S. 395 / Nr. 68 Familienrecht (d)

BGE 64 II 395

68. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Oktober 1938 i. S. Fricker gegen
Fricker.


Seite: 395
Regeste:
1. Die Befugnis der Ehefrau zur Begründung eines selbständigen Wohnsitzes
(Art. 25 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
ZGB) hängt, entsprechend der Rechtsprechung der
staatsrechtlichen Abteilung, nur vom Recht ab, nach Art. 170 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
oder 2 ZGB
den gemeinsamen Haushalt aufzuheben. Eine richterliche Bewilligung ist dazu
nicht erforderlich (Erw. 2, a).
2. Die Niederlassung an einem andern Ort zu dem einzigen Zwecke, dort den
Scheidungsprozess anzuheben, schafft keinen gültigen Wohnsitz und
Gerichtsstand (Erw. 2, b).
3. Vor dem Scheidungsprozess getroffene Massnahmen nach Art. 169 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
. ZGB
bleiben auch nach Anhebung des Prozesses in Kraft, bis der Scheidungsrichter
sie allenfalls ändert oder aufhebt (Erw. 1).

Die Klägerin zog im April 1938 von Zürich, wo sie mit ihrem Ehemanne wohnte,
nach Rorschach (Goldach) zu ihrer erkrankten Mutter. Nach einigen Wochen
fasste sie den Entschluss, nicht mehr zum Manne zurückzukehren.
Sie beschuldigte ihn auf Grund eines Detektivberichtes unerlaubter Beziehungen
und liess ihm durch einen Anwalt die Absicht, auf Scheidung zu klagen,
kundgeben. Noch

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im Mai 1938 meldete sie sich in Rorschach bei der Wohnsitzkontrolle an. Es
folgte ein Briefwechsel der Anwälte über die bei einer Scheidung zu treffende
Auseinandersetzung. Am 14. Juli 1938 brachte die Klägerin das
Scheidungsbegehren vor Vermittleramt Rorschach, und nach Erhalt der Vorladung
zum Aussöhnungsversuch, der am 22. Juli erfolglos stattfand, suchte sie beim
dortigen Bezirksgerichtspräsidium vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art.
145
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
ZGB nach: Gestattung des Getrenntlebens, Zuweisung des Kindes an sie und
Verpflichtung des Ehemannes zu Unterhaltsbeiträgen.
Der Mann widersetzte sich dem Gesuch und bestritt in erster Linie die örtliche
Zuständigkeit des Richters von Rorschach. Dieser verwarf jedoch die Einrede
und entsprach dem Gesuch der Frau mit Verfügung vom 9. August 1938.
Mit der vorliegenden zivilrechtlichen Beschwerde beantragt der Ehemann beim
Bundesgericht Aufhebung dieser Verfügung mangels Zuständigkeit der st.
gallischen Gerichte.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der mit einer Scheidungsklage befasste Richter ist als solcher zuständig
zu vorsorglichen Massnahmen im Sinne von Art. 145
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
ZGB. Bestehen Zweifel über
seine örtliche Zuständigkeit zur Behandlung der Scheidungsklage selbst, so
wird er darauf bedacht sein, der Gestaltung der Verhältnisse nicht mit
Massnahmen vorzugreifen, die nicht als dringlich erscheinen. Unter Umständen
kann mit der Beurteilung des Gesuches zugewartet und vorerst über die
Zuständigkeit für den Hauptprozess geurteilt werden, bei deren Ablehnung sich
das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen gleichfalls erledigt. So kann namentlich
verfahren werden, wenn bereits vor der Prozessanhebung, gemäss Art. 169 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
.
ZGB, eine gerichtliche Verfügung erwirkt wurde, die den dringenden
Bedürfnissen der Familie genügt. Wie das Bundesgericht schon auszusprechen
Gelegenheit hatte,

