S. 71 / Nr. 10 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 75 I 71

10. Urteil vom 11. März 1940 i. S. J. Weil & Co. gegen eidg. Steuerverwaltung.

Regeste:
Warenumsatzsteuer: Verzugszinsen sind nicht Entgelt im Sinne des Art. 22
WUStB.
Impôt sur le chiffre d'affaires: Les intérêts moratoires ne sont pas une
contre-prestation au sens de l'art. 22 AChA.
Imposta sulla cifra d'affari: Gli interessi moratori non sono una
controprestazione ai sensi dell'art. 22 DICA.

Die Firma J. Weil & Co., Kleiderfabrik in Zürich, ist Grossist im Sinne des
Warenumsatzsteuerbeschlusses. Streitig ist, ob zum Entgelt, von dem die von
ihr geschuldete Warenumsatzsteuer zu berechnen ist, auch die Verzugszinsen
gehören, die sie von ihren Abnehmern im Falle verspäteter Zahlung einzieht.
Die eidg. Steuerverwaltung (EStV) hat die Frage bejaht. Gegen ihren Entscheid
hat die Firma Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut
in Erwägung:
1. ­ Wer als Grossist steuerpflichtig ist, hat nach Art. 13 Abs. 1 lit. a
WUStB seine Lieferungen von Waren im Inlande zu versteuern. Die Steuer wird
berechnet von der Summe der während der Steuerperiode vereinnahmten Entgelte
(Art. 20 Abs. 1 lit. a). Zum Entgelt gehört gemäss

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Art. 22 Abs. 1 « alles, was der Lieferer oder an seiner Stelle ein Dritter als
Gegenleistung für die Ware erhält ». Nach Abs. 2 daselbst können vom Entgelt
unter näher umschriebenen Voraussetzungen abgezogen werden die Auslagen für
die Beförderung und Versicherung der Waren und die Kosten der
Warenumschliessung. Aus dieser Ordnung geht hervor, dass das steuerbare
Entgelt, abgesehen von den eben erwähnten Ausnahmen, die Gesamtheit der
Leistungen umfasst, die der Abnehmer der Ware dem Lieferer nach den
vertraglichen Abmachungen erbringen muss, um die Lieferung zu erwirken, d. h.
die Bruttoeinnahme, die der Lieferer infolge der Lieferung erzielt, ohne
Unterschied danach, ob die eingenommenen Beträge für ihn Kostenersatz oder
Erträgnisse darstellen (Urteile vom 20. September 1946 i. S. F. und M., ASA
15, 374, 458; vgl. auch BGE 74 I 319, 326 betreffend Luxussteuer).
2. ­ Verzugszinsen werden vom Empfänger der gelieferten Ware geschuldet, wenn
er sich mit der Gegenleistung, soweit er sie in Geld zu erbringen hat, in
Verzug befindet, seiner Pflicht zur Zahlung der Geldschuld nicht rechtzeitig
nachkommt (Art. 103 Abs. 1
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 103 - 1 Le débiteur en demeure doit des dommages-intérêts pour cause d'exécution tardive et répond même du cas fortuit.
1    Le débiteur en demeure doit des dommages-intérêts pour cause d'exécution tardive et répond même du cas fortuit.
2    Il peut se soustraire à cette responsabilité en prouvant qu'il s'est trouvé en demeure sans aucune faute de sa part ou que le cas fortuit aurait atteint la chose due, au détriment du créancier, même si l'exécution avait eu lieu à temps.
, Art. 104
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 104 - 1 Le débiteur qui est en demeure pour le paiement d'une somme d'argent doit l'intérêt moratoire à 5 % l'an, même si un taux inférieur avait été fixé pour l'intérêt conventionnel.
1    Le débiteur qui est en demeure pour le paiement d'une somme d'argent doit l'intérêt moratoire à 5 % l'an, même si un taux inférieur avait été fixé pour l'intérêt conventionnel.
2    Si le contrat stipule, directement ou sous la forme d'une provision de banque périodique, un intérêt supérieur à 5 %, cet intérêt plus élevé peut également être exigé du débiteur en demeure.
3    Entre commerçants, tant que l'escompte dans le lieu du paiement est d'un taux supérieur à 5 %, l'intérêt moratoire peut être calculé au taux de l'escompte.
OR). Sie sind ein Entgelt für den
Nachteil, den der Gläubiger der Geldschuld durch Vorenthaltung des Geldes
erleidet, das Minimum des Ersatzes für Verzugsschaden, auf das er nach dem
Gesetz unter allen Umständen Anspruch hat (von THUHR-SIEG-WART, Allg. Teil des
schweiz. Obligationenrechts, S. 588 f.; Art. 106 Abs. 1
SR 220 Première partie: Dispositions générales Titre premier: De la formation des obligations Chapitre I: Des obligations résultant d'un contrat
CO Art. 106 - 1 Lorsque le dommage éprouvé par le créancier est supérieur à l'intérêt moratoire, le débiteur est tenu de réparer également ce dommage, s'il ne prouve qu'aucune faute ne lui est imputable.
1    Lorsque le dommage éprouvé par le créancier est supérieur à l'intérêt moratoire, le débiteur est tenu de réparer également ce dommage, s'il ne prouve qu'aucune faute ne lui est imputable.
2    Si ce dommage supplémentaire peut être évalué à l'avance, le juge a la faculté d'en déterminer le montant en prononçant sur le fond.
OR).
Daraus ergibt sich für das Umsatzsteuerrecht, dass die Verzugszinsen nicht als
Bestandteil des steuerbaren Entgelts angesehen werden können. Sie fallen nicht
unter die Gegenleistungen, die der Abnehmer dem Lieferer auf Grund des
zwischen ihnen geschlossenen Vertrages für die Lieferung machen muss, sondern
treten zu diesen Gegenleistungen nachträglich hinzu, auf Grund des Gesetzes,
als Folge nicht der Lieferung, sondern der Pflichtverletzung, die der Abnehmer
durch Versäumen rechtzeitiger Zahlung begeht. Sie sind Entgelt nicht für die
Warenlieferung,

