Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4A 600/2015
Urteil vom 1. April 2016
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Klett, Niquille,
Gerichtsschreiber Brugger.
Verfahrensbeteiligte
A.________AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dieter Aebi,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Florian Rohrer,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Ausstand,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 24. September 2015.
Sachverhalt:
A.
B.________ (Kläger, Beschwerdegegner) und die A.________AG (Beklagte, Beschwerdeführerin) befinden sich vor dem Bezirksgericht Hinwil in einem arbeitsrechtlichen Forderungsprozess. Im Rahmen dieses Prozesses fand am 2. Dezember 2014 eine Beweisverhandlung statt. In der Verhandlung stellte der Rechtsvertreter der Beklagten ein Ausstandsbegehren gegen Bezirksrichterin Vontobel und begründete dies damit, dass sie dem Kläger keine Frage zu act. 22/8 gestellt habe und folglich nicht an der Aufklärung der Wahrheit interessiert sei. Die Bezirksrichterin nahm das Ausstandsbegehren zur Kenntnis und erläuterte, nicht befangen zu sein. Aus prozessökonomischen Gründen werde die Verhandlung weitergeführt und das Ausstandsbegehren werde im Anschluss an die Verhandlung dem Gesamtgericht vorgelegt.
Mit Beschluss vom 4. Dezember 2014 lehnte die Kanzleikommission des Bezirksgerichts das Ausstandsbegehren der Beklagten vom 2. Dezember 2014 ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde der Beklagten wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 25. März 2015 ab.
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2014, beim Bezirksgericht am 5. Dezember 2014 eingegangen, begründete die Beklagte ihr Ausstandbegehren vom 2. Dezember 2014 einlässlicher. Diese Eingabe der Beklagten wurde vom Bezirksgericht als weiteres Ausstandsgesuch entgegen genommen.
B.
Mit Beschluss vom 18. Juni 2015 wies die Kanzleikommission des Bezirksgerichts das zweite Ausstandsbegehren der Beklagten vom 4. Dezember 2014 ab.
Eine dagegen erhobene Beschwerde der Beklagten wies das Obergericht mit Urteil vom 24. September 2015 ab.
C.
Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und es sei anzuordnen, dass Bezirksrichterin Vontobel im Verfahren X am Bezirksgericht Hinwil in den Ausstand zu treten habe. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Der Beschwerdegegner beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Vorinstanz verzichtete auf eine Vernehmlassung. Die Beschwerdeführerin reichte eine Replik ein.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist der selbständig eröffnete Zwischenentscheid über den Ausstand einer Gerichtsperson, über das die Vorinstanz kantonal letztinstanzlich und auf Rechtsmittel hin entschieden hat (Art. 92 Abs. 1


Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der Hauptsache (BGE 137 III 380 E. 1.1 S. 382; 133 III 645 E. 2.2 S. 647 f.). In der Hauptsache geht es um einen arbeitsrechtlichen Forderungsprozess, der den für die Beschwerde in Zivilsachen erforderlichen Streitwert von Fr. 15'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. a



2.
2.1. Mit Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen nach Art. 95



Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2

2.2. Die Beschwerde ist innert der Beschwerdefrist vollständig begründet einzureichen (vgl. Art. 42 Abs. 1


2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1




Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18, 264 E. 2.3 S. 266; je mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2 S. 90). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1

Diese Grundsätze verkennt die Beschwerdeführerin, wenn sie unter dem Titel "Sachverhalt und Prozessgeschichte" bloss ihre eigene Sicht der Dinge schildert, ohne dabei Sachverhaltsrügen nach den oben genannten Grundsätzen zu erheben. Darauf kann nicht abgestellt werden.
3.
Vor der Vorinstanz berief sich die Beschwerdeführerin zur Begründung ihres Ausstandsgesuchs gegen die Bezirksrichterin auf den Ausstandsgrund nach Art. 47 Abs. 1 lit. f

