VPB 61.32

(Auszug aus dem Beschwerdeentscheid der Rekurskommission EVD vom 14. Mai 1996 in Sachen W. gegen Schweizerischen Verband der Sozialversicherungs-Fachleute [SVS] und Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit; 95/4K-014)

Höhere Fachprüfung. Orientierung über den Prüfungsstoff. Abgabe von Hilfsmitteln. Nachvollziehbarkeit von Prüfung und Bewertung.

Mündliche Orientierung über den Prüfungsstoff.

Wird das Prüfungsgebiet nicht in der reglementarisch vorgesehenen Wegleitung umschrieben, sondern erst in einer mündlichen Orientierung konkretisiert, liegt ein Verfahrensmangel vor. Dieser beeinflusst das Prüfungsergebnis dann nicht ungünstig, wenn die Themenbereiche der Prüfung dem Inhalt der Orientierung entsprechen (E. 8).

Abgabe der für die Aufgabenlösung erforderlichen Hilfsmittel.

Werden in einer Prüfung die für gewisse Aufgabenteile erforderlichen Hilfsmittel nicht abgegeben, kann dieser Verfahrensmangel nicht mit einer milderen Bewertung geheilt werden (E. 9).

Nachvollziehbarkeit von Prüfungsablauf und -bewertung.

Damit die Beschwerdeinstanz überhaupt prüfen kann, ob die Bewertung einer Prüfungsleistung vertretbar ist, müssen sowohl der Ablauf als auch der Inhalt der Prüfung nachvollziehbar sein (E. 10).

Examen professionnel supérieur. Orientation sur la matière d'examen. Distribution du matériel auxiliaire. Possibilité de reconstituer l'examen et son évaluation.

Orientation orale sur la matière d'examen.

Il existe un vice de procédure lorsque la matière d'examen, au lieu d'être fixée dans les directives comme le prévoit le règlement, n'a fait l'objet que d'une orientation orale. Cependant, cette faute n'influence pas de manière défavorable le résultat de l'examen si les sujets choisis pour l'examen correspondent au contenu de cette orientation (consid. 8).

Distribution du matériel nécessaire à la résolution des devoirs.

Lorsqu'au cours d'un examen, le matériel nécessaire à la résolution de certaines parties des devoirs n'est pas distribué, le vice de procédure qui en résulte ne peut pas être réparé en modifiant l'appréciation (consid. 9).

Possibilité de reconstituer le déroulement et l'évaluation de l'examen.

Pour que l'autorité de recours soit en mesure d'examiner si l'évaluation de l'examen est soutenable, le déroulement de l'examen et son évaluation doivent pouvoir être reconstitués (consid. 10).

Esame professionale superiore. Informazioni relative alla materia d'esame. Rilascio di mezzi ausiliari. Ripercorribilità dell'esame e della sua valutazione.

Indicazioni orali relative alla materia d'esame.

Se la materia d'esame non viene circoscritta secondo il modo di procedere previsto dal regolamento, bensì unicamente in base ad indicazioni fornite oralmente, ciò costituisce un vizio di procedura. Tuttavia, tale mancanza non influisce sfavorevolmente sull'esito dell'esame, se le tematiche d'esame corrispondono nel contenuto a quanto indicato oralmente (consid. 8).

Rilascio dei mezzi ausiliari necessari alla risoluzione delle questioni d'esame.

Se durante una prova d'esame non vengono messi a disposizione i mezzi ausiliari indispensabili alla risoluzione di una parte delle questioni d'esame, ciò costituisce un vizio di procedura, che non può essere sanato mediante una più clemente valutazione dei risultati (consid. 9).

Ripercorribilità dello svolgimento dell'esame e della sua valutazione.

Sia lo svolgimento che la valutazione della prova d'esame devono poter essere ripercorsi, affinché l'autorità di ricorso sia davvero in grado di esaminare se la valutazione della prestazione d'esame sia o meno sostenibile (consid. 10).

Aus dem Sachverhalt:

W. legte im Herbst 1994 die höhere Fachprüfung für die Erlangung des eidgenössischen Sozialversicherungsdiploms ab. Da er die Schlussnote 3,8 erreichte, konnte ihm das Diplom nicht zuerkannt werden.

