S. 48 / Nr. 14 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 60 III 48

14. Entscheid vom 25. April 1934 i. S. Kempf.

Regeste:
Die Verwaltung der Liegenschaft infolge Verwertungsbegehren in der
Grundpfandbetreibung schränkt den Schuldner nicht in der Verfügung über früher
eingeheimste Früchte dieser Liegenschaft ein.
La gérance du gage immobilier par l'office après la réquisition de vente
n'enlève pas au débiteur le droit de disposer des fruits récoltés auparavant.
La gestione di un pegno immobiliare assunta dall'ufficio dopo la domanda di
vendita non priva il debitore della facoltà di disporre dei frutti raccolti
precedentemente.

Gegen den Rekurrenten wurde am 29. März 1933 Betreibung auf
Grundpfandverwertung seines Bauerngutes angehoben und am 16. Dezember das
Verwertungsbegehren

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gestellt. Als er im Januar 1934 seinen (nicht etwa gepfändeten) Heuvorrat der
Ernte 1933 verkaufen und abführen lassen wollte, schrieb ihm das
Betreibungsamt Arth am 13. Januar: «Da die Heuvorräte zu den Erträgnissen der
Liegenschaft gehören, so darf dieser Verkauf nicht vorgenommen werden».
Hiegegen führte der Rekurrent Beschwerde mit dem Antrag, die Verfügung des
Betreibungsamtes sei sogleich aufzuheben und der Verkauf der vorhandenen
Heuvorräte sei ihm zu gestatten. Die untere Aufsichtsbehörde, das
Bezirksgerichtspräsidium Schwyz, hat die Beschwerde abgewiesen, im
wesentlichen aus den Gründen: «Die Liegenschaft unterstand ab 16. Dezember,
als das Verwertungsbegehren gestellt worden war, der Verwaltung des
Betreibungsamtes. Es hatte von da ab auch die Gläubigerinteressen zu vertreten
und daher das Recht und die Pflicht, gegen allfällige Wertverminderungen sich
zur Wehre zu setzen. Nun wird eine Liegenschaft durch den Verkauf der
Futtervorräte ab derselben in ihrem Werte vermindert, wenn nicht gleichzeitig
die für eine richtige Bewirtschaftung und einen nachhaltigen Ertrag
notwendigen Düngmittel beschafft werden. Das hat der Schuldner unterlassen. Es
drohte also eine Wertverminderung, gegen die das Betreibungsamt durch seine
Verfügung im Sinne von Art. 808
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 808 - 1 Vermindert der Eigentümer den Wert der Pfandsache, so kann ihm der Gläubiger durch das Gericht jede weitere schädliche Einwirkung untersagen lassen.
1    Vermindert der Eigentümer den Wert der Pfandsache, so kann ihm der Gläubiger durch das Gericht jede weitere schädliche Einwirkung untersagen lassen.
2    Der Gläubiger kann vom Gericht ermächtigt werden, die zweckdienlichen Vorkehrungen zu treffen, und kann solche auch ohne Ermächtigung vornehmen, wenn Gefahr im Verzug ist.
3    Er kann für die Kosten der Vorkehrungen vom Eigentümer Ersatz verlangen und hat dafür an dem Grundstück ein Pfandrecht. Dieses Pfandrecht entsteht ohne Eintragung im Grundbuch und geht jeder eingetragenen Belastung vor.655
4    Ist der Betrag des Pfandrechts höher als 1000 Franken und wird dieses nicht innert vier Monaten nach Abschluss der Vorkehrungen in das Grundbuch eingetragen, so kann es Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, nicht entgegengehalten werden.656
ZGB mit Recht einschritt. Dieselbe muss daher,
bis und solange der Schuldner nicht für die fehlenden Düngmittel
entsprechenden Ersatz leistet, einstweilen aufrecht erhalten bleiben». -
Dagegen hat die obere Aufsichtsbehörde, die Justizkommission des Kantons
Schwyz, am 23. März 1934 die an sie weitergezogene Beschwerde als
gegenstandslos geworden abgeschrieben aus den Gründen: «Wie das Betreibungsamt
und die untere Aufsichtsbehörde vernehmlassend mitteilen, hat der
Beschwerdeführer nun Vieh an Fütterung genommen und hirtet das Heu auf der in
Verwertung befindlichen Liegenschaft auf. Dadurch ist nicht nur dem
angefochtenen Entscheid Genüge getan, indem der Dünger auf der

