S. 337 / Nr. 53 Gleichheit vor dem Gesetz (Rechtsverweigerung) (d)

BGE 57 I 337

63. Urteil vom 25. September 1931 i. S. Höcker gegen Obergericht Aargau.


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Regeste:
Verfassungswidrigkeit, wegen Verstosses gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV, der Bestimmung einer
kantonalen ZPO, wonach auch bei Erteilung des Armenrechts für die
Prozessführung die betr. Partei für die Kosten des Beweisverfahrens ohne
Rücksicht auf ihre Leistungsfähigkeit vorschusspflichtig bleibt, mit der
Wirkung, dass sie bei Nichtleistung des auferlegten Vorschusses als
beweisfällig behandelt wird.

A. - Nach der aargauischen ZPO vom 22. März 1900 § 62 kann, wer durch eine
Bescheinigung des Gemeinderates seines Wohnortes oder einer anderen
zuständigen Behörde nachweist, dass er nicht imstande ist, ohne Beschränkung
der für sich und seine Familie notwendigen Lebensbedürfnisse die Prozesskosten
zu bestreiten, verlangen, dass ihm das Armenrecht erteilt werde. Das
Armenrecht befreit die betreffende Partei von der Verpflichtung zur Zahlung
der Gerichts-, Stempel-, Vorladungs- und Zustellungsgebühren, sowie zur
Sicherheitsleistung für die Kosten des Rechtsstreites; es gewährt ferner den
Anspruch auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes (§ 64 Ziff. 1,
2 und 4). Dagegen tritt eine Befreiung von der Zahlung der Kosten (Vorschüsse)
für Einvernahme von

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Zeugen und Sachverständigen, für Vornahme eines Augenscheines und für
Einforderung von Urkunden nur da ein, wo dies besonders gesetzlich
vorgeschrieben ist (§ 64 Ziff. 3). Die Entscheidung über die Bewilligung des
Armenrechtsgesuches und die Prüfung des Vorliegens der dafür erforderlichen
Voraussetzungen ist Sache des Präsidenten des Gerichtes, bei dem der
Rechtsstreit zur Verhandlung kommt (§ 66). Unter dem Titel «Vorladungen,
Tagfahrten, Fristen und Zustellungen» bestimmt:
Ǥ 91. Wird binnen der angesetzten Frist eine Rechtsvorkehr nicht erstattet
oder eine andere prozessualische Verpflichtung nicht erfüllt, so auferlegt der
Gerichtspräsident dem Säumigen eine Ordnungsbusse von 10-20 Fr. und räumt ihm
unter Androhung der Säumnisfolgen (§ 92) eine zweite Frist von 10-20 Tagen
ein.»
«§ 92. Wird auch diese zweite Frist versäumt, so legt der Gerichtspräsident
die Akten des Rechtsstreites dem Gerichte vor, welches an Hand derselben sein
Urteil fällt.»
Durch Kreisschreiben vom 29. Juni 1917 (Vierteljahresschrift f. aarg.
Rechtsprechung 17 S. 158) sah sich das aargauische Obergericht veranlasst, den
Bezirksgerichten die Vorschrift des § 64 Ziff. 3 ZPO in Erinnerung zu rufen
und sie anzuweisen, eine Befreiung der im Armenrecht prozessierenden Partei
von den hier erwähnten Kosten des Beweisverfahrens nur in den gesetzlich
besonders bestimmten Fällen («Haftpflichtprozesse, Offizialverfahren»)
eintreten zu lassen. § 92 ZPO ist schon durch ein Urteil des Obergerichtes vom
13. Juni 1914 (ebenda 15 S. 24 N. 6) dahin ausgelegt werden, dass infolge der
hier vorausgesetzten Säumnis ein Beweisverfahren keinesfalls mehr durchgeführt
werden dürfe, sondern unter dem zu fällenden «Urteil» das Endurteil zu
verstehen sei und zwar in dem Sinne, «dass dem Rechtsgegner der Partei, die im
Verfahren nach § 91 ihre prozessuale Verpflichtung nicht erfüllt hat, nach
Analogie der §§ 85 III und 130 II ZPO sein Rechtsbegehren zuzusprechen ist,
sofern es nicht

