S. 57 / Nr. 8 Bundesrechtliche Abgaben (d)

BGE 75 I 57

8. Urteil vom 11. Februar 1949 i. S. M.-Stiftung gegen eidg. Steuerverwaltung.

Regeste:
Verrechnungsteuer: Rückerstattungsantrag einer schweizerischen
Familienstiftung, welche durch eine im Ausland lebende Person errichtet worden
ist. Die Stiftung hat auf Begehren der eidg.

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Steuerverwaltung alle Angaben zu erstatten und zu belegen welche für die
Entscheidung darüber wesentlich sind, ob die Rückerstattung zu einer
Steuerumgehung führen würde (Art. 7 Abs. 2, Art. 7 bis Abs. 2 VStB).
Verweigert sie die Auskunft und kann infolgedessen der Sachverhalt nicht
abgeklärt werden, so ist die Rückerstattung abzulehnen.
Impôt anticipé: Demande de remboursement de l'impôt formée par une fondation
de famille suisse instituée par une personne habitant à l'étranger. Sur
requête de l'Administration fédérale des contributions, ]a fondation est tenue
de fournir toutes les indications qui permettent de déterminer si le
remboursement aurait pour conséquence d'éluder un impôt (art. 7 al. 2, 7 bis
al. 2 AIA). Si la fondation refuse dé fournir ces renseignements et que la
situation de fait ne puisse être éolaircie, le remboursement doit être refusé.
Imposta preventiva: Domanda di rimborso dell'imposta presentata da una
fondazione di famiglia svizzera eretta da una persona che abita all'estero. A
richiesta dell'Amministrazione federale delle contribuzioni la fondazione è
tenuta a fornire tutti i dati per aceertare se il rimborso condurrebbe
all'elusione d'un'imposta (art. 7 op. 2, 7 bis op. 2 DIP). Se la fondazione
rifiuta di fornire queste informazioni e se la situazione di fatto non può
essere chiarita, il rimborso dev'essere negato.

A. ­ Die M.-Stiftung in Z. wurde am 29. Oktober 1946 durch Rechtsanwalt Dr. H.
im Auftrage eines Unbekannten als Familienstiftung errichtet. Ihr Vermögen
betrug zu Beginn Fr. 500000.­. Nach Art. 4 der Stiftungsurkunde bezweckt sie
die dauernde Fürsorge für die Familie St., besonders für die Nachkommen der
verstorbenen Frau M. St. Der Stiftungsrat entscheidet, in welcher Weise den
Berechtigten, a sei es in Notlagen oder zur Aufrechterhaltung einer
standesgemässen Lebenshaltung Beihilfe zu leisten ist (Art. 6 der
Stiftungsurkunde).
Am 6. Juni 1947 stellte die Stiftung Antrag auf Rückerstattung der vom 29.
Oktober bis zum 31. Dezember 1946 zu ihren Lasten abgezogenen
Verrechnungssteuern. Die eidg. Steuerverwaltung (EStV) verlangte darauf von
ihr die Angabe der Namen, des Wohnsitzes und der Adressen des Stifters und der
Destinatäre. Da diese Auskünfte trotz Mahnung verweigert wurden, lehnte die
EStV die Rückerstattung ab; immerhin behielt sie der Stiftung das Recht vor,
ihren Antrag innert der gesetzlichen Frist zu erneuern, wenn sie gleichzeitig
die geforderten

