S. 277 / Nr. 43 Obligationenrecht (d)

BGE 60 II 277

43. Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Juni 1934 i. S. Christen gegen
Bourquin.

Regeste:
Werkhaftung und Haftung aus unerlaubter Handlung.
1. Lage oder Bauart strassenanliegender Gebäude als Verkehrshindernis;
Haftungsverhältnisse nach Art. 58 u . 41 ff. OR. Erw. 2 u. 3.

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2. Zusammenstoss zwischen Automobil u. landwirtschaftlichem Fuhrwerk;
Bemessung der Sorgfaltspflicht nach der natürlichen Gefährlichkeit der beiden
Fahrzeugarten für den Strassenverkehr. Erw. 4-7.

A. - Am 13. Juni 1932 abends etwas nach 21 Uhr stiess beim Heimwesen des
Beklagten im Lehn, zwischen Lyss und Suberg, das Personenautomobil des Klägers
mit einem unbeladenen Heuwagen zusammen.
Haus und Scheune des Beklagten bilden zusammen ein langgezogenes Gebäude und
liegen nördlich der 7,8 m breiten Strasse Bern-Biel, von dieser der ganzen
Länge nach 4 m abstehend. Ungefähr in der Mitte des Gebäudes befindet sich die
Tenne, zu welcher von der Strasse her ansteigend eine Einfahrt führt. Ostwärts
der Einfahrt (Richtung Bern) ist der Hausplatz von einem Garten, westwärts
(Richtung Lyss) von einem Miststock eingenommen, welche beide gegen die
Strasse zu durch eine Stützmauer abgeschlossen sind.
B. - Am Abend des genannten Tages, bei Regenwetter, war der Beklagte mit
seinen Leuten beschäftigt, zwei Fuder Heu einzufahren und abzuladen. Da die
Tenne nur Platz für ein Fuder bot, liess er das andere zunächst draussen am
südlichen (dem Heimwesen abgekehrten) Strassenrand stehen, wobei der Wagen die
Strasse auf eine Breite von 2,40 m in Anspruch nahm.
Als der erste Wagen in der Tenne abgeladen war, ging der Beklagte hinaus, um
sich zu vergewissern, ob auf der Strasse kein Fahrzeug herannahe; da er keines
bemerkte, schob er den Wagen, von dem die Deichsel abgenommen war, rückwärts
auf die Strasse und liess ihn dort, mit den hintern Rädern in der Richtung
gegen Lyss abgedreht, ungefähr in der Mitte stehen, während der Knecht Riedwil
die Deichsel brachte und sie einsetzte. Hierauf gingen die beiden sowie der
Knecht Iseli daran, den Wagen auf die südliche (von Berne aus gesehen linke)
Strassenseite zu schieben, um ihn dort vor dem andern, noch beladenen Wagen
aufzustellen.

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Bevor es ihnen gelang, den südlichen Strassenrand zu erreichen, kam von Bern
her mit einer Geschwindigkeit von mindestens 60 km/Std. der Kläger im Auto
herangefahren. Er befand sich auf der rechten Strassenseite, hielt dann, um
dem leeren Heuwagen auszuweichen, nach links und bog, da sich dieser in
gleicher Richtung bewegte, im letzten Moment wieder nach rechts ab, stiess mit
dem Wagen zusammen, warf ihn zurück und fuhr schliesslich an die
Miststockmauer. Der Knecht Iseli wurde überfahren und erlitt Verletzungen, die
zusammen mit einer nachher aufgetretenen Lungen- und Brustfellentzündung am
21. Juni 1932 zu seinem Tode führten. Der Knecht Riedwil erhielt einen Schlag
mit der Deichsel und wurde zu Boden geworfen, ohne eine ernstliche Verletzung
davonzutragen. Der Beklagte hatte noch rechtzeitig entkommen können. Das
Automobil und der leere Heuwagen wurden beschädigt.
C. - In dem darauf eingeleiteten Strafverfahren wurde der Kläger durch Urteil
des Amtsgerichtes Aarberg vom 21. November 1932 von der Anklage der
fahrlässigen Tötung und der Beklagte von der Anklage der Zuwiderhandlung gegen
Art. 10 des kantonalen Strassenpolizeigesetzes - Verstellen öffentlicher
Strassen und Wege - freigesprochen, der Kläger dagegen wegen Linksfahrens, zu
hoher und nicht beherrschter Fahrgeschwindigkeit zu einer Busse im Betrage von
100 Fr. verurteilt.
D. - Am 17. Januar 1933 ist vorliegende Klage eingereicht worden, mit welcher
der Kläger verlangte, der Beklagte habe ihm die Autoreparaturkosten im Betrage
von 4021 Fr. 60 Cts. mit 5% Zins seit 7. September 1932 und den Minderwert des
Autos im Betrage von 1800 Fr. mit 5% Zins seit 13. Juni 1932 zu ersetzen.
Der Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und widerklageweise eine
Schadenersatzforderung von 218 Fr. 50 Cts. mit 5% Zins seit 21. November 1932
geltend gemacht.
Die Klage ist vom Appellationshof des Kantons Bern

