S. 100 / Nr. 18 Versicherungsvertrag (d)

BGE 68 II 100

18. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Januar 1942 i.S. Götte gegen
«Helvetia».


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Regeste:
Abonnentenversicherung.
Klausel, wonach von der Versicherung ausgeschlossen sind die durch
«vorbestehende Verhältnisse, Glieder- und Organdefekte ... Krankheiten oder
Krankheitsdispositionen ...» bedingten Unfallfolgen oder Erschwerungen solcher
Folgen. Enthalten die vom Versicherungsamt genehmigten
Versicherungsbedingungen eine solche Klausel, so ist sie anzuwenden, weil
weder rechtswidrig noch unsittlich.
Auslegung des Begriffes der Krankheitsdisposition nach Treu und Glauben.
Art. 33
SR 221.229.1 Legge federale del 2 aprile 1908 sul contratto d'assicurazione (Legge sul contratto d'assicurazione, LCA) - Legge sul contratto d'assicurazione
LCA Art. 33 - Salvo disposizione contraria della presente legge, l'assicuratore risponde di tutti gli avvenimenti che presentino i caratteri del rischio contro le conseguenze del quale l'assicurazione fu conchiusa, eccettochè il contratto non escluda dall'assicurazione singoli avvenimenti in modo preciso, non equivoco.
VVG. Bundesratsbeschluss vom 17. Dezember 1931 über die
Abonnentenversicherung.
Assurance-abonnement.
Clause excluant de l'assurance les suites d'un accident ou leur aggravation
qui sont déterminées par «des circonstances préexistantes, membres ou organes
manquants ou malades, ... maladies ou prédisposition à certaines maladies
...». Lorsque les conditions d'assurance approuvées par le Bureau des
assurances renferment une telle clause, celle-ci doit être appliquée, n'étant
ni illicite ni immorale.
Interprétation de bonne foi de la notion de «prédisposition à certaines
maladies».
Art. 33 LCA. - ACF du 17 décembre 1931 sur l'assurance par abonnement à un
périodique.
Assicurazione di abbonati.
Clausola che esclude dall'assicurazione le conseguenze di un infortunio o il
loro aggravamento che sono determinate «da circostanze preesistenti, membri od
organi mancanti o ammalati ... malattie o predisposizioni a certe malattie
...» Se le condizioni d'assicurazione approvate dall'Ufficio federale delle
assicurazioni contengono una siffatta clausola essa dev'essere applicata,
poichè non è nè illecita nè immorale.
Interpretazione, secondo la buona fede, del concetto di «predisposizione a
certe malattie».
Art. 33 LCA, DCF 17 dicembre 1931 concernente l'assicurazione connessa con
l'abbonamento ad un periodico.

A. - Auf Grund eines vom Kläger gelösten Abonnements der Zeitschrift «In
freien Stunden» waren der Kläger und seine Ehefrau Rosette
Götte-Grossenbacher,

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geboren 1881, bei der Beklagten gegen Unfall versichert zu einer Summe von je
Fr. 5000.- im Todesfall. § 12 der Versicherungsbedingungen lautet: «Die
«Helvetia» haftet nur für die Folgen, welche direkt und ausschliesslich auf
den Unfall zurückzuführen sind. Werden die Folgen eines Unfalles teilweise
bedingt oder erschwert durch vorbestehende Verhältnisse, Glieder- und
Organdefekte, Schwangerschaft, Krankheiten oder Krankheitsdispositionen, im
besondern Zuckerkrankheit, so haftet die «Helvetia» nur für diejenigen Folgen,
welche der gleiche Unfall normalerweise bei einer Person verursacht hätte, bei
welcher diese erschwerenden Bedingungen nicht vorhanden wären.»
B. - Am 28. Januar 1940 glitt Frau Götte aus, fiel zu Boden und erlitt eine
Quetschung am Gesäss und einen Bruch des zwölften Brustwirbelkörpers. Sie war
deshalb drei Wochen bettlägerig. Als sich später, nachdem sie zeitweilig
wieder aufgestanden war, gürtelartige Schmerzen einstellten, verordnete der
Arzt Bettruhe mit Flachlagerung der Patientin. Eine am 6. April 1940
festgestellte schwere Cysto-Pyelitis (Blasen- und Nierenbecken-Entzündung)
machte am 17. des gleichen Monats die Überführung in das Kantonsspital in
Olten nötig. Dort starb Frau Götte am 9. Juni 1940 an den Folgenden einer
Urämie.
C. - Die Verstorbene hatte schon seit Jahren an einer immer wieder
auftretenden Cysto-Pyelitis gelitten. Der dadurch bedingten Disposition zu
solchen Entzündungen mass der Gutachter Dr. Hardmeier, Oberarzt am
Gerichtlich-Medizinischen Institut der Universität Zürich, den grössern Anteil
an der Todesverursachung zu; die teilweise Mitwirkung des Unfallereignisses
sei mit minimal 25 % und maximal 33 1/3 % einzuschätzen. Dem Gutachten vom 19.
Juli 1940, mit Ergänzungsbericht vom 19. September 1940, ist im übrigen zu
entnehmen: «Der Unfall vom Januar 1940 hätte an und für sich zweifellos nicht
zum Tode geführt. Die Fraktur des zwölften Brustwirbelkörpers war in den
viereinhalb Monaten zwischen Unfall