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Angaben beibringe. Die Einsprache der Stiftung gegen diesen Entscheid wurde am
23. Juli 1948 abgewiesen.
B. ­ Gegen den Einspracheentscheid führt die Stiftung
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben und die EStV
anzuweisen, den Verrechnungssteuerbetrag zurückzuerstatten. Sie macht geltend,
sie habe rechtsgültig das Statut einer juristischen Person erhalten, und es
sei nachgewiesen, dass die mit der Verrechnungssteuer belasteten
Vermögenserträge auch ihr zugekommen seien. Damit seien alle Voraussetzungen
der Rückzahlung der Verrechnungssteuer erfüllt. Die geforderten Auskünfte
seien für die Entscheidung über das Rückerstattungsbegehren nicht wesentlich.
Der gegenteiteilige Standpunkt der EStV sei willkürlich. Er laufe darauf
hinaus, dass eine Steuerumgehung ohne weiteres zu vermuten sei und der
Steuerpflichtige den Gegenbeweis erbringen müsse, was in einem Rechtsstaat
nicht angehe. Wenn, wie es hier geschehen sei, ein Auslandschweizer seiner
Familie in der Heimat für Notzeiten einen Fonds sichere, weil sein
Wohnsitzland ihm dies durch Devisengesetze verwehre, so sei dies sein gutes
Recht. Errichte er zu diesem Zwecke eine Familienstiftung, so habe diese die
Steuern zu bezahlen, die sie nach dem Gesetz schulde. Wenn er, durch
Erfahrungen gewitzigt, selbst nicht in Erscheinung treten wolle, sei dies in
keiner Weise verdächtig.
C. ­ Die EStV beantragt Abweisung der Beschwerde. Sie führt aus, nach
allgemeinen Rechtsgrundsätzen und gemäss Art. 7 Abs. 2 VStB sei die
Rückerstattung der Verrechnungssteuer auch dann abzulehnen, wenn sie gegen den
Zweck dieser Steuer verstiesse, missbräuchlich beansprucht werde. Die
Verrechnungssteuer bezwecke einerseits die Bekämpfung der Steuerunehrlichkeit
und anderseits die Belastung des in der Schweiz angelegten mobilen
ausländischen Kapitalvermögens. Steuerdefraudation liege nicht nur vor, wenn
der Antragsteller seinen eigenen Steuerpflichten nicht nachkomme, sondern
auch, wenn er als

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Werkzeug eines andern an dessen Stelle auftrete, um Steuern umgehen zu helfen.
Zu solchen Machenschaften seien erfahrungsgemäss gerade Familienstiftungen
geeignet. Sie dienten vielfach lediglich dazu, Vermögen des Stifters in einen
Kanton mit niedrigem Steuertarif zu verlegen oder die Progression zu brechen
oder den Stifter in den Genuss eines für juristische Personen geltenden
tiefern Steuersatzes zu setzen. Missbräuchlich sei es auch, wenn Ausländer
ihre schweizerischen Werttitel nur deshalb in eine inländische
Familienstiftung einbrächten, um durch diese die Rückerstattung der
Verrechnungssteuer beanspruchen und auf diese Weise im ganzen Steuern
einsparen zu können. Einer Familienstiftung könne daher die Rückerstattung
nicht gewährt werden, bevor der Sachverhalt nach diesen Richtungen abgeklärt
sei. Deshalb habe die EStV von der Beschwerdeführerin die in Frage stehenden
Angaben verlangt. Indem die Beschwerdeführerin der Aufforderung, entgegen der
gesetzlichen Auskunftspflicht und trotz Mahnung, nicht nachgekommen sei, habe
sie der Steuerverwaltung verunmöglicht zu prüfen, ob alle Voraussetzungen der
Rückerstattung vorhanden seien. Dürfte in einem solchen Falle die Rückzahlung
nicht abgelehnt werden, so würde die Verrechnungssteuer zur Farce.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Nach Art. 1 Abs. 1 lit. a der Verfügung Nr. 1 a, die das eidg. Finanz-
und Zolldepartement am 20. November 1944 gestützt auf Art. 22 VStB erlassen
hat, können Stiftungen im Sinne der Art. 80 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 80 - Zur Errichtung einer Stiftung bedarf es der Widmung eines Vermögens für einen besondern Zweck.
. ZGB beim Bund die
Rückerstattung der nachweisbar zu ihren Lasten verfallenen Verrechnungssteuer
gleich den in Art. 7 VStB bezeichneten Personen verlangen. Gemäss Art. 1 Abs.
3 derselben Verfügung hängt ihr Rückerstattungsanspruch davon ab, dass sie die
steuerbare Leistung als Einnahme verbucht haben. Jene Gleichstellung hat zur
Folge, dass auch die Stiftungen unter die allgemeinen Bestimmungen in Art. 7
und 7 bis VStB über den Anspruch auf Rückerstattung