Eine gegen diesen Entscheid am 18. November 1994 eingereichte Beschwerde des W. wies das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (hiernach: Bundesamt) mit Entscheid vom 24. Februar 1995 ab.

Mit Verwaltungsbeschwerde vom 13. März 1995 gelangt W. an die Rekurskommission EVD und beantragt, es sei der angefochtene Prüfungsentscheid aufzuheben und die Streitsache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter seien die Fachnoten der schriftlichen Prüfung «Berufliche Vorsorge» und der mündlichen Prüfung «Aktuelle Sozialversicherungsfragen» auf mindestens eine genügende Note anzuheben und gestützt darauf sei ihm das Diplom zu erteilen.

Aus den Erwägungen:

(...)

7. Dem Beschwerdeführer wurde das eidgenössische Sozialversicherungsdiplom verweigert, weil er lediglich eine Schlussnote von 3,8 erreichte.

Gegen den negativen Prüfungsentscheid gelangte der Beschwerdeführer an das Bundesamt und gegen dessen Abweisungsentscheid an die Rekurskommission EVD und rügt in formeller Hinsicht, dass die Prüfungskommission entgegen Art. 6 Bst. a des Reglements vom 5. Januar 1990 über die höhere Berufsprüfung für das eidgenössische Sozialversicherungsdiplom (hiernach: Reglement, BBl 1990 I 1565) keine Wegleitung mit Umschreibung des Prüfungsgebietes aufgestellt habe. Weiter bringt er vor, in der schriftlichen Wahlfachprüfung «Berufliche Vorsorge» seien keine Gesetzestexte abgegeben worden. Schon aus diesen formalrechtlichen Gründen sei der angefochtene Prüfungsentscheid aufzuheben und allenfalls zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Materiell beanstandet der Beschwerdeführer die Bewertung der Leistung im Wahlfach «Berufliche Vorsorge» und beantragt eine Notenanhebung von 4,0 auf mindestens 4,5 oder 5,0 sowie die Erteilung einer mindestens genügenden Note in der mündlichen Prüfung «Aktuelle Sozialversicherungsfragen», welche mit der Fachnote 3,0 bewertet wurde. Gestützt auf diese Notenanhebungen sei ihm das Diplom zu erteilen.

7.1. Nach Art. 49
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 49 - Der Beschwerdeführer kann mit der Beschwerde rügen:
a  Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens;
b  unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes;
c  Unangemessenheit; die Rüge der Unangemessenheit ist unzulässig, wenn eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat.
des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) kann mit der Verwaltungsbeschwerde die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung gerügt werden. Dies gilt grundsätzlich auch für Beschwerden im Zusammenhang mit Berufsprüfungen und höheren Fachprüfungen.

7.2. Indessen auferlegt sich die Rekurskommission EVD in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGer und des Bundesrates nach ständiger Praxis bei der Bewertung von Prüfungsleistungen eine gewisse Zurückhaltung, indem sie in Fragen, die seitens der Verwaltungsjustizbehörden naturgemäss schwer überprüfbar sind, nicht ohne Not von der Beurteilung der erstinstanzlichen Prüfungsorgane und Experten abweicht (BGE 106 Ia 1 E. 3c, 105 Ia 190 E. 2a; VPB 56.16, 50.45 E. 2, 45.43 E. 2). Dies deshalb, weil der Rechtsmittelbehörde zumeist nicht alle massgebenden Faktoren der Bewertung bekannt sind und es ihr in der Regel nicht möglich ist, ein zuverlässiges Bild über die Gesamtheit der Leistungen des Beschwerdeführers in der Prüfung und der Leistungen der übrigen Kandidaten zu machen. Überdies haben Prüfungen häufig Spezialgebiete zum Gegenstand, in denen die Rechtsmittelbehörde über keine eigenen Fachkenntnisse verfügt. Eine freie Überprüfung der Examensbewertung würde zudem die Gefahr von Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten gegenüber andern Kandidaten in sich bergen. Daher hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass die Bewertung von schulischen Leistungen von der Rechtsmittelbehörde nicht frei, sondern nur mit Zurückhaltung zu
überprüfen sei (BGE 106 Ia 1 E. 3c mit Verweis aufMax Imboden / René A. Rhinow, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Basel 1986, Nr. 66 B IIa und d sowie Va, Nr. 67 B IIIc).