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und Exitus praktisch vollständig ausgeheilt... Für einen direkten
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der tödlichen Erkrankung
(zum Beispiel in dem Sinne, dass durch den Unfall eine Verletzung der Nieren
oder der harnableitenden Wege entstanden wäre) liegen keinerlei Anhaltspunkte
vor; der negative Sektionsbefund und vor allem der Umstand, dass die
Cysto-Pyelitis erst ca. zehn Wochen nach dem Unfallereignis eingetreten war,
sprechen unbedingt gegen eine solche Annahme ...» Ein indirekter
Kausalzusammenhang sei dagegen anzunehmen, in dem Sinne, dass die durch den
Unfall nötig gewordene langdauernde Bettruhe mit Flachlagerung des Körpers das
Wiederaufflackern der vorbestandenen und latent noch vorhandenen
Cysto-Pyelitis begünstigt habe. Diese sei nie ganz ausgeheilt gewesen. «Durch
irgendwelche Gelegenheitsfaktoren (Übermüdung, Erkältung, Herabsetzung der
allgemeinen Widerstandskraft, Verstopfung usw.) kann es bei einer solchen
latenten Disposition jederzeit wieder zu einem Aufflackern der entzündlichen
Prozesse kommen.» Angesichts der im Sektionsbefund festgestellten
Nierenschädigung wäre ohnehin mit schweren Rückfällen zu rechnen gewesen, und
es sei mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sich auch ohne den
Unfall vom Januar 1940 im Laufe der nähern Zukunft ein solcher Schub
eingestellt hätte. «Auf jeden Fall wären die Lebensaussichten der Frau ...
weitgehend reduziert gewesen.»
D. - Die Beklagte lehnte die Zahlung der Todesfallentschädigung von Fr. 5000.-
unter Berufung auf § 12 der Versicherungsbedingungen ab. Das Amtsgericht
Olten-Gösgen sprach dem Kläger die Hälfte der Versicherungssumme zu, mit der
Begründung, es habe keine manifeste Krankheit, sondern nur ein latenter
krankhafter Zustand vorgelegen, und dessen Einfluss sei nach richterlichem
Ermessen auf Grund der Feststellungen des medizinischen Sachverständigen
ungefähr gleich stark wie der Einfluss des Unfalles einzuschätzen. Das
Obergericht des

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Kantons Solothurn, an das beide Parteien appellierten, wies dagegen die Klage
am 31. Oktober 1941 gänzlich ab, aus folgenden Gründen: Da der Unfall ohne die
bereits vorhandene Krankheit nach den Feststellungen des Gutachtens nicht den
Tod herbeigeführt hätte, sei die für den Todesfall vorgesehene
Versicherungsleistung nach § 12 der Versicherungsbedingungen nicht geschuldet.
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ergebe sich aus den Ausführungen des
Gutachtens, dass eine manifeste Krankheit vorgelegen habe, die voraussichtlich
in kurzer Zeit die nämlichen Folgen gehabt hätte wie der Unfall.
E. - Der Kläger hält mit seiner Berufung an das Bundesgericht am Anspruch auf
die Todesfallentschädigung fest. Er bezeichnet die Annahme einer manifesten
Krankheit als den Feststellungen des Gutachtens widersprechend; darnach sei
ferner bloss möglich, aber nicht bewiesen, dass Frau Götte auch ohne den
Unfall in naher Zukunft gestorben wäre.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
In BGE 57 II 434 (vollständiger wiedergegeben in SVA VII 576) wurde die
Klausel, wonach von der Versicherung diejenigen Unfallfolgen ausgeschlossen
sind, die ohne das Bestehen oder Hinzukommen erheblicher Krankheitszustände
voraussichtlich nicht eingetreten wären, als gültig anerkannt. Anderseits
wurden als Krankheitszustände nicht schon Abnormitäten und latente krankhafte
Zustände, sondern nur aktive Krankheiten anerkannt, und mit Hinweis auf BGE 50
II 223
wurde beigefügt, der Einfluss eines latenten krankhaften Zustandes
könne die Haftung des Versicherers nicht schlechthin ausschliessen. Diese
Entscheidungen knüpfen indessen an Vertragsbestimmungen an, die von den
vorliegenden verschieden waren. Im Falle der einen Entscheidung war die
Haftung des Versicherers für die Verschlimmerung der Unfallfolgen durch einen
vom Unfall unabhängigen Umstand wegbedungen, und im andern Falle war von der
Einwirkung

