Urteilskopf

81 III 144

40. Auszug aus dem Entscheid vom 18. Oktober 1955. i. S. Lanz.
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 144

BGE 81 III 144 S. 144

Aus dem Tatbestand:
In der Betreibung der Rekurrentin gegen Howald hielt das Betreibungsamt eine Lohnpfändung für unstatthaft, da der Verdienst des Schuldners sein Existenzminimum nicht erreiche. Auf Beschwerde der Gläubigerin ordnete dagegen die untere Aufsichtsbehörde eine monatliche Lohnpfändung von Fr. 110.-- an, wobei sie sich auf das Einkommen des Schuldners in den letzten Monaten (Sommersaison) stützte. Dagegen rekurrierte der Schuldner an die obere Aufsichtsbehörde mit dem Erfolg, dass infolge des veränderlichen Lohneinkommens nur der jeweilige Überschuss des Lohnes über das Existenzminimum von monatlich Fr. 497.40, auf die Zahltagsperiode von zwei Wochen berechnet je Fr. 232.10, als pfändbar erklärt wurde. Unter den das Existenzminimum ausmachenden Posten anerkennt der kantonale Entscheid eine monatliche Lebensversicherungsprämie von Fr. 4.30. Mit ihrem Rekurs an das Bundesgericht hat die Gläubigerin unter anderm die Einbeziehung dieses Prämienaufwandes in das Existenzminimum beanstandet und verlangt, dass von einem um diesen Betrag niedrigeren Existenzminimum auszugehen sei. Der betreffende subeventuelle
BGE 81 III 144 S. 145

Rekursantrag 3 lautet: "Vom Nettolohn des Schuldners einer Zahltagsperiode von 14 Tagen sei der Fr. 230.10 übersteigende Lohn zu pfänden."
Erwägungen

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer hat diesen Antrag geschützt, aus folgenden Gründen: ..... Mit dem Subeventualantrag 3 desRekurses wird für den Fall, dass sich die Notbedarfsberechnung der Vorinstanz grundsätzlich nicht mit Erfolg anfechten lässt, ein einzelner Posten des Notbedarfs angefochten: der monatliche Prämienaufwand von Fr. 4.30 des Schuldners für eine im Jahre 1938 von seiner Ehefrau auf eine Dauer von 25 Jahren abgeschlossene, im Jahre 1963 fällig werdende Lebensversicherung. Es handelt sich um eine sog. Volksversicherung der "VITA" mit einer Versicherungssumme von Fr. 1070.--. Nach der Rechtsprechung sind zwar Beträge, die der Arbeitgeber des Schuldners für diesen an eine Pensions- und Unterstützungskasse oder für eine Unfallversicherung zwangsweise abzieht, als verdienstmindernd bzw. notbedarferhöhend zu berücksichtigen (BGE 51 III 68 ff.), nicht aber die Prämien einer freiwillig vom Schuldner (oder von einem Angehörigen seiner Familie) abgeschlossenen Lebensversicherung, selbst wenn die aus dieser hervorgehenden Ansprüche ihrerseits nach Art. 80
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 80 - Sind der Ehegatte, die eingetragene Partnerin, der eingetragene Partner oder Nachkommen des Versicherungsnehmers Begünstigte, so unterliegt, vorbehältlich allfälliger Pfandrechte, weder der Versicherungsanspruch des Begünstigten noch derjenige des Versicherungsnehmers der Zwangsvollstreckung zugunsten der Gläubiger des Versicherungsnehmers.
VVG unpfändbar sind (BGE 52 III 193 ff.). In BGE 71 III 49 wurde neuerdings ausgesprochen, die Prämien für die Lebensversicherung Angehöriger seien grundsätzlich nicht als notwendige, das Existenzminimum des Schuldners erhöhende Zwangsausgaben anzuerkennen. Die Vorinstanz hat dies nicht übersehen, sich aber der Ansicht von JAEGER-DAENIKER, N. 8 C am Ende zu Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
SchKG, angeschlossen, wonach ein weitherzigerer Standpunkt eingenommen werden sollte. Sie hält mit der erwähnten Kommentarstelle dafür, Prämien für Volks- und Abonnentenversicherungen bis zum Betrage von Fr. 4000.-- bis 5000.-- sollten in den Notbedarf eingerechnet werden dürfen.

