TPF 2009 173, p.173

39. Auszug aus dem Entscheid der I. Beschwerdekammer in Sachen A. gegen Bundesanwaltschaft vom 3. November 2009 (BB.2009.65)

Geschädigter; Beschwerdelegitimation.

Art. 34 , 106 Abs. 1bis BStP

Macht der Betroffene im Rahmen des Bundesstrafverfahrens gegenüber dem Beschuldigten keine privatrechtlichen Ansprüche geltend, so kommt ihm auch keine Parteistellung als Geschädigter zu (E. 2.1 und 2.2).
Die Einreichung einer Klage gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft gestützt auf die Bestimmungen des Verantwortlichkeitsgesetzes stellt keine Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche im Sinne von Art. 34 BStP dar (E. 2.3).

Lésé; qualité pour recourir.

Art. 34, 106 al. 1bis PPF

Lorsque, dans la procédure pénale fédérale, la personne concernée ne fait valoir aucune prétention civile à l'égard de l'inculpé, elle n'acquiert pas la qualité de partie en tant que lésé (consid. 2.1 et 2.2).
Le dépôt d'une action contre la Confédération suisse en vertu des dispositions de la loi sur la responsabilité de la Confédération ne vaut pas constitution de partie civile au sens de l'art. 34 PPF (consid. 2.3).

Parte lesa; legittimazione a ricorrere.

Art. 34, 106 cpv. 1bis PP

Se la persona toccata non fa valere alcuna pretesa di diritto privato nei confronti dell'imputato nell'ambito della procedura penale federale, essa non può nemmeno assumere il ruolo di parte lesa (consid. 2.1 e 2.2).
Proporre un'azione contro la Confederazione Svizzera in base alle disposizioni della legge sulla responsabilità non equivale a fare valere delle pretese di diritto privato ai sensi dell'art. 34 PP (consid. 2.3).

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Zusammenfassung des Sachverhalts:

Infolge einer u. a. durch A. eingereichten Strafanzeige wurde gegen den stellvertretenden Bundesanwalt C. und die Staatsanwälte des Bundes D. und E. ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Amtsgeheimnisverletzung, der versuchten Nötigung sowie der rechtswidrigen Vereinigung eröffnet. Am 24. Juni 2009 verfügte der a.o. Staatsanwalt des Bundes gestützt auf Art. 106 Abs. 1 BStP die Einstellung dieses Verfahrens. A. gelangte daraufhin mit Beschwerde an die I. Beschwerdekammer und verlangte die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens.
Die I. Beschwerdekammer trat auf die Beschwerde nicht ein.

Aus den Erwägungen:

2.
2.1 Partei im Bundesstrafverfahren ist u. a. der Geschädigte, wenn er privatrechtliche Ansprüche aus der strafbaren Handlung geltend macht (Art. 34 BStP). Als Geschädigter gilt diejenige Person, welche durch eine strafbare Handlung einen unmittelbaren Nachteil in ihren rechtlich geschützten Interessen erlitten hat bzw. welcher im Falle einer versuchten strafbaren Handlung ein entsprechender Nachteil drohte und welche die Verurteilung des Beschuldigten auf Ersatz des ihr hieraus entstandenen Schadens verlangt (Entscheide des Bundesstrafgerichts BB.2007.62 vom 19. Dezember 2007, E. 2.1; BB.2007.31 vom 6. August 2007, E. 2; BB.2006.128 vom 31. Januar 2007, E. 3.1; BB.2005.51 vom 12. Dezember 2005, E. 3.1; PIQUEREZ, Traité de procédure pénale suisse, 2. Aufl., Genf/Zürich/Basel 2006, N. 508). Um zur Erhebung einer Beschwerde im Rahmen eines Bundesstrafverfahrens berechtigt zu sein, muss sich der Geschädigte als Zivilpartei konstituieren, bevor die Einstellung des Strafverfahrens verfügt wird (TPF 2007 42 E. 1.3; vgl. in diesem Sinne auch Entscheid des Bundesstrafgerichts SK 011/04 vom 13. Dezember 2004, lit. B, wonach der Verzicht auf Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche ohne weiteres den Verlust der Parteistellung im Bundesstrafverfahren nach sich zieht).

2.2 Der Beschwerdeführer hat im Rahmen des nunmehr eingestellten Ermittlungsverfahrens keine privatrechtlichen Ansprüche geltend gemacht; solches wird von ihm auch nicht behauptet. Nach dem Gesagten kommt ihm

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grundsätzlich keine Parteistellung als Geschädigter im Sinne von Art. 34 BStP und somit auch keine Beschwerdelegitimation im Sinne von Art. 106 Abs. 1bis BStP zu. (...)