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nach den Akten als offenbar ungerechtfertigt erscheint». Ein weiteres Urteil
vom 13. April 1917 (ebenda 17 S. 144 N. 50) führt dazu noch näher aus: «Dabei
haben die Behauptungen der säumigen Partei, soweit sie nicht vom Gegner
ausdrücklich anerkannt worden sind, als hinfällig zu gelten. Die tatsächlichen
Behauptungen der nicht säumigen Partei dagegen gelten auch dann, wenn der
Säumige sie bestritten hat, als zugestanden und der Richter hat bloss noch
daraus die rechtlichen Schlüsse zu ziehen und dabei im Zweifelsfalle der
Auslegung des Gesetzes den Vorzug zu geben, die dem Begehren der nichtsäumigen
Partei günstiger ist.» In beiden Fällen handelte es sich um die Säumnis in der
Leistung von Vorschüssen, die durch den Beweisbeschluss der als
beweispflichtig erklärten Partei für die Kosten der Beweisführung auferlegt
worden waren.
B. - Der heutige Rekurrent Alfred Höcker in Muttenz war während einiger Zeit
Reisender der rekursbeklagten Firma Madörin & Ziegler, Chemische Fabrik in
Wallbach (Kanton Aargau), legte dann aber diese Tätigkeit Ende Mai 1929
nieder, wie er behauptet wegen vertragswidrigen Verhaltens der
Rekursbeklagten. Im Dezember 1929 reichte er gegen die Rekursbeklagte beim
Bezirksgericht Rheinfelden eine Zivilklage ein, womit er von der Beklagten die
Zahlung von 1325 Fr. 30 Cts. und von 2500 Fr. forderte, den ersteren Betrag
aus Dienstvertrag auf Grund der von ihm behaupteten Anstellungsbedingungen als
rückständigen Gehalt bis 18. Juni 1929, Reisespesenvergütung bis 21. Mai 1929
und Umsatzprovision auf den von ihm eingebrachten Bestellungen, die 2500 Fr.
als Schadenersatz wegen Verletzung (Nichterfüllung) einer Vereinbarung,
wodurch die Beklagte für die Dauer des Anstellungsverhältnisses zum Vertriebe
einer Schuhwichse unter der dem Kläger zustehenden Marke «Weltcrème»
ermächtigt worden sei. Endlich wurde: 3) der Erlass eines Befehles an die
Beklagte zur sofortigen Einstellung von Produktion und Vertrieb der Schuhcrème
«Weltcrème» verlangt.

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Für die Durchführung des Prozesses war dem Rekurrenten durch Verfügung des
Präsidenten des Bezirksgerichtes Rheinfelden vom 15. Juli 1929 das Armenrecht
bewilligt und als armenrechtlicher Anwalt Dr. Börlin in Pratteln (Baselland)
bestellt worden. Die Beklagte beantragte in der Klagebeantwortungsschrift die
Abweisung der Klage, soweit damit mehr verlangt werde als die Vergütung
nachstehender Provisionen: 66 Fr. 75 Cts. zahlbar sofort und 80 Fr. 15 Cts.
zahlbar nach Eingang der betreffenden Fakturenbeträge. In der Duplikschrift
nahm sie auch dieses Anerkenntnis zurück und schloss auf gänzliche Abweisung
der Klage, indem sie den ursprünglich anerkannten Beträgen gewisse
Schadenersatzansprüche an den Kläger zur Verrechnung gegenüberstellte. Das
Bezirksgericht Rheinfelden legte durch Beweisbeschluss vom 9. Juli 1930 dem
Kläger den Beweis für eine Reihe von Behauptungen durch Parteibefragung und
die im Beschluss genannten Zeugen auf und verpflichtete zugleich den Kläger,
an die Kosten der Beweisverhandlung der Gerichtskasse innert 8 Tagen einen
Vorschuss von 140 Fr. zu leisten. Da der Rekurrent erklärte, diesen Betrag
nicht aufbringen zu können, wurde ihm die Frist hiezu bis zum 4. Oktober 1930
offengehalten. An diesem Tage erliess der Bezirksgerichtspräsident eine
Verfügung, wodurch er den Rekurrenten wegen Nichtbezahlung des
Kostenvorschusses in eine Ordnungsbusse von 20 Fr. verfällte und ihm zur
Vorschussleistung eine letzte Frist von 10 Tagen ansetzte, unter der
Androhung, dass anderenfalls auf Grundlage der Akten geurteilt würde.
Nachdem auch diese Frist unbenützt abgelaufen war, schritt das Bezirksgericht
ohne Beweiserhebungen zur Entscheidung des Rechtsstreites und wies durch
Endurteil vom 22. Oktober 1930 die Klage in vollem Umfange ab, unter
Auferlegung der Parteikosten der Beklagten an den Kläger, mit der Begründung:
die Beklagte habe die Behauptungen des Klägers in allen wesentlichen Punkten
nicht anerkannt und ihnen eine eigene Sachdarstellung