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sondern für den Nachteil, den der Warenempfänger dem Lieferer durch den
Zahlungsverzug zufügt.
Die EStV begründet ihren abweichenden Standpunkt damit, dass der Verzugszins
eine von der Hauptleistung des Warenabnehmers abhängige, mit ihr rechtlich
verbundene, sie erweiternde Nebenleistung sei, ein Zahlungszuschlag, der das
steuerbare Entgelt erhöhe. Richtig ist freilich, dass die Verzugszinsforderung
den Bestand einer Hauptforderung voraussetzt, als Nebenrecht mit ihr
zusammenhängt. Das ändert aber nichts daran, dass der Verzugszins nicht
Gegenleistung für die Warenlieferung im Sinne von Art. 22 Abs. 1 WUStB ist,
sondern Schadenersatz, der hinterher, unabhängig von der Lieferung, zu jener
Gegenleistung hinzukommt.
Die EStV beruft sich für ihre Auffassung zu Unrecht darauf, dass das
Bundesgericht im Falle des Abzahlungsgeschäfts die Teilzahlungszuschläge
(Zinsen, in denen eine Risikoprämie enthalten ist) als Teil des Entgelts im
Sinne des Art. 16 LStB und damit auch des Art. 22 WUStB anerkannt hat (BGE 74
I 320
f.). Diese Zuschläge gehören zu den Leistungen, die der Warenempfänger
von vornherein, auf Grund des Vertrages, auf sich nehmen muss, um die
Lieferung zu erwirken. Ein solcher Zusammenhang mit der Lieferung fehlt aber
beim Verzugszins.
Sodann macht die EStV geltend, der Verzugszins sei das Gegenstück zum Skonto,
welchen der Lieferer dem Abnehmer für vorzeitige Zahlung vergütet; wie das
Entgelt durch den Skonto vermindert werde, so werde es umgekehrt durch den
Verzugszins erhöht. Die Analogie ist jedoch nur scheinbar. Wird der Skonto zum
voraus zugesichert und daher schon bei der Zahlung abgezogen, so beträgt das
vereinnahmte Entgelt, das für die Steuerberechnung massgebend ist (Art. 20
Abs. 1 lit. a WUStB), eben entsprechend weniger. Wird ein Rabatt erst
hinterher, nach der Zahlung, gewährt, so kann der dafür entrichtete
Steuerbetrag nachträglich abgezogen werden, weil Art. 20 Abs. 2 WUStB es so
anordnet; auch in diesem Falle wird also, kraft positiver

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gesetzlicher Bestimmung, das steuerbare Entgelt vermindert. Dagegen fehlt eine
Vorschrift, wonach umgekehrt der Verzugszins (oder überhaupt der Schadenersatz
infolge Verzuges) das Entgelt erhöhen würde. Sie wäre auch sachlich nicht
gerechtfertigt, da der Schadenersatz wegen verspäteter Zahlung seinen Grund
nicht in der Warenlieferung, sondern im vertragswidrigen Verhalten des
Abnehmers hat