S. 12 / Nr. 5 Strafgesetzbuch (d)

BGE 70 IV 12

5. Urteil des Kassationshofes vom 28. Januar 1944 i. S. Kempe und Heiniger
gegen Staatsanwalt des bernischen Mittellandes.

Regeste:
1. Art. 119 Ziff. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 119 - 1 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.
1    Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.
2    Der Abbruch einer Schwangerschaft ist ebenfalls straflos, wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird. Die Ärztin oder der Arzt hat persönlich mit der Frau vorher ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten.
3    Ist die Frau nicht urteilsfähig, so ist die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreterin oder ihres gesetzlichen Vertreters erforderlich.
4    Die Kantone bezeichnen die Praxen und Spitäler, welche die Voraussetzungen für eine fachgerechte Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und für eine eingehende Beratung erfüllen.
5    Ein Schwangerschaftsabbruch wird zu statistischen Zwecken der zuständigen Gesundheitsbehörde gemeldet, wobei die Anonymität der betroffenen Frau gewährleistet wird und das Arztgeheimnis zu wahren ist.
StGB. Gewerbsmässigkeit ist die tatsächliche Vielheit der
Begehung mit der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen.
2. Art. 25
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 25 - Wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet, wird milder bestraft.
StGB. Wer die Tat eines anderen bloss billigt, ohne sie dadurch
(psychisch) zu fördern, ist nicht Gehülfe.
1. Art. 119 ch. 3 CP. Fait métier d'une infraction celui qui la commet
effectivement à plusieurs reprises dans l'intention de se procurer des
ressources.

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2. Art. 25 CP. Celui qui ne fait qu'approuver l'acte d'un autre sans par là
encourager l'auteur (complicité intellectuelle) n'est pas un complice.
1. Art. 119 cifra 3 CP. Fa mestiere di pratiche abortive chi commette
quest'infrazione più volte nell'intento di procurarsi un reddito.
2. Art. 25 CP. Chi si limita ad approvare l'atto di un altro, senza
incoraggiarne l'autore (complicità intellettuale), non è un complice.

A. - 1. Im Juli 1942 erklärte Rosa Schneuwly der schwangeren Frieda Widmer in
Gegenwart der Hulda Wiedmer, Ludwig Kempe, den sie kannte, könnte ihr
vielleicht helfen. Kempe hatte im Juni 1942 das Staatsexamen als Arzt
bestanden. Er wohnte in einer Dachstube in Bern und arbeitete im Inselspital
an seiner Doktor-Dissertation. Er untersuchte Frieda Widmer in Gegenwart der
Hulda Wiedmer, riet ihr, noch einige Zeit zu warten, bis er ihre
Schwangerschaft mit Sicherheit feststellen könne, und erklärte sich bereit,
ihr alsdann gegen ein Honorar von Fr. 300.­ die Leibesfrucht abzutreiben.
Frieda Widmer liess sich diesen Eingriff jedoch um einen billigeren Preis
durch eine Abtreiberin vornehmen.
Am 31. August 1942 erfuhr Hulda Wiedmer, dass ihre Tochter Hulda Ammon
schwanger war. Sie setzte sich, von Frieda Widmer unterstützt, mit Kempe in
Verbindung. Dieser vereinbarte mit den beiden Frauen eine Zusammenkunft. Er
traf sie auf der Strasse und begab sich mit ihnen in ein nahes Wirtshaus. Dort
ersuchte ihn Hulda Wiedmer, ihrer Tochter die Frucht abzutreiben. Am 3.
September 1942 begab sich Kempe in die Wohnung der Hulda Wiedmer, untersuchte
dort Hulda Ammon und erklärte sich bereit, deren Schwangerschaft um den Preis
von Fr. 265.­ zu unterbrechen. Er rechnete mit Auslagen von Fr. 25 und einem
Reingewinn von Fr. 240.­. Als das Honorar bereit lag, kehrte er zu Hulda Ammon
zurück, liess sich bezahlen und nahm hierauf in der Nacht vom 8./9. September
die Abtreibung vor. Am 12. September 1942 ging die Frucht ab. Bei der
polizeilichen