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gegenübergesetzt, die, wenn tatsächlich richtig, zur Verneinung der mit der
Klage geltend gemachten Ansprüche führen müssen. Da der Richter infolge der
Säumnis des Klägers in der Leistung des Kostenvorschusses für die
Beweisführung diese Darstellung als wahr anzunehmen habe, müsse demnach die
Klage verworfen werden.
Höcker appellierte gegen dieses Urteil an das Obergericht Aargau mit dem
Schlusse, es seien die Klagebegehren zuzusprechen, die sämtlichen vom Kläger
angerufenen Beweismittel beizuziehen und die mit dem Armenrecht verbundene
Kostenbefreiung auch auf die Beweisdurchführung auszudehnen.
Durch Urteil vom 7. März 1931 verpflichtete das Obergericht I. Abteilung die
Beklagte an den Kläger 66 Fr. 75 Cts., zahlbar sofort und 80 Fr. 15 Cts.,
zahlbar nach Eingang der betreffenden Fakturenbeträge, zu zahlen, wies dagegen
im übrigen die Klage ebenfalls ab. Die Gerichtskosten beider Instanzen wurden
zu 1/20 der Beklagten auferlegt und der Kläger verpflichtet, der Beklagten an
ihre beidinstanzlichen Parteikosten 19/20 mit 646 Fr. 29 Cts. zu ersetzen. In
der Urteilsbegründung wird ausgeführt, dass die Erteilung des Armenrechtes
nach § 64 Ziff. 3 ZPO, da keiner der hier vorbehaltenen Ausnahmefälle
vorliege, den Kläger nicht von der Vorschussleistung für die Kosten des
Beweisverfahrens entbinden könne. Das Bezirksgericht habe daher mit Recht
durch seinen Beweisbeschluss den Parteien die Kosten für die Durchführung der
von ihnen beantragten Beweise auferlegt und auf die Säumnis des Klägers in der
Entrichtung des verlangten Vorschusses gemäss § 92 ZPO und der darauf
beruhenden ständigen Gerichtspraxis ohne weiteres Beweisverfahren das
Endurteil auf Grund der Sachdarstellung der Beklagten und der Akten gefällt.
Der erstinstanzlichen Urteilsbegründung sei auch darin beizustimmen, dass auf
dieser Grundlage das Begehren der Beklagten - auf Abweisung der Klage - nicht
als offenbar ungerechtfertigt bezeichnet werden könne und in der

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Hauptsache zuzusprechen sei. Eine Abänderung des angefochtenen Urteils
rechtfertige sich nach den Akten nur insoweit, als die Beklagte bei der in
Ziff. 1 des Antwortschlusses ausgesprochenen formellen Anerkennung der Beträge
von 66 Fr. 75 Cts. und 80 Fr. 15 Cts. zu behaften sei. Die Beklagte habe zwar
dieses Anerkenntnis in der Duplik unter Berufung auf ihr zustehende
verrechenbare Gegenansprüche zurückgezogen. Doch sei ein solcher Widerruf
nicht mehr zulässig gewesen, weil sich die zur Verrechnung gestellten
Ansprüche auf Tatsachen stützen, die der Beklagten zugegebenermassen schon bei
Einreichung der Antwort bekannt gewesen seien.
C. - Gegen dieses Urteil des Obergerichtes hat Höcker beim Bundesgericht
staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrage, dasselbe sei wegen
Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV aufzuheben und die Sache an die kantonalen Gerichte
zu neuer Behandlung gemäss dem Appellationsschlusse des Klägers an das
Obergericht zurückzuweisen. Der Rekurrent, so wird ausgeführt, sei völlig
ausser Stande gewesen. den von ihm verlangten Kostenvorschuss zu leisten. Er
könne aus seinem geringen Verdienst kaum das Leben fristen und habe eben darum
auch das Armenrecht und die unentgeltliche Verbeiständung verlangt und
erhalten. Wenn die aargauische ZPO § 64 die im Armenrecht prozessierende
Partei nur von gewisse Kosten, nicht auch von der Vorschusspflicht für die
Kosten des Beweisverfahrens befreie, so liege darin eine unzulässige
Verkürzung der vermögenslosen gegenüber der vermöglichen Partei. Die arme
Partei müsse infolgedessen zwangsläufig den Prozess trotz des gewährten
Armenrechtes verlieren, sobald es sich darum handle, ihre Darlegungen zu
beweisen. Die fragliche Bestimmung bedeute daher eine Rechtsverweigerung und
willkürliche ungleiche Behandlung der Prozessparteien. Dasselbe gelte auch von
der Anwendung der Bestimmung im vorliegenden Falle.
D. - Das Obergericht des Kantons Aargau hat sich beschränkt, auf die
Erwägungen des angefochtenen Urteils,

