S. 356 / Nr. 53 Obligationenrecht (d)

BGE 57 II 356

53. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juli 1931 i. S.
Darlehenskasse Oberwil gegen Sprenger.

Regeste:
Nachbürgschaft zugunsten einer Kommanditgesellschaft, deren Vorbürgen ihre
Gesellschafter (Komplementär und Kommanditäre) sind. OR Art. 492, 498.
Keine Bindung einer Abteilung des Bundesgerichtes an einen Entscheid einer
andern Abteilung hinsichtlich Rechtsfragen, die nicht streitig waren, sondern
nur von den Motiven berührt werden. OG Art. 23 Abs. 2.
Die Vorbürgschaft der Kommanditäre zugunsten der Kommanditgesellschaft ist in
dem die Kommanditsumme übersteigenden Betrag gültig. Durch Ungültigkeit der
Vorbürgschaft des Komplementärs wird die Stellung der Nachbürgen nicht
verschlechtert, da jener ohnehin unbeschränkt haftet. Gutheissung der Klage
gegen den Nachbürgen. OR Art. 590.

A. - Seit 1. Januar 1919 war mit Sitz in Oberwil die Kommanditgesellschaft E.
Gass & Cie im Handelsregister eingetragen, die eine mechanische Werkstätte und
den Werkzeug- und Apparatebau betrieb und Alluminiumwaren (Küchen- und
Haushaltungsgeräte) herstellte. Unbeschränkt haftender Gesellschafter war
Ernst Gass, als Kommanditäre hatten Vermögenseinlagen Christian Imhof von
15000 Fr. und der Einzelprokurist des Geschäftes, Albert Sprenger, von 30000
Fr.
Am 1. August 1922 erteilte die Klägerin, Darlehenskasse Oberwil, der Firma E.
Gass & Cie einen Kredit von 20000 Fr. in laufender Rechnung. Für diese Schuld
«nebst rückständigen Zinsen, Kommission und Kosten» verpflichteten sich alle
drei Gesellschafter als Bürgen und Selbstzahler zugunsten der Gesellschaft.
Ferner unterzeichneten

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«als Nachbürgen gemäss obiger Bürgschaftsverpflichtung» H. Aerni-Goldinger und
Josef Sprenger, der heutige Beklagte, die Bürgschaftsurkunde. Am 17. Februar
1923 liess sich die Klägerin eine dritte Sicherheit hinter der Nachbürgschaft
Aerni's und Josef Sprengers in Gestalt einer Nachbürgschaft des Alfred Wehrli
in Oberwil geben. Am 11. Januar 1926 endlich übergab Witwe Haeggi-Gass einen
Inhaberschuldbrief von 10000 Fr, als Faustpfand für die Schuld von Gass & Cie
.
Laut Eintragung im Handelsregister und Veröffentlichung im schweizerischen
Handelsamtsblatt vom 10. Oktober 1927 wurde die Kommanditgesellschaft E. Gass
& Cie gelöscht, da Aktiven und Passiven an eine neue Firma, Albert
Sprenger-Abbühl, Alluminiumfabrik «Erga», vormals E. Gass & Cie übergegangen
waren...
B. - Die Nachbürgen Josef Sprenger und H. Aerni haben dann die Zahlung des
Ausfalles verweigert, nachdem die Klägerin sie am 4. Juni und 19. Juli 1929
hiezu aufgefordert hatte. Am 24. April 1930 hat die Darlehenskasse Oberwil
gegen Josef Sprenger Klage erhoben und folgendes Rechtsbegehren gestellt:
«Der Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin den Betrag von 10220 Fr. 80
Cts. nebst 6% Zins seit 1. Januar 1930 zu bezahlen.»
Der Betrag macht die Hälfte des Verlustes aus; für die andere Hälfte hat sich
die Klägerin das Nachforderungsrecht vorbehalten, wenn bei Belangung des H.
Aerni nichts herausschaue.
C. - ... (Streitverkündung).
D. - Der Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und mehrere Einreden
erhoben, aus denen die Ungültigkeit oder der Wegfall seiner Verpflichtung als
Nachbürge hervorgehe; insbesondere sei die Nachbürgschaft in der erkennbaren
Voraussetzung eingegangen worden, dass die Vorbürgschaft zu Recht bestehe; das
treffe jedoch nicht zu, da eine Bürgschaft der Gesellschafter für eine
Hauptschuld der Gesellschaft nach dem durch das Bundesgericht