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Durchsuchung der Dachstube des Kempe kamen am 18. September 1942 Instrumente
zum Vorschein, welche Kempe bei der Abtreibung gebraucht hatte, ebenso
Chemikalien, die bei solchen Eingriffen angewendet werden.
2. Die Schwangerschaft der Hulda Ammon ging auf Beziehungen zurück, welche das
Mädchen im Frühjahr 1942 mit einem Manne gehabt hatte, mit dem es in der Folge
brach. Vom 26. Juni 1942 an hatte Hulda Ammon einen neuen Geliebten, Erich
Heiniger, der sie zu heiraten beabsichtigt. Den Entschluss, sich die
Leibesfrucht abtreiben zu lassen, fasste sie ohne sein Zutun. Heiniger
billigte ihn. Nachdem Hulda Ammon am 29. August 1942 einen Arzt in
Herzogenbuchsee erfolglos ersucht hatte, den Eingriff vorzunehmen, begab sich
Heiniger mit ihr gleichentags nochmals zu diesem Arzte und bat ihn - ebenfalls
ohne Erfolg -, ihrem Wunsche zu entsprechen. Heiniger wusste, dass seine
Geliebte die gesuchte Hilfe dann bei Kempe fand. Er schrieb ihr am 7.
September 1942: «... Jetzt gerade wirst Du in tiefem Schlafe liegen und an
nichts denken können. Ich verfolge alles im Sinn und Gedanken und sehe, wie
der Arzt an Dir herum manipuliert. Ich bin immer bei Dir. Du gibst mir bis
Sonntag genau Bericht, wie es Dir geht und wo Du Dich befindest am Sonntag...»
Am 11. September 1942 schrieb Heiniger: «... Wie geht es Dir, und wie ist bis
jetzt alles vorübergegangen? Ich hoffe das Allerbeste. Meine Gedanken sind
immer bei Dir, das darfst Du mir glauben, denn unsere gegenseitige grosse
Liebe wird uns für immer binden, und zwar so rasch als möglich... Hast Du die
Blumen erhalten, und wie gefallen sie Dir? ... Dieser Brief wird Dich tief in
Kissen gebettet aber doch wohlgemut antreffen...» Am 16. September 1942 las
Hulda Ammon in einem weiteren Briefe ihres Geliebten: «... Heute habe ich
Blumen abschicken lassen, die Du ja vor diesem Brief hast... Nächsten Sonntag
komme ich also wieder nach Bern... Und wie geht es Dir? Ich hoffe das beste...
Du kannst also Deiner Mutter sagen, ich nehme Dich am Sonntag

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nach Hause. Sie soll sich nicht auch noch Kosten aufbürden, denn sie hat sich
genug geopfert für Dich...».
B. - Am 20. Juli 1943 erklärte das Geschworenengericht des II. Bezirks des
Kantons Bern Ludwig Kempe wegen der an Hulda Ammon vorgenommenen Tat der
gewerbsmässigen Abtreibung schuldig und verurteilte ihn zu drei Jahren
Zuchthaus und fünfjähriger Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit. Es
führte aus, die gesamten Verumständungen zeigten, dass Kempe sich
gewerbsmässig mit Abtreibungen befasst habe. Er sei sowohl im Falle der Frieda
Widmer als auch im Falle der Hulda Ammon gegen ein hohes Honorar sofort bereit
gewesen, die Abtreibung vorzunehmen. Ferner habe er sich in lichtscheuer
Weise, durch Stelldichein und Wirtshausgespräch auf die Angelegenheit Ammon
eingelassen, was von Seiten eines Mannes mit beendetem Medizinstudium
besonders schwer wiege. Er habe seine Besuche spät abends und die massgebende
Manipulation zur Nachtzeit gemacht. Das Honorar habe er sich vorauszahlen
lassen. Seine Ausrede, er hätte nur dieses eine Mal und aus besonderem
Mitleide mit Hulda Ammon gehandelt, sei durch die Umstände widerlegt.
Gewerbsmässig handle, wer es in der Absicht tue, sich durch wiederholte
Begehung Einnahmen zu verschaffen. Wiederholte Begehung brauche aber nicht
vorzuliegen, vielmehr könne sich die Gewerbsmässigkeit auch bei einem
Einzelfall aus den Umständen ergeben.
Im gleichen Urteil sprach das Geschworenengericht Erich Heiniger von der
Anklage der Anstiftung zu Abtreibung frei, erklärte ihn dagegen schuldig der
Gehülfenschaft bei Abtreibung und verurteilte ihn zu einer bedingt
vollziehbaren Gefängnisstrafe von fünf Tagen. Es nahm an, er habe psychische
Gehülfenschaft geleistet, und dies dadurch, dass er seine Braut in der
Ausführung der Tat moralisch unterstützt habe. Sein Gang zum Arzt in
Herzogenbuchsee zeige, dass er die Tat billigte und sie persönlich zu fördern
trachtete. In seinen Briefen an