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die darin angewendeten Vorschriften der kantonalen ZPO (§§ 64, 91, 92) und die
oben unter A angeführten früheren Entscheide des Gerichtes zu verweisen.
Die rekursbeklagte Firma Madörin & Ziegler hat die Abweisung der Beschwerde
beantragt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Nach § 144 der aargauischen ZPO können Beweisbeschlüsse nicht selbständig,
sondern nur in Verbindung mit der Weiterziehung des Endurteils im
Rechtsmittelwege angefochten werden. Dass für die mit einem Beweisbeschlusse
verbundene Verfügung, wodurch einer Partei für die Kosten einer angeordneten
Beweisführung ein Vorschuss auferlegt oder ihr zur Leistung des letzteren eine
Nachfrist unter Androhung der Säumnisfolgen angesetzt wird (§ 91 ZPO), etwas
anderes gelten würde, ist nicht ersichtlich. Im angefochtenen Urteil ist denn
auch das Obergericht auf die Frage, ob das Bezirksgericht Rheinfelden dem
Rekurrenten eine solche Kostenauflage haben machen und an deren Nichterfüllung
die Wirkungen des § 92 ZPO knüpfen dürfen, eingetreten und hat sie materiell
geprüft. Dem Rekurrenten kann deshalb das Recht nicht abgesprochen werden, die
Verfassungsmässigkeit der streitigen Auflage noch im Anschluss an dieses
Urteil durch staatsrechtlichen Rekurs dem Bundesgericht zur Entscheidung zu
unterbreiten, mit der Wirkung, dass wenn das Urteil sich insoweit als
verfassungswidrig erweist, auch die darin aus der Säumnis des Rekurrenten in
der Befolgung der betreffenden prozessualen Pflicht gezogenen Folgerungen
dahinfallen müssen.
2. In Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV, dem Grundsatze der Rechtsgleichheit, ist auch das gleiche
Recht jedes Bürgers auf Gewährung des staatlichen Rechtsschutzes für einen von
ihm behaupteten privatrechtlichen Anspruch inbegriffen, d. h. diesen Anspruch
vor dem zuständigen Richter in den dafür vorgesehenen prozessualen Formen
verfolgen und feststellen lassen zu können und bei Beobachtung jener Formen
mit

