S. 245 / Nr. 52 Strafgesetzbuch (d)

BGE 76 IV 245

52. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. November 1950 i. S.
Ammann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.

Regeste:
Art. 237 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
StGB. Subjektive Merkmale der fahrlässigen Störung des
öffentlichen Verkehrs.
Art. 237 ch. 2 CP. Eléments subjectivs de l'infraction.
Art. 237 cifra 2 CP. Elementi soggettivi del perturbamento per negligenza
della circolazione pubblica.

Ammaun, der mit einem Personenautomobil einen Radfahrer überholen wollte,
schloss an einer Stelle, wo dieser wegen am Strassenrande stehender Fahrzeuge
nicht Platz machen konnte, ganz nahe auf und drängte durch heftiges Hupen
ungeduldig nach. Nachdem der Engpass durchfahren war, fuhr er neben den
Radfahrer und drängte ihn bewusst und gewollt an den rechten Strassenrand und
zwang ihn zum Absteigen indem er das Automobil allmählich nach rechts lenkte
und schliesslich kurz anhielt. Er wollte den Radfahrer «erziehen». Das
Amtsgericht

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Sursee würdigte das Verhalten Ammanns als fahrlässige Störung des öffentlichen
Verkehrs und büsste ihn in Anwendung von Art. 237 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
StGB mit Fr. 20.-.
Der Kassationshof wies die Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten ab -
Aus den Erwägungen:
3.- Das Amtsgericht wirft dem Beschwerdeführer vor, er habe «bei klarem
Bewusstsein und mit Vorbedacht gehandelt». Damit will es sagen, dass er
bewusst und gewollt so gefahren sei, wie er gefahren ist. Es hält ihm aber
zugute, dass er «die Gefährlichkeit seines Verhaltens entweder nicht bedacht
oder darauf nicht Rücksicht genommen habe». Darnach hat der Beschwerdeführer
entweder gar nicht gedacht, dass er durch seine Fahrweise den Verkehr gefährde
bzw. störe und den Radfahrer der Gefahr einer Körperverletzung aussetze, oder
er hat die Gefährdung zwar als möglich angesehen, aber im Vertrauen, dass sie
nicht eintrete, darauf nicht Rücksicht genommen. Im einen wie im anderen Falle
ist er sich nicht bewusst gewesen, dass er in Wirklichkeit den Radfahrer in
Gefahr brachte, am Körper verletzt zu werden.
Das Fehlen dieses Bewusstseins steht der Anwendung des Art. 237 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
StGB
nicht im Wege. In der Literatur wird zwar gelegentlich angenommen, dass das in
Art. 237 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 237 - 1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser, in der Luft oder auf der Schiene hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen oder fremdes Eigentum in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
StGB als Tatbestandsmerkmal genannte Bewusstsein der
Gefährdung von Leib und Leben auch Voraussetzung der Anwendung der Ziffer 2
des Art. 237 sei, da diese Bestimmung es als Merkmal nicht ausdrücklich fallen
lasse (HARTMANN, ZschwR uF 68 74 a; anderer Meinung VON RECHENBERG, SJZ 46 7,
und KARMANN, ZStrR 65 210). Der Kassationshof hat diese Frage in BGE 73 IV 184
und auch seither offen gelassen. Sie ist aber zu verneinen. Wohl nimmt Art.
237 Ziff. 2 durch die Wendung «handelt der Täter fahrlässig» auf die
Tatbestandsumschreibung der Ziffer 1 Bezug. Diese Verweisung gilt aber nur für
den objektiven Tatbestand. Was den subjektiven Tatbestand

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betrifft, der nach Ziffer 1 Wissen und Willen (Vorsatz) der Hinderung, Störung
oder Gefährdung des Verkehrs und Bewusstsein der Gefährdung von Leib oder
Leben erfordert, stellt Ziffer 2 eigene Merkmale auf, eben jene der
Fahrlässigkeit, die in Art. 18 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 18 - 1 Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
1    Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um sich oder eine andere Person aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen oder andere hochwertige Güter zu retten, wird milder bestraft, wenn ihm zuzumuten war, das gefährdete Gut preiszugeben.
2    War dem Täter nicht zuzumuten, das gefährdete Gut preiszugeben, so handelt er nicht schuldhaft.
StGB näher umschrieben ist.
Fahrlässigkeit schliesst aus, dass der Täter Leib und Leben bewusst gefährdet;
wer durch sein Verhalten Leib oder Leben von Menschen, die am Verkehr
teilnehmen wissentlich in Gefahr bringt, weiss auch, dass er den Verkehr
gefährdet, vergeht sich also bei gewolltem Handeln vorsätzlich. Es verhält
sich nicht anders als bei der fahrlässigen Störung des Eisenbahnverkehrs,
deren subjektiven Tatbestand Art. 238 Abs. 2 ebenfalls durch die Worte
«handelt der Täter fahrlässig» umschreibt, ohne das in Art. 238 Abs. 1 für die
vorsätzliche Tat erwähnte Merkmal des Wissens um die Gefährdung von Leib und
Leben oder fremdem Eigentum ausdrücklich fallen zu lassen; der Kassationshof
hat dieses Wissen als Merkmal der fahrlässigen Störung des Eisenbahnverkehrs
nie gefordert. Es ist nicht zu ersehen, inwiefern Art. 237 Ziff. 2 anders
ausgelegt werden könnte.
4.- (Ausführungen darüber, dass der Beschwerdeführer pflichtwidrig handelte
und sich auch hätte sagen können und sollen, dass er den Radfahrer der nahen
Gefahr einer Körperverletzung aussetze.)
Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob Art. 237 Ziff. 2 überhaupt
voraussetzt, dass das Nichtwissen um die Gefährdung von Leib oder Leben einer
Fahrlässigkeit zu zuschreiben sei (so KARMANN in ZStrR 65 210), oder ob, wie
HAFTER, Lehrbuch, besonderer Teil S. 526, annimmt, die Bestimmung schon
anzuwenden ist, wenn bloss die Hinderung, Störung oder Gefährdung des Verkehrs
auf Fahrlässigkeit beruht, ob also für die sich daraus ergebende Gefährdung
von Leib und Leben Erfolgshaftung besteht.