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und dessen Geltendmachung fallen. Namentlich ist Art. 7 Abs. 2 anwendbar,
wonach die Rückerstattung in allen Fällen unzulässig ist, in denen sie zu
einer Steuerumgehung führen würde. Daher hat die EStV, welche über die
Rückerstattung durch den Bund zu entscheiden hat (Art. 2, 7 bis VStB), nicht
nur zu untersuchen, ob die Verrechnungssteuer zu Lasten der antragstellenden
Stiftung verfallen war und ob diese die steuerbare Leistung als Einnahme
verbucht hat, sondern auch, ob die Rückerstattung zu einer Steuerumgehung
führen würde.
2. ­ Ob die Rückerstattung in allen von der EStV angeführten Fällen von
Steuerumgehung zu versagen wäre, ist zweifelhaft, kann jedoch offen bleiben.
Die Beschwerdeführerin ist von einer im Ausland wohnenden Person errichtet
worden, wie sie selbst erklärt. Ausländern gegenüber ist aber Art. 7 Abs. 2
VStB jedenfalls anwendbar, wenn sie ihre schweizerischen Wertschriften
lediglich deshalb auf eine inländische Familienstiftung übertragen haben, um
die gesetzliche Ordnung, welche ihnen nur ausnahmsweise Anspruch auf
Verrechnung oder Rückerstattung der von den Erträgen solchen Vermögens
abgezogenen Verrechnungssteuer gibt (Art. 7, 8 VStB und Ausführungserlasse),
zu umgehen und so ihre Steuerlasten im Ergebnis zu vermindern. In solchen
Fällen ist der Familienstiftung die Rückerstattung der Verrechnungssteuer zu
versagen.­Unter Umständen wird auch zu prüfen sein, ob die Stiftung, welche
die Rückerstattung beansprucht, zivilrechtlich als Familienstiftung überhaupt
Bestand hat (vgl. BGE 71 I 268, 73 II 83 betreffend « Unterhaltsstiftungen »).
Trifft dies nicht zu, so kommt eine Rückzahlung der Verrechnungssteuer nur in
Frage, wenn der wirkliche Eigentümer des Stiftungsgutes Anspruch darauf hat.
3. ­ Wenn die EStV bei vorläufiger Prüfung eines Antrages auf Rückerstattung
findet, diese könnte nach Art. 7 Abs. 2 VStB unzulässig sein, so hat sie die
Verhältnisse von Amtes wegen näher zu prüfen. Sie darf dem Antragsteller

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zwar nicht den Beweis dafür auferlegen, dass die Rückerstattung nicht zu einer
Steuerumgehung führen würde. Dagegen darf sie nach Art. 7 bis Abs. 2 VStB
(vgl. auch Art. 2 Abs. 3
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 2
daselbst, in Verbindung mit Art. 8
SR 641.10 Bundesgesetz vom 27. Juni 1973 über die Stempelabgaben (StG)
StG Art. 8 - 1 Die Abgabe auf Beteiligungsrechten beträgt 1 Prozent und wird berechnet:54
1    Die Abgabe auf Beteiligungsrechten beträgt 1 Prozent und wird berechnet:54
a  bei der Begründung und Erhöhung von Beteiligungsrechten: vom Betrag, der der Gesellschaft oder Genossenschaft als Gegenleistung für die Beteiligungsrechte zufliesst, mindestens aber vom Nennwert;
b  auf Zuschüssen: vom Betrag des Zuschusses;
c  beim Handwechsel der Mehrheit von Beteiligungsrechten: vom Reinvermögen, das sich im Zeitpunkt des Handwechsels in der Gesellschaft oder Genossenschaft befindet, mindestens aber vom Nennwert aller bestehenden Beteiligungsrechte.
2    ...55
3    Sachen und Rechte sind zum Verkehrswert im Zeitpunkt ihrer Einbringung zu bewerten.
StG und Art. 4
SR 641.101 Verordnung vom 3. Dezember 1973 über die Stempelabgaben (StV)
StV Art. 4 Buchprüfung - 1 Der Abgabepflichtige ist berechtigt und auf Verlangen verpflichtet, der Buchprüfung (Art. 37 Abs. 2 StG9) beizuwohnen und die erforderlichen Aufschlüsse zu erteilen.
1    Der Abgabepflichtige ist berechtigt und auf Verlangen verpflichtet, der Buchprüfung (Art. 37 Abs. 2 StG9) beizuwohnen und die erforderlichen Aufschlüsse zu erteilen.
2    Die ESTV ist nicht verpflichtet, die Buchprüfung zum Voraus anzuzeigen.