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seinen für die Entscheidung wesentlichen Vorbringen und Beweisangeboten gehört
zu werden. Auf der Annahme eines solchen in der Garantie des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV
miteingeschlossenen Individualrechts beruht die ständige Rechtsprechung des
Bundesgerichtes, die in der Rechtsverweigerung (formellen Justizverweigerung)
und in der Versagung des rechtlichen Gehörs gegenüber einer Partei im Zivil-
(oder Straf-) prozesse eine Verfassungsverletzung erblickt. Dieser Anspruch
ist aber nicht gewahrt, wenn das Tätigwerden des Richters oder doch die
Vornahme gewisser prozessualer Handlungen allgemein und schlechthin, auch
gegenüber armen und infolgedessen zu den betreffenden Leistungen nicht fähigen
Personen, von der vorhergehenden Erlegung der Prozesskosten oder doch der
Kosten jener Handlungen, der Vorschussleistung dafür, abhängig gemacht wird.
Eine solche Ordnung behandelt die Bürger nur äusserlich, dem Scheine nach
gleich: in Wirklichkeit wird dadurch dem Armen der Rechtsschutz auch für die
Verfolgung eines begründeten oder zum mindesten nicht aussichtslosen
Anspruches versagt, indem die Gewährung an eine Bedingung geknüpft wird, die
der Betroffene zum vorneherein nicht erfüllen kann. Es liegt also darin eine
verfassungswidrige Schlechterstellung der mittellosen gegenüber der begüterten
Prozesspartei. Auf diesen Boden hat sich denn auch das Bundesgericht schon im
Urteil vom 30. September 1887 in Sachen de Courten gegen Wallis (BGE 13 S.
251) gestellt. In Frage stand damals allerdings eine Bestimmung des Walliser
Strafprozesses, die für die Appellation des Angeklagten gegen ein
verurteilendes erstinstanzliches Straferkenntnis bei Folge der Verwirkung des
Rechtsmittels eine Kostenhinterlage von 130 Fr. forderte. Doch reicht die
Urteilsbegründung der Bedeutung nach über diesen besonderen Tatbestand und das
Verteidigungsrecht des Angeklagten im Strafprozess überhaupt hinaus und trifft
auch auf den vorliegenden Fall zu. Es wurde darin allgemein ausgeführt, dass
zwar der Staat für die Ausübung der Rechtspflege Gebühren erheben könne und
dass

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auch verfassungsrechtlich grundsätzlich nichts entgegenstehe, die Parteien im
Interesse des Staates oder der Gegenpartei zur vorgängigen Versicherung oder
Hinterlegung der Prozesskosten anzuhalten: «allein Prozessvorschriften der
letzteren Art erheischen doch, soll dadurch dem Armen der Rechtsschutz nicht
völlig abgeschnitten werden, eine Ergänzung in dem Sinne, dass dem Bürger, der
sich über seine Mittellosigkeit ausweist, sofern es sich nicht etwa um
offenbar grundlose Prozesse handelt, die vorgängige Erlegung der Gebühren
nachgesehen wird»; im Zivilprozesse sei denn auch die Einrichtung des
Armenrechts in der Schweiz wohl allgemein anerkannt. Ähnlich war schon in
einem früheren Rekursfalle aus dem Kanton Luzern gegenüber der Anfechtung der
Auflage einer Kostenvertröstung in einer Zivil- oder Injuriensache bemerkt
worden, eine darin liegende Rechtsverweigerung komme von vorneherein nicht in
Betracht, weil dem Unbemittelten durchgängig und insbesondere auch im Kanton
Luzern das Armenrecht gewährt werde (ebenda 8 S. 171). Richtig ist freilich,
dass in dem späteren Entscheide in Sachen Wicky (BGE 26 I 273) zu Eingang der
Erwägungen ausgeführt wurde: wie es im allgemeinen Sache der Kantone sei zu
bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Organe der staatlichen
Zivilrechtspflege tätig werden und in welcher Form sich die Verhandlungen
abspielen, so beantworte es sich - von einigen Spezialbestimmungen des
eidgenössischen Rechtes abgesehen - insbesondere auch nach kantonalem Recht,
ob, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfange einer Partei die
Prozessführung durch Gewährung unentgeltlicher Justiz, Entbindung von
Prozesskautionen und dergleichen erleichtert werden solle. Doch kann dieser
gelegentlichen Bemerkung schon deshalb keine grosse Bedeutung beigemessen
werden, weil die Frage eines bereits au Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV folgenden
verfassungsmässigen Anspruchs auf Bewilligung des Armenrechtes beim Zutreffen
gewisser Voraussetzungen damals überhaupt nicht zur Entscheidung stand,
sondern streitig

