Urteilskopf

87 II 117

17. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Februar 1961 i.S. Schweizerische Bundesbahnen gegen Brenzikofer.
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 118

BGE 87 II 117 S. 118

A.- Der Kläger Brenzikofer liess am 22. Juni 1958 durch die SBB zwei Springpferde, die von zwei Wärtern begleitet waren, von La Chaux-de-Fonds nach Biel befördern. Beim Rangieren des Wagens im Bahnhof Biel versagten die Bremsen, weil, wie sich nachträglich herausstellte, ein Bremsgestängebolzen herausgefallen war. Der auf dem Güterwagen befindliche Rangierarbeiter verlor die Herrschaft über diesen und sprang ab. Der Führer der bereitstehenden Rangierlokomotive versuchte den Wagen fahrend aufzufangen. Dies gelang ihm, doch prallte der Güterwagen heftig gegen die Lokomotive. Die beiden Pferde wurden gegeneinander und gegen die Wagenwand geworfen, kamen zu Fall und erlitten leichte Verletzungen. In der Folge stellte sich beim einen von ihnen, dem Springpferd "Alpenperle", akuter Starrkrampf ein, und es musste am 30. Juni 1958 abgetan werden.
B.- Der Eigentümer Brenzikofer belangte die SBB auf Schadenersatz. Die Beklagten bestritten ihre Haftpflicht.
C.- Der Appellationshof des Kantons Bern, III. Zivilkammer, schützte mit Urteil vom 23. Mai 1960 die Klage im Betrage von Fr. 29 785.80 nebst 5% Zins seit 1. Juli 1958.
D.- Mit der vorliegenden Berufung beantragen die Beklagten die Abweisung der Klage. Der Kläger stellt den Antrag auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreites sind die Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Transport auf Eisenbahnen und Schiffen (ETrG) vom 11. März
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1948 (AS 1949 I S. 563 ff.), sowie des in Ausführung des genannten Gesetzes erlassenen Transportreglements (Tr-Regl) vom 24. Juni 1949 (AS 1949 I S. 581 ff.) massgebend. Da die in diesen Erlassen getroffene Haftungsregelung im wesentlichen mit der im internationalen Abkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM) vom 25. Oktober 1952 (AS 1952 S. 200 ff.) vorgesehenen Ordnung übereinstimmt, können für die Beurteilung auch das Schrifttum und die Rechtsprechung zu diesem Abkommen herangezogen werden.
2. Nach Art. 34 ETrG gelten für die Beförderung von lebenden Tieren die Bestimmungen über die Beförderung von Gütern, soweit das Transportreglement dafür keine besonderen Bestimmungen enthält. Bei der Beförderung von Gütern haftet gemäss Art. 48 Abs. 1 ETrG die Eisenbahn "für den Schaden, der durch gänzlichen oder teilweisen Verlust oder durch Beschädigung des Gutes... entsteht, wenn sie nicht beweist, dass der Schaden durch ein Verschulden oder durch eine nicht von ihr verschuldete Anweisung des Verfügungsberechtigten, durch besondere Mängel des Gutes (innerer Verderb, Schwinden, gewöhnlicher Rinnverlust usw.) oder durch Umstände herbeigeführt worden ist, die sie nicht abzuwenden und denen sie auch nicht abzuhelfen vermochte". Bei dieser Haftung der Bahn handelt es sich nach allgemein anerkannter Auffassung um eine Kausalhaftung, von der sich die Bahn nur durch den in der genannten Vorschrift vorbehaltenen Entlastungsbeweis befreien kann. Art. 48 Abs. 3 ETrG sodann bestimmt, dass im Transportreglement bei besonderen Gefahren eine Einschränkung der Haftung der Bahn angeordnet werden soll. Für den Gütertransport im allgemeinen wird die Haftung der Bahn in Art. 174 ff. TrRegl geordnet, und in Art. 178 wird insbesondere in Ausführung von Art. 48 Abs. 3 ETrG die Einschränkung der Haftung bei besonderen Gefahren umschrieben. In den Sondervorschriften des Transportreglements über