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Hulda Ammon liege eine wesentliche Bestärkung ihres Vorsatzes. Der Einfluss
Heinigers in dieser Sache sei entscheidend gewesen, sodass sein psychischer
Beitrag als tatfördernd und unterstützend zu bezeichnen sei.
C. - Kempe und Heiniger fechten das Urteil mit der Nichtigkeitsbeschwerde an.
Ersterer macht geltend, seine Tat falle unter Ziffer 1, nicht unter Ziffer 3
des Art. 119
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 119 - 1 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.
1    Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.
2    Der Abbruch einer Schwangerschaft ist ebenfalls straflos, wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird. Die Ärztin oder der Arzt hat persönlich mit der Frau vorher ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten.
3    Ist die Frau nicht urteilsfähig, so ist die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreterin oder ihres gesetzlichen Vertreters erforderlich.
4    Die Kantone bezeichnen die Praxen und Spitäler, welche die Voraussetzungen für eine fachgerechte Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und für eine eingehende Beratung erfüllen.
5    Ein Schwangerschaftsabbruch wird zu statistischen Zwecken der zuständigen Gesundheitsbehörde gemeldet, wobei die Anonymität der betroffenen Frau gewährleistet wird und das Arztgeheimnis zu wahren ist.
StGB; er habe nicht gewerbsmässig gehandelt.
Heiniger beantragt Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Freisprechung.
Er führt aus, er habe zur Tat der Hulda Ammon nichts beigetragen, sie in ihrem
Vorsatze nicht bestärkt, denn das Mädchen sei schon von sich aus entschlossen
gewesen, sich die Frucht abtreiben zu lassen; wer die Tat bloss billige, wie
der Beschwerdeführer, sei nicht Gehülfe.
D. - Die Staatsanwaltschaft des bernischen Mittellandes beantragt die
Abweisung beider Nichtigkeitsbeschwerden.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Der Kassationshof hat das Merkmal der Gewerbsmässigkeit bisher darin
erblickt, dass der Täter sich durch wiederholte Begehung Einnahmen verschaffen
wolle. Dass der Wille darauf gerichtet sei, die Einnahmen zum einzigen oder
doch hauptsächlichen oder regelmässigen Erwerbe zu machen, galt nicht für
nötig (BGE 68 IV 44, 69 IV 112).
Diese Begriffsbestimmung ist zu verdeutlichen. Die Schwere des Verschuldens
des gewerbsmässigen Täters liegt in der Vielheit der Begehung mit der Absicht,
sich Einnahmen zu verschaffen, aus welcher Absicht die dem Gewerbebetrieb
eigene Bereitschaft folgt, gegen unbestimmt viele zu handeln, wo immer sich
passende Gelegenheit findet. Gewerbsmässiges Handeln erfordert nicht bloss,
dass der Täter die Tat wiederholen wolle, sondern er muss sie tatsächlich
öfters begehen. Um der blossen Absicht