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einzig war, ob die Wohltat der unentgeltlichen Prozessführung dem Rekurrenten
ohne Willkür wegen Aussichtslosigkeit der konkreten Klage (mangels der vom
kantonalen Prozessgesetz aufgestellten Voraussetzung, dass «der Anspruch des
Petenten einer näheren Prüfung wert ist») habe versagt werden können. Dasselbe
gilt für das neuere Urteil in Sachen Bandermann (BGE 55 I 361), wo es sich um
die Kosten des Betreibungsverfahrens handelte und entscheidend darauf
abgestellt wurde, dass das SchKG, das nach Art. 113
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
letzter Absatz BV und Art.
175
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 113 * - 1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
1    Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.
2    Er beachtet dabei folgende Grundsätze:
a  Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.
b  Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen.
c  Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zu versichern.
d  Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.
e  Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorge allgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.
3    Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bezahlen.
4    Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen; der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmen vorsehen.
OG für das Bundesgericht verbindlich ist, eine Befreiung des bedürftigen
Gläubigers von der gesetzlichen Vorschusspflicht für diese Kosten nicht kenne.
Wenn andererseits schon im Falle de Courten die wohl allgemeine grundsätzliche
Anerkennung des Armenrechtes für den Zivilprozess in den schweizerischen
Prozessgesetzgebungen festgestellt wurde, so trifft dies auch heute noch zu
(vgl. die Zusammenstellung der einschlägigen kantonalen Gesetze in der vom
Völkerbund herausgegebenen Veröffentlichung «Assistance judiciaire aux
indigents» S. 392 ff., für das Verfahren vor den eidgenössischen Gerichten
ebenda S. 391 und insbesondere OG Art. 212).
Nach dem Gesagten besteht darauf beim Vorliegen der oben umschriebenen und
unten noch näher zu erörternden Voraussetzungen ein aus der
verfassungsmässigen Rechtsgleichheit fliessendes subjektives Recht des
Bürgers, das die Pflicht der Kantone zu entsprechender Gestaltung ihrer
Prozessgesetzgebung nach sich zieht. Wie die übrigen verfassungsmässigen
Individualrechte, so bildet der Grundsatz der Rechtsgleichheit mit den daraus
sich ergebenden Folgerungen auch auf den Gebieten, in denen die
Rechtssetzungsgewalt grundsätzlich den Kantonen geblieben ist, eine Schranke
nicht bloss für die rechtsanwendenden Behörden, sondern auch für den
Gesetzgeber. Es kann daher auch der Anerkennung eines solchen Rechtes nicht
entgegengehalten werden, dass damit in die durch Art. 64
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 64 Forschung - 1 Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung und die Innovation.30
1    Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung und die Innovation.30
2    Er kann die Förderung insbesondere davon abhängig machen, dass die Qualitätssicherung und die Koordination sichergestellt sind.31
3    Er kann Forschungsstätten errichten, übernehmen oder betreiben.
BV anerkannte
Gesetzgebungshoheit

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der Kantone auf dem Gebiete der Gerichtsorganisation, des gerichtlichen
Verfahrens und der Rechtsprechung eingegriffen werde. Und ebensowenig spricht
dagegen, dass der Bundesgesetzgeber für einige Spezialgebiete, so für die
Geltendmachung der Haftpflichtansprüche aus Fabrik- oder Eisenbahnbetrieb und
nunmehr der Versicherungsansprüche aus der eidgenössischen Unfallversicherung
den Kantonen die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung an bedürftige
Personen für nicht zum voraus unbegründet erscheinende Klagen besonders
vorgeschrieben hat (Novelle z. FHG Art. 6, EHG Art. 22, EIG Art. 40, SALIS
Bundesrecht V Nr. 2369; KUVG Art. 121). Es wurde hiedurch der dahingehende
Anspruch für gewisse Fälle, wo dem Bundesgesetzgeber aus sozialpolitischen
Gründen besonders daran gelegen sein musste, durch eine positive Norm
klargestellt und vor jeder Anzweiflung gesichert. Zu der Frage, ob und in
welchem Umfange er sich nicht sonst schon aus dem allgemeinen Grundsatz des
Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV ergeben hätte, ist damit nicht Stellung bezogen worden, weder in
bejahendem noch in verneinendem Sinne.
3. Sind die Kantone schon kraft dieser Verfassungsvorschrift zu einer
Organisation der Rechtspflege in Zivilsachen gehalten, die es auch dem
Unbemittelten nicht nur theoretisch freistellt, sondern - durch entsprechenden
Kostenerlass - tatsächlich ermöglicht, sein Recht zu suchen und zu finden, so
muss aber auch das Armenrecht, die Befreiung von der Pflicht zur vorgängigen
Sicherstellung oder Hinterlegung der Prozesskosten bei ausgewiesener
Mittellosigkeit für die Kosten aller prozessualen Handlungen verlangt werden
können, die zur Herbeiführung eines materiellen Entscheides über den ans Recht
gesetzten Anspruch erforderlich sind oder doch vom Richter als hiezu
erforderlich erachtet werden, und für die Kostenvorschuss oder -sicherheit zu
leisten der bedürftigen Partei nicht möglich ist, ohne sich des für ihren und
ihrer Familie Lebensunterhalt Notwendigen zu berauben. Dahin gehen denn auch
die oben