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Liegenschaft verbleibt, sondern es kommt auch der Beschwerdeführer zu seinem
Recht, indem der Erlös aus dem Heu in Form des Futtergeldes ungeschmälert
diesem zukommt». - Diesen Entscheid hat der Rekurrent an das Bundesgericht
weitergezogen, unter Erneuerung seines Beschwerdeantrages, und dabei geltend
gemacht, der Käufer der Heuvorräte habe sein` Vieh wieder in seinen eigenen
Stall zurückgebracht, bevor sämtliche Heuvorräte aufgehirtet waren; der Rest
des Heuvorrates sei somit noch nicht verkauft. - Bei der Einsendung des
Rekurses hat sich die obere Aufsichtsbehörde eventuell die Gründe der unteren
Aufsichtsbehörde zu eigen gemacht.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
In der Betreibung auf Grundpfandverwertung gibt die dem Betreibungsamt erst
nach der Stellung des Verwertungsbegehrens obliegende Verwaltung der
Pfandliegenschaft die Befugnis, für die Einheimsung (Gewinnung) der Früchte zu
sorgen (Art. 155 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 155 - 1 Hat der Gläubiger das Verwertungsbegehren gestellt, so sind die Artikel 97 Absatz 1, 102 Absatz 3, 103 und 106-109 auf das Pfand sinngemäss anwendbar.313
1    Hat der Gläubiger das Verwertungsbegehren gestellt, so sind die Artikel 97 Absatz 1, 102 Absatz 3, 103 und 106-109 auf das Pfand sinngemäss anwendbar.313
2    Das Betreibungsamt benachrichtigt den Schuldner binnen drei Tagen von dem Verwertungsbegehren.
, 102 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 102 - 1 Die Pfändung eines Grundstückes erfasst unter Vorbehalt der den Grundpfandgläubigern zustehenden Rechte auch dessen Früchte und sonstige Erträgnisse.
1    Die Pfändung eines Grundstückes erfasst unter Vorbehalt der den Grundpfandgläubigern zustehenden Rechte auch dessen Früchte und sonstige Erträgnisse.
2    Das Betreibungsamt hat den Grundpfandgläubigern sowie gegebenenfalls den Mietern oder Pächtern von der erfolgten Pfändung Kenntnis zu geben.
3    Es sorgt für die Verwaltung und Bewirtschaftung des Grundstücks219.
(früher 2), 103 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 103 - 1 Das Betreibungsamt sorgt für das Einheimsen der Früchte (Art. 94 und 102).220
1    Das Betreibungsamt sorgt für das Einheimsen der Früchte (Art. 94 und 102).220
2    Im Falle des Bedürfnisses sind die Früchte zum Unterhalt des Schuldners und seiner Familie in Anspruch zu nehmen.
SchKG, 101 und 17
VZG), dagegen keinerlei Macht über die schon vorher vom Schuldner selbst
eingeheimsten Früchte. Glaubt ein Betreibungsamt, die Wegschaffung von
Futtervorräten als eine den Wert der Pfandliegenschaft vermindernde Einwirkung
ansehen zu sollen, so kann es sie dem Schuldner nicht selbst rechtswirksam
untersagen, sondern höchstens einen dahinzielenden Antrag beim Richter
stellen, dem allein nach der von der unteren Aufsichtsbehörde angerufenen
Vorschrift des Art. 808
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 808 - 1 Vermindert der Eigentümer den Wert der Pfandsache, so kann ihm der Gläubiger durch das Gericht jede weitere schädliche Einwirkung untersagen lassen.
1    Vermindert der Eigentümer den Wert der Pfandsache, so kann ihm der Gläubiger durch das Gericht jede weitere schädliche Einwirkung untersagen lassen.
2    Der Gläubiger kann vom Gericht ermächtigt werden, die zweckdienlichen Vorkehrungen zu treffen, und kann solche auch ohne Ermächtigung vornehmen, wenn Gefahr im Verzug ist.
3    Er kann für die Kosten der Vorkehrungen vom Eigentümer Ersatz verlangen und hat dafür an dem Grundstück ein Pfandrecht. Dieses Pfandrecht entsteht ohne Eintragung im Grundbuch und geht jeder eingetragenen Belastung vor.655
4    Ist der Betrag des Pfandrechts höher als 1000 Franken und wird dieses nicht innert vier Monaten nach Abschluss der Vorkehrungen in das Grundbuch eingetragen, so kann es Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, nicht entgegengehalten werden.656
ZGB gegebenenfalls die Befugnis zur Untersagung
zusteht. Auch wird der Heuvorrat nicht etwa, wie das Betreibungsamt meinte,
als Liegenschaftszugehör vom Grundpfandverwertungsverfahren erfasst, worüber
es bereits durch den Bericht der Kammer über die Inspektion dieses Amtes vom
31. Mai/14. Juni 1927 (S. 18) belehrt worden ist (vgl. auch BGE 59 III S. 82).

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Somit stand dem Betreibungsamt kein Grund zur Seite, um dem Verkauf des ein
halbes Jahr vor dem Verwertungsbegehren angelegten, ja auch nicht etwa
gesondert gepfändeten Heuvorrates entgegenzutreten. Sein Verkaufsverbot muss
daher als eine gesetzwidrige Verfügung von den Aufsichtsbehörden aufgehoben
werden. Als gegenstandslos geworden hätte sie nur angesehen werden dürfen,
wenn der Rekurrent auf den Verkauf verzichtet hätte. Ein solcher Verzicht kann
jedoch unmöglich schon darin gefunden werden, dass er fremdes Vieh ans Futter
nahm. Dass dieses den gesamten Heuvorrat verzehren werde, dafür bestand
keineswegs von vorneherein Gewähr (und nach den Rekursanbringen scheint es
auch gar nicht geschehen zu sein). Kann aber trotz dem unternommenen Aufhirten
des Heues auf der Pfandliegenschaft selbst noch solches übrig bleiben, so
bleibt die Frage nach der Verkaufsbefugnis aktuell - woraus sich das
fortdauernde Interesse des Rekurrenten an der Aufhebung der gesetzwidrigen
Verfügung ohne weiteres ergibt.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird begründet erklärt und die angefochtene Verfügung aufgehoben.