S. 253 / Nr. 41 Sachenrecht (d)

BGE 57 II 253

41. Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Mai 1931 i. S. Farny gegen Held.


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Regeste:
ZGB Art. 673. - Voraussetzungen der Zuweisung des Grundeigentums an
denjenigen, der für eigene Rechnung auf fremdem Boden mit der Einwilligung des
Eigentümers ein Haus gebaut hat. Begriff des guten Glaubens im Sinne dieser
Bestimmung.

A. - Am 8. März 1925 schloss der Beklagte mit dem Kläger (und dessen damaligem
Associé) einen Architektenvertrag über den Neubau eines «angebauten»
Einfamilienhauses (jetzt Polizeinummer 244) auf einer Bauparzelle an der
Witikonerstrasse in Zürich 7 ab, die der Beklagte dann am 10. März für 14000
Fr. kaufte. Ausserdem einigten sich die Parteien formlos darüber, dass zum
Zwecke der Kostenersparnis für den Beklagten der Kläger für seine eigene
Rechnung auf der vom Beklagten erworbenen Bauparzelle ein gleichartiges Haus
(jetzt Polizeinummer 242) anbaue. Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ihm
mündlich versprochen, ihm den Boden für seine Baute nebst Umgelände zum
Selbstkostenpreis abzutreten; der Beklagte behauptet, über diesen Boden sei
mündlich ein Mietvertrag mit jährlichem Mietzins von 360 Fr. geschlossen
worden. Die beiden Einfamilienhäuser wurden noch im Jahre 1925 in der in
Aussicht genommenen Weise erstellt.
B. - Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger Verurteilung des Beklagten
zur Abtretung der von ihm überbauten, im Rechtsbegehren näher umschriebenen
Hälfte der erwähnten Parzelle nebst Umgelände im Flächenmasse von 644 m2 samt
dem darauf befindlichen

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Einfamilienhaus Polizeinummer 242 gegen Bezahlung Von 4066 Fr. 95 Cts. zu
Eigentum an den Kläger und demgemäss zur Mitwirkung bei der grundbuchamtlichen
Eigentumsübertragung; eventuell Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von
60031 Fr. 10 Cts. nebst 5% Zins seit 24. Januar 1927 an den Kläger.
C. - Das Obergericht des Kantons Zürich hat zunächst durch Vorurteil vom 16.
Mai 1928 den Beklagten verurteilt, das streitige Grundstück dem Kläger zu
Eigentum abzutreten und bei der grundbuchamtlichen Eigentumsübertragung
mitzuwirken, und sodann durch Endurteil vom 17. Dezember 1930 den Kläger
verurteilt, dem Beklagten für das abzutretende Land 6000 Fr. nebst 5% Zins
seit 19. März 1925 ZU bezahlen (unter Abzug der Entschädigung, welche der
Beklagte für einen expropriierten Landstreifen bereits erhalten hatte).
D. - Gegen diese Urteile hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
eingelegt mit dem Antrage, der Hauptantrag der Klage sei abzuweisen und der
Beklagte sei lediglich im Sinne des Eventualbegehrens der Klage zu
verpflichten, für den auf seinem Grund und Boden vom Kläger erstellten Bau
35000 Fr. zu bezahlen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Der Kläger leitet seinen Hauptantrag aus Art. 673
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 673 - Übersteigt der Wert des Baues offenbar den Wert des Bodens, so kann derjenige, der sich in gutem Glauben befindet, verlangen, dass das Eigentum an Bau und Boden gegen angemessene Entschädigung dem Materialeigentümer zugewiesen werde.
ZGB her, und die
Vorinstanz hat ihn in Anwendung dieser Vorschrift zugesprochen. Sie lautet, in
Verbindung mit Art. 671
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 671 - 1 Verwendet jemand zu einem Bau auf seinem Boden fremdes Material oder eigenes Material auf fremdem Boden, so wird es Bestandteil des Grundstückes.
1    Verwendet jemand zu einem Bau auf seinem Boden fremdes Material oder eigenes Material auf fremdem Boden, so wird es Bestandteil des Grundstückes.
2    Der Eigentümer des Materials ist jedoch, wenn die Verwendung ohne seinen Willen stattgefunden hat, berechtigt, auf Kosten des Grundeigentümers die Trennung des Materials und dessen Herausgabe zu verlangen, insoweit dies ohne unverhältnismässige Schädigung möglich ist.
3    Unter der gleichen Voraussetzung kann der Grundeigentümer, wenn die Verwendung ohne seinen Willen stattgefunden hat, auf Kosten des Bauenden die Wegschaffung des Materials verlangen.
ZGB: «Verwendet jemand zu einem Bau (auf seinem Boden
fremdes Material oder) eigenes Material auf fremden Boden und übersteigt der
Wert des Baues offenbar den Wert des Bodens, so kann derjenige, der sich in
gutem Glauben befindet, verlangen, dass das Eigentum an Bau und Boden gegen
angemessene Entschädigung dem Materialeigentümer zugewiesen werde».
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern zieht der heutige Vertreter des Beklagten
die Anwendbarkeit des Art. 673
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 673 - Übersteigt der Wert des Baues offenbar den Wert des Bodens, so kann derjenige, der sich in gutem Glauben befindet, verlangen, dass das Eigentum an Bau und Boden gegen angemessene Entschädigung dem Materialeigentümer zugewiesen werde.
ZGB unter Hinweis darauf in Frage, dass sich
die Parteien