Seite: 348
erwähnten Spezialbestimmungen der Bundesgesetzgebung und Art. 212
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
OG in der
Anwendung durch das Bundesgericht. Eine Regelung, welche vom Erlass allgemein,
auch bei im übrigen erfolgter Erteilung des Armenrechts für die
Prozessführung, die Kosten gewisser Prozesshandlungen ausnimmt, selbst wenn
das Unterbleiben der letzteren wegen mangelnden Kostenvorschusses für die
Partei das Unterliegen im Prozesse zur Folge hat, ist mit jenem
verfassungsmässigen Postulate nicht vereinbar. Sie kommt im Erfolge der
Verweigerung des Rechtsweges, Rechtsschutzes gegenüber bedürftigen Personen
für die Verfolgung eines ihnen zustehenden, vom Anspruchsgegner bestrittenen
privatrechtlichen Anspruches oder für die Verteidigung auf eine gegen sie
erhobene Klage überhaupt gleich. Es ist zudem innerlich widerspruchsvoll,
einer bedürftigen Partei zunächst die Einleitung des Prozesses durch
Zusicherung der Befreiung von den Gerichtsgebühren im engeren Sinne und
Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes zu ermöglichen, dann aber, wenn
sich ein Beweisverfahren als notwendig erweist, sie durch Auflage von
Kostenvorschüssen, die sie nicht aufzubringen vermag, sachfällig werden zu
lassen. Wenn § 64 Ziff. 3 der aargauischen ZPO auch die im Armenrecht
prozessierende Partei schlechthin zur Sicherstellung, Vorschussleistung für
die Kosten der Abnahme der von ihr beantragten und vom Richter zugelassenen
Beweise verpflichtet, mit der Wirkung, dass anderenfalls ihre Vorbringen nicht
berücksichtigt werden und der Streit ausschliesslich auf Grund der
Sachdarstellung der Gegenpartei und der Akten beurteilt wird (§ 92), so ist
demnach diese Vorschrift verfassungswidrig. Die Verfassungsverletzung kann
auch nicht etwa damit beseitigt werden, dass zwar die Anwendung dieser
weitgehenden Säumnisfolgen abgelehnt, aber der Prozess für solange eingestellt
wird, bis die vorschusspflichtig erklärte Partei dieser Auflage nachgekommen
sein wird. Denn auch damit wäre dem Recht des Armen, dass ihm, gleich einer
begüterten Partei,

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Recht gesprochen werde, nicht Genüge getan. Es sind denn auch, wie sich aus
der oben erwähnten Zusammenstellung ergibt, ausser Aargau heute nur noch
einige wenige Kantone, z. B. Wallis, die die Erstreckung des Armenrechtes auch
auf die Kosten des Beweisverfahrens (Auslagen für Zeugeneinvernahmen,
Befragung von Sachverständigen u.s.w.) grundsätzlich ablehnen.
Dadurch wird nicht ausgeschlossen, dass in Fällen, wo eine Partei zwar nicht
zur Tragung der gesamten Prozesskosten, aber doch immerhin zu gewissen
Leistungen ohne Beeinträchtigung des notwendigen Lebensunterhaltes für sich
und ihre Familie fähig ist, das Armenrecht bloss teilweise, für den diese
Leistungsfähigkeit übersteigenden Kostenbetrag erteilt werde. Insbesondere
wird aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV nichts dagegen einzuwenden sein, dass auch eine Partei, der
grundsätzlich das Armenrecht für den Prozess erteilt worden ist, dennoch zu
gewissen Vorschüssen für die Beweisführung angehalten wird, wenn sich aus
einer näheren Prüfung ihrer Vermögens- und Erwerbsverhältnisse einerseits und
ihrer Lasten andererseits ergibt, dass ihr diese Leistung ohne solchen
Nachteil zugemutet werden kann. Was durch Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV ausgeschlossen wird, ist
nur die grundsätzliche Ausnahme dieser Kosten vom Armenrecht überhaupt, ohne
Rücksicht auf den Grad der Armut der Partei und ihre tatsächliche
Leistungsfähigkeit. Es ist ferner klar, dass der Arme die Befreiung von der
Vorschusspflicht nicht für die Abnahme irgendwelcher von ihm beantragter
Beweise verlangen kann, sondern nur solcher, die sich auf für die Entscheidung
des Streites erhebliche Tatsachen beziehen und zur Erbringung des Beweises
dafür tauglich sind. Eine Verfügung des Richters, wodurch die Beweisabnahme
wegen Unerheblichkeit des Beweisthemas oder Untauglichkeit der angebotenen
Beweismittel abgelehnt wird, kann deshalb keinesfalls unter Berufung auf die
vorstehend entwickelten Grundsätze, sondern nur insoweit aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV
angefochten werden, als sich jene der Verweigerung der Beweisführung