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willen wird niemand bestraft. Darum kann - im Gegensatz zu einer vielfach
vertretenen Auffassung (vgl. RGSt 58 20) - die Absicht als einziges Merkmal
der Gewerbsmässigkeit nicht genügen. Wohl wird die Verwerflichkeit einer
strafbaren Handlung dadurch gesteigert, dass sich der Täter dieselbe lediglich
als Glied einer Kette gewinnbringender strafbarer Handlungen vorstellt, wenn
aber die beabsichtigte Wiederholung in der Folge gar nicht verwirklicht worden
ist, wiegt die Handlung schuldmässig nicht schwerer als die aus Gewinnsucht
ohne jede Absicht der Wiederholung begangene Handlung. Was insbesondere die
Abtreibung anbetrifft, ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, bloss weil
die Tat in der Absicht der Wiederholung begangen worden ist, jeden
Lohnabtreiber schon für die erste Tat, die zugleich die letzte sein kann, mit
der harten Mindeststrafe von drei Jahren Zuchthaus bestraft wissen will. Dem
Gesetz ist solche Strenge umso weniger zu unterschieben, als auch auf Grund
von Art. 119 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 119 - 1 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.
1    Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.
2    Der Abbruch einer Schwangerschaft ist ebenfalls straflos, wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird. Die Ärztin oder der Arzt hat persönlich mit der Frau vorher ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten.
3    Ist die Frau nicht urteilsfähig, so ist die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreterin oder ihres gesetzlichen Vertreters erforderlich.
4    Die Kantone bezeichnen die Praxen und Spitäler, welche die Voraussetzungen für eine fachgerechte Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und für eine eingehende Beratung erfüllen.
5    Ein Schwangerschaftsabbruch wird zu statistischen Zwecken der zuständigen Gesundheitsbehörde gemeldet, wobei die Anonymität der betroffenen Frau gewährleistet wird und das Arztgeheimnis zu wahren ist.
StGB bis fünf Jahre Zuchthaus ausgesprochen werden
können, wenn die Umstände des Falles schon für die erste und einzige
Lohnabtreibung solche Strenge rechtfertigen. Dabei kann des Beschuldigten
Absicht, die Tat des Einkommens wegen unbestimmt oft zu wiederholen, als
Gewinnsucht die Strafzumessung gemäss Art. 63 beeinflussen.
Gewerbsmässigkeit ist darnach die tatsächliche Vielheit der Begehung mit der
Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen. Vorzubehalten sind
Bestimmungen der Spezialgesetzgebung, die einen eigenen Begriff der
Gewerbsmässigkeit kennen (z. B. BG betr. Lotterien und gewerbsmässige Wetten).
Von der Bestimmung des Begriffes ist die Beweisfrage zu unterscheiden. Es ist
nicht ausgeschlossen, dass besondere Umstände der einzigen inkriminierten
Begehung schlüssigen Beweis dafür liefern können, dass die Tat bereits öfters
begangen worden ist. Z. B. der Spezierer wird dabei ertappt, wie er mit zu
leichtem Gewicht aus

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dem aufliegenden Gewichtssatz wiegt, die Dirne ist wegen Anlockens zur Unzucht
bereits vorbestraft (vgl. BGE 68 IV 44), oder die Art ihres Auftretens lässt
auf Gewohnheit schliessen.
2.- Die Tatsachen des vorliegenden Falles erfüllen diesen Begriff der
Gewerbsmässigkeit nicht. Es fehlt schon an der Vielheit der Begehung. Kempe
ist nur wegen einer einzigen Abtreibung angeklagt worden, und diese eine Tat
lässt nicht den Schluss zu, dass er das Verbrechen schon mehrmals begangen
habe. Übrigens ist auch die Absicht im Sinne der Gewerbsmässigkeit nicht
erstellt. Wohl stellt die Vorinstanz fest, dass er die Absicht der
Wiederholung hatte. Aber aus Urteil und Akten ergibt sich nichts dafür, dass
er sie wie ein Gewerbe bei jeder sich bietenden, ihm passenden Gelegenheit zu
wiederholen gedachte. Seine Bereitschaft gegenüber Frieda Widmer und die
Abtreibung an Hulda Ammon lassen diesen Schluss nicht zu. Im ersteren Falle
zögerte Kempe, indem er zuzuwarten riet; er hing nicht besonders daran, die
Tat zu begehen. Auch der Besitz von Instrumenten und Chemikalien spricht nicht
für die erwähnte Absicht, denn Kempe brauchte diese Sachen zur Abtreibung an
Hulda Ammon, und sie konnten ihm auch für die spätere Ausübung seines Berufes
als Arzt nützlich sein. Aus der Höhe der Honorare, die er den beiden
Schwangeren verlangte, lässt sie sich nicht herleiten. Jene Honorare zeigen
bloss, dass er recht bezahlt sein wollte. Aus dem gleichen Grunde verlangte er
Vorauszahlung. Tagsüber war er im Spital tätig, daher fällt nicht auf, dass er
die Besprechungen abends hatte und die Tat nachts beging. Zudem hatte er keine
Bewilligung, als Arzt zu praktizieren, und kann sich aus diesem Grunde lieber
des Nachts zu der Schwangeren begeben haben, ganz abgesehen davon, dass er
auch sonst Grund hatte, die Tat zu verheimlichen. Das Zusammentreffen auf der
Strasse und die Besprechung im Wirtshaus möchten Anstoss erregen, wenn Kempe
praktizierender Arzt gewesen wäre; das aber war er nicht; ausser

