Urteilskopf

85 II 365

58. Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. November 1959 i.S. H. gegen H.
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


BGE 85 II 365 S. 365

A.- Am 23. Juni 1953 schied das Bezirksgericht Zürich die Ehe zwischen H., geb. 5. Dezember 1909, Lehrer an einer öffentlichen Schule, und Frau H., geb. 27. März 1912. Dabei sprach es die beiden aus der Ehe hervorgegangenen Kinder, ein am 28. November 1943 geborenes Mädchen und einen am 17. Januar 1947 geborenen Knaben, der Mutter zu und genehmigte die Vereinbarung der Parteien über die Nebenfolgen der Scheidung vom 23. Juni 1953, die in Ziffer 4 bestimmte: "Der Kläger verpflichtet sich, folgende Unterhaltsbeiträge zu bezahlen: a) Für jedes der beiden Kinder Fr. 250.-- pro Monat, zahlbar zum voraus und zwar bis zum zurückgelegten 20. Altersjahr. b) Der Beklagten Fr. 200.--, ebenfalls monatlich zahlbar zum voraus, maximal bis zu ihrer Wiederverheiratung. c) Bei Änderung der bestehenden Teuerungszulagen, bei Invalidität oder Pensionierung der Klägers modifizieren sich die Renten unter lit. a) und b) um den entsprechenden Prozentsatz dieser Veränderung."
BGE 85 II 365 S. 366

B.- Mit Klage vom 24. April 1959 stellte die geschiedene Ehefrau das Begehren, die gemäss Ziff. 4 a und b der Scheidungsvereinbarung geschuldeten Unterhaltsbeiträge (von monatlich insgesamt Fr. 700.--) seien gestützt auf Ziff. 4 c der Vereinbarung mit Wirkung ab Juli 1958 um Fr. 35.- pro Monat (d.h. um 5%) zu erhöhen. Der Beklagte widersetzte sich diesem Begehren. Mit Entscheid vom 2. Juli 1959 verurteilte ihn das Bezirksgericht Zürich in Gutheissung der Klage, zu den bei der Scheidung festgesetzten Unterhaltsbeiträgen ab 1. Juli 1958 folgende Teuerungszuschläge zu entrichten: "a) für jedes der beiden Kinder Fr. 12.50 pro Kind und Monat, b) der Klägerin monatlich Fr. 10.-."
Der Rekurs, mit welchem der Beklagte dem Sinne nach die Abweisung der Klage beantragte, ist vom Obergericht des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) am 10. September 1959 abgewiesen worden.
C.- Diesen Entscheid hat der Beklagte mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht weitergezogen.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
In Zivilrechtsstreitigkeiten von der Art der vorliegenden ist die Berufung an das Bundesgericht gemäss Art. 46 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) nur zulässig, wenn der Streitwert nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren, wenigstens Fr. 4000.-- beträgt. Welcher Streitwert den vor dieser Instanz noch streitigen Ansprüchen zukomme, bestimmt sich gemäss ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nach den Verhältnissen zur Zeit der Klageanhebung (BGE 79 II 334 Erw. 2). Bei der Bewertung des Unterhaltsgeldes für ein aussereheliches Kind stellt die Praxis allerdings auf den Tag der Geburt ab, auch wenn
BGE 85 II 365 S. 367

die Klage erst später eingeleitet worden ist (BGE 61 II 68). Ob in analoger Anwendung dieser Regel in Fällen, wo Rentenleistungen aus Familienrecht nicht erst von der Klageeinleitung, sondern schon von einem frühern Zeitpunkt an verlangt werden, allgemein dieser frühere Zeitpunkt als Stichtag für die Streitwertberechnung zu gelten habe, kann dahingestellt bleiben. Im vorliegenden Fall erreicht nämlich der Streitwert der Klage, die vor Obergericht noch im vollen Umfang streitig war, die Berufungssumme von Fr. 4000.-- auch dann nicht, wenn man zugunsten des Berufungsklägers annimmt, die vor der Klageeinleitung (24. April 1959) verfallenen Teuerungszuschläge zu den bei der Scheidung festgesetzten Unterhaltsbeiträgen seien nicht zusammen mit den später fällig werdenden Zuschlägen auf den Zeitpunkt zu kapitalisieren, von dem an solche Zuschläge verlangt werden (1. Juli 1958), sondern der Streitwert sei in der Weise zu berechnen, dass die Summe der Zuschläge, die bei der Klageeinleitung bereits verfallen waren, um den auf diesen letztern Zeitpunkt berechneten Barwert der für die Zukunft verlangten Zuschläge vermehrt wird. a) Die Teuerungszuschläge für die Zeit vom 1. Juli 1958 bis zur Klageeinleitung vom 24. April 1959, d.h. für 10 Monate, machen insgesamt Fr. 350.-- aus. b) Der Barwert der nach der Klageeinleitung fällig werdenden Teuerungszuschläge von monatlich Fr. 10.- für die geschiedene Ehefrau entspricht dem Barwert einer sofort beginnenden, monatlich vorschüssigen, lebenslänglichen Verbindungsrente von Fr. 120.-- im Jahr auf das Leben desjenigen der beiden geschiedenen Ehepartner, der als erster stirbt. Bei einem Zinsfuss von 3 1/2%, wie er zur Zeit für die Rentenkapitalisierung massgebend ist (BGE 72 II 133 Erw. 4, BGE 79 II 333 Erw. 1), beträgt dieser Barwert nach PICCARD (Kapitalisierung von periodischen Leistungen, 1956, Tafel 23 S. 196), wenn das Alter beider Ehegatten zur Zeit der Klageanhebung (Ehemann = Person A: 49 Jahre 140 Tage, Ehefrau = Person B: 47 Jahre
BGE 85 II 365 S. 368

28 Tage) zugunsten des Berufungsklägers auf den nächstniedrigeren in der Tafel angegebenen Wert (48 bzw. 46 Jahre) abgerundet wird, 1,2 x Fr. 1419.-- = (aufgerundet) Fr. 1703.--.
c) Bei den nach der Klageeinleitung fällig werdenden Teuerungszulagen von monatlich je Fr. 12.50 zu den je bis zur Vollendung des 20. Altersjahres zahlbaren Kinderrenten handelt es sich um sofort beginnende, monatlich vorschüssige, temporäre Verbindungsrenten von je Fr. 150 im Jahr auf das kürzere Leben zweier Personen, von denen die eine ein Mann und die andere ein Kind ist. Wird das Alter des Mannes zur Zeit der Klageanhebung wieder auf 48 Jahre abgerundet und die Laufzeit der Renten von diesem Zeitpunkt an für das Mädchen von 4.1/2 auf 5 Jahre, für den Knaben von 73/4 auf 8 Jahre aufgerundet, so ergeben sich nach PICCARD (Tafel 24, S. 201) bei einem Zinsfuss von 3 1/2% die folgenden Barwerte: Rente für das Mädchen: 1,5 x Fr. 451.-- =
(aufgerundet) ............ Fr. 677.--,
Rente für den Knaben: 1,5 x Fr. 676.-- = Fr. 1014.--.
d) Die Addition der unter lit. a bis c errechneten Beträge ergibt (Fr. 350.-- + Fr. 1703.-- + Fr. 677.-- + Fr. 1014.-- =) Fr. 3744.--. Der wirkliche Streitwert ist niedriger, weil bei der Berechnung der unter lit. b und c genannten Posten durchwegs mit höhern Werten gerechnet wurde, als sie dem tatsächlichen Alter der Beteiligten bzw. der tatsächlichen Laufzeit der Renten entsprechen.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.