S. 24 / Nr. 6 Erbrecht (d)

BGE 60 II 24

6. Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. Februar 1934 i. S. Eigenmann gegen
Regierungsrat des Kantons St. Gallen.


Seite: 24
Regeste:
Nachlassinventar nach Art. 490 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 490 - 1 In allen Fällen der Nacherbeneinsetzung hat die zuständige Behörde die Aufnahme eines Inventars anzuordnen.
1    In allen Fällen der Nacherbeneinsetzung hat die zuständige Behörde die Aufnahme eines Inventars anzuordnen.
2    Die Auslieferung der Erbschaft an den Vorerben erfolgt, sofern ihn der Erblasser nicht ausdrücklich von dieser Pflicht befreit hat, nur gegen Sicherstellung, die bei Grundstücken durch Vormerkung der Auslieferungspflicht im Grundbuch geleistet werden kann.
3    Vermag der Vorerbe diese Sicherstellung nicht zu leisten, oder gefährdet er die Anwartschaft des Nacherben, so ist die Erbschaftsverwaltung anzuordnen.
ZGB.
Die Kantone sind frei zu bestimmen, wer das Inventar aufzunehmen hat;
insbesondere besteht keine bundesrechtliche Vorschrift, dass der vom Erblasser
eingesetzte Willensvollstrecker mit der Aufnahme zu betrauen sei.

A. - Am 20. Oktober 1933 starb in St. Gallen F. A Schildknecht. Er hinterliess
letztwillige Verfügungen, in denen er unter anderem Nacherben eingesetzt und
Advokat Dr. Guido Eigenmann zum Testamentsvollstrecker ernannt hatte. Das
Bezirksamt St. Gallen verfügte als hiefür zuständige Behörde die Aufnahme
eines Inventars gemäss Art. 490 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 490 - 1 In allen Fällen der Nacherbeneinsetzung hat die zuständige Behörde die Aufnahme eines Inventars anzuordnen.
1    In allen Fällen der Nacherbeneinsetzung hat die zuständige Behörde die Aufnahme eines Inventars anzuordnen.
2    Die Auslieferung der Erbschaft an den Vorerben erfolgt, sofern ihn der Erblasser nicht ausdrücklich von dieser Pflicht befreit hat, nur gegen Sicherstellung, die bei Grundstücken durch Vormerkung der Auslieferungspflicht im Grundbuch geleistet werden kann.
3    Vermag der Vorerbe diese Sicherstellung nicht zu leisten, oder gefährdet er die Anwartschaft des Nacherben, so ist die Erbschaftsverwaltung anzuordnen.
ZGB und beauftragte damit das Waisenamt
St. Gallen.
B. - Hierüber beschwerte sich der TestamentsvollstreeLer beim Regierungsrat
des Kantons St. Gallen, indem er verlangte, dass er und nicht das Waisenamt
mit der Inventaraufnahme betraut werde. Der Regierungsrat bestätigte durch
Entscheid vom 1. Dezember 1933 die bezirksamtliche Verfügung. Zur Begründung
ist im Entscheide ausgeführt, dass nur- die behördliche Inventarisierung die
nötigen Garantien biete und dass in der Stadt St. Gallen nach Art. 46
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 46 - 1 Wer durch die im Zivilstandswesen tätigen Personen in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Schadenersatz und, wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt, auf Genugtuung.
1    Wer durch die im Zivilstandswesen tätigen Personen in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Schadenersatz und, wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt, auf Genugtuung.
2    Haftbar ist der Kanton; er kann auf die Personen, welche die Verletzung absichtlich oder grobfahrlässig verursacht haben, Rückgriff nehmen.
3    Auf Personen, die vom Bund angestellt sind, findet das Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 195875 Anwendung.
des
kantonalen Einführungsgesetzes zum ZGB in Verbindung mit dem
Stadtratsbeschluss vom 6. Februar 1912 betreffend Kompetenzzuteilung zur
Aufnahme von erbschaftlichen Inventaren das Waisenamt zuständig sei.
Diesen Entscheid focht der Willensvollstrecker rechtzeitig durch
zivilrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht an. Er bestreitet, dass das nach
Art. 490 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 490 - 1 In allen Fällen der Nacherbeneinsetzung hat die zuständige Behörde die Aufnahme eines Inventars anzuordnen.
1    In allen Fällen der Nacherbeneinsetzung hat die zuständige Behörde die Aufnahme eines Inventars anzuordnen.
2    Die Auslieferung der Erbschaft an den Vorerben erfolgt, sofern ihn der Erblasser nicht ausdrücklich von dieser Pflicht befreit hat, nur gegen Sicherstellung, die bei Grundstücken durch Vormerkung der Auslieferungspflicht im Grundbuch geleistet werden kann.
3    Vermag der Vorerbe diese Sicherstellung nicht zu leisten, oder gefährdet er die Anwartschaft des Nacherben, so ist die Erbschaftsverwaltung anzuordnen.
ZGB aufzunehmende Inventar nur ein amtliches sein könne. Nach
Art. 518 stehe der Willensvollstrecker, soweit der Erblasser nichts anderes
verfüge, in den Rechten und Pflichten des amtlichen Ertschaftsverwalters. Zu
dessen