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seiner Dachstube stand ihm kein Raum zur Verfügung, in welchem er Leute
empfangen konnte.
Kempe ist daher bloss wegen einfacher Abtreibung im Sinne des Art. 119 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 119 - 1 Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.
1    Der Abbruch einer Schwangerschaft ist straflos, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, damit von der schwangeren Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abgewendet werden kann. Die Gefahr muss umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist.
2    Der Abbruch einer Schwangerschaft ist ebenfalls straflos, wenn er innerhalb von zwölf Wochen seit Beginn der letzten Periode auf schriftliches Verlangen der schwangeren Frau, die geltend macht, sie befinde sich in einer Notlage, durch eine zur Berufsausübung zugelassene Ärztin oder einen zur Berufsausübung zugelassenen Arzt vorgenommen wird. Die Ärztin oder der Arzt hat persönlich mit der Frau vorher ein eingehendes Gespräch zu führen und sie zu beraten.
3    Ist die Frau nicht urteilsfähig, so ist die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreterin oder ihres gesetzlichen Vertreters erforderlich.
4    Die Kantone bezeichnen die Praxen und Spitäler, welche die Voraussetzungen für eine fachgerechte Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und für eine eingehende Beratung erfüllen.
5    Ein Schwangerschaftsabbruch wird zu statistischen Zwecken der zuständigen Gesundheitsbehörde gemeldet, wobei die Anonymität der betroffenen Frau gewährleistet wird und das Arztgeheimnis zu wahren ist.

StGB zu bestrafen.
3.- Das angefochtene Urteil wirft Heiniger keine Handlung vor, welche die Tat
der Hulda Ammon materiell gefördert hätte. Wohl kann Gehülfenschaft auch in
einer psychischen Förderung bestehen. Immer aber ist nötig, dass das Verhalten
des Gehülfen zu der Tat beiträgt, z. B. indem es den Täter davon abhält, den
gefassten Entschluss wieder aufzugeben. Dass Heiniger einen solchen Beitrag
geleistet habe, lassen die festgestellten Tatsachen nicht schliessen. Die
Vorinstanz geht davon aus, dass Hulda Ammon fest entschlossen gewesen sei,
sich die Leibesfrucht abtreiben zu lassen, und zwar habe sie diesen Entschluss
von sich aus gefasst. Heiniger billigte ihn, war einverstanden, seine Geliebte
trotz Schwangerschaft und Abtreibung zu heiraten. In diesem Sinne sind auch
seine Briefe auszulegen. Es steht jedoch nicht etwa fest, dass Hulda Ammon
ohne diese Haltung des Beschwerdeführers auf ihren Entschluss zurückgekommen
wäre. Und wenn es feststünde, müsste dargetan sein, dass Heiniger diese
Wirkung seiner Haltung nicht nur gewollt, sondern auch gekannt habe. Heiniger
ist daher freizusprechen.
Demnach erkennt der Kassationshof:
In Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerden des Ludwig Kempe und des Erich
Heiniger wird das Urteil des Geschworenengerichts des II. Bezirks des Kantons
Bern vom 20. Juli 1943 aufgehoben und die Sache zur Verurteilung des Ludwig
Kempe wegen nicht gewerbsmässiger Abtreibung und zur Freisprechung des Erich
Heiniger an die Vorinstanz zurückgewiesen.