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durch Urteil vom 9. März 1934, zugestellt am 20. April 1934, bis zum Betrage
von 1803 Fr. 60 Cts. mit 5% Zins seit 7. September 1932, die Widerklage bis
zum Betrage von 131 Fr. 80 mit 5% Zins seit 21. November 1932 gutgeheissen
worden.
E. - Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 8. Mai 1934 in der
vorgeschriebenen Form die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem
Antrag, die Klage sei gänzlich abzuweisen und die Widerklage in vollem Umfange
gutzuheissen.
Hievon ist dem Kläger vom Appellationshof des Kantons Bern durch Anzeige vom
9. Mai Kenntnis gegeben worden, worauf er am 26. Mai Anschlussberufung
eingereicht hat mit dem Antrag, der Beklagte sei zum Ersatz von 4/5 des dem
Kläger zugefügten Schadens zu verurteilen, wogegen der Kläger dem Beklagten
nur 1/5 des von diesem erlittenen Schadens zu ersetzen habe.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der Kläger hat seine Anschlussberufung verspätet eingereicht. Die von der
Vorinstanz gemäss Art. 68 OG an den Kläger erlassene Anzeige der Berufung ist
auf dem Bureau des klägerischen Anwaltes laut der bei den Akten liegenden
Empfangsbescheinigung am 11. Mai 1934 zugestellt worden. Von diesem Zeitpunkt
an lief gemäss Art. 70 OG die zehntägige Frist für die Anschlussberufung, und
nicht erst, wie der Kläger anzunehmen scheint, von der gemäss Art. 72 OG am
16. Mai erfolgten Zustellung der Berufungsschrift an; der letztere Zeitpunkt
war lediglich massgebend für den Lauf der ebenfalls zehntägigen Frist zur
Berufungsbeantwortung. Die Frist für die Anschlussberufung lief daher am 21.
Mai ab, woraus folgt, dass auf die Eingabe des Klägers vom 26. Mai nur
insoweit eingetreten werden kann, als sie inhaltlich eine Berufungsantwort
darstellt. Das ist übrigens für den Kläger praktisch bedeutungslos, da die
Anschlussberufung, wie sich aus dem folgenden ergeben wird, als unbegründet
hätte abgewiesen werden müssen.