Weil es nicht Aufgabe der Beschwerdeinstanz sein kann, die Prüfung gewissermassen zu wiederholen, müssen an den Beweis der behaupteten Unangemessenheit gewisse Anforderungen gestellt werden. Die entsprechenden Rügen müssen von objektiven Argumenten und Beweismitteln getragen sein. Die Beschwerdeinstanz hebt einen Entscheid nur auf, wenn das Ergebnis materiell nicht mehr vertretbar erscheint, sei es, weil die Prüfungsorgane in ihrer Beurteilung eindeutig zu hohe Anforderungen gestellt haben oder, ohne übertriebene Anforderungen zu stellen, die Arbeit des Kandidaten offensichtlich unterbewertet haben (VPB 56.16 E. 2.1, 50.45 E. 2, 45.43 E. 2). Ergeben sich solche eindeutigen Anhaltspunkte nicht bereits aus den Akten, so kann von der Rechtsmittelbehörde nur dann verlangt werden, dass sie auf alle die Bewertung der Examensleistung betreffenden Rügen detailliert einzugehen hat, wenn der Beschwerdeführer selbst substantiiert und überzeugend Anhaltspunkte dafür liefert, dass eindeutig zu hohe Anforderungen gestellt oder die Prüfungsleistungen offensichtlich unterbewertet wurden.

Diese Zurückhaltung rechtfertigt sich allerdings nur bei der eigentlichen Bewertung von Prüfungsleistungen. Soweit dagegen die Auslegung und Anwendung von Rechtsvorschriften streitig ist oder Verfahrensmängel im Prüfungsablauf gerügt werden, hat die Rechtsmittelbehörde die erhobenen Einwendungen mit freier Kognition zu prüfen, andernfalls sie eine formelle Rechtsverweigerung begeht (BGE 106 Ia 1 E. 3c und VPB 45.43 E. 3; René A. Rhinow / Beat Krähenmann, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel 1990, Nr. 80 B I f). Ein Verfahrensmangel im Prüfungsablauf gilt aber nur dann als Beschwerdegrund im Sinne von Art. 49 Bst. a
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 49 - Der Beschwerdeführer kann mit der Beschwerde rügen:
a  Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens;
b  unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes;
c  Unangemessenheit; die Rüge der Unangemessenheit ist unzulässig, wenn eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat.
VwVG, der es rechtfertigt, die Beschwerde gutzuheissen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er das Prüfungsergebnis möglicherweise ungünstig beeinflusst hat (VPB 56.16 E. 4). Übte er jedoch unmöglich einen ungünstigen Einfluss aus, erschöpfte er sich mit anderen Worten in einem rein objektiven, den Beschwerdeführer subjektiv nicht belastenden Formfehler, so bildet dieser mangels eines Rechtsschutzinteresses des Beschwerdeführers in der Regel keinen Beschwerdegrund (VPB 50.45 E. 4.1).

8. Der Beschwerdeführer rügt in formeller Hinsicht, es fehle eine Wegleitung mit Umschreibung des Prüfungsgebietes der einzelnen Fächer. Aufgrund der fehlenden Wegleitung sei der Schwierigkeitsgrad höher einzustufen, was zu einer besseren Benotung, der Ausstellung eines neuen Notenblattes und damit zur Diplomerteilung führen müsse.

Dem Beschwerdeführer ist insoweit zu folgen, als Art. 6 Bst. a des Reglements vorschreibt, dass der Prüfungskommission die Aufstellung einer Wegleitung mit Umschreibung des Prüfungsgebietes der Fächer obliegt. Unbestritten hat die Prüfungskommission bis anhin keine solche Wegleitung ausgearbeitet. Das Fehlen einer Wegleitung stellt demnach eine mit voller Kognition zu untersuchende Verletzung des Prüfungsreglements, mithin einen Formfehler, dar. Dieser Verfahrensmangel rechtfertigt jedoch nur dann die Aufhebung des Prüfungsentscheides, wenn er geeignet war, das Prüfungsergebnis möglicherweise ungünstig zu beeinflussen (E. 7.3 in fine).