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in seinem Urteil vom 16 Dezember 1920 i. S. Spälti gegen Ober (BGE 46 II S.
468
ff.) ausgesprochenen Grundsatz ungültig sei.
E. - Das Bezirksgericht Rheinfelden hat durch Urteil vom 19. November 1930 die
genannte Einwendung geschützt und die Klage abgewiesen.
F. - Auf Appellation der Klägerin hin ist das Obergericht des Kantons Aargau
den Erwägungen der ersten Instanz beigetreten und hat durch Entscheid vom 15.
Mai 1931 die Klage ebenfalls abgewiesen.
G. - Gegen dieses Urteil hat die Klägerin rechtzeitig und in der
vorgeschriebenen Form die Berufung an das Bundesgericht ergriffen und den
Antrag auf Gutheissung der Klage unter Aufhebung des angefochtenen
Erkenntnisses gestellt.
H. - ...
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Die Klägerin belangt den Beklagten auf Grund der Nachbürgschaft vom 1.
August 1922.
Bei diesem Klagefundament rechtfertigt es sich, unter Ausserachtlassung der
spätern Unterzeichnung neuer Bürgscheine durch Vor- und einzelne Nachbürgen
nach der Schuldübernahme, zunächst der Reihe nach die Einwendungen des
Beklagten zu überprüfen, die sich gegen den Rechtsbestand der ursprünglichen
Nachbürgschaft richten, und zwar soll zuerst der von den kantonalen Gerichten
zugelassene Mangel untersucht werden, der darin bestehe, dass sich die
Vorbürgen als Gesellschafter der Kommanditgesellschaft nicht zu deren Gunsten
hätten verbürgen können und dass darum auch die Nachbürgschaft ungültig sei.
Die II. Zivilabteilung des Bundesgerichtes hat in dem zitierten Urteil i. S.
Spälti gegen Ober (BGE 46 II S. 471) für die Kollektivgesellschaft erkannt,
dass niemand anders als Träger ihrer Verbindlichkeiten in Betracht falle als
die Gesellschafter selbst, da ihr keine Rechtspersönlichkeit zukomme.

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Infolgedessen sei die Verbürgung von Gesellschaftsschulden durch die
Gesellschafter ausgeschlossen, denn die Bürgschaft sei begrifflich und nach OR
Art. 492 die Übernahme der Haltung für eine fremde Schuld. Weil nun nach dem
geltenden Recht auch die Kommanditgesellschaft keine juristische Person ist,
haben die Vorinstanzen gefolgert, dass auch bei ihr die Verbürgung der
Gesellschaftsschulden durch die Gesellschafter, seien es Komplementäre oder
Kommanditäre, ausgeschlossen sei und dass daher im vorliegenden Fall
angesichts der Ungültigkeit der Vorbürgschaft des E. Gass, des Christian Imhof
und des Albert Sprenger auch keine gültige Nachbürgschaft des H. Aerni und des
Beklagten zu stande gekommen sei.
Der Entscheid des Bundesgerichtes steht im Gegensatz zu der für das deutsche
Recht vertretenen Lehre (STAUB'S Kommentar, 12. und 13. Aufl. Anm. 3 zu § 159
HGB, WIELAND, Handelsrecht Bd. I S. 639). In der inländischen Literatur ist
ihm vereinzelt beigestimmt worden (LARDELLI in der SJZ Bd. 26 S. 94 ff.),
während in der Expertenkommission für die Revision der Titel XXIV bis XXXIII
des Obligationenrechtes sich eine starke Mehrheit gegen die damit inaugurierte
Praxis entschieden und den Bundesrat zur Aufnahme einer Bestimmung in den
Entwurf bewogen hat, des Inhaltes, dass Solidarbürgschaften der
Kollektivgesellschafter für Schulden der Gesellschaft zulässig seien (vgl. das
Protokoll der Expertenkommission S. 56/57 und 148/49, Art. 568 Abs. 4 des
bundesrätlichen Entwurfes vom 21. Februar 1928). Auch die Klägerin hat das
Urteil der II. Zivilabteilung einer eingehenden Kritik unterworfen. Die
Verbürgung der Schulden der Gesellschaft durch die Gesellschafter sei oft
wegen des Gesellschaftskredites notwendig; ihre Zulassung entspreche daher
einem praktischen Bedürfnis. Art. 492
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 492 - 1 Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger des Hauptschuldners, für die Erfüllung der Schuld einzustehen.
1    Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger des Hauptschuldners, für die Erfüllung der Schuld einzustehen.
2    Jede Bürgschaft setzt eine zu Recht bestehende Hauptschuld voraus. Für den Fall, dass die Hauptschuld wirksam werde, kann die Bürgschaft auch für eine künftige oder bedingte Schuld eingegangen werden.
3    Wer für die Schuld aus einem wegen Irrtums oder Vertragsunfähigkeit für den Hauptschuldner unverbindlichen Vertrag einzustehen erklärt, haftet unter den Voraussetzungen und nach den Grundsätzen des Bürgschaftsrechts, wenn er bei der Eingehung seiner Verpflichtung den Mangel gekannt hat. Dies gilt in gleicher Weise, wenn jemand sich verpflichtet, für die Erfüllung einer für den Hauptschuldner verjährten Schuld einzustehen.
4    Soweit sich aus dem Gesetz nicht etwas anderes ergibt, kann der Bürge auf die ihm in diesem Titel eingeräumten Rechte nicht zum voraus verzichten.
OR spreche überdies nicht von der
Verbürgung einer fremden Schuld, sondern von der Verbürgung der Schuld eines
Dritten. Die Kollektiv- und Kommanditgesellschaft könnten bei

