S. 30 / Nr. 5 Erbrecht (d)

BGE 75 II 30

5. Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. März 1949 i. S. Z. gegen Z. und
Konsorten.

Regeste:
Bäuerliches Erbrecht. Begriff der Eignung zur Übernahme des Gewerbes (Art. 620
Abs. l ZGB).
Droit successoral paysan. Aptitude à se charger de l'exploitation (art. 620
al. l CC).
Diritto successorio rurale. Idoneità ad assumere l'esercizio dell'azienda
agricola (art. 620 cp. 1 CC).

Z., der eine Mittelschule besucht und die Rechte studiert, daneben aber von
jeher im landwirtschaftlichen Betriebe seines Vaters mitgearbeitet hatte,
verlangte nach dessen Tode, dass ihm der väterliche Hof (im Umfange von 9
Hektaren) nach bäuerlichem Erbrecht zum Ertragswert zugewiesen werde. Das
Bundesgericht weist seine Klage in Übereinstimmung mit der Vorinstanz ab.
Erwägungen:
1. ­ Beim streitigen Bauernhofe handelt es sich unbestrittenermassen um ein
landwirtschaftliches Gewerbe, das eine wirtschaftliche Einheit bildet und eine
ausreichende landwirtschaftliche Existenz bietet. Von den Erben ist

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allein der Kläger bereit, das Gewerbe zu übernehmen. Nach Art. 620 ZGB ist es
ihm daher zum Ertragswert auf Anrechnung zuzuweisen, wenn er als zur Übernahme
geeignet erscheint.
2. ­ Die Eignung im Sinne von Art. 620 ZGB hängt in erster Linie davon ab, ob
der Bewerber die beruflichen Fähigkeiten besitzt, die notwendig sind, um das
in Betracht kommende Gewerbe zu führen. Wer über diese Fähigkeiten verfügt,
ist deswegen jedoch nicht ohne weiteres zur Übernahme des Gewerbes geeignet.
Vielmehr kommen bei der Beurteilung der Eignung auch die übrigen persönlichen
Eigenschaften in Betracht, soweit anzunehmen ist, dass sie sich auf die
Betriebsführung auswirken (vgl. BGE 47 II 261).
Das Mass der Anforderungen, die der Bewerber erfüllen muss, richtet sich nicht
bloss nach Art und Umfang des in Frage stehenden Gewerbes, sondern auch
darnach, unter welchen Bedingungen es zu übernehmen wäre. Schon unter dem
bisherigen Rechte hat das Bundesgericht erklärt, dass an den Bewerber umso
grössere Anforderungen gestellt werden müssen, je grösser die finanziellen
Schwierigkeiten sind, denen er bei der Übernahme des Heimwesens begegnet (BGE
71 II 24; vgl. 66 II 98 f.). Mit der Revision der Bestimmungen über das
bäuerliche Erbrecht hat dieser Gesichtspunkt an Bedeutung gewonnen, weil der
neue Gesetzestext noch deutlicher als der alte erkennen lässt, dass das
bäuerliche Erbrecht dazu beitragen soll, einen lebensfähigen Bauernstand zu
erhalten. Die Eignung eines Bewerbers ist also nur zu bejahen, wenn seine
beruflichen Fähigkeiten und seine sonstigen Eigenschaften so beschaffen sind,
dass angenommen werden darf, er werde sich bei Übernahme unter den gegebenen
Bedingungen auf dem Heimwesen behaupten können.
Im vorliegenden Falle ist die berufliche Eignung des Bewerbers unbestritten.
Dagegen stellen die kantonalen Instanzen fest, der Kläger habe bisher einen
Aufwand getrieben. der erheblich über seine Verhältnisse hinausgehe.

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Auf gleichem Fusse weiterzuleben, könnte er sich, wie die kantonalen Instanzen
annehmen, im Falle der Übernahme des väterlichen Hofes nicht gestatten. Die
Bedingungen, zu denen er diesen Hof, einen kleinern Mittelbetrieb, übernehmen
müsste, sind freilich nicht näher abgeklärt. Namentlich steht nicht fest, dass
er ihn über den Ertragswert hinaus belasten müsste. Seine wirtschaftlichen
Verhältnisse wären aber gemäss der Würdigung der ersten Instanz bei Übernahme
des Hofes auf jeden Fall « nicht rosig n. Die Nebenbeschäftigung auf
juristischem Gebiet, die er in Aussicht nimmt, brächte nach der Auffassung der
kantonalen Instanzen mindestens vorerst noch keine nennenswerten Einnahmen;
die Vorinstanz erwartet beim Kläger von der Verbindung landwirtschaftlicher
mit juristischer Tätigkeit überhaupt nur ungünstige Folgen. Um auf dem Hofe
bestehen zu können, wäre also, wie beide kantonalen Instanzen betonen, eine
bescheidene und sparsame Lebensführung unerlässlich. Im Gegensatz zur ersten
Instanz traut die Vorinstanz dem Kläger die zur Umstellung auf eine solche
Lebensweise nötige Energie nicht zu. Sie schliesst vielmehr aus seinem
Verhalten seit Anhebung der Klage, dass er sich a von seinen bisherigen
angenehmen Lebensgewohnheiten selbst unter zwingenden Verumständungen nicht
lösen könne. Alle diese Feststellungen betreffen Tatfragen und sind daher für
das Bundesgericht verbindlich (Art. 63 Abs. 2 OG). Auf Grund der Annahme, dass
der Kläger wegen seiner Neigung zu übermässigem Aufwand auf dem Hofe sein
Auskommen nicht fände, konnte die Vorinstanz seine Eignung zur Übernahme
dieses Gewerbes ohne Verletzung von Bundesrecht verneinen.