Hiefür sind jedoch keine Anhaltspunkte vorhanden. Denn es steht fest, dass die Kandidaten am ersten Tag des auch vom Beschwerdeführer besuchten freiwilligen Vorbereitungskurses über Inhalt und Umfang der Prüfung informiert worden sind. Ob darauf hingewiesen wurde, dass die Lernziele für die Berufsprüfung sinngemäss für das Wahlfach der höheren Fachprüfung gelten, kann offen bleiben. Denn unbestritten ist, dass das Prüfungsgebiet in dieser Orientierung umschrieben wurde. Der Einwand des Beschwerdeführers, die Orientierung habe lediglich eine Stunde gedauert und es sei nicht möglich, in so kurzer Zeit detailliert über ein derart grosses Fachgebiet wie die berufliche Vorsorge zu orientieren, geht fehl. Denn einerseits bleibt er - wie das Bundesamt zu Recht festgestellt hat - den Nachweis schuldig, dass anlässlich des Examens Sachgebiete geprüft worden sind, die über den Inhalt der mündlich erhaltenen Informationen hinausgegangen wären. Anderseits kann nicht behauptet werden, eine allenfalls schriftlich vorhandene Wegleitung würde vom Inhalt und Umfang her über die mündliche Orientierung hinaus zusätzliche Informationen enthalten. Da demnach das Prüfungsgebiet in der mündlichen Orientierung für alle Prüfungskandidaten in
gleicher Weise und ausreichend umschrieben worden ist und der Beschwerdeführer nicht behauptet, der Themenbereich der Prüfung decke sich nicht mit dem Inhalt der Orientierung, ist nicht erkennbar, in welcher Weise der Formfehler einen negativen Einfluss auf das Prüfungsergebnis hätte haben sollen oder die Prüfung wegen der fehlenden schriftlichen Wegleitung schwieriger gewesen wäre. Ebenso nicht nachvollziehbar ist der Einwand des Beschwerdeführers, die mündliche Orientierung sei willkürlich, haben doch für alle Kandidaten die gleichen Voraussetzungen gegolten. Schliesslich ist, entsprechend den Ausführungen des Bundesamtes, anzufügen, dass dem Beschwerdeführer schon vor der Prüfung die Möglichkeit offen gestanden wäre, allfällige Unklarheiten bezüglich Prüfungsstoff mit den Kursleitern abzuklären oder die Abgabe einer schriftlichen Information im Sinn von Art. 6 Bst. a Reglement zu verlangen. Dass er das Fehlen einer schriftlichen Wegleitung erst im Beschwerdeverfahren nach Erhalt des negativen Prüfungsentscheides rügt, verstösst gegen den Grundsatz des Handelns nach Treu und Glauben.

9. Weitere Einwände betreffen die schriftliche Wahlfachprüfung «Berufliche Vorsorge». Diesbezüglich bemängelt der Beschwerdeführer, es seien Gesetzestexte nicht abgegeben und es sei eine einseitige Gewichtung vorgenommen worden. Es handelt sich um Fragen, welche die Rekurskommission EVD frei prüft (vgl. E. 7.2).

9.1. Unbestritten ist, dass sich mehrere Fragen des schriftlichen Wahlfaches auf das neue Freizügigkeits- und Wohneigentumsgesetz bezogen haben und den Kandidaten die entsprechenden Rechtserlasse in der Prüfung nicht zur Verfügung gestellt worden sind. Abgegeben wurde lediglich die Textausgabe des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG). Die Prüfungskommission führte aus, bei der Korrektur der Arbeiten hätten die beiden Examinatoren festgestellt, dass gewisse Aufgabenteile ohne Vorlage der nicht abgegebenen Gesetzestexte nicht vollumfänglich hätten gelöst werden können.