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2.- Der Beklagte anerkennt die vorinstanzliche Feststellung des Tatbestandes
einschliesslich der Schadensberechnung als richtig und beanstandet lediglich
die Schuldverteilung, die von der Vorinstanz in der Weise vorgenommen worden
ist, dass sie 3/5 der Schuld auf den Kläger und 2/5 auf den Beklagten
verlegte. Nach Ansicht des Beklagten trifft ihn selber kein Verschulden oder
höchstens ein solches von 1/5, den Kläger dagegen ein solches von mindestens
4/5. Der Kläger bezeichnet in der Berufungsantwort das umgekehrte Verhältnis
als das zutreffende.
3.- Nach den örtlichen Verhältnissen, wie sie von der Vorinstanz festgestellt
worden sind, ist der Beklagte für die Ausfahrt mit Fuhrwerken aus der Tenne
ebenso wie für die Einfahrt auf die Benutzung der vor dem Heimwesen
durchführenden Strasse Bern-Lyss angewiesen. Darin erblickt der Kläger, wie er
in der Berufungsantwort geltend macht, eine im Sinne von Art. 58
SR 220 Parte prima: Disposizioni generali Titolo primo: Delle cause delle obbligazioni Capo primo: Delle obbligazioni derivanti da contratto
CO Art. 58 - 1 Il proprietario di un edificio o di un'altra opera è tenuto a risarcire i danni cagionati da vizio di costruzione o da difetto di manutenzione.
1    Il proprietario di un edificio o di un'altra opera è tenuto a risarcire i danni cagionati da vizio di costruzione o da difetto di manutenzione.
2    Gli è riservato il regresso verso altre persone, che ne sono responsabili in suo confronto.
OR
mangelhafte Anlage der Gebäude, die Ursache des Zusammenstosses gewesen sei.
Abgesehen davon, dass sich der Kläger vor der kantonalen Instanz nicht auf
Art. 58
SR 220 Parte prima: Disposizioni generali Titolo primo: Delle cause delle obbligazioni Capo primo: Delle obbligazioni derivanti da contratto
CO Art. 58 - 1 Il proprietario di un edificio o di un'altra opera è tenuto a risarcire i danni cagionati da vizio di costruzione o da difetto di manutenzione.
1    Il proprietario di un edificio o di un'altra opera è tenuto a risarcire i danni cagionati da vizio di costruzione o da difetto di manutenzione.
2    Gli è riservato il regresso verso altre persone, che ne sono responsabili in suo confronto.
, sondern lediglich auf Art. 41
SR 220 Parte prima: Disposizioni generali Titolo primo: Delle cause delle obbligazioni Capo primo: Delle obbligazioni derivanti da contratto
CO Art. 41 - 1 Chiunque è tenuto a riparare il danno illecitamente cagionato ad altri sia con intenzione, sia per negligenza od imprudenza.
1    Chiunque è tenuto a riparare il danno illecitamente cagionato ad altri sia con intenzione, sia per negligenza od imprudenza.
2    Parimente chiunque è tenuto a riparare il danno che cagiona intenzionalmente ad altri con atti contrari ai buoni costumi.
OR berufen hat, ist aber der Tatbestand
dieser Bestimmung in Wirklichkeit nicht gegeben. Die Strasse ist nicht nur für
den durchgehenden Verkehr, sondern auch zum Gebrauche für den Anstösser da,
und wenn sich aus der Lage oder Bauart anliegender Gebäude gewisse
Verkehrshemmnisse ergeben, so hat eben der Verkehr soweit als möglich damit zu
rechnen und darauf billige Rücksicht zu nehmen. Das schliesst eine
Verantwortlichkeit des Gebäudeeigentümers nach Art. 58 nicht unter allen
Umständen aus. Er hat jedoch unter dem Gesichtspunkte des Art. 58 jedenfalls
dann keine Verpflichtung, von sich aus durch Umbauten den unabhängig von
seinem Betriebe sich steigernden Verkehrsbedürfnissen entgegenzukommen, wenn
das mit bedeutenden Kosten verbunden wäre. Ob er auf Grund des kantonalen
Strassenpolizeirechts dazu verpflichtet werden kann, ist eine Frage, die nicht
für