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ihrer durch das Gesetz angeordneten weitgehenden Verselbständigung (OR Art.
559 und 564) sehr wohl als Dritte im Sinne des Art. 492 betrachtet werden. Sie
seien ja auch fähig, gegenüber den Gesellschaftern Rechte und
Verbindlichkeiten einzugehen, z. B. Mieten, Darlehen, Käufe abzuschliessen.
Der Hinweis des Bundesgerichtes auf Art. 218
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 218 - 1 Wenn über eine Kollektivgesellschaft und einen Teilhaber derselben gleichzeitig der Konkurs eröffnet ist, so können die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse des Teilhabers nur den im Konkurse der Gesellschaft unbezahlt gebliebenen Rest ihrer Forderungen geltend machen. Hinsichtlich der Zahlung dieser Restschuld durch die einzelnen Gesellschafter gelten die Bestimmungen der Artikel 216 und 217.
1    Wenn über eine Kollektivgesellschaft und einen Teilhaber derselben gleichzeitig der Konkurs eröffnet ist, so können die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse des Teilhabers nur den im Konkurse der Gesellschaft unbezahlt gebliebenen Rest ihrer Forderungen geltend machen. Hinsichtlich der Zahlung dieser Restschuld durch die einzelnen Gesellschafter gelten die Bestimmungen der Artikel 216 und 217.
2    Wenn über einen Teilhaber, nicht aber gleichzeitig über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet ist, so können die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse des Teilhabers ihre Forderungen im vollen Betrage geltend machen. Der Konkursmasse stehen die durch Artikel 215 der Konkursmasse eines Bürgen gewährten Rückgriffsrechte zu.
3    Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäss für unbeschränkt haftende Teilhaber einer Kommanditgesellschaft.391
SchKG (vgl. BGE 46 II S. 472)
halte nicht stand, weil diese Bestimmung beim gleichzeitigen Konkurs dann eben
insoweit nicht anwendbar sei, als sich der Gesellschafter verbürgt habe.
Zu einer Änderung der Rechtsprechung wäre die I. Zivilabteilung jedoch nicht
zuständig, denn nach Art. 23
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 218 - 1 Wenn über eine Kollektivgesellschaft und einen Teilhaber derselben gleichzeitig der Konkurs eröffnet ist, so können die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse des Teilhabers nur den im Konkurse der Gesellschaft unbezahlt gebliebenen Rest ihrer Forderungen geltend machen. Hinsichtlich der Zahlung dieser Restschuld durch die einzelnen Gesellschafter gelten die Bestimmungen der Artikel 216 und 217.
1    Wenn über eine Kollektivgesellschaft und einen Teilhaber derselben gleichzeitig der Konkurs eröffnet ist, so können die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse des Teilhabers nur den im Konkurse der Gesellschaft unbezahlt gebliebenen Rest ihrer Forderungen geltend machen. Hinsichtlich der Zahlung dieser Restschuld durch die einzelnen Gesellschafter gelten die Bestimmungen der Artikel 216 und 217.
2    Wenn über einen Teilhaber, nicht aber gleichzeitig über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet ist, so können die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse des Teilhabers ihre Forderungen im vollen Betrage geltend machen. Der Konkursmasse stehen die durch Artikel 215 der Konkursmasse eines Bürgen gewährten Rückgriffsrechte zu.
3    Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäss für unbeschränkt haftende Teilhaber einer Kommanditgesellschaft.391
OG hat eine Abteilung, die eine Rechtsfrage
abweichend von einem Entscheid einer andern Abteilung beurteilen will, die
Erledigung des Falles auszusetzen und die Rechtsfrage dem Gesamtgericht
vorzulegen. Da hier im Unterschied zum frühern Falle nicht eine
Kollektivgesellschaft, sondern eine Kommanditgesellschaft Hauptschuldnerin
ist, liegt aber nur teilweise dieselbe Rechtsfrage im Streite, wie damals: Nur
die Gültigkeit der Bürgschaft des Komplementärs E. Gass zugunsten der
Gesellschaft könnte nicht ohne Begrüssung des Plenums bejaht werden, während
die Kommanditäre grundsätzlich eine andere Stellung einnehmen, als die
Kollektivgesellschafter, sodass der Entscheid der II. Zivilabteilung für sie
im Ergebnis ohne Belang ist. Es muss freilich zugegeben werden, dass der
Entscheid der II. Zivilabteilung in seiner Begründung weiter reicht, als die
Rechtsfrage, die ihr zur Beurteilung vorgelegt war, denn wenn die Verbürgung
zugunsten der Gesellschaft wirklich deshalb ausgeschlossen wäre, weil bei
Gesellschaften ohne juristische Persönlichkeit Dicht von einer fremden Schuld
oder von der Schuld eines Dritten gesprochen werden könnte, würde dies ohne
Zweifel auch für die Schuld des Kommanditärs zutreffen. Allein deswegen
besteht kein Grund, an das Gesamtgericht zu gelangen, denn die I.
Zivilabteilung hält nach Wortlaut und Sinn des Art. 23 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 218 - 1 Wenn über eine Kollektivgesellschaft und einen Teilhaber derselben gleichzeitig der Konkurs eröffnet ist, so können die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse des Teilhabers nur den im Konkurse der Gesellschaft unbezahlt gebliebenen Rest ihrer Forderungen geltend machen. Hinsichtlich der Zahlung dieser Restschuld durch die einzelnen Gesellschafter gelten die Bestimmungen der Artikel 216 und 217.
1    Wenn über eine Kollektivgesellschaft und einen Teilhaber derselben gleichzeitig der Konkurs eröffnet ist, so können die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse des Teilhabers nur den im Konkurse der Gesellschaft unbezahlt gebliebenen Rest ihrer Forderungen geltend machen. Hinsichtlich der Zahlung dieser Restschuld durch die einzelnen Gesellschafter gelten die Bestimmungen der Artikel 216 und 217.
2    Wenn über einen Teilhaber, nicht aber gleichzeitig über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet ist, so können die Gesellschaftsgläubiger im Konkurse des Teilhabers ihre Forderungen im vollen Betrage geltend machen. Der Konkursmasse stehen die durch Artikel 215 der Konkursmasse eines Bürgen gewährten Rückgriffsrechte zu.
3    Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäss für unbeschränkt haftende Teilhaber einer Kommanditgesellschaft.391
OG dafür, dass
sie

