S. 89 / Nr. 27 Verfahren (d)

BGE 72 IV 89

27. Urteil des Kassationshofes vom 7. Juni 1946 i.S. Camerini und
Mitbeschuldigte gegen Generalprokurator des Kantons Bern.


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Regeste:
Art. 268 BStP. Gegen einen Zwischenentscheid, auf den die entscheidende
Behörde zurückkommen kann, ist die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zulässig.
Art. 268 PPF. Le pourvoi en nullité n'est pas recevable contre un jugement
incident sur lequel l'autorité qui a statué peut revenir.
Art. 268 PPF. Il ricorso per cassazione è irricevibile contro una sentenza
incidentale, sul]a quale l'autorità che ha giudicato può rivenire.

Nach der mit BGE 68 IV 113 begründeten Rechtsprechung des Kassationshofes ist
die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Entscheide der letzten kantonalen Instanz
wegen Verletzung eidgenössischen Rechts nicht nur zulässig, wenn sie das
Verfahren abschliessen, sondern auch, wenn es sich um blosse
Zwischenentscheide handelt. Diese Rechtsprechung ist bei der seither erfolgten
Revision des Gesetzes dadurch sanktioniert worden, dass der bisherige
irreführende Ausdruck «Endurteil» des deutschen Gesetzestextes in «Urteil»
abgeändert worden ist (Art. 268 BStP). Voraussetzung der Zulässigkeit der
Beschwerde ist aber, dass der Zwischenentscheid der letzten kantonalen Instanz
endgültig ist, nicht bloss eine Verfügung prozessleitenden Charakters, auf die
später zurückgenommen werden kann. Die praktischen Gründe, die im angeführten
Präjudiz für die Weiterziehbarkeit der Zwischenentscheide an den Kassationshof
genannt sind, treffen nur auf endgültige Entscheidungen zu, wo die
Möglichkeit, die eidgenössische Kassationsinstanz im gleichen Verfahren über
die gleiche Frage wiederholt auzurufen, zunächst auf

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Grund eines vorläufigen und später auf Grund eines endgültigen Tatbestandes,
nicht besteht.
Der mit den vorliegenden Beschwerden angefochtene Entscheid, der die Einrede
der Verjährung abweist, ist nicht endgültig. Die Vorinstanz behält sich vor,
bei Beurteilung der Hauptsache auf die Frage der Verjährung zurückzukommen,
wenn z. B. dem einen oder andern Angeschuldigten die späteren strafbaren
Handlungen, die sie im Fortsetzungszusammenhange mit den frühern sieht, nicht
nachgewiesen werden könnten. Ob ein solches Vorgehen den kantonalen
Vorschriften über die Beurteilung von Vorfragen entspricht, hat der
Kassationshof nicht zu entscheiden, da er gemäss Art. 269 BStP die Anwendung
kantonalen Rechts nicht zu überprüfen hat. Jedenfalls ist es nicht notwendig.
Es entspricht auch nicht der gewöhnlichen Auffassung über den
Zwischenentscheid. Dieser ist sonst, wie im erwähnten Präjudiz verstanden,
endgültig, unter Vorbehalt der Anfechtung durch ein Rechtsmittel, was freilich
nicht selten dazu zwingt ­ im Strafprozess so gut wie im Zivilprozess ­,
vorweg auf die Beurteilung der Hauptsache selbst einzugehen, wenn auch nur mit
Wirkung für die Vorfrage.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Auf die Nichtigkeitsbeschwerden wird nicht eingetreten.