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die Anwendung von Art. 58
SR 220 Parte prima: Disposizioni generali Titolo primo: Delle cause delle obbligazioni Capo primo: Delle obbligazioni derivanti da contratto
CO Art. 58 - 1 Il proprietario di un edificio o di un'altra opera è tenuto a risarcire i danni cagionati da vizio di costruzione o da difetto di manutenzione.
1    Il proprietario di un edificio o di un'altra opera è tenuto a risarcire i danni cagionati da vizio di costruzione o da difetto di manutenzione.
2    Gli è riservato il regresso verso altre persone, che ne sono responsabili in suo confronto.
, sondern für diejenige von Art. 41
SR 220 Parte prima: Disposizioni generali Titolo primo: Delle cause delle obbligazioni Capo primo: Delle obbligazioni derivanti da contratto
CO Art. 41 - 1 Chiunque è tenuto a riparare il danno illecitamente cagionato ad altri sia con intenzione, sia per negligenza od imprudenza.
1    Chiunque è tenuto a riparare il danno illecitamente cagionato ad altri sia con intenzione, sia per negligenza od imprudenza.
2    Parimente chiunque è tenuto a riparare il danno che cagiona intenzionalmente ad altri con atti contrari ai buoni costumi.
OR eine Rolle
spielt; besteht auch nach dem kantonalen Strassenpolizeirecht eine solche
Verpflichtung nicht, so bleibt es Sache der Behörden, nötigenfalls durch
Enteignung mit entsprechender Entschädigung des Eigentümers für Abhilfe zu
sorgen, ohne dass dieser inzwischen aus der Anlage des Gebäudes an sich
haftbar gemacht werden könnte. Es geht nun hier aus den Akten nicht hervor,
wann und unter welchen Verhältnissen das dem Beklagten gehörende Gebäude
erstellt worden ist. Keinesfalls hat aber der Kläger den Nachweis dafür
erbracht, dass bei den sehr knappen Raumverhältnissen zwischen der Strasse und
den Gebäulichkeiten den Verkehrsschwierigkeiten auf andere Weise wirksam
begegnet werden könnte als durch Verlegung der Toreinfahrt auf eine andere
Seite der Scheune, was ohne Zweifel einen erheblichen Kostenaufwand nach sich
ziehen würde.
Im übrigen stellt, die Vorinstanz fest, dass der Kläger nicht behauptet habe,
die Lage und Beschaffenheit des Gebäudes verstosse gegen kantonales
Strassenpolizeirecht, und dass eine strassenpolizeiliche Beanstandung des
Hauses auch nicht aktenkundig sei. Demnach ist hinsichtlich des Gebäudes Art.
41
SR 220 Parte prima: Disposizioni generali Titolo primo: Delle cause delle obbligazioni Capo primo: Delle obbligazioni derivanti da contratto
CO Art. 41 - 1 Chiunque è tenuto a riparare il danno illecitamente cagionato ad altri sia con intenzione, sia per negligenza od imprudenza.
1    Chiunque è tenuto a riparare il danno illecitamente cagionato ad altri sia con intenzione, sia per negligenza od imprudenza.
2    Parimente chiunque è tenuto a riparare il danno che cagiona intenzionalmente ad altri con atti contrari ai buoni costumi.
ebensowenig anwendbar wie Art. 58
SR 220 Parte prima: Disposizioni generali Titolo primo: Delle cause delle obbligazioni Capo primo: Delle obbligazioni derivanti da contratto
CO Art. 58 - 1 Il proprietario di un edificio o di un'altra opera è tenuto a risarcire i danni cagionati da vizio di costruzione o da difetto di manutenzione.
1    Il proprietario di un edificio o di un'altra opera è tenuto a risarcire i danni cagionati da vizio di costruzione o da difetto di manutenzione.
2    Gli è riservato il regresso verso altre persone, che ne sono responsabili in suo confronto.
OR.
Der Beklagte konnte also lediglich dadurch haftbar werden, dass er bei der
Inanspruchnahme der Strasse mit seinen beiden Wegen Verkehrsvorschriften
verletzte und insbesondere den örtlichen Verhältnissen nicht Rechnung trug.
4. Die Vorinstanz bezeichnet es schon als ein für den Zusammenstoss kausales
Verschulden, dass er den zweiten Heuwagen gegenüber der Einfahrt zur Tenne am
südlichen Strassenrand aufgestellt hat. Das Bundesgericht vermag sich dieser
Auffassung nicht anzuschliessen, da der Beklagte bei richtigem Vorgehen auch
so noch die Möglichkeit gehabt hätte, mit dem ersten Wagen ohne Gefährdung des
Strassenverkehrs an dem zweiten vorbeizukommen