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die Beförderung lebender Tiere (Art. 102 ff.) wird bezüglich der Haftung der Bahn in Art. 122 Abs. 1 zunächst auf die oben genannten allgemeinen Vorschriften der Art. 174 ff. hingewiesen und sodann in Abs. 2 bestimmt: "Die Eisenbahn haftet nicht für Schäden, die aus der einen oder der beiden nachgenannten Ursachen entstehen: a) aus der für lebende Tiere mit ihrer Beförderung verbundenen besonderen Gefahr; b) aus der Gefahr, deren Abwendung durch die Begleitung bezweckt wird, wenn die Tiere nach den Bestimmungen dieses Reglements oder des Tarifs oder nach einer in den Frachtbrief aufgenommenen Vereinbarung begleitet werden müssen." Art 122 Abs. 3 TrRegl. endlich lautet:
"Konnte nach den Umständen des Falles ein Schaden aus einer oder beiden der in Abs. 2 erwähnten Ursachen entstehen, so wird bis zum Nachweis des Gegenteils durch den Berechtigten vermutet, dass der Schaden hieraus entstanden ist."
3. Da es sich im vorliegenden Falle um den Transport lebender Tiere handelte, haben die Beklagten auf Grund der zu ihren Gunsten in Art. 122 Abs. 3 TrRegl aufgestellten Vermutung lediglich zu beweisen, dass der eingetretene Schaden durch die besondere Gefahr, die für lebende Tiere mit der Beförderung verbunden ist, verursacht worden sein konnte. Dass ein solcher Kausalzusammenhang tatsächlich besteht oder auch nur wahrscheinlich ist, braucht die Bahn dagegen nicht darzutun; es genügt der Nachweis der blossen Möglichkeit, dass nach den Umständen des Falles die besondere Transportgefahr als Schadenursache in Betracht kommt (NANASSY, Das internationale Eisenbahnfrachtrecht, 1956, Art. 28 § 2, S. 569 f.). Gelingt der Bahn dieser Nachweis, so ist sie von der Haftung befreit, soweit der Ansprecher nicht seinerseits zu beweisen vermag, dass der Schaden in Wirklichkeit auf eine andere Ursache zurückzuführen ist, also nicht auf der Verwirklichung einer mit dem Transport lebender Tiere verbundenen besonderen Gefahr beruht (NANASSY, S. 570 Ziff. 3). Erbringt der Ansprecher den Beweis für eine solche anderweitige Schadensverursachung, so fällt die zu Gunsten der
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Bahn aufgestellte Vermutung dahin und es greift ihre grundsätzliche Kausalhaftung uneingeschränkt Platz.
4. Die Voraussetzung, dass nach den Umständen die mit der Beförderung lebender Tiere verbundene besondere Gefahr als Schadensursache in Betracht kommen könnte, ist im vorliegenden Fall erfüllt. Die in Art. 122 Abs. 2 TrRegl vorgesehene Haftungsbeschränkung beruht auf dem Gedanken, dass Tiere wegen ihrer Natur als Lebewesen bei der Beförderung von besonderen Gefahren bedroht werden, denen leblose Güter nicht ausgesetzt sind. Die Tiere müssen, um am Leben zu bleiben, atmen können, ernährt und gewartet werden, und bedürfen auch einer gewissen Bewegungsmöglichkeit. Diese elementaren Lebenssbedingungen müssen ihnen auch während der Beförderung mit der Bahn gesichert sein. Wegen der Möglichkeit, dass die hierfür notwendigen Vorkehren unterbleiben könnten, besteht die Gefahr, dass die Tiere durch Erkrankung, Ersticken, Verhungern oder Verdursten zu Grunde gehen. Sodann machen die ungewohnten Eindrücke des Transportes die Tiere scheu und unruhig, was sich für sie selbst und für andere mitbeförderte Tiere verhängnisvoll auswirken kann; es besteht die Gefahr, dass sie sich losreissen und entspringen, oder durch Beissen, Stossen, Ausschlagen, Zertreten sich selbst oder einander verletzen können. Endlich verfügen lebende Tiere über eine geringere Standfestigkeit als leblose Güter, die entsprechend gesichert werden können; die Tiere sind daher in vermehrtem Masse als andere Güter der Gefahr ausgesetzt, durch Erschütterungen, die sich beim Bahnbetrieb allgemein und insbesondere beim Rangieren nicht vermeiden lassen, zu Fall zu kommen, wobei sie Verletzungen erleiden oder gar getötet werden können (NANASSY, Art. 27 § 3 S. 560 f.). Vor allem Pferde können wegen ihres schlechten Stehvermögens schon durch einen verhältnismässig leichten Stoss zum Umfallen gebracht werden (Zeitschrift für den internationalen Eisenbahnverkehr [ZIE] Bd. 51 [1943] S. 271).
