S. 403 / Nr. 70 Bundesrechtliche Abgaben (d)
BGE 74 I 403
70. Urteil vom 10. Dezember 1948 i. S. K. gegen eidg. Steuerverwaltung.
Regeste:
Wehrsteuer, Wehropfer II.
1. Steuerbeträge, die auf Grund rechtskräftiger Veranlagungen richtig
berechnet worden sind, können nur zurückerstattet werden, wenn die
Voraussetzungen für eine Revision jener Veranlagungen gegeben sind.
2. Revisionsgründe.
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Nouveau sacrifice et impôt pour la défense nationale.
1. Los contributions qui ont été calculées correctement sur la base d'une
taxation passée en force ne peuvent être remboursées que si les conditions
pour une révision de cette taxation sont réunies.
2. Motifs de révision.
Nuovo sacrificio ed imposta per 1a difesa nazionale.
1. Le contribuzioni che sono state calcolate rettamente in base ad una
tassazione divenuta definitiva possono essere restituite soltanto se ricorrano
gli estremi per la revisione della tassazione.
2. Motivi di revisione.
A. K. wurde zum neuen Wehropfer und zur Wehrsteuer III herangezogen. Die
Veranlagungsbehörde folgte im wesentlichen den Angaben in seiner
Selbstschatzung. Einsprache wurde nicht erhoben. Die auf Grund der
Veranlagungen berechneten Steuerbeträge sind bezahlt.
Nachträglich stellte der Pflichtige das Gesuch um teilweise Rückerstattung der
entrichteten Wehropfer- und Wehrsteuerbeträge. Er machte geltend, sein
Vertreter, ein Notar, habe bei der Ausfüllung der Steuererklärung übersehen,
dass nach den ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen beim Vermögen eine
Grundpfandschuld und beim Einkommen Hypothekarzinsen abzuziehen gewesen wären.
Er, der Pflichtige, selbst habe die Steuererklärung bei der Unterzeichnung im
Vertrauen auf den Vertreter nicht überprüft und daher das Versehen nicht
bemerkt. Der Fehler sei in die Veranlagungen übergegangen. Er sei erst bei der
Ausfüllung der Erklärung für die Wehrsteuer IV entdeckt worden.
Die eidg. Steuerverwaltung wies das Gesuch mit Entscheid vom 10. Mai 1948 ab.
Sie führte aus, die zurückgeforderten Steuerbeträge seien geschuldet, da sie
auf Grund einer mangels Einsprache rechtskräftig gewordenen Veranlagung
richtig berechnet worden seien.
B. Gegen diesen Entscheid erhebt K. Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Antrag, die Rückerstattung der zuviel bezahlten Steuerbeträge anzuordnen. Er
empfindet es als stossend, dass die Steuerbehörde ungeachtet des unterlaufenen
Versehens die Rückleistung verweigere.
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Wenn der Wehrsteuerbeschluss für einen solchen Fall eine Berichtigung nicht
vorsehe, so liege eine Lücke vor, die durch eine dem allgemeinen
Rechtsempfinden entsprechende Praxis zu schliessen sei. Als Beleg für die
Abzugsposten (Hypothekarschuld und Zinsen) wird die seinerzeit vom
Grundpfandgläubiger ausgestellte Quittung vorgelegt.
C. Die eidg. Steuerverwaltung beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Veranlagung zur Wehrsteuer und zum neuen Wehropfer wird in einem
besonders geregelten Verfahren festgestellt, an dem der Pflichtige
teilzunehmen, zur Erzielung einer sachlich richtigen Einschätzung mitzuwirken
hat. Er hat, abgesehen von der Einreichung einer Selbstschatzung, die ihm
gegenüber vorgenommenen Veranlagungen zu überprüfen und allfällige Fehler in
der hiefür durch das Gesetz vorgesehenen Form, durch rechtzeitige Einsprache
und Beschwerde, zu rügen. Bleibt die Veranlagung unangefochten, so gilt sie
als endgültige Feststellung der Steuerschuld, die in Rechtskraft erwächst.
Vorbehalten bleibt die Nachzahlung hinterzogener Steuern (Art. 129 ff . WStB,
Art. 20 WOB II). Im übrigen aber ist die nachträgliche Abänderung einmal
getroffener rechtskräftiger Veranlagungen im allgemeinen ausgeschlossen. Sie
rechtfertigt sich ausnahmsweise nur, wenn ein besonderer Revisionsgrund
vorliegt.
Der Steuerpflichtige, der eine auf Grund einer rechtskräftigen Veranlagung
richtig berechnete Steuerleistung erbringt, zahlt eine Steuer, die geschuldet
ist. Art. 126 WStB sieht die Rückerstattung nur für nicht geschuldete
Steuerbeträge vor. Er dient der Berichtigung von Irrtümern beim Steuerbezug,
nicht einer nachträglichen Überprüfung der Veranlagung. Sein Abs. 2 stellt
denn auch ausdrücklich fest, dass jede rechtskräftig veranlagte Steuer als
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geschuldet gilt. Damit werden Begehren um Korrektur der Veranlagung im
Rückerstattungsverfahren nach Art. 126 WStB ausgeschlossen. Dasselbe trifft,
gemäss Art. 127 WStB, auf die Berichtigung von Rechnungsfehlern zu (Urteil vom
2. Dezember 1947 i. S. Sch.-T., ASA 16, 344), Die Art. 126 und 127 WStB sind
gemäss Art. 19 Abs. 3 WOB II auch für das neue Wehropfer anwendbar.