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an das Ergebnis des frühern Entscheides der andern Abteilung über die
Rechtsfrage hinsichtlich des Kollektivgesellschafters und des Komplementärs
gebunden sei, nicht aber an die Begründung des Urteils in allen seinen Teilen.
Eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtes wäre übrigens nicht schon
aus dem Grunde geboten, weil sich die Expertenkommission, und zwar nach
Fällung des Urteils der II. Zivilabteilung, für die gegenteilige Lösung
entschlossen hat, denn es versteht sich von selbst, dass ihr eine andere
Aufgabe oblag, als das geltende Recht auszulegen und anzuwenden, und dass
ihrem Entwurf und demjenigen des Bundesrates auch keinerlei Kraft für diese
Auslegung zukommt. Aus der Tatsache, dass der Bundesrat dem Art. 568 des
Entwurfes einen vierten Absatz hinzugefügt hat, wonach Solidarbürgschaften der
Kollektivgesellschafter für Schulden der Gesellschaft zulässig seien, könnte
gerade so gut geschlossen werden, dass für das geltende Recht die gegenteilige
Lösung richtig sei, als dass man nur die gegenwärtig zutreffende Auffassung in
eine ausdrückliche Vorschrift habe fassen wollen, wie denn auch in der
Expertenkommission diese beiden Schlüsse gezogen worden sind (vgl. deren
Protokoll S. 56/57, 148/149, Voten Guex, Alfred Wieland, Egger, ferner Sten.
Bulletin des Ständerates 1931 S. 156 ff.).
Der Kommanditär haftet nur bis zu einem bestimmten Vermögensbetrag, nämlich
mit seiner Kommandite (vgl. darüber BGE 29 II S. 655). Hat er sie einbezahlt,
so haftet nur diese Einlage. Nur in diesem Masse sind die Verbindlichkeiten
der Gesellschaft auch seine Verbindlichkeiten, darüber hinaus aber sind es
fremde Verbindlichkeiten. Dieser Ansicht ist freilich entgegengehalten worden,
sie enthalte eine Verwechslung von Schuld und Haftung, der Kommanditär sei
trotz der Haftungsbeschränkung Schuldner der ganzen Forderung an die
Gesellschaft (LARDELLI a.a.O. S. 95). Dieser Einwand trifft nicht