Seite: 25
Obliegenheiten gehöre aber gemäss Art. 595 auch die Aufnahme von
Erbschaftsinventaren. Daraus ergebe sich, dass die Inventaraufnahme dort, wo
ein Willensvollstrecker eingesetzt sei, diesem zustehe. Wenn Art. 46
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 46 - 1 Wer durch die im Zivilstandswesen tätigen Personen in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Schadenersatz und, wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt, auf Genugtuung.
1    Wer durch die im Zivilstandswesen tätigen Personen in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Schadenersatz und, wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt, auf Genugtuung.
2    Haftbar ist der Kanton; er kann auf die Personen, welche die Verletzung absichtlich oder grobfahrlässig verursacht haben, Rückgriff nehmen.
3    Auf Personen, die vom Bund angestellt sind, findet das Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 195875 Anwendung.
des
kantonalen Einführungsgesetzes zum ZGB wirklich auch für Fälle der
vorliegenden Art eine amtliche Inventarisierung vorsehen sollte, so wäre das
mit dem Bundesrecht nicht vereinbar. Der Regierungsrat hätte also kantonales
statt eidgenössisches Recht angewendet. Ubrigens bezeichne Art. 46 des
Einführungsgesetzes nur die für die Aufnahme amtlicher Inventare zuständige
Behörde; welche Inventare amtliche seien, sei dort nicht gesagt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Das gemäss Art. 490 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 490 - 1 In allen Fällen der Nacherbeneinsetzung hat die zuständige Behörde die Aufnahme eines Inventars anzuordnen.
1    In allen Fällen der Nacherbeneinsetzung hat die zuständige Behörde die Aufnahme eines Inventars anzuordnen.
2    Die Auslieferung der Erbschaft an den Vorerben erfolgt, sofern ihn der Erblasser nicht ausdrücklich von dieser Pflicht befreit hat, nur gegen Sicherstellung, die bei Grundstücken durch Vormerkung der Auslieferungspflicht im Grundbuch geleistet werden kann.
3    Vermag der Vorerbe diese Sicherstellung nicht zu leisten, oder gefährdet er die Anwartschaft des Nacherben, so ist die Erbschaftsverwaltung anzuordnen.
ZGB zu errichiende Inventar ist wie dasjenige nach
Art. 553 ein sogenanntes Sicherungsinventar, muss aber im Gegensatz zu jenem
durch die Behörde von Amtes wegen angeordnet werden. Wer die Inventaraufnahme
besorgen soll, sagt das Gesetz nicht, woraus zu schliessen ist, dass das
kantonale Recht darüber zu bestimmen hat. Der Beschwerdeführer will das
insofern nicht gelten lassen, als nach seiner auf Art. 518 und Art. 595
gestützten Auffassung in Fällen, wo der Erblasser einen Willensvollstrecker
eingesetzt hat, notwendig dieser mit der Inventarisierung betraut werden
müsste. Hieran ist soviel richtig, dass nach Art. 518 Abs. 1 der
Willensvollstrecker, soweit vom Erblasser nichts anderes verfügt wurde, in den
Rechten und Pflichten des amtlichen Erbschaftsverwalters steht und dass die
amtliche Liquidation nach Art. 595, für welche ein Erbschaftsverwalter ernannt
werden kann, ebenfalls mit der Aufnahme eines Inventars beginnt. Allein wenn
man auch annehmen will, die Aufnahme dieses Inventars könne nur durch den
Erbschaftsverwalter geschehen, so ist damit nicht gesagt, dass für das bei der
Nacherbeneinsetzung zu errichtende Inventar das Gleiche gelte. Praktisch wird