Vor Bundesgericht beruft sich die Beschwerdeführerin nur noch auf letzteren Ausstandsgrund, dass die Bezirksrichterin in der Beweisverhandlung die besagte E-Mail als "Gschichtli" bezeichnet habe.
Die Vorinstanz erwog, das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Bezirksrichterin habe von einem "Gschichtli" gesprochen, erweise sich als verspätet. Die Beweisverhandlung habe am 2. Dezember 2014 stattgefunden. Das Protokollberichtigungsbegehren der Beschwerdeführerin und die Nennung dieses Ausstandsgrunds würden demgegenüber vom 22. Januar 2015 stammen. Ausstandsgesuche seien "unverzüglich" zu stellen, d.h. sobald die betroffene Person vom in Frage stehenden Ausstandsgrund Kenntnis erhalten habe (Art. 49 Abs. 1


Bezirksrichterin anlässlich der Verhandlung gemachten Äusserungen. Anders würde es sich z.B. dann verhalten, wenn beim Abhören der Tonbandaufnahme Äusserungen bekannt geworden wären, die ausserhalb der Verhandlung gefallen wären.
4.
4.1. Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, die Vorinstanz würde implizit vermuten, sie habe die "Gschichtli"-Äusserung bereits am 2. Dezember 2014 wahrgenommen. Mit ihrer "Nicht-Begründung" verletze die Vorinstanz die Begründungspflicht als Ausfluss ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.
4.2. Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Akts zur Sache zu äussern. Er verlangt von der Behörde, dass sie seine Vorbringen tatsächlich hört, ernsthaft prüft und in ihrer Entscheidfindung angemessen berücksichtigt. Dies gilt für alle form- und fristgerechten Äusserungen, Eingaben und Anträge, die zur Klärung der konkreten Streitfrage geeignet und erforderlich erscheinen (BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188 mit Hinweisen). Daraus folgt auch die Verpflichtung des Gerichts, seinen Entscheid zu begründen. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Sie muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt (BGE 141 III 28 E. 3.2.4 S. 41; 139 V 496 E. 5.1; 138 I 232 E. 5.1; je mit Hinweisen).
4.3. Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdeführerin bzw. ihr Rechtsvertreter habe "seit dem 2. Dezember 2014 Kenntnis der von der Bezirksrichterin Vontobel anlässlich der Verhandlung gemachten Äusserungen". Die Vorinstanz ging daher, entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, nicht bloss implizit davon aus, dass die Beschwerdeführerin bzw. ihr Rechtsvertreter seit dem 2. Dezember 2014 von der Bezeichnung der E-Mail als "Gschichtli" durch die Bezirksrichterin Kenntnis habe, sondern stellte dies mit Blick auf deren Teilnahme an der Beweisverhandlung vom 2. Dezember 2014 ausdrücklich fest. Die Vorinstanz nannte damit ihre wesentliche Überlegung, weshalb sie zum Schluss kam, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin vom 22. Januar 2015 verspätet sei. Damit erfüllte die Vorinstanz die aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör folgende Verpflichtung, ihren Entscheid zu begründen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht dargetan.
5.
5.1. Sodann rügt die Beschwerdeführerin eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz. Die Vorinstanz setze den Umstand, dass die Äusserung der Bezirksrichterin damals in der Verhandlung gefallen sei, fiktiv mit der Kenntnisnahme gleich. Offenbar gehe die Vorinstanz davon aus, dass sämtliche Bemerkungen innerhalb einer Verhandlung von den Parteien tatsächlich wahrgenommen würden oder aber zumindest als wahrgenommen zu gelten hätten. Das sei offensichtlich falsch. Die tatsächliche Kenntnisnahme sei erst mit der Anhörung der Aufnahme der Befragung des Beschwerdegegners im Januar 2015 erfolgt. Dafür würden klare "Indizien" sprechen: So werde weder in ihrem Ausstandsbegehren vom 2. Dezember 2014 noch in jenem vom 4. Dezember 2014 das "Gschichtli" erwähnt, obschon dieser Ausstandsgrund bei Kenntnis mit Sicherheit schon vorgebracht worden wäre. Sie und ihr Rechtsvertreter hätten sich sodann in der Beweisverhandlung am 2. Dezember 2014 auf die Aussagen des Beschwerdegegners und nicht auf die unsachlichen Bemerkungen der Bezirksrichterin konzentriert. Sodann seien die "Gschichtli"-Äusserungen auch nicht im Protokoll der Verhandlung vermerkt. Somit hätten sie auch bei Zustellung des Protokolls nichts bemerkt
und im Begehren um Zustellung der Tonbandaufnahme vom 24. Dezember 2014 einige andere Punkte, aber nicht die "Gschichtli"-Äusserung erwähnt. Sie hätten die Bezeichnung als "Gschichtli" in diesem Begehren sicherlich erwähnt, hätten sie davon Kenntnis gehabt.
5.2. Die Beschwerdeführerin vermag mit diesen Ausführungen die Feststellung der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin bzw. ihr Rechtsvertreter von der Bezeichnung der E-Mail vom 22. Juni 2011 als "Gschichtli" durch die Bezirksrichterin seit dem 2. Dezember 2014 Kenntnis haben, nicht als willkürlich auszuweisen. Zunächst genügt es nicht, wenn die Beschwerdeführerin lediglich vorbringt, sie bzw. ihr Rechtsvertreter hätten sich nicht auf die "unsachlichen Bemerkungen" der Bezirksrichterin in der Verhandlung konzentriert oder sie habe den Ausstandsgrund in ihren Eingaben vom 2., 4. und 24. Dezember 2014 nicht vorgebracht. Inwiefern es geradezu unhaltbar sein soll, dass die Vorinstanz aus der persönlichen Anwesenheit einer Partei und ihres Rechtsvertreters an der Beweisverhandlung auf die Kenntnisnahme von Äusserungen der Richterin während dieser Verhandlung schloss, legt die Beschwerdeführerin damit nicht dar.
Inwiefern die genannte Feststellung sodann offensichtlich unhaltbar sein soll, weil die Äusserung der Bezirksrichterin zunächst nicht im Protokoll aufgenommen wurde, vermag die Beschwerdeführerin nicht darzulegen, hat doch das Protokoll der Parteibefragung und Beweisaussage nur den "wesentlichen Inhalt" der Aussagen der Parteien zu enthalten (Art. 193