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zum voraus dahin geeinigt hatten, der Kläger dürfe für eigene Rechnung ein
Haus auf dem Boden des Beklagten erstellen. Allein da sich die
Parteivereinbarung in keiner Weise auf die Rechtsfolgen dieses vom Beklagten
ausdrücklich gestatteten Bauens durch den Kläger auf seinem (des Beklagten)
Boden erstreckte, so ist nicht einzusehen, weshalb dafür nicht die Art. 671
ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 671 - 1 Verwendet jemand zu einem Bau auf seinem Boden fremdes Material oder eigenes Material auf fremdem Boden, so wird es Bestandteil des Grundstückes.
1    Verwendet jemand zu einem Bau auf seinem Boden fremdes Material oder eigenes Material auf fremdem Boden, so wird es Bestandteil des Grundstückes.
2    Der Eigentümer des Materials ist jedoch, wenn die Verwendung ohne seinen Willen stattgefunden hat, berechtigt, auf Kosten des Grundeigentümers die Trennung des Materials und dessen Herausgabe zu verlangen, insoweit dies ohne unverhältnismässige Schädigung möglich ist.
3    Unter der gleichen Voraussetzung kann der Grundeigentümer, wenn die Verwendung ohne seinen Willen stattgefunden hat, auf Kosten des Bauenden die Wegschaffung des Materials verlangen.
. ZGB massgebend sein sollten (vgl. BGE 54 II S. 425). Insbesondere kann dem
Beklagten nicht zugegeben werden, dass infolge jener Vereinbarung das Bauen
des Klägers nicht ein blosser Realakt gewesen sei; denn es liesse sich nicht
ernstlich behaupten, dass sie etwa eine zureichende Grundlage für die
rechtsgeschäftliche Übertragung des Baumaterials an den Beklagten hätte bilden
können, in welchem Falle freilich für die Anwendung des Art. 673
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 673 - Übersteigt der Wert des Baues offenbar den Wert des Bodens, so kann derjenige, der sich in gutem Glauben befindet, verlangen, dass das Eigentum an Bau und Boden gegen angemessene Entschädigung dem Materialeigentümer zugewiesen werde.
ZGB kein Raum
wäre.
2. - Voraussetzung der Anwendung des Art. 673
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 673 - Übersteigt der Wert des Baues offenbar den Wert des Bodens, so kann derjenige, der sich in gutem Glauben befindet, verlangen, dass das Eigentum an Bau und Boden gegen angemessene Entschädigung dem Materialeigentümer zugewiesen werde.
ZGB ist, dass sich der Kläger
bei der Verwendung seines Baumaterials zum Hausbau auf dem Boden des Beklagten
in gutem Glauben befunden habe. Der Beklagte spricht dem Kläger den guten
Glauben ab, weil nicht der Fall vorliege, dass der bauende Kläger etwa
(entschuldbarerweise) irrtümlich angenommen habe, der Baugrund gehöre ihm
selbst. Allein dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Freilich
greift bei Rechtsgeschäften der Schutz des guten Glaubens, soweit er
gesetzlich überhaupt vorgesehen ist, nur insofern Platz, als jene «trotz
Fehlens einer Voraussetzung gültig sind, wenn der Handelnde in entschuldbarem
Irrtum an das Vorliegen der fehlenden Tatsache glaubte» (v. TUHR,
Obligationenrecht S. 158). Wer eigenes Material auf fremden Boden verbaute,
könnte dementsprechend in der Tat die Zuweisung des Grundeigentums nur
verlangen, wenn er sich in entschuldbarem Irrtum als Eigentümer des in
Wahrheit fremden Bodens angesehen hätte. Allein diese Auslegung erweist sich
als zu eng; würde sie doch nicht einmal ermöglichen, denjenigen zu schützen,
welcher zu bauen beginnt, nachdem

