Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C 326/2012
Urteil vom 2. Juli 2012
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Dormann.
Verfahrensbeteiligte
E.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Petra Oehmke,
Beschwerdeführerin,
gegen
Stadt Dietikon,
Durchführungsstelle für, Zusatzleistungen zur AHV/IV, Bremgartnerstrasse 22, 8953 Dietikon,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV (Berechnung des Leistungsanspruchs),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. März 2012.
Sachverhalt:
A.
E.________ bezieht bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Rente der Invalidenversicherung. Die Ausgleichskasse des Kantons Aargau sprach ihr ab 1. Juli 2009 Ergänzungsleistungen zu (Verfügung vom 2. Juli 2009) und teilte ihr mit, dass sie dem 1973 geborenen Ehemann von E.________ ab 1. Februar 2010 ein hypothetisches Einkommen anrechnen werde (Schreiben vom 1. Juli 2009 und 14. Januar 2010). Nachdem das Ehepaar seinen Wohnsitz nach Dietikon verlegt hatte, verneinte die Stadt Dietikon mit Verfügung vom 24. August 2010 einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen ab März 2010 infolge eines Einkommensüberschusses, wobei sie für den Ehemann ein jährliches Einkommen von Fr. 39'600.- berücksichtigte. Mit der Begründung, dass der Ehemann erst seit November 2009 über eine Arbeitsbewilligung verfüge, entschied sie mit Einspracheentscheid vom 8. November 2010, bis Ende April 2010 auf die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens zu verzichten. Für die anschliessende Zeit hielt sie an ihrer Auffassung fest.
B.
Die Beschwerde der E.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 8. März 2012 ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt E.________ beantragen, der Entscheid vom 8. März 2012 sei aufzuheben und die Verwaltung sei anzuweisen, auf die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens des Ehemannes ab 1. Mai 2010 zu verzichten und lediglich das von ihm erzielte effektive Einkommen bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen zu berücksichtigen; eventualiter sei die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens erst ab 1. Februar 2011 und in Höhe von Fr. 30'000.- vorzusehen.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a






2.
2.1 Streitig und zu prüfen ist die Anrechenbarkeit eines hypothetischen Erwerbseinkommens des Ehemannes der Beschwerdeführerin in grundsätzlicher Hinsicht sowie in Bezug auf den Zeitpunkt und die Höhe.
2.2 Unter dem Titel des Verzichtseinkommens (Art. 11 Abs. 1 lit. g



Auch ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 14a




2.3 Die Festsetzung des hypothetischen Einkommens, soweit sie auf der Würdigung konkreter Umstände beruht, stellt eine Tatfrage dar, welche lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel überprüfbar ist. Rechtsfrage ist dagegen, nach welchen Gesichtspunkten die Entscheidung über die Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit erfolgt (Urteil 9C 120/2012 vom 2. März 2012 E. 3.3). Die konkrete Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c