StV) von ihm verlangen, bestimmte, für die Entscheidung wesentliche ergänzende
Angaben zu erstatten und zu belegen. Kommt er der Aufforderung nicht nach, so
unterliegt er, wenn ihn ein Verschulden trifft, einer Busse von 5 bis zu 10000
Franken (Art. 16 VStB). Ausserdem muss er gewärtigen, dass sein Verhalten die
Ablehnung der Rückerstattung nach sich zieht. Seine Weigerung, Auskunft zu
erteilen, enthebt freilich die EStV nicht der Pflicht, die Untersuchung soweit
als möglich durchzuführen. Ergibt sich aber, dass der Sachverhalt ohne die
verlangten Auskünfte nicht abgeklärt werden kann, so bleibt der Behörde nichts
anderes übrig, als das Rückerstattungsbegehren abzuweisen. Über diesen Ausgang
kann sich der Antragsteller, der durch sein Verhalten die Abklärung der
Verhältnisse verhindert hat, nicht beklagen; er hat ihn sich selber
zuzuschreiben.
4. ­ Wird die Rückerstattung von Verrechnungssteuerbeträgen von einer
Familienstiftung beantragt, so ist eine genaue Untersuchung der Verhältnisse
in der Regel angezeigt, weil Missbräuche in solchen Fällen besonders leicht
möglich sind. Insbesondere war gegenüber der M.-Stiftung Vorsicht am Platze.
Einmal legt die Bestimmung in Art. 6 der Stiftungsurkunde, wonach den
Destinatären Leistungen auch « zur Aufrechterhaltung einer standesgemässen
Lebenshaltung » ausgerichtet werden können, die Frage nahe, ob es sich nicht
um eine « Unterhaltsstiftung » handeln könnte. Sodann fällt auf, dass die
M.-Stiftung nach ihrer eigenen Darstellung von einer im Ausland lebenden
Person errichtet worden ist, und zwar erst nach Einführung der
Verrechnungssteuer. Die EStV durfte daher von ihr nähere Auskunft verlangen.
Dass die geforderten Angaben über den Stifter und die Destinatäre für die
Anwendung von Art. 7 Abs. 2 VStB wesentlich waren, unterliegt keinem Zweifel.
Sie hätten der Verwaltung den erforderlichen

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Einblick in die Verhältnisse der Stiftung erlaubt. Von Willkür kann keine Rede
sein.
5. ­ Die Beschwerdeführerin hat die verlangten Auskünfte nicht erteilt und
dadurch die notwendige Abklärung des Sachverhalts verhindert. Sie ist gemahnt
worden, und die Strafbestimmungen des Art. 16 VStB waren ihr bekannt. Unter
diesen Umständen durfte und musste ihr Rückerstattungsbegehren abgewiesen
werden.
Indessen hat die EStV der Beschwerdeführerin das Recht vorbehalten, den Antrag
innert der Frist von Art. 7 bis Abs. 1 VStB unter Nachholung der geforderten
Angaben zu erneuern. Das mag sich hier ausnahmsweise gerechtfertigt haben, mit
Rücksicht darauf, dass die EStV zunächst einen grundsätzlichen Entscheid des
Bundesgerichtes hat herbeiführen wollen. In Zukunft ist aber anders
vorzugehen. Über die Rückerstattung der Verrechnungssteuer durch den Bund wird
in einem besonders geregelten Verfahren befunden, an welchem derjenige, der
sie beansprucht, teilzunehmen, zur Erzielung einer sachlich richtigen
Entscheidung mitzuwirken hat. Er hat, abgesehen von der Stellung des Antrages
binnen der gesetzlichen Frist, die erforderlichen ergänzenden Auskünfte zu
geben. Sodann hat er die ihm gegenüber getroffene Entscheidung zu überprüfen
und allfällige Fehler in der hiefür durch das Gesetz vorgesehenen Form, durch
rechtzeitige Einsprache und Beschwerde, zu rügen. Bleibt die Entscheidung
unangefochten oder wird ein dagegen ergriffenes Rechtsmittel abgewiesen, so
wird sie endgültig, rechtskräftig. Das schliesst es aus, dass der
Rückerstattungsantrag beliebig wiederholt werden kann, sofern es nur binnen
der gesetzlichen Frist geschieht. Vielmehr darf die rechtskräftig gewordene
Entscheidung nur abgeändert werden, wenn ein besonderer Revisionsgrund
dargetan wird (vgl. BGE 74 I 405 ff.)
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.