2. Im vorliegenden Falle wird nicht die Richtigstellung eines Irrtums oder
Rechnungsfehlers beim Steuerbezug verlangt. Vielmehr wird die Rückerstattung
von Steuerbeträgen deshalb beansprucht, weil bei der Veranlagung selbst Fehler
unterlaufen, zulässige Abzüge vom Vermögen und Einkommen nicht vorgenommen
worden seien. Die Rückleistung hätte daher zur Voraussetzung, dass die mangels
rechtzeitiger Einsprache rechtskräftig gewordenen Einschätzungen nachträglich
herabgesetzt würden. Somit ist einzig zu prüfen, ob ein Grand zu einer solchen
Revision vorliege.
3. In den Bundesratsbeschlüssen über die Erhebung einer Wehrsteuer und eines
neuen Wehropfers ist die Möglichkeit einer Revision rechtskräftiger
Veranlagungen nicht vorgesehen. Indessen hat das Bundesgericht in bezug auf
den Militärpflichtersatz entschieden, dass trotz Fehlens einer Vorschrift im
Steuergesetz einem Begehren um Revision unter bestimmten Voraussetzungen Folge
gegeben werden müsse. So hat es in ständiger Rechtsprechung die Revision
zugelassen, wenn die Veranlagung unter Verletzung wesentlicher prozessualer
Grundsätze zustande gekommen ist, wenn in dem Entscheid Tatsachen
unberücksichtigt geblieben sind, die zum Zwecke der Beurteilung aus (militär-)
amtlichen Urkunden hätten entnommen werden müssen, ferner in Fällen, wo im
Revisionsverfahren Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden, deren
Geltendmachung dem Pflichtigen im früheren Verfahren nicht möglich war (BGE 71
I 106 oben und Zitate). Unter den nämlichen Voraussetzungen ist die Revision
auch für die Wehrsteuer und das neue Wehropfer statthaft
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(BGE 70 I 169, wo auf die Praxis in Militärsteuersachen Bezug genommen wird).
4. Hier liegt kein Revisionsgrund vor. Man hat es insbesondere nicht mit
Tatsachen oder Beweismitteln zu tun, deren Geltendmachung dem Pflichtigen im
früheren Verfahren unmöglich gewesen wäre. Auch war die Steuerbehörde bei der
Veranlagung nicht etwa in der Lage, die nun nachträglich vorgebrachten
Tatsachen von Amtes wegen gestützt auf eingereichte Unterlagen zu
berücksichtigen; denn nach der eingezogenen Erkundigung war das heute
vorgelegte Beweismittel (Quittung des Hypothekargläubigers) der
Steuererklärung nicht beigelegt. Ebensowenig kann davon die Rede sein, dass
die Veranlagungsbehörde jene Tatsachen von sich aus hätte herausfinden sollen.
Wollte man, entsprechend einer gelegentlich vertretenen Auffassung, die
Revisionsgründe etwas weiter fassen, ein Zurückkommen auf rechtskräftige
Veranlagungen auch dann gestatten, wenn die entscheidende Behörde von
handgreiflich unrichtigen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist oder
ihre Verfügung auf offenkundig falsche rechtliche Erwägungen gestützt hat
(vgl. BGE 70 I 170 f.), so würde sich hier eine Revision offensichtlich
gleichwohl nicht rechtfertigen. Die Veranlagungen wurden gestützt auf die
Angaben in der Selbstschatzung des Pflichtigen getroffen, und es ist nicht
bestritten, dass auf dieser Grundlage die Steuerfaktoren richtig festgestellt
wurden.
Die Unterlassung der in Frage stehenden Abzüge vom Vermögen und Einkommen ist
vielmehr ausschliesslich auf ein Versehen des Beschwerdeführers bzw. seiner
Vertreters, für dessen Verhalten er einzustehen hat, zurückzuführen, Versehen,
das zu spät bemerkt wurde, als dass noch eine Berichtigung durch Einsprache
und Beschwerde möglich gewesen wäre. Die Folgen einer solchen Unterlassung hat
der Betroffene sich selber zuzuschreiben. Die vom Gesetzgeber gewollte
Ordnung, wonach das
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Veranlagungsverfahren im Interesse der Rechtssicherheit einmal ein Ende finden
soll, schliesst es aus, auch in derartigen Fällen die Revision zuzulassen.
Davon, dass dies dem allgemeinen Rechtsempfinden zuwiderlaufe, kann im Ernste
nicht gesprochen werden.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.