S. 311 / Nr. 51 Obligationenrecht (d)

BGE 69 II 311

51. Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Oktober 1943 i. S. Velo-Wache A.-G.
gegen Hausheer und Schmitt.

Regeste:
Dienstvertrag, Auflösung aus wichtigen Gründen, Art. 352
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 352 - 1 Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
1    Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
2    Wird aus Verschulden des Heimarbeitnehmers die Arbeit mangelhaft ausgeführt, so ist er zur unentgeltlichen Verbesserung des Arbeitserzeugnisses verpflichtet, soweit dadurch dessen Mängel behoben werden können.
OR.
Die Auflösung muss unverzüglich, aber nicht augenblicklich nach Kenntnis des
wichtigen Grundes erklärt werden; der Berechtigte hat Anspruch auf eine kurze,
nach den gesamten Umständen zu bemessende Überlegungsfrist.
Contrat de travail. Résiliation anticipée pour justes motifs, art. 352 CO. La
résiliation doit intervenir sans retard mais non immédiatement après la
constatation du juste motif. La partie qui s'en prévaut a droit à un bref
délai de réflexion, à mesurer suivant l'ensemble des circonstances.
Contratto di lavoro. Risoluzione anticipata per cause gravi, art. 352 CO. La
risoluzione dev'essere comunicata senza ritardo ma non immediatamente dopo
l'accertamento della causa grave; la parte che se ne prevale ha diritto ad un
breve termine per riflettere, la cui durata è stabilita secondo l'insieme
delle circostanze.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann aus wichtigen Gründen das Dienstverhältnis
«sofort» (immédiatement, immediatamente) aufgelöst werden. Aus der Wahl dieses

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Ausdrucks ist ersichtlich, dass das Vorliegen eines wichtigen Grundes den
Kündigungsberechtigten einerseits von der Einhaltung der normalen
Kündigungsfrist befreit (was im französischen Text durch die Wendung «sans
avertissement préalable» noch besonders gesagt wird), dass aber anderseits der
Berechtigte auch die Pflicht hat, den wichtigen Grund unverzüglich geltend zu
machen. Abgesehen vom Wortlaut ergibt sich das auch aus dem Begriff des
wichtigen Grundes, da als solcher nach allgemein anerkannter Auffassung nur
ein Umstand gelten kann, der die Fortsetzung des Dienstverhältnisses für den
Berechtigten als unzumutbar erscheinen lässt. Dagegen ist die unverzügliche
Geltendmachung nicht im Sinne der Notwendigkeit einer augenblicklichen
Reaktion des Berechtigten nach Kenntnis des wichtigen Grundes zu verstehen. Es
muss ihm selbstverständlich, wie in Rechtsprechung und Literatur allgemein
anerkannt wird, eine gewisse Überlegungsfrist eingeräumt werden
(OSER-SCHÖNENBERGER N. 15, BECKER N. 43 zu Art. 352
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 352 - 1 Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
1    Der Heimarbeitnehmer hat mit der übernommenen Arbeit rechtzeitig zu beginnen, sie bis zum verabredeten Termin fertigzustellen und das Arbeitserzeugnis dem Arbeitgeber zu übergeben.
2    Wird aus Verschulden des Heimarbeitnehmers die Arbeit mangelhaft ausgeführt, so ist er zur unentgeltlichen Verbesserung des Arbeitserzeugnisses verpflichtet, soweit dadurch dessen Mängel behoben werden können.
OR). Zu verlangen, dass
der Berechtigte einen so wichtigen Entschluss überstürzt, in der ersten
Aufregung fasse, ginge zu weit. Da aber, wie erwähnt, der Grund für die
Zulassung der sofortigen Aufhebung des Dienstverhältnisses in der
Nichtzumutbarkeit von dessen Fortsetzung liegt, kann die Überlegungsfrist,
wenn sie nicht zu einem Widerspruch mit dem Wesen des wichtigen Grundes führen
soll, nur kurz bemessen sein. Ein absoluter Masstab lässt sich allerdings für
sie nicht aufstellen. Es ist vielmehr nach den Umständen des konkreten Falles
zu entscheiden, innert welcher Frist dem Berechtigen billigerweise ein
Entschluss darüber zuzumuten ist, ob er von seinem Recht zur fristlosen
Aufhebung des Vertrags Gebrauch machen wolle oder nicht. Auf jeden Fall aber
ist ein Hinauszögern über die Zeitspanne von einigen wenigen Tagen nur dort
zulässig, wo es mit Rücksicht auf die praktischen Erfordernisse des Alltags-
und Wirtschaftslebens als verständlich und berechtigt erscheint (vgl.

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BGE 66 II 142). Ein solch plausibler Grund zum Aufschub kann darin liegen,
dass dem fehlbaren Teil Gelegenheit geboten werden soll, ein den wichtigen
Grund bildendes begangenes Unrecht wieder gut zu machen oder eine Trübung des
Verhältnisses, deren Weiterbestehen eine Fortsetzung der Vertragsbeziehungen
unerträglich machen müsste, zu beheben. Aber auch in einem solchen Falle muss
verlangt werden, dass sich der Ausgleichsversuch innerhalb einer
verhältnismässig kurzen Zeitspanne abwickelt und dass der
auflösungsberechtigte Teil mit aller Deutlichkeit den Willen, beim Scheitern
des Versuchs die fristlose Aufhebung eintreten zu lassen, zum Ausdruck bringt.