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bleibt eine solche Verfügung auch nach Anhebung des Scheidungsprozesses in
Kraft, bis sie vom Scheidungsrichter aufgehoben oder geändert wird. Hier ist
indessen nicht in solcher Weise vorgesorgt und auch nicht dargetan, dass die
anbegehrten Massnahmen nicht dringlich wären.
2.- Die Zuständigkeit des Scheidungsrichters zu solchen Massnahmen ist
gegeben, sobald bei ihm die Scheidungsklage nach dem kantonalen Prozessrecht
hängig geworden ist (BGE 64 II 175). Ein Gesuch nach Art. 145
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
ZGB kann aber
als unzulässig zurückgewiesen werden, wenn die, obwohl noch nicht
(rechtskräftig) beurteilte, Zuständigkeit für den Hauptprozess offenkundig
fehlt (BGE 53 I 57, 54 I 115). Aus diesem Gesichtspunkt erscheint hier die
Einrede des Ehemannes begründet, so dass offen bleiben kann, ob die Hängigkeit
der Scheidungsklage mit dem Vermittlungsverfahren bereits eingetreten war.
a) Als erste Voraussetzung eines selbständigen Wohnsitzes und
Scheidungsgerichtsstandes der Ehefrau (Art. 144
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 169 - 1 Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
1    Ein Ehegatte kann nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des andern einen Mietvertrag kündigen, das Haus oder die Wohnung der Familie veräussern oder durch andere Rechtsgeschäfte die Rechte an den Wohnräumen der Familie beschränken.
2    Kann der Ehegatte diese Zustimmung nicht einholen oder wird sie ihm ohne triftigen Grund verweigert, so kann er das Gericht anrufen.
ZGB) hat nach Art. 25 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27

ZGB zu gelten, dass sie «berechtigt ist, getrennt zu leben». Das trifft nicht
nur bei gerichtlicher Trennung der Ehe (Art. 146 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
. ZGB) zu, sondern auch bei
blosser Berechtigung, den gemeinsamen Haushalt aufzuheben, nach Massgabe von
Art. 170 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
und 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
ZGB. Es ist umstritten, ob eine solche Berechtigung ohne
weiteres beim Vorliegen des gesetzlichen Tatbestandes gegeben sei, oder ob es
einer gerichtlichen Feststellung und Ermächtigung bedürfe. Die
staatsrechtliche Abteilung des Bundesgerichtes hat die Frage im ersteren Sinne
entschieden (BGE 47 I 425, 54 I 115). Die zweite Zivilabteilung sieht keine
Notwendigkeit, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Allerdings lässt sich die
erwähnte Auslegung nicht mit Sicherheit auf die Entstehungsgeschichte des
Gesetzes stützen (wie DU PASQUIER, im Journal des Tribunaux 1913, droit
fédéral 290 ff., und GUISAN, in der Zeitschrift für schweizerisches Recht 1930
S. 338 Anm. 29, zutreffend bemerken). Sie hat aber den Gesetzestext selbst für
sich, der vor allem massgebend sein muss:

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vorab den deutschen, aber auch den französischen Text. Art. 170
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
ZGB steht
unter den Bestimmungen über den «Schutz der Gemeinschaft» (Art. 169-176), die
in erster Linie richterliche Hülfe vorsehen (Art. 169), jedoch (auch abgesehen
von den Art. 173 ff.) nicht ausschliesslich. Gerade Art. 170 spricht in den
Abs. 1 und 2 nicht von richterlicher Ermächtigung, sondern erklärt einen
Ehegatten beim Vorliegen bestimmter Verhältnisse kurzerhand «berechtigt, den
gemeinsamen Haushalt aufzuheben»; ebenso der französische Text: «Un époux peut
avoir une demeure séparée...» und «Chacun des époux a le droit ... de cesser
la vie commune...». Demgemäss ist auch der weniger klar gefasste Text von Art.
25 Abs. 2 («La femme... qui est autorisée à vivre séparée») im Sinne des
deutschen Textes zu verstehen. Der italienische Text hat dagegen in Art. 170
Abs. 1 wohl eine richterliche Ermächtigung im Auge («... può essere
autorizzato ...»). Damit ist aber nicht gesagt, eine Aufhebung des gemeinsamen
Haushaltes sei nur mit solcher Ermächtigung statthaft. Die Anrufung des
Richters ist ja den Eheleuten anheimgestellt, nicht vorgeschrieben, noch kennt
das Gesetz ein Einschreiten der Behörden von Amtes wegen, um den Eheleuten
eine Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes ohne richterliche Bewilligung zu
verwehren. Jedenfalls könnte der Auffassung, zu berechtigtem Getrenntleben
bedürfe es einer richterlichen Bewilligung, angesichts des deutschen und des
französischen Textes nur gefolgt werden, wenn sie aus sachlichen Gründen als
unabweislich erschiene.
Das ist nicht der Fall. Einen Ehegatten bei Gefährdung seiner Gesundheit,
seines guten Rufes oder seines wirtschaftlichen Auskommens, sowie nach
Einreichung einer Scheidungsklage auch ohne richterliche Ermächtigung für
berechtigt zu erklären, den gemeinsamen Haushalt aufzuheben, ist keineswegs so
seltsam, dass diese Ordnung dem Willen des Gesetzes nicht entsprechen könnte.
Die Ehegatten (namentlich die Ehefrau) mögen ein Interesse haben, ihre
Berechtigung durch richterliche Verfügung