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Da im vorliegenden Falle der streitige Schaden im Zusammenhang mit einem Rangiermanöver eingetreten ist, können die Beklagten zunächst für sich die Vermutung in Anspruch nehmen, die in der mangelnden Standfestigkeit im allgemeinen bestehende besondere Tiergefahr habe die Schadensursache gebildet.
5. Die zu Gunsten der Beklagten bestehende Vermutung, die, bliebe sie aufrecht, zur Haftbefreiung führen würde, fällt hier jedoch dahin, weil feststeht, dass der Schaden auf eine andere Ursache als eine der im Wesen der beförderten Tiere liegende besondere Gefahr zurückzuführen ist. a) Beim Anprall, der zum Sturze der im Güterwagen befindlichen beiden Pferde führte, handelte es sich nicht um einen blossen Rangierstoss, wie er auch beim normalen Rangierverkehr häufig vorkommt, sondern um einen eigentlichen Rangierunfall. Ausgangspunkt der Kausalreihe, die schliesslich zum Schadenseintritt führte, bildete nämlich, wie nicht streitig ist, die Tatsache, dass am Güterwagen, in welchem die Pferde befördert wurden, ein Bremsgestängebolzen herausfiel. Dieser technische Defekt hatte zur Folge, dass die Bremsen, die bei der vor dem Abstossen des Wagens vorgenommenen Bremskontrolle noch einwandfrei funktioniert hatten, versagten, als der Rangierarbeiter sie bei der Annäherung an die bereitstehende Rangierlokomotive betätigen wollte. Der Arbeiter verlor daher nach den Feststellungen der Vorinstanz die Herrschaft über den Wagen und sprang ab, um sich vor dem drohenden Zusammenstoss in Sicherheit zu bringen. Dessen Heftigkeit konnte nun zwar durch das geistesgegenwärtige Eingreifen anderer Bahnbeamter einigermassen gemildert werden. Der Sous-Chef Staub, der das Rangiermanöver beaufsichtigte, vermutete ein Versagen der Bremsen, als er den Wagen mit unverminderter Geschwindigkeit, d.h. mit ca. 10-15 km, auf die Rangierlokomotive zufahren sah; er gab deshalb dem Führer der Lokomotive den Befehl, wegzufahren und den entlaufenen Wagen fahrend
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aufzufangen. Dieses Manöver gelang an sich; aber nach den Feststellungen der Vorinstanz prallte der Wagen gleichwohl "sehr brüsk", also mit grosser Wucht, auf die Lokomotive auf. b) Der eingetretene Schaden ist somit letzten Endes auf den geschilderten Bremsdefekt zurückzuführen. Das lässt die Berufungsschrift der Beklagten völlig ausser acht, indem sie von einer blossen "Rangierunregelmässigkeit", einem "sog. Rangierstoss" spricht. Im weiteren setzt sich die Berufungsschrift mit dem durch die Vorinstanz verbindlich festgestellten Sachverhalt in Widerspruch, wenn sie ausführt, die "Alpenperle" sei nicht das Opfer eines besonders heftigen Rangierstosses, sondern nur eines leichteren Aufpralls geworden. Nach den Feststellungen der Vorinstanz prallte der Güterwagen "sehr brüsk" mit der Lokomotive zusammen. Die Beklagten berufen sich für ihre Darstellung, wonach es sich lediglich um einen "leichteren Anprall" gehandelt hätte, auf die Geringfügigkeit der Verletzungen der Tiere, auf den Umstand, dass keine Entgleisung erfolgte und auf das Fehlen von Schäden am Güterwagen und an der ihn auffangenden Lokomotive. Diese Ausführungen bedeuten jedoch eine nach Art. 55 Abs. 1 lit. c OG unzulässige Diskussion des Sachverhalts. Welche Schlussfolgerungen aus den von den Beklagten genannten Umständen hinsichtlich der Stärke des Zusammenstosses zu ziehen seien, hatte der kantonale Richter auf dem Wege der ihm