Nach Art. 17 Reglement wird der Kandidat mit dem Entscheid über die Zulassung darüber unterrichtet, welche Unterlagen er in der Prüfung gebrauchen kann sowie dass das für die Prüfung erforderliche Material (von der Prüfungskommission) unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Indem die Kandidaten vor der Prüfung unbestritten nicht orientiert worden sind, sie könnten die fraglichen Gesetzestexte in der Prüfung gebrauchen - das Mitnehmen nicht bewilligter Unterlagen zieht den Ausschluss nach sich (Art. 17 Abs. 2 Reglement) - und in der Prüfung die für gewisse Aufgabenteile erforderlichen Gesetzestexte nicht abgegeben worden sind, liegt eine Reglementsverletzung vor. Es fragt sich, ob dieser Mangel geeignet war, einen ungünstigen Einfluss auf das Prüfungsergebnis auszuüben (vgl. E. 7.2).

9.1.1. Aktenkundig ist, dass die Examinatoren - nach Rücksprache mit der Prüfungsleitung - von der ursprünglich vorgesehenen Punkteverteilung abgewichen sind. Die Prüfungskommission führt diesbezüglich aus, dass alle sechs Kandidaten eine genügende Note erhalten hätten. Konkret sei das Punktetotal aller Aufgaben von 100 auf 55 Punkte reduziert, die Notenskala angepasst (0 Punkte = Note 1, 10 Punkte = Note 2, 20 Punkte = Note 3, 30 Punkte = Note 4, 40 Punkte = Note 5, 50 Punkte = Note 6) und jede Note um 0,5 Notenwerte erhöht worden, so dass die vom Beschwerdeführer erreichten 25 Punkte zwar einer Note von 3,5 entsprochen hätten, jedoch eine Fachnote von 4,0 ergeben haben. Die schriftliche Prüfung des Beschwerdeführers sei demnach äusserst wohlwollend bewertet worden. Gestützt darauf sind Bundesamt und Prüfungskommission der Meinung, mit der milderen Prüfungsbewertung sei der Verfahrensmangel geheilt worden. Der Beschwerdeführer habe den Nachweis nicht erbracht, dass ihm das Fehlen der Gesetzestexte Bewertungspunkte gekostet habe, mithin dieser Mangel einen Einfluss auf das Nichtbestehen der Prüfung bewirkt habe.

9.1.2. Diesem Standpunkt der Vorinstanzen kann nicht gefolgt werden. Denn aufgrund der Bewertungsanpassung erfolgte eine Leistungsbeurteilung, welche nicht mit der Benotung übereinstimmen muss, welche der Beschwerdeführer erhalten hätte, falls die schriftliche Prüfung unter lösbaren Anforderungen, das heisst mit den Gesetzestexten, durchgeführt worden wäre. Es lässt sich jedenfalls nicht ausschliessen, dass der Beschwerdeführer ein besseres als das aufgrund der milderen Bewertungsskala erreichte Resultat hätte erzielen können, falls die Gesetzestexte zur Verfügung gestellt worden wären. Zumindest ist die Annahme naheliegend, dass das Fehlen von Hilfsmitteln, welche für die Beantwortung von Teilen der Prüfungsfragen erforderlich sind, auch Auswirkungen auf die Beantwortung der anderen Fragen gehabt haben dürfte. Ein solcher Umstand ist gerade unter Berücksichtigung der besonderen psychischen Belastung einer Prüfung durchaus geeignet, einen Kandidaten aus dem Konzept zu bringen, allenfalls zu verwirren oder ihn zumindest unnötig Zeit verlieren zu lassen.

Bei dieser Sachlage kann aber nicht daran gezweifelt werden, dass sich der Verfahrensmangel - das Fehlen der für die Lösung einzelner Aufgaben notwendigen Hilfsmittel - auf den ganzen Prüfungsverlauf im schriftlichen Wahlfach störend ausgewirkt und damit nicht nur einen Einfluss auf die Fachnote, sondern auch auf die Schlussnote gehabt haben könnte. Da nicht feststellbar ist, welche Leistung der Beschwerdeführer bei Abgabe der erforderlichen Hilfsmittel erbracht hätte, ist die schriftliche Wahlfachprüfung «Berufliche Vorsorge» nicht zu werten und dem Beschwerdeführer ist die Möglichkeit zu geben, diese Teilprüfung mit Hilfe der für die Lösung der Aufgaben notwendigen Unterlagen zu wiederholen.