BGE 81 III 144 S. 146

Bei einer Lebensversicherung wie der vorliegenden handle es sich um eine minimale und nötige Sicherung bei einem Schuldner, der nur über ein geringes Einkommen verfüge und keiner Pensionskasse angehöre. Die von der Ehefrau (mit Begünstigung des Schuldners für den Fall ihres Todes) abgeschlossene Versicherung diene noch besonders ihr selbst, da sie unter gesundheitlichen Schädigungen leide, als "Rückhalt", was geschützt zu werden verdiene. Das Gesetz bietet indessen keinen Anhalt zur Einbeziehung derartiger Prämienaufwendungen in den Notbedarf. Dieser umfasst nach allgemein anerkanntem Begriffe nur das für den laufenden Lebensunterhalt Notwendige, nicht auch die Fürsorge für eine mehr oder weniger entfernte ungewisse Zukunft. Was darüber in BGE 52 III 194 /5 ausgeführt ist, bleibt durch die Ausführungen des hier angefochtenen Entscheides unwiderlegt. Dort wurde allerdings (Seite 195 unten /196) bereits die Frage vorbehalten, ob eine Lebensversicherung mit bescheidenem Prämienaufwand, so dass sie sich den Beiträgen an eine Sterbe- oder Krankenkasse (im Sinne von Art. 92 Ziff. 9
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind:
1    Unpfändbar sind:
1  die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind;
1a  Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden;
10  Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit;
11  Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen.
2  die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände;
3  die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind;
4  nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind;
5  die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen;
6  die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen;
7  das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR189 bestellten Leibrenten;
8  Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten;
9  Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen;
9a  die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946193 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959194 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965195 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen;
2    Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.198
3    Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.199
4    Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908200 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992201 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches202 (Art. 378 Abs. 2 StGB).203
SchKG) gleichstellen liesse, dem Schutze des Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
SchKG unterstellt zu werden verdiene. Das ist dann aber in BGE 71 III 50 (im Unterschiede zu gewissen Unfallversicherungen, die bei Abonnentenversicherungen sozusagen ausschliesslich in Betracht fallen) aus zutreffenden Gründen verneint worden, insbesondere deshalb, weil "nicht ersichtlich wäre, wo mit Bezug auf die Höhe der Versicherung bzw. der Prämie die Grenze des Notwendigen und daher im Existenzminimum zu Berücksichtigenden zu ziehen wäre". Die vom Kommentator angegebene maximale Versicherungssumme von Fr. 4-5000.-- erscheint als willkürliche, der gesetzlichen Grundlage entbehrende Annahme. Es handelt sich um ein gesetzgeberisches Postulat, dessen Verwirklichung die rechtsanwendenden Behörden nicht vorwegnehmen dürfen. Insbesondere sind bisher keine Bestimmungen über die sog. Volksversicherungen (wozu vgl.
BGE 81 III 144 S. 147

JAEGER, N. 48 zu Art. 101
SR 221.229.1 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) - Versicherungsvertragsgesetz
VVG Art. 101 - 1 Dieses Gesetz findet keine Anwendung:
1    Dieses Gesetz findet keine Anwendung:
1  auf Rückversicherungsverträge;
2  auf die privaten Rechtsverhältnisse zwischen den der Versicherungsaufsicht nicht unterstellten Versicherungsunternehmen (Art. 2 Abs. 2 VAG156) und ihren Versicherten, mit Ausnahme der Rechtsverhältnisse, für deren Durchführung diese Versicherungsunternehmen der Versicherungsaufsicht unterstellt sind.
2    Für diese Rechtsverhältnisse gilt das Obligationenrecht157.
VVG) erlassen worden, wonach der Prämienaufwand innert festgelegten Grenzen zum Notbedarf gehörte. Der Rekursantrag 3 ist somit gutzuheissen ....