vorbehaltenen Beweiswürdigung zu entscheiden, und seine Feststellung, es habe sich um einen "sehr brüsken", d.h. wuchtigen Zusammenstoss gehandelt, ist daher für das Bundesgericht verbindlich und muss auch von den Beklagten hingenommen werden. c) Da der geschilderte Bremsdefekt die massgebende Ursache für den heftigen Zusammenstoss und den dadurch herbeigeführten Sturz der beförderten Pferde bildete, ist den Beklagten jede Berufung auf die besondere Gefahr des Transportgutes verwehrt; denn für Materialfehler und deren Folgen hat die Bahn nach den Grundsätzen der Kausalhaft
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uneingeschränkt einzustehen, da sie in den von ihr zu vertretenden Gefahrenbereich fallen. Mit dieser Betrachtungsweise steht auch die ausländische Rechtsprechung im Einklang. So hat das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 14. März 1940 (veröffentlicht in ZIE Bd. 53 [1945] S. 262 ff.) eine Haftung der Bahn verneint, weil der Kläger (im Gegensatz zum vorliegenden Fall) nicht beweisen konnte, dass der durch einen Rangierstoss herbeigeführte Schaden aufeine andere Ursache als die besondere Transportgefahr von lebenden Tieren zurückzuführen war. Besonders instruktiv ist sodann das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 1942 (ZIE Bd. 50 [1942] S. 418 ff.). In dem dort zu beurteilenden Falle waren zwei Pferde je mit einem Hinterfuss durch die Bodendiele des Güterwagens durchgebrochen. Das Gericht bezeichnete die Frage nach der Ursache des Durchbrechens der Diele als ausschlaggebend. Auf Grund des Beweisergebnisses stellte das Gericht fest, es sei nicht dargetan, dass die Dielen morsch, zu dünn oder an sich untauglich gewesen seien. Dagegen bezeichnete es das Gericht als naheliegend, dass die durch den Bahntransport aufgeregten Pferde heftig gestampft haben könnten; die Wucht eines solchen ein- oder mehrmaligen Aufstampfens sei ausserordentlich stark und vermöge unter Umständen auch ein dickes Brett zu durchbrechen. Wegen der Möglichkeit einer solchen Verwirklichung der besonderen Transportgefahr von Pferden wurde die Schadenersatzklage des Pferdeeigentümers abgewiesen. Aus der dargelegten Begründung erhellt, dass die Bahn beim Vorliegen technischer Mängel des Wagens (Morschheit oder ungenügende Dicke der Diele) ohne Rücksicht auf die nach der Natur des Transportgutes bestehende Möglichkeit des Durchschlagens auch einer mängelfreien Diele ersatzpflichtig erklärt worden wäre. d) Da wegen des Nachweises einer anderen Ursache (Bremsdefekt) eine Haftbefreiung der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der besonderen Transportgefahr lebender Tiere grundsätzlich ausscheidet, können die Beklagten
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auch nicht einwenden, der von ihnen zu vertretende Zusammenstoss sei nicht heftiger gewesen als ein gewöhnlicher Rangierstoss, für dessen Folgen sie nach Lehre und Rechtsprechung nicht einzustehen hätten. Ebenso kann bei dieser Rechtslage die in Schrifttum und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortete Frage dahingestellt bleiben, ob die Bahn sich nur bei Schäden aus gewöhnlichen Rangierstössen auf den Haftbefreiungsgrund der besonderen Tiergefahr berufen könne, oder ob dies selbst bei Rangierstössen von aussergewöhnlicher Stärke zulässig sei. e) Der Entscheid der Vorinstanz, dass die Beklagten dem Kläger grundsätzlich haften, verstösst somit entgegen der Meinung der Berufung nicht gegen Bundesrecht.