9.2. Der Beschwerdeführer wendet im Zusammenhang mit der schriftlichen Wahlfachprüfung «Berufliche Vorsorge» weiter ein, die Fragen über das Leistungsprimatsystem seien nicht Inhalt des abgegebenen Gesetzestextes und seien übermässig stark gewichtet worden. Demzufolge müsse seine Fachnote auf mindestens 4,5 oder 5,0 angehoben werden. Auf die Punktegewichtung und Benotung in der abgelegten schriftlichen Prüfung wäre, da diese Teilprüfung für die Diplomerteilung aus den obgenannten Gründen nicht gewertet werden kann, an sich nicht weiter einzugehen. Immerhin ist im Hinblick auf die Prüfungswiederholung festzuhalten, dass Gegenstand der schriftlichen Prüfung «Berufliche Vorsorge» grundsätzlich jener Sachbereich bildet, welcher von den Examinatoren im Orientierungskurs mündlich umschrieben worden ist. Sollten diesbezüglich beim Beschwerdeführer Unsicherheiten herrschen, hätte er die Möglichkeit, sich vor der Prüfungswiederholung bei der Prüfungskommission zu informieren (Art. 6 Bst. a Reglement). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers können die Examinatoren, wie das Bundesamt bereits festgehalten hat, innerhalb des Sachgebietes einer Fachprüfung jedoch frei bestimmen, welche Schwerpunkte sie prüfen wollen und wie die
Gewichtung erfolgen soll. Sie haben sich dabei lediglich an das von der Prüfungskommission für sämtliche Prüfungsfächer auszuarbeitende Prüfungsschema, in dem die wichtigsten Teilarbeiten und Prüfungspositionen samt Punktesystem vorgemerkt sind, zu halten (Art. 21 und 23 Abs. 1 Reglement) und das verfassungsmässig garantierte Gebot der rechtsgleichen Behandlung aller Kandidaten zu berücksichtigen.

10. Der Beschwerdeführer rügt im weiteren die Bewertung der mündlichen Fachprüfung «Aktuelle Sozialversicherungsfragen» und den Inhalt der Prüfungsnotizen der Examinatoren. So seien die in den Notizen angeführten Bemerkungen wie «schleppend» und «langatmig» keine qualifizierten Beurteilungen. Abgesehen davon würden die Notizen das Prüfungsgespräch nur unvollständig wiedergeben. Aufgrund des Prüfungsverlaufs und der wenigen Nachfragen sei er überzeugt gewesen, dass er mindestens eine genügende Fachnote erreicht habe.

10.1. Eine ausdrückliche Protokollierungspflicht geht aus dem Reglement nicht hervor. Jedoch hält dessen Art. 1 fest, dass die Prüfungskommission für sämtliche Prüfungsfächer ein Prüfungsschema auszuarbeiten hat, in dem die wichtigsten Teilarbeiten oder Prüfungspositionen vorgemerkt sind. Im vorliegend strittigen Prüfungsfach ist die Prüfungskommission dieser Pflicht nachgekommen und hat eine solche Prüfungsunterlage ausgearbeitet, welche für das Prüfungsfach «Aktuelle Sozialversicherungsfragen» fünf Seiten umfasst. Diese Unterlage enthält in einer ersten Spalte die Fragen, in der zweiten Spalte Musterantworten und die dritte Spalte wurde offen gelassen und mit «Bemerkungen» überschrieben.

Ob die Prüfungskommission aufgrund der offen gelassenen dritten Spalte davon ausgegangen ist, die Examinatoren hätten diese Unterlagen zumindest sinngemäss wie ein Prüfungsprotokoll zu gebrauchen, mithin eine eigentliche Protokollierungspflicht besteht, erscheint fraglich. Anlässlich der Prüfung angebrachte handschriftliche Ausführungen der Examinatoren sind jedoch zumindest als persönliche Notizen einzustufen, welche es den Examinatoren nach der Prüfung ermöglichen, eine Leistungsbeurteilung vorzunehmen und darüber hinaus ihnen erlauben sollten, sich in einem späteren Zeitpunkt über den Verlauf der Prüfung zu äussern.

