S. 149 / Nr. 38 Schuldbetreibungs- und Konkurskammer (d)

BGE 73 III 149

38. Entscheid vom 6. November 1947 i.S. Maurer.

Regeste:
Eine Erbanwartschaft unterliegt nicht der Zwangsverwertung, auch nicht als
Pfand (Art. 636
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 636 - 1 Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
1    Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
2    Leistungen, die auf Grund solcher Verträge gemacht worden sind, können zurückgefordert werden.
ZGB).
Des espérances successorales ne peuvent faire l'objet d'une exécution forcée,
même si elles ont été données en gage (art. 636 CC).
Delle aspettative successorie non soggiacciono all'esecuzione forzata anche se
sono state date in pegno (art. 636 CC).

A. ­ Laut Vereinbarung vom 19. Februar 1941 verpfändete der Rekursgegner der
Rekurrentin und deren minderjährigen Kindern ausser zwei Inhaberschuldbriefen
«seinen Erbanspruch an die Hinterlassenschaft seines Vaters» mit dessen
Mitwirkung, indem der Vater die Vereinbarung mitunterzeichnete.
B. ­ Im Juli 1946 hob die Rekurrentin Betreibung auf Verwertung der erwähnten
Pfänder an. Die beiden Schuldbriefe wurden ihr auf Anrechnung an die Forderung
übereignet. Gegen die Androhung der Verwertung des zukünftigen Erbanteils für
die Restforderung beschwerte sich der Schuldner mit dem Antrag auf Aufhebung
der Pfandbetreibung. Er machte geltend, ein noch nicht angefallener

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Erbanteil stelle kein verwertbares Vermögensstück dar.
C. ­ Die untere Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde ab, weil auch unsichere
Vermögenswerte verwertbar seien. Die obere Aufsichtsbehörde hob dagegen die
Verwertungsandrohung (d. h. die Anzeige der angeordneten Verwertung) mit
Entscheid vom 14. Oktober 1947 auf. Sie erklärte, vor dem Anfall der
betreffenden Erbschaft habe die Gläubigerin nur einen obligatorischen Anspruch
auf Pfandbestellung, und dieser sei nicht verwertbar. Dagegen möge die vom
Schuldner seinerzeit nicht angefochtene Betreibung als solche bestehen
bleiben, zumal sie auch auf die Verwertung von Schuldbriefen gegangen sei.
D. ­ Mit dem vorliegenden Rekurs hält die Gläubigerin daran fest, dass die
Beschwerde des Schuldners abzuweisen sei; eventuell sei die Verwertung unter
der Bedingung zuzulassen, dass der Erblasser dazu einwillige.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Über eine noch nicht angefallene Erbschaft kann der Anwärter nicht frei
verfügen, sondern nur unter Mitwirkung und mit Zustimmung des Erblassers (Art.
636
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 636 - 1 Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
1    Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
2    Leistungen, die auf Grund solcher Verträge gemacht worden sind, können zurückgefordert werden.
ZGB). Diese Vorschrift ist um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit
willen aufgestellt (BGE 42 II 193). Aus dieser zivilrechtlichen Regelung folgt
keineswegs die Zulässigkeit eines zwangsweisen Zugriffes auf
Erbanwartschaften. Wenn man in Art. 636
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 636 - 1 Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
1    Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
2    Leistungen, die auf Grund solcher Verträge gemacht worden sind, können zurückgefordert werden.
ZGB nicht geradezu eine Sondernorm des
Inhaltes sehen will, dass nur rechtsgeschäftliche Verfügungen, und zwar eben
nur unter der erwähnten Voraussetzung, gestattet sind, dagegen keinesfalls
Eingriffe der staatlichen Vollstreckungsgewalt, so lässt Art. 636
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 636 - 1 Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
1    Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
2    Leistungen, die auf Grund solcher Verträge gemacht worden sind, können zurückgefordert werden.
ZGB die
Frage nach der Zulässigkeit solcher Eingriffe zum mindesten offen, ohne sie
irgendwie im Sinne der Bejahung zu präjudizieren. Bei dieser Betrachtungsweise
ist die Entscheidung dem Vollstreckungsrechte selbst anheimgegeben. Nun sind
im allgemeinen blosse Hoffnungen