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zu, wie denn der genannte Autor selbst anführt, dass sich der Kommanditär von
der Haftung lösen könne, wenn er die Kommanditsumme einlege. Das bedeutet
eben, wenn man von theoretischen Erörterungen absieht, dass der Kommanditär,
der seine Einlage gemacht hat, alles getan hat, was er schuldig ist; mit
seinem Vermögen hat er im Übrigen für keine Schulden der Gesellschaft
einzustehen. Es ist deshalb nicht einzusehen, warum man die Schulden der
Gesellschaft, soweit sie die Kommandite übersteigen, nicht als für ihn fremde
Schulden ansehen und warum man ihm das Einstehen als Bürge für diese Schulden
nicht ermöglichen sollte. Das Bundesgericht kommt deshalb zum Schluss, dass
die Kommanditäre Imhof und A. Sprenger sich anno 1922 als Vorbürgen gültig
verpflichten konnten.
Hier erhebt sich freilich sofort die weitere Frage, ob die beiden ihre
Solidarbürgschaft entsprechend der eben geschilderten Rechtsauffassung
wirklich dahin verstanden, dass ihre Haftung daraus unabhängig und getrennt
neben der Haftung mit ihren Einlagen entstehe, oder ob sie nicht vielmehr die
beschränkte Absicht hatten, sich die Haftung mit ihren Einlagen an ihre
Haftung aus der Bürgschaft gewissermassen an- oder einrechnen zu lassen, in
der Weise, dass zum Beispiel Imhof über seine Kommandite von 15000 Fr. hinaus
nur noch mit 5000 Fr. hätte einstehen wollen, mit 15000 Fr. nach der
angeführten Auffassung der II. Zivilabteilung aber eine ungültige Bürgschaft
eingegangen hätte. Die Frage ist eine solche der Auslegung der
Bürgschaftsurkunde, die aber für eine solche Einschränkung keine Anhaltspunkte
bietet.
Die Frage kann aber auch offen bleiben, wie aus dem Folgenden hervorgeht. Es
liegt hier nämlich nicht der Umfang der Vorbürgschaft im Streit, sondern
letztlich nur die Gültigkeit der Nachbürgschaft des Beklagten. Wenn nun auch
die Gültigkeit der Bürgschaft Gass' verneint werden müsste, sofern das
Bundesgericht an seiner Rechtsprechung festhält, so könnte doch keine

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Rede davon sein, dass deswegen keine gültige Verpflichtung der beiden andern
Vorbürgen zustandegekommen wäre, denn Gass haftete als Komplementär ohnehin
mit seinem ganzen Vermögen, und ihre Lage wurde demnach keineswegs
verschlechtert. Ferner könnte auch eine Ungültigkeit der Vorbürgschaften der
Kommanditäre bis zur Höhe der Einlagen den Nachbürgen nicht schaden, da die
Haftung als Kommanditäre im entsprechenden Betrage eben doch gegeben wäre.
Soweit die Vorbürgen nur als Gesellschafter haften, ist allerdings die
Verpflichtung des Beklagten nicht als Nachbürgschaft zu bezeichnen, sondern
als einfache Bürgschaft (OR Art. 495 Abs. I und 498 Abs. 1). Der Name tut
nichts zur Sache, wenn sich wie hier der wirkliche Wille des Nachbürgen
ermitteln lässt (OR Art. 18
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
).