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klarstellen zu lassen. Diesem Interesse ist aber dadurch genügt, dass sie den
Richter anrufen können, wenn und sobald es ihnen beliebt. Art. 170
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 170 - 1 Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
1    Jeder Ehegatte kann vom andern Auskunft über dessen Einkommen, Vermögen und Schulden verlangen.
2    Auf sein Begehren kann das Gericht den andern Ehegatten oder Dritte verpflichten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.
3    Vorbehalten bleibt das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Geistlichen und ihrer Hilfspersonen.
ZGB lässt
sich auch nicht zu Gunsten anderer Personen in anderm Sinne auslegen. Die
Bestimmung ist nur für die Eheleute, zum Schutz der Ehe, aufgestellt und zieht
Drittinteressen nicht in Betracht. Übrigens geht das Interesse Dritter, die
eine getrennt lebende Ehefrau etwa mit Klage oder Betreibung belangen wollen,
in der Regel nicht dahin, ihr keinen selbständigen Wohnsitz zuzuerkennen,
solange sie gegenüber dem Manne nicht den Richter angerufen hat. Auch für
Dritte handelt es sich vornehmlich um die Abklärung der Rechtslage. Sollte
nicht möglich sein, darüber in ihrem Verfahren gegen die Ehefrau einen
Vorfrageentscheid zu erhalten, so bleibt doch die nachträgliche Austragung der
Frage zwischen den Eheleuten selbst vorbehalten.
In diesem Falle wie überhaupt kann die Ehefrau den behaupteten selbständigen
Wohnsitz als Gerichtsstand gerade auch für das in Frage stehende Gesuch in
Anspruch nehmen (BGE 54 I 245). Missbräuchen ist dadurch vorgebeugt, dass der
Richter dann eben zu prüfen hat, ob die Gesuchstellerin zum Getrenntleben
berechtigt sei und wirklich einen selbständigen Wohnsitz begründet habe.
Nicht haltbar ist endlich die Ansicht, berechtigtes Getrenntleben einer
Ehefrau sei zwar nicht von richterlicher Bewilligung abhängig, wohl aber die
Berechtigung zu selbständiger Wohnsitzbegründung. Art. 25 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 25 - 1 Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
1    Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge26 gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz.
2    Bevormundete Kinder haben ihren Wohnsitz am Sitz der Kindesschutzbehörde.27
ZGB knüpft an
die Berechtigung zum Getrenntleben ohne weiteres die Berechtigung zur
Begründung eines selbständigen Wohnsitzes.
b) Konnte demnach die Klägerin den Scheidungsprozess in Rorschach anheben,
falls sie dort befugterweise selbständigen Wohnsitz genommen hatte, so fehlt
es nun aber augenscheinlich jedenfalls an einer allgemeinen Voraussetzung
solchen Wohnsitzerwerbes. Nichts spricht dafür, dass sie, statt nach dem
Besuch der Mutter zum Manne zurückzukehren, zu anderm Zwecke in Rorschach

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geblieben ist, als um dort den Scheidungsprozess zu führen. Damit ist das
Erfordernis einer Absicht «dauernden Verbleibens» nach Art. 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
ZGB nicht
erfüllt; vielmehr läuft solches Vorgehen auf die willkürliche Wahl eines
Scheidungsgerichtsstandes hinaus, was nicht geschützt werden kann (BGE 42 I
140
).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die zivilrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des
Präsidiums des Bezirksgerichtes Rorschach vom 9. August 1938 aufgehoben.