Denn die Beschwerdeinstanz hat zu prüfen, ob die Bewertung der Leistung des Beschwerdeführers vertretbar erscheint, beziehungsweise ob die Examinatoren bei ihrer Beurteilung nicht zu hohe Anforderungen gestellt oder die Leistung offensichtlich unterbewertet haben (vgl. E. 7.2). Um eine solche Überprüfung überhaupt vornehmen zu können, muss sich die Beschwerdeinstanz ein Bild vom Prüfungsgeschehen machen können, so dass der Prüfungsablauf nachvollziehbar ist. Nur dann kann untersucht werden, ob die über das Notenergebnis hinausgehende nachträgliche Begründung der Examinatoren hinsichtlich der ungenügenden Note zu überzeugen vermag und die Leistungsbewertung damit als materiell vertretbar erscheint oder ob die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände eine gewisse Erheblichkeit aufweisen.

10.2. Die Prüfungsunterlage der Examinatoren enthält in der dritten Spalte Bemerkungen wie «schleppend», «langatmig», «nachfragend», «inkomplett», «1/2», «genügend», «schwach» oder «erst beim Nachhaken». Dabei handelt es sich zwar teilweise um Bewertungen der Leistung, überwiegend aber um Eindrücke der Examinatoren, welche Aufschluss über den Prüfungsablauf und über die Art und Weise, wie die Antworten erfolgten, geben. Diese Feststellungen, ob die Antworten spontan oder zögernd erfolgten oder ob es gar einer Hilfeleistung der Examinatoren bedurfte, spielen bei der Bewertung einer mündlichen Prüfung eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund ist es durchaus zulässig, wenn die Examinatoren solche Eindrücke festhalten. Darüber hinaus enthalten die Unterlagen jedoch keine Einträge, welche den Prüfungsablauf auch inhaltlich zumindest in den Grundzügen nachvollziehbar machen würden. Auch im Rahmen der durch das Bundesamt durchgeführten Instruktion führte die Prüfungskommission lediglich anhand von wenigen Beispielen aus, dass die Bewertung der Leistung gerechtfertigt sei. Die Stellungnahme erschöpfte sich in der Aussage, dass der Beschwerdeführer die Fragen nicht, nicht überzeugend, nur ansatzweise oder lediglich mit Hilfestellung
habe beantworten können. Eine eigentliche zumindest stichwortartige und überzeugende Wiedergabe der Prüfung - insbesondere der Antworten - durch die Examinatoren liegt nicht vor.

Damit vermögen die Ausführungen der Prüfungskommission die mündliche Prüfung nicht ausreichend wiederzugeben. Denn weiterhin ist nicht ersichtlich, wie die Antworten auf die einzelnen Fragen ausgefallen sind. Bei dieser Sachlage war weder der Beschwerdeführer noch ist die Rekurskommission EVD in der Lage, zu erkennen, welche Wissensmängel zur ungenügenden Leistungsbeurteilung geführt haben sollen. Gestützt darauf ist festzustellen, dass sowohl Ablauf als auch Bewertung der mündlichen Fachprüfung «Aktuelle Sozialversicherungsfragen» nicht nachvollziehbar sind. Demzufolge ist dem Beschwerdeführer auch in diesem Prüfungsfach die Möglichkeit einzuräumen, die Prüfung zu wiederholen.

11. Zusammenfassend kommt die Rekurskommission EVD zum Schluss, dass die Beschwerde insoweit gutzuheissen ist, als die angefochtenen Entscheide des

Bundesamtes und der Prüfungskommission aufzuheben sind und die Streitsache an die Prüfungskommission zurückzuweisen ist. Die Prüfungskommission hat dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu geben, die schriftliche Prüfung «Berufliche Vorsorge» und die mündliche Prüfung «Aktuelle Sozialversicherungsfragen» zu wiederholen. Anschliessend hat die Prüfungskommission über die Diplomerteilung zu entscheiden und ein neues Prüfungszeugnis auszustellen.

Dokumente der REKO/EVD