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erheblicher Krankheitszustände die Rede. Weitergehend schliesst der
vorliegende Versicherungsvertrag die Haftung des Versicherers insoweit aus,
als die Folgen eines Unfalles «durch vorbestehende Verhältnisse, Glieder- und
Organdefekte... Krankheiten oder Krankheitsdispositionen» bedingt sind. Haben
solche Verhältnisse die Unfallfolgen teilweise bedingt oder erschwert, so ist
die Haftung auf diejenigen Folgen beschränkt, die beim Fehlen der betreffenden
erschwerenden Bedingungen eingetreten wären. Diese Klausel ist, wenigstens bei
einer Abonnentenversicherung, weder als rechtswidrig noch als unsittlich zu
erachten. An der Abonnentenversicherung nehmen irgendwelche Personen teil,
ohne über ihren Gesundheitszustand Erklärungen abgeben oder sich durch ein
ärztliches Zeugnis ausweisen zu müssen. Der Versicherer hat daher
Veranlassung, durch besondere Bestimmungen dafür zu sorgen, dass er nicht
unbesehen alle möglichen Risiken übernehmen muss. Die Haftung einschränkende
Versicherungsbestimmungen sind zulässig, wenn sie nur bestimmt und eindeutig
gefasst sind (Art. 33
SR 221.229.1 Legge federale del 2 aprile 1908 sul contratto d'assicurazione (Legge sul contratto d'assicurazione, LCA) - Legge sul contratto d'assicurazione
LCA Art. 33 - Salvo disposizione contraria della presente legge, l'assicuratore risponde di tutti gli avvenimenti che presentino i caratteri del rischio contro le conseguenze del quale l'assicurazione fu conchiusa, eccettochè il contratto non escluda dall'assicurazione singoli avvenimenti in modo preciso, non equivoco.
VVG). Der Haftungsbeschränkung entspricht übrigens die
Möglichkeit einer Ermässigung des mittelbar von den Abonnenten zu tragenden
Prämienaufwandes, ganz abgesehen davon, dass gewisse Abonnenten speziell für
den Todesfall bereits durch eine Lebensversicherung vorgesorgt haben. Ob und
wie weit Gründe des Volkswohls allenfalls eine Milderung gewisser
Ausschlussklauseln, speziell bei der Abonnentenversicherung, rechtfertigen
würden, und inwiefern sich dies ohne übermässige Erhöhung des Prämienaufwandes
erreichen liesse, steht im Prüfungsbereich der Aufsichtsbehörde, die nach Art.
6 des BRB vom 17. Dezember 1931 über die Abonnentenversicherung die
Versicherungsbedingungen zu genehmigen hat. Der Richter hat die
Vertragsbestimmungen im Rahmen der Rechtsordnung so gelten zu lassen, wie sie
aufgestellt sind.
Dass die Auslegung und Anwendung solcher Bestimmungen wie anderer
vertraglicher Abmachungen sich

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nach den Regeln von Treu und Glauben zu richten hat, versteht sich von selbst.
Als Krankheitsdisposition wäre darnach nicht schon jede Empfindlichkeit
anzusehen, wie sie auch dem völlig gesunden Menschen eigen sein kann. Es
kommen nur derart ausgeprägte - wenn auch allenfalls nicht offenkundig
gewordene, ja der betreffenden Person selbst verborgen gebliebene - krankhafte
Veranlagungen in Betracht, dass eben nach landläufiger, einigermassen
weitherziger Auffassung nicht mehr normale Gesundheitsverhältnisse bestehen.
An diesem Massstab gemessen, hält aber im vorliegenden Falle die Annahme einer
Krankheitsdisposition der Überprüfung stand, mag auch eine beim Unfall schon
und noch vorhandene manifeste oder aktive Krankheit durch das Gutachten nicht
eindeutig dargetan sein. Es ist eine nicht völlig ausgeheilte Cysto-Pyelitis
festgestellt, die angesichts der mit ihr verbundenen Gefahren zum mindesten
eine ernstliche Krankheitsdisposition darstellte, und auf diese Disposition
ist der durch den Unfall und die Unfallbehandlung ausgelöste starke
Krankheitsschub zurückzuführen, der zum Tode führte. Ob Frau Götte auch ohne
den Unfall mit Sicherheit in naher Zukunft einen tödlichen Schub solcher Art
erlitten hätte, ist nach der anzuwendenden Vertragsbestimmung nicht
entscheidend, weshalb auf die diesen Punkt betreffenden Ausführungen der
Berufungsschrift nicht einzugehen ist. Dem eingeklagten Anspruch steht einfach
entgegen, dass der Unfall nicht so schwer war, dass Frau Götte auch ohne ihre
Krankheit oder Krankheitsdisposition an den Folgen dieses Unfalles gestorben
wäre.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons
Solothurn vom 31. Oktober 1941 bestätigt.