Urteilskopf

86 IV 201

51. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Dezember 1960 i.S. Trachsler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden.
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Sachverhalt ab Seite 201

BGE 86 IV 201 S. 201

A.- Trachsler, der vom April bis August 1959 als Bauschreiner einer Unternehmung im Misox arbeitete, wurde am 20. Juni 1960 vom Kreisgerichtsausschuss Misox wegen Veruntreuung (Art. 140 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB), Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1) und Betruges (Art. 148 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 148 - 1 Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer, obschon er zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig ist, eine ihm vom Aussteller überlassene Check- oder Kreditkarte oder ein gleichartiges Zahlungsinstrument verwendet, um vermögenswerte Leistungen zu erlangen und den Aussteller dadurch am Vermögen schädigt, wird, sofern dieser und das Vertragsunternehmen die ihnen zumutbaren Massnahmen gegen den Missbrauch der Karte ergriffen haben, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.203
) zu vierzehn Monaten Zuchthaus verurteilt. An Stelle der Strafe erkannte das Gericht auf Verwahrung im Sinne des Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB und auf zehnjährige Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit gemäss Art. 52 Ziff. 1 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 52 - Die zuständige Behörde sieht von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung ab, wenn Schuld und Tatfolgen geringfügig sind.
StGB.

BGE 86 IV 201 S. 202

B.- Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden wies am 19. Oktober 1960 die Berufung des Verurteilten ab, soweit er darauf eintrat. Nicht eingetreten wurde auf das in der Berufung enthaltene Revisionsgesuch, weil keine neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel namhaft gemacht würden und das Gesuch zudem an die unzuständige Instanz gerichtet sei.
C.- Gegen dieses Urteil führt Trachsler Nichtigkeitsbeschwerde.
D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden beantragt in ihrer Vernehmlassung dem Sinne nach Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:
.....

5. a) (Zusammengefasst) Der Beschwerdeführer hat wegen Verbrechen und Vergehen zahlreiche Freiheitsstrafen verbüsst. In den Jahren 1949 und 1950, als er erstmals nach Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB verwahrt wurde, konnte auch kein Zweifel darüber bestehen, dass er einen Hang zu Verbrechen und Vergehen hat. Aus dem erneuten Rückfall muss jedoch nicht notwendigerweise abgeleitet werden, dieser Hang bestehe immer noch. Gegen die dahingehende Annahme spricht, dass sich der Beschwerdeführer im Anschluss an die Entlassung aus der Arbeitskolonie vom 6. Oktober 1953 bis zum April 1959 keine Verfehlungen zuschulden kommen liess. Dafür, dass der Vollzug der früher verhängten Verwahrungen in Verbindung mit den Strafverbüssungen nicht wirkungslos geblieben ist, der Beschwerdeführer also nicht schlechthin besserungsunfähig ist, könnten allenfalls auch die Umstände der neuen Verfehlungen sprechen, vor allem dann, wenn es aus einer besonderen Konfliktssituation heraus zu den Rückfällen gekommen ist. Diese Umstände sind, da das angefochtene Urteil darüber nicht hinreichend Aufschluss gibt, noch näher abzuklären.
b) Sollte die Vorinstanz dabei wiederum zum Schlusse