3.
Das kantonale Gericht hat festgestellt, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin für die Monate März bis August 2010 Arbeitsbemühungen belegt habe - vornehmlich für im Internet ausgeschriebene Stellen als Gebäudereiniger oder Lagerist, zumeist mehrmals beim gleichen Arbeitgeber und auch für Stellen, bei denen ihm aufgrund fehlender Qualifikation von vornherein kein Erfolg beschieden sein konnte. Von November 2009 bis Anfang März 2010 und ab 12. August 2010 bis zum Einspracheentscheid vom 8. November 2010 seien keine Stellenbewerbungen aktenkundig. Ausserdem sei er offensichtlich körperlich gesund und seit 2004 in der Schweiz, womit er über Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge und mit den hiesigen Gepflogenheiten umgehen könne. Trotz schwieriger Arbeitssuche wäre es daher mit Beharrlichkeit und besonderem Einsatzwillen möglich gewesen, eine Stelle zu finden. Er habe sich aber weder im Gastgewerbe (Beispiel Küchenhilfe) noch für Kontroll- und Überwachungs-, Montage-, Fabrikarbeiten oder Hilfstätigkeiten im Dienstleistungsbereich (z.B. Detailhandel) beworben. Zudem sei die Arbeitssuche auch in den Nachbarkantonen grundsätzlich zumutbar. In Würdigung dieser Umstände sei es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass es dem Ehemann
unmöglich gewesen sei, eine passende Anstellung zu finden. In der Folge hat die Vorinstanz die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens des Ehemannes von Fr. 39'600.- ab Mai 2010 bestätigt.
4.
4.1
4.1.1 Das kantonale Gericht hat in Bezug auf die Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit des Ehemannes insbesondere dessen Alter, Gesundheitszustand, Sprachkenntnisse, Ausbildung und früheren Status als Asylbewerber berücksichtigt. Dass weitere massgebliche Aspekte (E. 2.2) nicht beachtet worden sein sollen, wird zu Recht nicht geltend gemacht.
4.1.2 Die vorinstanzliche Beweiswürdigung und die darauf beruhende Feststellung betreffend die Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit sind nicht offensichtlich unrichtig. Daran ändert nichts, dass für April und Juni 2010 die von der Ausgleichskasse des Kantons Aargau geforderte Anzahl von erfolglosen Stellenbemühungen (E. 4.3) belegt ist, zumal für Mai 2010 lediglich deren fünf nachgewiesen sind und für März, Juli und August 2010 jeweils nur gerade eine einzige. Soweit die Beschwerdeführerin weitere Stellenbewerbungen von November 2009 bis März 2010 sowie ab August 2010 geltend macht, sind solche nicht aktenkundig, und Gründe, weshalb dies nicht bereits im kantonalen Verfahren hätte eingebracht werden können, sind nicht ersichtlich.
4.1.3 Es liegt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2

Sozialhilfe (vgl. Urteil 9C 946/2011 vom 16. April 2012 E. 4.4; § 11 ff. des Zürcherischen Sozialhilfegesetzes vom 14. Juni 1981 [ZH-Lex 851.1]).
4.1.4 Nach dem Gesagten beruhen die vorinstanzliche Beweiswürdigung und die Feststellung betreffend die Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit auch nicht auf einer Rechtsverletzung, weshalb sie für das Bundesgericht verbindlich bleiben (E. 1).
4.2 Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 21 Abs. 4





4.3 Weiter gelten die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen - namentlich Art. 9 Abs. 1



SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |

lit. d

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
4.4 Die objektive Beweislast dafür, dass kein Einkommensverzicht im Sinn von Art. 11 Abs. 1 lit. g

4.5 Schliesslich hält auch der Einwand der Beschwerdeführerin, wonach höchstens der in der Reinigungsbranche erzielbare Mindestlohn anrechenbar sei, nicht stand. Diesbezüglich hat die Vorinstanz verbindlich (E. 1) festgestellt, der Ehemann könne grundsätzlich in allen Arbeitstätigkeiten eingesetzt werden. Dementsprechend hat sie zu Recht den Tabellenlohn der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE 2008, Tabelle TA1, Total Männer, Anforderungsniveau 4) herangezogen (zur rechtlichen Natur der Frage nach der Anwendbarkeit von Tabellenlöhnen vgl. BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399) und die betriebsübliche Wochenarbeitszeit sowie die Lohnentwicklung bis 2010 einberechnet. Im Vergleich zur daraus resultierenden Ausgangsgrösse von Fr. 61'728.- hat sie den angerechneten Betrag von Fr. 39'600.- in Anbetracht der konkreten "Konkurrenznachteile" des Ehemannes und unter Verweis auf das hohe Lohnniveau in dessen Wohnkanton für "sehr vorteilhaft" gehalten. Dem ist beizupflichten: Weshalb die durch die Vorinstanz bestätigte Reduktion des Tabellenwerts um 36 % angesichts der konkreten Verhältnisse zu gering sein resp. eine rechtsfehlerhafte (missbräuchliche, willkürliche oder sonstwie unhaltbare Ermessensausübung (vgl. BGE 137 V 71 E.
5.1 S. 72 f.; 132 V 393 E. 3.3 S. 399) darstellen sollte, ist nicht ersichtlich.
4.6 Die übrigen Faktoren der Anspruchsberechnung werden nicht beanstandet. Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz nicht Bundesrecht verletzt, indem sie ab 1. Mai 2010 die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens des Ehemannes in Höhe von Fr. 39'600.- bestätigt und folglich einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen verneint hat. Die Beschwerde ist unbegründet.
5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 2. Juli 2012
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Meyer
Die Gerichtsschreiberin: Dormann