Damit ist im Folgenden von dem von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bzw. ihr Rechtsvertreter seit dem 2. Dezember 2014 Kenntnis von den von der Bezirksrichterin anlässlich der Beweisverhandlung gemachten Äusserungen hatte. Der Argumentation der Beschwerdeführerin, die auf der gegenteiligen Annahme beruht, dass ihr Rechtsvertreter von diesem Ausstandsgrund erst mit der Anhörung der Tonbandaufnahme im Januar 2015 tatsächlich Kenntnis erlangt haben soll, ist damit der Boden entzogen.
6.
6.1. Die Beschwerdeführerin macht schliesslich eine Verletzung der Ausstandsregeln nach Art. 47



6.2. Nach Art. 30 Abs. 1


Art. 47


6.3. Aus dem verbindlich festgestellten Sachverhalt der Vorinstanz ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin bzw. ihr Rechtsvertreter seit der Beweisverhandlung vom 2. Dezember 2014 Kenntnis von der Bezeichnung der E-Mail als "Gschichtli" durch die Bezirksrichterin hatte (vgl. Erwägung 5). Die Eingabe der Beschwerdeführerin mit Nennung dieses weiteren Ausstandsgrunds stammt vom 22. Januar 2015. Die Stellung eines Ausstandsbegehrens mehr als 50 Tage nach Kenntnis des allfälligen Ausstandsgrunds kann nicht mehr unter den Begriff "unverzüglich" nach Art. 49 Abs. 1

Ob aus Art. 51 Abs. 1

6.4. Da der Anspruch der Beschwerdeführerin verwirkt ist, braucht sodann nicht beurteilt zu werden, ob die Bezeichnung eines Beweismittels als "Gschichtli" durch einen Richter in einer Beweisverhandlung ein Ausstandsgrund begründen würde.
6.5. Schliesslich behauptet die Beschwerdeführerin nicht, zumindest nicht hinreichend, die ebenfalls als verletzt gerügten Verfassungsbestimmungen von Art. 30 Abs. 1


7.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1


Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. April 2016
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Kiss
Der Gerichtsschreiber: Brugger