2.3 Der Beschwerdeführer hat beim Bundesgericht gestützt auf Art. 6 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz, VG; SR 170.32) gegen den Bund Klage auf Genugtuung aufgrund der angeblich durch C., D. und E. begangenen Persönlichkeitsverletzung erhoben. Nach Auffassung des Beschwerdeführers genügt die Geltendmachung eines solchen Anspruchs beim Bundesgericht, um Parteistellung im Sinne von Art. 34 BStP zu begründen. Im Kern handle es sich bei der geltend gemachten Klageforderung um einen privatrechtlichen Anspruch gemäss Art. 28a Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 28a - 1 Der Kläger kann dem Gericht beantragen:
1    Der Kläger kann dem Gericht beantragen:
1  eine drohende Verletzung zu verbieten;
2  eine bestehende Verletzung zu beseitigen;
3  die Widerrechtlichkeit einer Verletzung festzustellen, wenn sich diese weiterhin störend auswirkt.
2    Er kann insbesondere verlangen, dass eine Berichtigung oder das Urteil Dritten mitgeteilt oder veröffentlicht wird.
3    Vorbehalten bleiben die Klagen auf Schadenersatz und Genugtuung sowie auf Herausgabe eines Gewinns entsprechend den Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag.
ZGB i.V.m. Art. 49
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 49 - 1 Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
1    Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist.
2    Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.
OR. Nur weil der Genugtuungsanspruch aus staatspolitischen Gründen nicht gestützt auf privatrechtliche Normen im Strafverfahren geltend gemacht werden könne, sondern beruhend auf das öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeitsgesetz beim Bundesgericht eingeklagt werden müsse, dürfe vorliegend die Legitimation zur Beschwerde nicht verneint werden. Unter dem Begriff ,,privatrechtliche Ansprüche" sei unter den gegebenen, besonderen Umständen auch die vom Beschwerdeführer beim Bundesgericht gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft eingeklagte Genugtuungsforderung zu subsumieren.
Bei Geltendmachung von privatrechtlichen Ansprüchen im Strafverfahren macht ein Geschädigter von seinem Recht auf ein Adhäsionsverfahren Gebrauch, so dass über seine zivilrechtlichen Forderungen im Strafverfahren selbst, im sog. Adhäsionsprozess, entschieden wird. Der Adhäsionsprozess ist vom Bestand des Strafprozesses abhängig und der Strafrichter stützt sich im Zivilpunkt auf die im Strafverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen (HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl., Basel 2005, S. 146 f. N. 12 ff.). Der Geschädigte, der ein Adhäsionsverfahren anstrebt, ist angewiesen auf das Zustandekommen eines Strafverfahrens. Dagegen sind Geschädigte, die ihre zivilrechtlichen Ansprüche anderweitig als im Rahmen eines Strafverfahrens geltend machen, nicht abhängig vom Ausgang des entsprechenden Strafprozesses. Hieraus wird klar, weshalb Art. 34 BStP nur einem Geschädigten, der durch die Geltendmachung von privatrechtlichen Ansprüchen seinen Willen zur Durchführung eines Adhäsionsverfahrens bekundet, die Parteistellung einräumt und ihm damit gewisse Mitwirkungsrechte im Strafverfahren zukommen lässt. Da im vorliegenden

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Fall der Anspruch des Beschwerdeführers aufgrund seines öffentlichrechtlichen Charakters nicht adhäsionsweise im Strafverfahren geltend gemacht wurde bzw. nicht geltend gemacht werden kann, ist die Beurteilung des Genugtuungsanspruchs auch nicht vom Ausgang des Strafverfahrens abhängig. Das Bundesgericht wird ohne Rücksicht auf das Strafverfahren über die Genugtuungsforderung urteilen (Art. 120 Abs. 1 lit. c
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 120 - 1 Das Bundesgericht beurteilt auf Klage als einzige Instanz:
1    Das Bundesgericht beurteilt auf Klage als einzige Instanz:
a  Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehörden und kantonalen Behörden;
b  zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Bund und Kantonen oder zwischen Kantonen;
c  Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung aus der Amtstätigkeit von Personen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben a-cbis des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 1958103.
2    Die Klage ist unzulässig, wenn ein anderes Bundesgesetz eine Behörde zum Erlass einer Verfügung über solche Streitigkeiten ermächtigt. Gegen die Verfügung ist letztinstanzlich die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig.
3    Das Klageverfahren richtet sich nach dem BZP104.
BGG). Insofern erleidet der Beschwerdeführer keinerlei Nachteil aus dem fehlenden Zusammenhang zum Ermittlungsverfahren, auf das er sich in seiner Klage vom 15. Mai 2009 zu Recht auch nicht beruft. Es besteht deshalb keine Notwendigkeit, den Begriff ,,Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche" gemäss Art. 34 BStP auf Verfahren ausserhalb des Bundesstrafverfahrens auszuweiten und so dem Beschwerdeführer die Parteistellung im Strafprozess einzuräumen.

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