3101); für das vorliegende Verfahren gilt das bisherige Recht (vgl. Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des AsylG vom 25. September 2015).
1.5 Die Beschwerde ist formgerecht eingereicht worden. Die Gesuchstellenden haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, sind durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung; sie sind daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
2.
Auf ein Gesuch um Fristwiederherstellung wird eingetreten, wenn unter Angabe des Grundes innert 30 Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ersucht und die versäumte Rechtshandlung nachgeholt wird (Art. 24 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
2.1 Die Gesuchstellenden machen geltend, dass sie vom Entscheid des SEM vom 27. Februar 2019 erst im Rahmen eines Gesprächs am 24. April 2019 auf dem kantonalen Migrationsamt erfahren hätten. Letzteres wird durch die mit der Beschwerde eingereichten kantonalen Akten in Form eines Protokolls dieses Gespräches bestätigt. Das Hindernis - die Unkenntnis vom Inhalt der Verfügung - bezüglich der Einhaltung der Beschwerdefrist ist erst mit diesem Datum weggefallen. Das Gesuch um Fristwiederherstellung datiert vom 10. Mai 2019 und wurde somit innert der gesetzlichen Frist von 30 Tagen seit Wegfall des Hindernisses eingereicht. Mit ihrer Eingabe vom 10. Mai 2019 haben sie auch die versäumte Rechtshandlung (Beschwerdeerhebung) innerhalb dieser Frist nachgeholt.
2.2 Nach dem Gesagten sind die formellen Voraussetzungen zur materiellen Behandlung des Gesuchs um Wiederherstellung der Beschwerdefrist gegeben, weshalb auf dieses einzutreten ist.
3.
3.1 Nach Art. 24 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
3.2 Eine Fristwiederherstellung bezweckt die Beseitigung von Rechtsnachteilen wegen unverschuldeter Fristversäumnis (vgl. EGLI PATRICIA, a.a.O., Art. 24 N 1; STEFAN VOGEL in: Auer/Müller/Schindler [Hrsg.], Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich/St. Gallen 2008, N 1 zu Art. 24
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
3.3 Die Gesuchstellenden machen in ihrer Eingabe vom 10. Mai 2019 geltend, die Verfügung des SEM vom 27. Februar 2019 sei ihnen nicht zugestellt worden. In ihrer Stellungnahme vom 22. Mai 2019 führten sie aus, es liege möglicherweise an der Organisation der Postzustellung in ihrer Unterkunft, dass sie nicht einmal die Abholungseinladung erhalten hätten. Sie seien sechs Personen in der Unterkunft und teilten sich einen Briefkasten. Sämtliche Post werde in diesen Briefkasten geworfen und alle Bewohner und Bewohnerinnen hätten Zugriff auf diesen. Es sei deshalb möglich, dass eine andere Person versehentlich ihre Post abgeholt habe und die Abholungseinladung dabei abhandengekommen sei. Für diese Umstände trügen sie keine Verantwortung. Zur Stützung ihrer Vorbringen reichten die Gesuchstellenden Fotografien vom Briefkasten und ein Schreiben der zuständigen Person zu den Akten, worin bestätigt wird, dass alle Bewohner und Bewohnerinnen Zugang zum Briefkasten hätten.
3.4 Vorliegend ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Abholungseinladung den Gesuchstellenden nicht in die Hände gelangte und sie ohne ihr Verschulden keine Kenntnis von der angefochtenen Verfügung erlangten. Die Gesuchstellenden teilen sich die Wohnung und den Briefkasten mit andern Personen, wobei sie diese Gemeinschaft nicht frei so wählten, sondern die Unterkunft ihnen so zugewiesen wurde, weshalb nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, sie hätten sich Auswirkungen einer von ihren Mitbewohnern und Mitbewohnerinnen missachteten Sorgfaltspflicht anrechnen zu lassen. Ihre Erklärung, weshalb sie von der betreffenden Abholungseinladung nicht Kenntnis genommen hätten, erscheint jedenfalls vor dem umschriebenen Hintergrund plausibel, zumal die Akten des kantonalen Migrationsamtes ihre Ausführungen, wie sie von der ergangenen Verfügung Kenntnis erhalten hätten, bestätigen. Zudem gilt es darauf hinzuweisen, dass das SEM vorliegend darauf verzichtete, nach erfolgloser Zustellung der Verfügung per Einschreiben, diese den Gesuchstellenden noch einmal per normaler Briefpost zuzustellen. Vielmehr begnügte es sich damit, sich die Richtigkeit der Adresse telefonisch beim kantonalen Migrationsamt bestätigen zu lassen. Bei dieser Sachlage ist - wie bereits zuvor in ähnlich gelagerten Fällen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-353/2019 vom 22. März 2019, D-836/2017 vom 20. Februar 2017, E-8229/2015 vom 8. März 2016 und E-8300/2015 vom 30. Dezember 2015) - davon auszugehen, dass die Gesuchstellenden die übliche und ihnen zumutbare Sorgfalt angewendet haben und somit ohne ihr Verschulden vor dem 24. April 2019 keine Kenntnis von der Verfügung des SEM vom 27. Februar 2019 erhalten konnten.
3.5 Das Fristwiederherstellungsgesuch vom 10. Mai 2019 ist demzufolge gutzuheissen und das Instruktionsverfahren bezüglich der weiteren mit dieser Eingabe gestellten Begehren unter der Verfahrensnummer
D-2768/2019 aufzunehmen.
4.
4.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 63 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
4.2 Den Gesuchstellenden wäre angesichts ihres Obsiegens in Anwendung von Art. 64
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 105 Beschwerde gegen Verfügungen des SEM - Gegen Verfügungen des SEM kann nach Massgabe des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005356 Beschwerde geführt werden. |
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE) VGKE Art. 7 Grundsatz |
|
1 | Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen Kosten. |
2 | Obsiegt die Partei nur teilweise, so ist die Parteientschädigung entsprechend zu kürzen. |
3 | Keinen Anspruch auf Parteientschädigung haben Bundesbehörden und, in der Regel, andere Behörden, die als Parteien auftreten. |
4 | Sind die Kosten verhältnismässig gering, so kann von einer Parteientschädigung abgesehen werden. |
5 | Artikel 6a ist sinngemäss anwendbar.7 |
4.3 Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG i.V.m. aArt. 110a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 110a |
(Dispositiv nächste Seite)
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Das Fristwiederherstellungsgesuch vom 10. Mai 2019 wird gutgeheissen.
2.
Das Instruktionsverfahren bezüglich der weiteren mit dieser Eingabe gestellten Begehren wird unter der Verfahrensnummer D-2768/2019 aufgenommen.
3.
Für das vorliegende Fristwiederherstellungsverfahren werden keine Kosten auferlegt.
4.
Es wird keine Parteientschädigung ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil geht an die Gesuchstellenden, das SEM und die kantonale Migrationsbehörde.
Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:
Nina Spälti Giannakitsas Sara Steiner
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