S. 129 / Nr. 35 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 68 III 129

35. Entscheid vom 28. September 1942 i. S. Joder.

Regeste:
Unpfändbarkeit eines Lieferwagens als Berufswerkzeug, mit dem der Schuldner ­
sei es als Frachtführer, sei es als Geschäftsführer ­ für das Geschäft seiner
Ehefrau Transporte besorgt (Art. 92 Ziff. 3 SchKG).
Insaisissabilité, à titre d'instrument de travail, d'une voiture de livraison
avec laquelle le débiteur fait des transports pour l'entreprise de sa femme,
soit comme voiturier, soit comme administrateur de l'entreprise (art. 92 ch. 3
LP).
Impignorabilità, quale strumento di lavoro, d'un autoveicolo per forniture,
col quale il debitore eseguisce trasporti (sia come vetturale, sia come
gerente) per l'azienda di sua moglie (art. 92 cifra 3 LEF).

In der Betreibung Nr. 13884 gegen Josef Joder wurden ausser den von der
Ehefrau als Eigentum in Anspruch genommenen Hausratgegenständen, Holzvorräten
und ca. 30 Schweinen die Liegenschaft sowie ein Ford-Lieferwagen im
Schätzungswerte von Fr. 300.­ gepfändet. Letztern beanspruchte der Schuldner
als Kompetenzstück mit der Begründung, er führe damit Holztransporte etc. aus;
auch benötige er ihn dringend zum Einsammeln von Schweinetränke in Basel für
den Betrieb einer Schweinemästerei. Die Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde
ab, weil der vom Schuldner mit dem Lieferwagen ausgeübte

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Transportbetrieb als ein Annex zu dem von seiner Ehefrau geführten
Unternehmen, bestehend aus einer Schweinemästerei und einem Holzhandel,
erscheine; die Frau beanspruche Schweine und Holz, also das gesamte vorhandene
Geschäftsinventar, als Eigentum, mit Ausnahme eben des Lieferwagens, der
übrigens ebenfalls aus Frauengut angeschafft worden sei. Bei dieser Sachlage
müsse angenommen werden, dass der Lieferwagen zum Geschäftsbetrieb und zum
Vermögen der Frau gehöre und auch die Unkosten des Wagens von dieser getragen
werden. Dass der Schuldner auf eigene Rechnung und für eigene Kunden
Transporte und Kommissionen besorgt habe, zu deren Fortsetzung er unabhängig
vom Betrieb seiner Frau den Lieferwagen benötigte, habe er nicht behauptet.
Diesen Entscheid hat der Schuldner an das Bundesgericht weitergezogen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Führt die Ehefrau das Geschäft, so besorgt der Rekurrent seine Autotransporte
in Holz, Schweinen und Schweinetränke für sie als Geschäftsinhaberin, also für
einen Dritten, wobei es keinen Unterschied ausmacht, dass der Ehemann seiner
Kundin offenbar für die Transporte nicht Rechnung stellt, sondern einfach aus
dem Geschäftsertrag als Ehemann seinen Lebensunterhalt bezieht. Dann aber ist
seine Fuhrtätigkeit Berufsausübung, der Wagen mithin Berufswerkzeug. Dass
einem vom Halter auf eigene Rechnung verwendeten Lieferwagen ­ im Gegensatz
zum Lastwagen ­ grundsätzlich diese Eigenschaft zukommen kann, hat die
Rechtsprechung bereits anerkannt (BGE 67 III 133). Bei der niedrigen Schätzung
des Fahrzeugs auf nur Fr. 300.­ stellt sich die Frage seiner Ersetzung durch
ein billigeres vernünftigerweise nicht.
Im vorliegenden Rekurs führt der Schuldner freilich aus, er habe seit langer
Zeit Holzhandel sowie Schweinehandel und -Mästerei betrieben; nachdem er vor
zwei

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Jahren durch eine Schweineseuche ruiniert worden sei, hätten die
Schwiegereltern ihn in der Weise neu finanziert, dass die Ehefrau die
Anschaffungen in Schweinen und Holz auf ihren Namen tätige und den Erlös
einkassiere; zu diesem Handel benötige der Schuldner den Lieferwagen, also auf
eigene Rechnung, nicht in einem Annexbetrieb zu einem Unternehmen der Ehefrau,
die nicht Inhaberin des Geschäfts sei.
Auch bei Berücksichtigung dieser neuen, dem Rekurrenten eher ungünstigeren
Behauptungen wäre das Ergebnis kein anderes. Wenn das ganze Inventar der
Ehefrau gehört und Umsatz und Risiko des Geschäfts auf ihre Rechnung gehen, so
ist der Ehemann nicht Unternehmer im Sinne der Praxis zu Art. 92 Ziff. 3
SchKG, mag er auch nach aussen als Geschäftsinhaber gelten. Seine Tätigkeit
ist vielmehr praktisch Geschäftsführung für die Ehefrau, also Berufsausübung,
welche zu einem wesentlichen Teil in der Besorgung der Transporte mit eigenem
Lieferwagen besteht. Die ganze Tätigkeit des Rekurrenten bildet einen Beruf,
der nicht zerlegt werden könnte. Der Lieferwagen ist also auch in diesem Fall
Berufswerkzeug.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und der
Lieferwagen unpfändbar erklärt.