6. Die Beklagten machen weiter geltend, die Vorinstanz habe Bundesrecht dadurch verletzt, dass sie das Bestehen eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen den vom Unfall vom 22. Juni 1958 herrührenden Verletzungen des Pferdes "Alpenperle" und dessen Eingehen bejahte. a) Die Vorinstanz nahm auf Grund des von ihr bei Prof. Leemann, Zürich, eingeholten Gutachtens und der vom Experten dazu gemachten mündlichen Ergänzungen an, dass sich das Pferd "Alpenperle" anlässlich des Sturzes beim Manövrierunfall eine Ballenhornverletzung zuzog. Vom Ballenhornabriss sei dann eine Tetanusinfektion ausgegangen. Die Tetanuserkrankung hätte trotz sorgfältiger kunstgerechter Behandlung und Pflege des Pferdes seit der Verletzung bis zur Einlieferung in das Tierspital nicht erkannt oder durch Impfung in ihrem Verlauf gehindert werden können. Der Tetanus habe dann unbestrittenermassen zur Notschlachtung des Pferdes geführt; sie sei die gegebene Massnahme gewesen, weil das Tier nicht mehr hätte gerettet werden können. Gestützt auf die Erklärungen des Sachverständigen hat die Vorinstanz entschieden, dass die adäquate Kausalitätskette zwischen dem Manövrierunfall und der Abschlachtung des Pferdes als lückenlos und geschlossen betrachtet werden müsse.
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b) Die dieser Schlussfolgerung der Vorinstanz notwendigerweise zu Grunde liegende Annahme des natürlichen Kausalzusammenhangs ist, weil es sich dabei um eine Tatfrage handelt, für das Bundesgericht verbindlich. Vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsfrage ist dagegen, ob die Notschlachtung des Pferdes zu dem von der Beklagten zu vertretenden Rangierunfall in einem adäquaten Verhältnis stehe und darum auch rechtserheblich sei (BGE 83 II 410 f., BGE 80 II 342). Die Beklagten bestreiten dies. Sie führen aus, von verschiedenen Unfallursachen seien Ursachen, welche nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge neben anderen wichtigeren Ursachen in den Hintergrund träten, nicht mehr adäquat. Vorliegend trete die Betriebsgefahr der Eisenbahn als Schadenursache im Vergleich zur Schadensselbstzufügung des Tieres (Ballenriss) und der sich daraus entwickelnden Krankheit (Tetanus) derart in den Hintergrund, dass der adäquate Kausalzusammenhang nicht mehr als gegeben erscheine. Es handelt sich jedoch nicht darum, zwischen "verschiedenen Unfallursachen" zu unterscheiden und zu wählen. Unfallursache war das durch einen technischen Defekt bedingte Versagen der Bremsen; dieser Mangel des Materials hat zum Unfall und der dadurch bewirkten Körperverletzung des Pferdes "Alpenperle" geführt. Bei Unfällen, welche Leebewesen betreffen, bilden sodann Körperverletzung und Tötung regelmässige Unfallfolgen und sind in der Regel auch adäquat. Vorliegend ist zur Frage der Adäquanz zu bemerken, dass die Tetanusinfektion eine bekannte Komplikation der Gelegenheitswunde bildet (DUBOIS/ZOLLINGER, Unfallmedizin, S. 400 ff.); auch beim Tier verhält es sich nicht anders. Damit erscheint die Tetanusinfektion, generell besehen, als adäquate Unfallfolge. Der Entscheid darüber, ob sie es auch im Einzelfall war, hängt von der medizinischen Beurteilung der Kausalität ab. Der Gerichtsexperte, auf den die Vorinstanz für das Bundesgericht