Seite: 26
freilich im Falle einer amtlichen Liquidation das dort errichtete Inventar
auch. als Sicherungsinventar nach Art. 490 Abs. 1 verwendet werden und damit
eine zweite Inventarisierung überflüssig machen. Rechtlich handelt es sich
aber bei den Vorschriften des Art. 595 nichtsdestoweniger um eine
Sonderregelung für die amtliche Liquidation, welche für andere Fälle, in denen
Nachlassinventare zu errichten sind, keine Geltung hat. Wenn das Inventar nach
Art. 595 noch gar nicht aufgenommen ist, oder wenn aus irgendeinem Grunde
geboten erscheint, neben diesem noch ein besonderes Inventar nach Art. 490
Abs. 1 zu errichten, braucht demnach mit dessen Aufnahme von Bundesrechts
wegen durchaus nicht notwendig der Erbschaftsverwalter betraut zu werden. Hat
aber der Erbschaftsverwalter keinen Anspruch darauf, so steht nach Art. 518
Abs. 1 ebensowenig dem Willensvollstrecker ein soloher zu. Vielmehr bleibt es
dabei, dass auch im Falle, wo ein Willensvollstrecker ernannt ist, die Kantone
frei sind zu bestimmen, wer die Inventaraufnahme besorgen soll.
Damit schliesst das Bundesrecht natürlich anderseits nicht aus, dass die
Kantone diese Aufgabe dem Willensvolletrecker zuweisen. Insoweit die
Vorinstanz das verneint und die behördliche Inventarisierong für die nsch Art.
490 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 490 - 1 In allen Fällen der Nacherbeneinsetzung hat die zuständige Behörde die Aufnahme eines Inventars anzuordnen.
1    In allen Fällen der Nacherbeneinsetzung hat die zuständige Behörde die Aufnahme eines Inventars anzuordnen.
2    Die Auslieferung der Erbschaft an den Vorerben erfolgt, sofern ihn der Erblasser nicht ausdrücklich von dieser Pflicht befreit hat, nur gegen Sicherstellung, die bei Grundstücken durch Vormerkung der Auslieferungspflicht im Grundbuch geleistet werden kann.
3    Vermag der Vorerbe diese Sicherstellung nicht zu leisten, oder gefährdet er die Anwartschaft des Nacherben, so ist die Erbschaftsverwaltung anzuordnen.
ZGB allein zulässige hält, ist ihre Auffassung daher unzutreffend.
Das müsste, für sich allein genommen, zur Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz führen, damit sie nach kantonalem Recht neu entscheide; denn sie
hat dabei eidgenössisches Recht statt kantonales Recht angewendet - nicht
kantonales statt eidgenössisches, wie der Beschwerdeführer geltend macht -,
was nach der Praxis ebenfalls mit der zivilrechtlichen Beschwerde angefochten
werden kann (vgl. BGE 48 I S. 233 und seitherige Rechtsprechung). Allein
tatsächlich lässt die Vorinstanz keinem Zweifel darüber offen, dass sie die
Inventaraufnahme durch den Willensvollstrecker unabhängig von der
bundesrechtlichen Regelung auch

Seite: 27
mit Art. 46 des kantonalen Einführungsgesetzes für unvereinbar hält. Das ist
Auslegung kantonalen Rechtes, mit deren Uberprüfung das Bundesgericht auf dem
Wege der zivilrechtlichen Beschwerde nicht befasst werden kiqnn
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.