BGE 86 IV 201 S. 203

kommen, dass auch diese Voraussetzung der Verwahrung nach Art. 42
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 42 - 1 Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
1    Das Gericht schiebt den Vollzug einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.33
2    Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt, so ist der Aufschub nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen.34
3    Die Gewährung des bedingten Strafvollzuges kann auch verweigert werden, wenn der Täter eine zumutbare Schadenbehebung unterlassen hat.
4    Eine bedingte Strafe kann mit einer Busse nach Artikel 106 verbunden werden.35
StGB erfüllt sei, so frägt sich, ob diese Massnahme geboten ist oder nicht eine Versorgung nach Art. 15 oder die Einweisung in eine Trinkerheilanstalt nach Art. 44 am Platze wäre. Wie sich aus den Akten und zum Teil aus dem kreisgerichtlichen Urteil ergibt, war die Mutter des Beschwerdeführers wegen Geisteskrankheit in einer Heil- und Pflegeanstalt interniert. Der Beschwerdeführer selber befand sich, angeblich wegen Rauschgiftsucht, von 1942-1944 in der Anstalt Burghölzli. Diesem Aufenthalt folgten nach seinen Angaben, die auch von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift übernommen wurden, bis 1959 vier weitere Aufenthalte in der gleichen Anstalt. Was diese Internierungen notwendig machte, geht aus den Akten nicht mit Sicherheit hervor. Nach dem Bericht der Heil- und Pflegeanstalt Beverin-Cazis vom 10. September 1959 sollen im Burghölzli Psychopathie, Drang- und Verstimmungszustände diagnostiziert worden sein. Der Beschwerdeführer seinerseits will sich jeweilen freiwillig wegen seiner Trunksucht in die Anstalt begeben haben. Dass er der Trunksucht verfallen ist, stellt auch das Kreisgericht fest. Daneben verzeichnet aber der Strafregisterauszug ein Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 28. April 1944, durch das der Beschwerdeführer unter Einstellung der ausgefällten Strafe von einem Jahr Gefängnis "i.S. der Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
und 15
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 15 - Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
StGB" in eine Heilanstalt eingewiesen wurde. Dabei dürfte es sich um eine der Internierungen im Burghölzli gehandelt haben. Laut dem Bericht von Beverin-Cazis hat der Beschwerdeführer schon öfters Selbstmordversuche unternommen. Über alle diese Umstände geht der Kantonsgerichtsausschuss vollständig hinweg, und auch das Kreisgericht, das auf sie anspielt, hat sich in keiner Weise damit auseinandergesetzt. Von ihnen hängt aber ab, welche Massnahme anzuordnen ist. Die Geisteskrankheit seiner Mutter und die mehrmaligen Internierungen des Beschwerdeführers
BGE 86 IV 201 S. 204

selber, von denen eine auf gerichtlichem Urteil nach Art. 14
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 14 - Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.
/15
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 15 - Wird jemand ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht, so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
StGB beruhte, lassen erhebliche Zweifel an seiner geistigen Gesundheit aufkommen. Dazu liegt offenbar Trunksucht im Sinne von Art. 44
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 44 - 1 Schiebt das Gericht den Vollzug einer Strafe ganz oder teilweise auf, so bestimmt es dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis fünf Jahren.
1    Schiebt das Gericht den Vollzug einer Strafe ganz oder teilweise auf, so bestimmt es dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis fünf Jahren.
2    Für die Dauer der Probezeit kann das Gericht Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen.
3    Das Gericht erklärt dem Verurteilten die Bedeutung und die Folgen der bedingten und der teilbedingten Strafe.
4    Die Probezeit beginnt mit Eröffnung des Urteils, das vollstreckbar wird.39
StGB vor. Nun schliessen zwar weder Unzurechnungsfähigkeit oder verminderte Zurechnungsfähigkeit noch Trunksucht die Verwahrung nach Art. 42 aus. Ist der Angeklagte ganz oder teilweise unzurechnungsfähig, so kommt jedoch diese Massnahme nur in Betracht, wenn er nicht einer Heilbehandlung bedarf oder pflegebedürftig ist. Trifft das zu, ist er gemäss Art. 15 in eine Heil- und Pflegeanstalt einzuweisen (BGE 71 IV 71). Steht die strafbare Handlung dagegen mit der Trunksucht im Zusammenhang und kann von der Behandlung eine Besserung erwartet werden, greift Art. 44 mit der Trinkerheilanstalt Platz. Ist der Täter sowohl ganz oder teilweise unzurechnungsfähig als gleichzeitig Gewohnheitstrinker, so kommt es wieder darauf an, ob er der Pflege bedarf oder eine Heilbehandlung Erfolg verspricht, und wenn dies der Fall ist, ob sich dafür eine Heil- und Pflegeanstalt besser eignet oder ob die Behandlung ebensogut in einer Trinkerheilanstalt durchgeführt werden kann (BGE 82 IV 134). Demgemäss darf nach Art. 42 nur verwahrt werden in Fällen, wo keine Pflegebedürftigkeit besteht und eine Heilbehandlung weder für den Geisteszustand noch für die Trunksucht des Angeklagten Aussichten bietet. Der Kantonsgerichtsausschuss wird im neuen Urteil den Fall des Beschwerdeführers auch nach diesen Kriterien zu prüfen haben. Um dazu in der Lage zu sein, wird der Beschwerdeführer gemäss Art. 13
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 13 - 1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
1    Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
2    Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist.
StGB psychiatrisch zu begutachten sein, sofern nicht schon dem Bericht der Anstalt Rheinau alles entnommen werden kann, was für die Entscheidung nötig ist.