S. 261 / Nr. 68 Verfahren (d)

BGE 73 IV 261

68. Urteil des Kassationshofes vom 12. Dezember 1947 i. S. Vescoli gegen
Künzler.

Regeste:
Art. 32
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen.
und 33 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
1    Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
2    Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen.
3    Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten.
4    Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht.
Schlussatz StGB, Art. 268
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
1    Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
2    Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen.
3    Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten.
4    Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht.
und 269
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
1    Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
2    Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen.
3    Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten.
4    Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht.
BStP. Wird ein
Angeklagter im Urteilsdispositiv eines Vergehens schuldig gesprochen, aber
wegen entschuldbarer Überschreitung der Notwehr straflos erklärt, so kann er
die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergreifen.
Art. 32 et 33 al. 2, dernière phrase, CP, 268 et 269 PPF. L'accusé que le
dispositif d'un jugement déclare coupable d'un délit, mais ne condamne pas,
les bornes de la légitime défense ayant été excédées d'une manière excusable,
ne peut se pourvoir en nullité.
Art. 32 e 33, cp. 2, ultima frase, CP; 268 e 269 PPF. L'accusato, che il
dispositivo d'una sentenza dichiara colpevole d'un reato, ma non lo condanna,
poichè egli ha ecceduto in modo scusabile i limiti della legittima difesa, non
può ricorrere per cassazione.

1. ­ Am 27. Oktober 1947 erklärte das Obergericht des Kantons
Appenzell-Ausserrhoden die Beschwerdeführerin der fahrlässigen
Körperverletzung schuldig, jedoch

Seite: 262
als straflos, weil sie in Notwehr gehandelt und deren Grenzen in
entschuldbarer Aufregung überschritten habe (Art. 33 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
1    Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
2    Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen.
3    Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten.
4    Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht.
und Abs. 2
Schlussatz StGB). Dagegen auferlegte es ihr 2/3 der Gerichtskosten und eine
ausserrechtliche Entschädigung. Die Zivilforderung des Privatklägers wies «ad
separatum».
Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt die Beschwerdeführerin die Sache zur
Freisprechung und zur Abweisung der Zivilklage an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
2.- Nach Art. 32
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen.
StGB ist die Tat, die das Gesetz als straflos erklärt, kein
Verbrechen oder Vergehen. Die Feststellung, dass der Angeklagte straflos
bleibe, weil er in entschuldbarer Aufregung oder Bestürzung über clen Angriff
die Notwehr überschritten habe, besagt daher, dass er kein Verbrechen oder
Vergehen begangen habe. Sie enthält rechtlich nichts anderes als einen
Freispruch.
Im Urteil vom 15. Dezember 1944 i. S. Sandoz liess das Bundesgericht
allerdings die Nichtigkeitsbeschwerde eines gemäss Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
StGB von Strafe
befreiten Angeklagten zu mit der Begründung: ob der Richter mangels einer
Straftat auf Freispruch erkenne oder nur auf Grund von Art. 20
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 20 - Besteht ernsthafter Anlass, an der Schuldfähigkeit des Täters zu zweifeln, so ordnet die Untersuchungsbehörde oder das Gericht die sachverständige Begutachtung durch einen Sachverständigen an.
StGB wegen
Rechtsirrtums von Bestrafung Umgang nehme, sei nicht dasselbe; es handle sich
dabei um verschiedenartige Rechtsfolgen. Es kann offen bleiben, ob an diesem
Entscheide festzuhalten wäre, weil jedenfalls die Strafloserklärung nach Art.
33 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 33 - 1 Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
1    Die antragsberechtigte Person kann ihren Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil der zweiten kantonalen Instanz noch nicht eröffnet ist.
2    Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen.
3    Zieht die antragsberechtigte Person ihren Strafantrag gegenüber einem Beschuldigten zurück, so gilt der Rückzug für alle Beschuldigten.
4    Erhebt ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einspruch, so gilt der Rückzug für ihn nicht.
Schlussatz StGB einem Freispruche gleichgesetzt werden muss, denn
die in entschuldbarer Überschreitung der Notwehr begangene Handlung stellt
gemäss ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (Art. 32
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 32 - Stellt eine antragsberechtigte Person gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag, so sind alle Beteiligten zu verfolgen.
StGB) kein Verbrechen oder
Vergehen dar. Das Urteil wird nicht in das Strafregister aufgenommen (Weisung
des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes vom 9. Juni 1947,
abgedruckt in ZStR 62, 408), sodass sich die Beschwerdeführerin auch in dieser
Beziehung nicht schlechter stellt als bei einem förmlich auf Freisprechung
lautenden Urteilsspruche. Dass der Rechtsspruch des Urteils die
Beschwerdeführerin

Seite: 263
vorerst der fahrlässigen Körperverletzung schuldig erklärt, ist
unerheblich::Es handelt sich hiebei um einen blossen Urteilsgrund, mit dem
keine Rechtsfolgen verbünden sind, nach dem Gesagten auch nicht durch
Eintragung des Urteils im Strafregister. Lediglich wegen unrichtiger
Begründung kann aber ein im Ergebnis, den ausgesprochenen Rechtsfolgen, nicht
anfechtbares Urteil auch dann nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde weitergezogen
werden, wenn die angeblich irrtümliche Erwägung, wie hier die
Schuldigerklärung, in die Urteilsformel aufgenommen wurde (BGE 69 IV 113, 150;
70 IV 50).
3/4. ­ (Kosten des kantonalen Verfahrens; Zivilforderung).
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
Vgl. auch Nr. 54. ­ Voir aussi no 54.