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und ihn ebenfalls auf die südliche Strassenseite zu verbringen; denn der
zweite Wagen ragte ja nur 2,40 m in die 7,80 m breite Strasse hinein und stand
nach der bei den Strafakten liegenden Skizze nicht unmittelbar gegenüber der
Einfahrt zur Tenne, sondern seitlich davon (in der Richtung Lyss). Desgleichen
war das Fehlen einer Laterne an dem stationierenden Wagen für den
Zusammenstoss ohne Bedeutung, weil der Kläger diesen Wagen nach der
Feststellung der Vorinstanz trotzdem rechtzeitig bemerkt hatte. Ob der
Beklagte von den Strassenpolizeiorganen wegen zu langen Stationierens von
Wagen auf der Strasse schon verwarnt werden musste, ist unter diesen Umständen
unerheblich.
Hingegen ist der Beklagte beim Ausfahren des ersten Wagens aus der Tenne auf
die Strasse unsachgemäss vorgegangen. Er gibt selber zu, im Augenblick der
Ausfahrt im «Kehr», der nach der Angabe des Experten etwa 4-500 m von den
Gebäuden entfernt liegt, das Automobil des Klägers auftauchen gesehen zu
haben. Bei dieser Sachlage kann er sich nicht darauf berufen, dass er vorher
Ausschau gehalten habe, ob die Strasse frei sei. Da er unmittelbar nachher das
Automobil des Klägers wahrnahm und mit der Möglichkeit zu rechnen hatte, dass
dieser herangefahren sein werde, bevor er selber seinen Wagen auf die andere
Strassenseite verbracht habe, hätte er den Wagen noch in der Tenne oder in der
Einfahrt anhalten müssen, was vermittelst der Bremse offenbar möglich gewesen
wäre. Allermindestens aber war er verpflichtet, wenn er gleichwohl noch
ausfahren wollte, den Kläger durch geeignete Signale auf die drohende Gefahr
aufmerksam zu machen, was z. B. dadurch hätte geschehen können, dass er einen
der Knechte mit der Handlaterne, die nach seiner eigenen Aussage in der Nähe
der Tenne abgestellt war, dem Automobil entgegengeschickt hätte; und den Wagen
hätte er mit aller Beschleunigung an den Strassenrand bringen sollen, um dem
Automobil so rasch als möglich die Durchfahrt zu ermöglichen. Statt dessen
liess er den Kläger

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ungewarnt heranfahren - die Handbewegungen, die er gemacht haben will, waren
als Warnzeichen natürlich untauglich - wartete mit dem Wagen einige
Augenblicke ungefähr in der Mitte der Strasse ab, bis der Knecht die Deichsel
eingesetzt hatte und trug auf diese Weise unverkennbar dazu bei, dass es zum
Zusammenstoss mit dem Automobil gekommen ist.
5. Dass anderseits der Kläger an jenem Tage zuviel Alkohol zu sich genommen
oder den Vorgängen auf der Strasse sonstwie nicht genügend Aufmerksamkeit
geschenkt hätte, ist nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht als erwiesen
anzunehmen. Ferner ist ihm nicht daraus ein Vorwurf zu machen, dass er zuerst
rechts, dann links und schliesslich wieder rechts fuhr; hiezu hat, wie die
Vorinstanz überzeugend auseinandersetzte, die Bewegung des von rechts nach
links manöverierenden Heuwagens Anlass gegeben.
Allein im angefochtenen Urteil wird weiterhin festgestellt, dass der Kläger
mit einer Geschwindigkeit von mindestens 60 km/Std. fuhr und dass er bei
dieser Geschwindigkeit und bei der durch die Nässe der Strasse herabgesetzten
Bremswirkung nicht auf die Distanz von 50 m anhalten konnte, welche durch die
Scheinwerfer des Automobils beleuchtet war. Wie das Bundesgericht seinerzeit
ausgesprochen hat (BGE 57 II 314), darf aber der Automobilist niemals mit
einer solchen Schnelligkeit fahren, dass er nicht innert dem Raum, den er
vollständig frei vor sich sieht, anhalten kann. Dazu bestimmt Art. 33 des hier
zur Anwendung gelangenden Automobilkonkordates ausdrücklich, dass der Führer
die Geschwindigkeit des Fahrzeuges ständig beherrschen soll, Art. 34, dass er
den Lauf zu verlangsamen und das Fahrzeug nötigenfalls sofort anzuhalten hat,
wenn es Anlass zu einem Verkehrshemmnis oder Unfall bieten könnte, § 52 Abs. 2
der bernischen Verkehrsordnung, dass er nie mit einer Geschwindigkeit fahren
darf, die Personen oder Sachen gefährden könnte. Uber diese Grundsätze, die