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verbindlich abstellt, hat die Kausalität bejaht. Mit der medizinischen Frage aber ist hier (weil mit ihr untrennbar verbunden) wegen der generell gegebenen Adäquanz auch diejenige für den konkreten Einzelfall beantwortet. c) Die Beklagten wenden ein, auch bei an und für sich tetanusanfälligen Pferden seien Tetanusinfektionen äusserst selten, weshalb die Adäquanz ohne weiteres entfalle. Diese Auffassung ist irrtümlich. Adäquat sind gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht nur solche Folgen, die als gewöhnliche erscheinen, so wie sie angesichts des Unfallherganges und dessen körperlicher Einwirkungen zu erwarten waren. Vielmehr ist von den tatsächlichen Auswirkungen auszugehen und rückblickend zu entscheiden, ob und inwiefern der Unfall noch als deren wesentliche Ursache erscheint (BGE 70 II 177). Selbst singuläre, d.h. aussergewöhnliche Folgen können unter Umständen adäquate Unfallfolgen darstellen (BGE 80 II 343 f.). Dieser für das Gebiet der Unfallversicherung aufgestellte Grundsatz gilt auch für das Haftpflichtrecht. Die Beklagte beruft sich darauf, nach einer häufigen Formulierung sei auf die Lebenserfahrung und den gewöhnlichen Lauf der Dinge abzustellen. Das ist an sich richtig. Aber auch dies besagt lediglich, dass ein Ereignis an sich geeignet sein muss, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen (BGE 81 II 444 f.). Mit andern Worten bedeutet das, es komme für die Adäquanz auf die generelle Eignung der fraglichen Ursachen an, Wirkungen der eingetretenen Art herbeizuführen (OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Aufl. Bd. I S. 59). Es ist aber unbestreitbar, dass Körperverletzungen, wie eine solche von den Beklagten zu verantworten ist, generell geeignet sind, Starrkrampf herbeizuführen. Diese Unfallfolge ist nicht einmal singulär, während das Bundesgericht sogar Singularität der Auswirkungen im konkreten Fall nicht als haftbefreiend ansieht (BGE 80 II 344). Ebenso kommt es für die Adäquanz nicht darauf an, ob die Unfallfolge vorausgesehen werden konnte, bzw. nach
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dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Lebenserfahrung zu erwarten war, wie die Beklagten weiter einwenden. Entscheidend ist vielmehr, ob der eingetretene Erfolg objektiv geeignet ist, als Wirkung einer bestimmten Ursache betrachtet zu werden (OFTINGER, S. 60 vor N. 12). Damit erweisen sich die hinsichtlich des adäquaten Kausalzusammenhanges von der Beklagten erhobenen Einwendungen ebenfalls als unstichhaltig.
7. Da die Beklagten somit schon nach den Grundsätzen der Kausalhaftung für den vollen Schaden des Klägers aufzukommen haben, kann die Frage, ob sie am Unfall ein Verschulden treffe, mit der Vorinstanz offen gelassen werden. Die Höhe des von der Vorinstanz zugesprochenen Schadenersatzes ist nicht streitig.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern, III. Zivilkammer, vom 23. Mai 1960 wird bestätigt.