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er sich des Bauplatzes durch einen befristeten und daher noch nicht beim
Grundbuchamt zur Eintragung angemeldeten Kaufvertrag versichert hat, sofern
sich dieser nachträglich aus irgend einem Grund als unverbindlich erweisen
würde.
Ausserhalb des rechtsgeschäftlichen Verkehrs steht denn auch nichts entgegen,
dem guten Glauben in weitergehendem Masse Schutz zu gewähren, m. a. W. den vom
Gesetz geforderten guten Glauben immer dann gelten zu lassen, wenn
unredliches, moralisch verwerfliches Handeln ausgeschlossen erscheint, gleich
wie eine Anzahl anderer Vorschriften des ZGB, welche Rechtswirkungen an den
guten Glauben knüpfen, auch nicht in dem dargelegten engeren Sinn ausgelegt
werden können, z. B. Art. 92, 198, 300, 674 (vgl. BGE 41 II S. 221), die nach
den romanischen Texten ununterschiedlich an die bonne foi, buona fede,
anknüpfen, nach dem deutschen Text freilich zum Teil an die «gute Treue»,
womit aber nicht ein sachlicher Unterschied kann bezeichnet sein wollen, der
ja auch in den romanischen Texten hätte zum Ausdruck gebracht werden müssen.
Auch in diesem weiteren Sinne könnte der gute Glaube dem Kläger freilich kaum
zugestanden werden, wenn dargetan wäre, dass ein Mietvertrag über den vom
Kläger in Anspruch genommenen Teil der Bauparzelle abgeschlossen worden sei,
bevor er zu bauen begann; denn hieraus müsste wohl e contrario geschlossen
werden, dass die in Art. 673
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 673 - Übersteigt der Wert des Baues offenbar den Wert des Bodens, so kann derjenige, der sich in gutem Glauben befindet, verlangen, dass das Eigentum an Bau und Boden gegen angemessene Entschädigung dem Materialeigentümer zugewiesen werde.
ZGB vorgesehene Eigentumsübertragung an den
Kläger nach übereinstimmender Meinung der Parteien, namentlich nach der dem
Kläger ersichtlichen Meinung des Beklagten nicht in Frage kommen sollte, was
ausschliessen würde, dass der Kläger nachträglich doch in guten Treuen sie
fordern dürfte. Allein die Vorinstanz hat gestützt auf eingehende
Beweiswürdigung in für das Bundesgericht verbindlicher Weise festgestellt,
dass ein solcher Vertrag nicht von vornherein geschlossen worden sei, sondern
erst nachträglich vom Beklagten untergeschoben werden wollte.

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Hatte aber der Beklagte von vornherein ohne einen derartigen Vorbehalt sein
Einverständnis damit erklärt, dass der Kläger auf seinem Boden zu bauen
beginne, was zudem nicht weniger im Interesse des Beklagten als des Klägers
geschah, so kann dem letzteren unredliches, moralisch zu missbilligendes
Verhalten nicht zur Last gelegt werden. Übrigens ist schon im Urteile der
staatsrechtlichen Abteilung in BGE 53 I S. 183 ausgesprochen worden, dass der
gute Glaube demjenigen zugute zu halten ist, der für eigene Rechnung auf
fremden Grund und Boden mit dem Willen des Eigentümers desselben baut. Dass
der Kläger dies tat, ohne zuvor einigermassen für die Abklärung des
rechtlichen Schicksals des zu bauenden Hauses zu sorgen, war zwar unbedacht,
ist jedoch nicht geeignet, seinen guten Glauben zu zerstören. Insbesondere
kann nicht als Voraussetzung des guten Glaubens des Klägers aufgestellt
werden, dass ihm der Beklagte die spätere Abtretung des Bodens mündlich
versprochen habe, was der Kläger freilich ebensowenig nachzuweisen vermocht
hat. Sollte aber der Beklagte, wie er mit dem Schreiben des Klägers vom 5.
August 1925 dartun will, bald nach Baubeginn dem Kläger zu erkennen gegeben
haben, dass von der Abtretung des Bodens keine Rede sein könne, so käme
hierauf nichts an, weil, wie die Vorinstanz zutreffend entschieden hat, die
mala fides superveniens dem mit eigenem Material auf fremdem Boden Bauenden
nicht schaden darf, sofern er sich darauf beschränkt, den einmal gutgläubig
begonnenen Bau in der Weise zu Ende zu führen, wie es notwendig ist, damit er
überhaupt wirtschaftlich nutzbar gemacht werden kann. Übrigens dürfte für den
Kläger mindestens soviel während der ganzen Bauzeit selbstverständlich gewesen
sein, dass er nicht für eigene Rechnung baue, um den Bau dann dem Beklagten
weit unter den Baukosten überlassen zu müssen, worauf dieser mit seinen
Anträgen abzielt.

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Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und die Urteile des Obergerichtes des Kantons
Zürich vom 16. Mai 1928 und 17. Dezember 1930 werden bestätigt.