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als wesentliche Erfordernisse eines geordneten Strassenverkehrs auch in Art.
25 des heute geltenden Bundesgesetzes über den Motorfahrzeug- und
Fahrradverkehr vom 15. März 1932 aufgenommen worden sind, hat sich der Kläger
hinweggesetzt, was ihm umso schwerer angerechnet werden muss, als er die Route
nach seinem eigenen Geständnis gut kannte und daher schon durch die besondern
örtlichen Verhältnisse beim Heimwesen des Beklagten zu langsamerm Fahren hätte
veranlasst werden sollen. Auch liegt der ursächliche Zusammenhang zwischen
dieser vorschriftswidrigen Geschwindigkeit und dem Zusammenstoss klar zu Tage:
weil der Kläger so rasch fuhr, dass es ihm beim Ansichtigwerden des Heuwagens
auf die dazwischen liegende Distanz nicht mehr möglich war anzuhalten, ist er
in denselben hineingefahren.
6.- Wägt man das Verschulden der beiden Parteien gegeneinander ab, so
erscheint dasjenige des Klägers als das bei weitem überwiegende. Die
übersetzte Geschwindigkeit, mit der er fuhr, fällt für die Verantwortung am
Zusammenstoss viel schwerer ins Gewicht als das nicht ganz vorschriftsgemässe
Manöverieren des Beklagten mit seinem Heuwagen. Es ist dabei vor allen Dingen
zu berücksichtigen, dass zwischen den beiden Fahrzeugen, die zusammengestossen
sind, ein wesentlicher Unterschied besteht hinsichtlich ihrer natürlichen
Gefährlichkeit für den Strassenverkehr. Das Automobil weist eine überaus
grosse Beweglichkeit auf, welche andere Strassenbenützer bei unvorsichtiger
Führung in hohem Masse gefährdet; im Gegensatz dazu ist das
landwirtschaftliche Fuhrwerk, zumal das unbespannte, schwerfällig und stellt
an sich sozusagen keine Gefahrenquelle für Dritte dar. Im gleichen Verhältnis
ist daher grundsätzlich auch die Sorgfaltspflicht und bei ihrer Verletzung die
Verantwortlichkeit des Automobilisten grösser als diejenige des Landwirtes mit
seinem Wagen. Die Vorinstanz anerkennt das ebenfalls, zieht aber für den
vorliegenden Fall nicht die nötigen Folgerungen daraus, indem sie das
Verschulden

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des Klägers mit 3/5 und dasjenige des Beklagten mit 2/5 bewertet. Das
Bundesgericht hält unter den angeführten Umständen dafür, dass der
Zusammenstoss lediglich zu 1/5 vom Beklagten und zu 4/5 vom Kläger zu
verantworten ist.
7.- Der Beklagte hat also an den vom Kläger erlittenen Schaden 1/5, der Kläger
an den vom Beklagten erlittenen 4/5 zu vergüten. Der Schaden des Klägers
beträgt nach der unangefochtenen Feststellung der Vorinstanz insgesamt 4509
Fr., derjenige des Beklagten 218 Fr. Somit hat der Beklagte dem Kläger 901 Fr.
80 Cts. und der Kläger dem Beklagten 174 Fr. 40 Cts. zu bezahlen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Auf die Anschlussberufung wird nicht eingetreten.
2.- Die Hauptberufung wird teilweise dahin gutgeheissen, dass der vom
Beklagten dem Kläger zu bezahlende Betrag auf 901 Fr. 80 Cts. nebst 5% Zins
seit 7. September 1932 herabgesetzt und der vom Kläger dem Beklagten zu
bezahlende auf 174 Fr. 40 Cts. nebst 5% Zins seit 21. November 1932 erhöht
wird.