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und Anwartschaften nicht der Zwangsverwertung unterworfen, sie unterliegen
also weder der Pfändung noch gegebenenfalls der Verwertung als Pfand (man
denke an verpfändete Sachen oder Guthaben, die dem Verpfänder erst in Zukunft
aus einer bestimmten geschäftlichen Betätigung anfallen werden; vgl. BGE 69 II
286
). Ob es davon gewisse Ausnahmen geben kann, ist hier nicht zu entscheiden.
Wie dem auch sei, wäre die Pfändung bzw. Pfandverwertung einer noch nicht
angefallenen Erbschaft (sowie deren Einbeziehung in eine Konkursmasse)
abzulehnen. Einmal ist ein zwangsweiser Zugriff der staatlichen
Vollstreckungsorgane auf die Erbanwartschaft eines Schuldners, auch wenn sie
verpfändet ist, aus dem Gesichtspunkte der Moral zu verpönen. Es geht nicht
an, in erbrechtliche Beziehungen eines Schuldners durch solche Gewaltausübung
einzugreifen, bevor die betreffende Erbschaft eröffnet ist. Ein derartiger
Eingriff muss von den Beteiligten sowie von andern Personen, die davon
erfahren, als anstössig empfunden werden. Er könnte zudem zu unlautern
Machenschaften Anlass geben, die zu fördern nicht Aufgabe der Staatsgewalt
sein kann. Daher sollte bereits die Anhebung einer Pfandbetreibung mit Bezug
auf eine Erbanwartschaft des Schuldners unterbleiben. Nachdem indessen im
vorliegenden Falle der Zahlungsbefehl seinerzeit nicht binnen der Frist des
Art. 17
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 17 - 1 Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
1    Mit Ausnahme der Fälle, in denen dieses Gesetz den Weg der gerichtlichen Klage vorschreibt, kann gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder eines Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde wegen Gesetzesverletzung oder Unangemessenheit Beschwerde geführt werden.25
2    Die Beschwerde muss binnen zehn Tagen seit dem Tage, an welchem der Beschwerdeführer von der Verfügung Kenntnis erhalten hat, angebracht werden.
3    Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann jederzeit Beschwerde geführt werden.
4    Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.26
SchKG in dieser Hinsicht angefochten worden ist, muss es dabei sein
Bewenden haben. Dagegen ist die rechtzeitig angefochtene Verwertung
unstatthaft. Um so mehr, als einerseits nach dem Grund und Zweck von Art. 636
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 636 - 1 Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
1    Verträge, die ein Erbe über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung und Zustimmung des Erblassers mit einem Miterben oder einem Dritten abschliesst, sind nicht verbindlich.
2    Leistungen, die auf Grund solcher Verträge gemacht worden sind, können zurückgefordert werden.

ZGB auch bei einer Zwangsverwertung die Mitwirkung und Zustimmung des
Erblassers gefordert werden müsste, anderseits jedoch ein solches Vorgehen
sich mit den zwingenden Normen des Vollstreckungsverfahrens nicht vereinbaren
liesse. In der Tat ist weder eine Betreibung unter Mitwirkung des Erblassers
denkbar, noch kann es eine von seiner vorerst einzuholenden Zustimmung
abhängige Zwangsversteigerung ­ die einzige Verwertungsart, die

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für eine Erbanwartschaft in Betracht käme ­ geben; und insbesondere wäre es
ausgeschlossen, einen Zuschlag an den Vorbehalt der nachträglichen Zustimmung
des Erblassers zu knüpfen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.