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zu Grunde liegenden Annahmen als willkürlich erweisen sollten.
4. Im vorliegenden Falle ist dem Rekurrenten auf das von ihm beigebrachte
Armutszeugnis des Gemeinderates Muttenz das Armenrecht, und zwar wie das
Obergericht feststellt, mit Wirkung für beide kantonale Instanzen,
grundsätzlich gewährt und damit die in § 62 ZPO vorausgesetzte Bedürftigkeit
und das Vorliegen einer nicht zum voraus aussichtslosen Klage (§ 70 Abs. 2
ebenda) anerkannt worden. In Frage steht die Durchführung des Beweisverfahrens
über tatsächliche Behauptungen, die der kantonale Richter selbst durch den
Beweisbeschluss vom 9. Juli 1930 als für die Entscheidung wesentlich
betrachtet und für die er auch durch diesen Beschluss die vom Kläger
angerufenen Beweismittel, soweit sie darin zugelassen wurden, als an sich
geeignet erklärt hat. Dem Rekurrenten ist ferner der Vorschuss von 140 Fr. für
die Kosten der Beweisabnahme nicht deshalb auferlegt worden, weil er zu dessen
Leistung trotz des erwähnten Armutszeugnisses seiner Wohnortsgemeinde ohne den
in § 62 der kantonalen ZPO erwähnten Nachteil als fähig erscheine. Vielmehr
stützt sich die betreffende Auflage ausschliesslich darauf - sie ist auch vom
Obergericht ausschliesslich deshalb geschützt worden -, dass für die Kosten
der Beweisabnahme eine Kostenbefreiung grundsätzlich, auch bei im übrigen
erfolgter Bewilligung des Armenrechtes, nicht gewährt werden könne. Dieser
Standpunkt ist aber verfassungswidrig. Er wird auch dadurch nicht
gerechtfertigt, dass er dem kantonalen Prozessgesetze, § 64 Ziff. 3 ZPO
entspricht, da eben diese Vorschrift selbst verfassungswidrig ist. Das
angefochtene Urteil ist deshalb in der Meinung aufzuheben, dass unter Berufung
auf diesen Grundsatz dem Rekurrenten der Erlass des Kostenvorschusses für die
angeordnete Beweisabnahme nicht verweigert werden durfte, dass es dagegen dem
kantonalen Richter unbenommen bleibt zu prüfen, ob nicht die Mittel des
Rekurrenten derart waren oder sind. dass sie ihm

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wenigstens eine solche Leistung ohne Beeinträchtigung seiner notwendigen
Lebensbedürfnisse oder derjenigen seiner Familie gestatteten oder gestatten
und bejahenden falls die Kostenauflage deshalb zu bestätigen oder zu erneuern.
Durch die Vorlegung des in § 62 der ZPO geforderten Armutszeugnisses der
Wohnortsgemeinde mit dem Armenrechtsgesuch hatte der Kläger zunächst der ihm
obliegenden Beweispflicht genügt. Es war daher auch nicht seine Sache, von
sich aus auf die Kostenauflage des Beweisbeschlusses hin weitere Beweise für
seine Unfähigkeit zur Leistung des verlangten Vorschusses beizubringen.
Vielmehr wird es am kantonalen Richter sein, wenn er nicht ohne weiteres von
der fraglichen Auflage absehen will, die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse
des Klägers und dessen Lasten nach der bezeichneten Richtung näher zu
untersuchen und hiezu vom Rekurrenten eventuell die erforderlichen Auskünfte
unter den geeigneten Androhungen zu verlangen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das angefochtene Urteil des Obergerichtes
des Kantons Aargau vom 7. März 1931 im Sinne der Erwägungen aufgehoben.