S. 158 / Nr. 41 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 56 III 158

41. Entscheid vom 25. September 1930 i. S. Menke & Kulenkamp und Konsorten.

Regeste:
SchKG Art. 200: Der Verzicht auf Rechtsansprüche der Konkursmasse kommt erst
der zweiten Gläubigerversammlung zu, die gegebenenfalls auf in einer früheren
Versammlung gefasste Beschlüsse solcher Art zurückkommen kann (Erw. 1).
SchKG Art. 18/19: Die Frist zur Weiterziehung von Beschwerdeentscheiden, durch
die eine Verfügung der Konkursverwaltung oder ein
Gläubigerversammlungsbeschluss aufgehoben wird, beginnt für die
Konkursgläubiger, die nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt waren, erst mit
der Mitteilung (Zirkular) an sie zu laufen (Erw. 2).
SchKG Art. 10: Die Ausstandspflicht gilt auch für die Mitglieder des
Gäubigerausschusses (Erw. 3).
Art. 260 LP: le pouvoir de renoncer à une prétention de la masse n'appartient
pas à la première mais seulement à la seconde assemblée des créanciers.
Celle-ci peut donc annuler toute décision de cette nature prise par une
assemblée antérieure. Art. 18/19 LP: Le délai pour recourir contre le prononcé
d'une autorité de surveillance qui a annulé une décision de l'administration
de la faillite ou de l'assemblée des créanciers court

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- à l'égard des créanciers qui n'ont pas participé à l'instance précédente -
dès le moment où il leur a été donné avis de ce prononcé (circulaire) (consid.
2).
Art. 10 LP: L'obligation de récusation prévue à l'art. 10 LP est applicable
aux membres de la commission de surveillance (consid. 3).
Art. 260 LEF: La facoltà di rinunciare ad una pretesa della massa spetta, non
alla prima, ma solo alla seconda assemblea dei creditori, la quale può quindi
annullare le decisioni di questo genere prese da un'assemblea precedente
(consid. 1).
Art. 18/19 LEF: Il termine per ricorrere contro una decisione dell'autorità di
vigilanza annullante un atto dell'amministrazione del fallimento o
dell'assemblea dei creditori decorre, per i creditori che non parteciparono al
procedimento anteriore, dal momento in cui furono informati (circolare) della
decisione (consid. 2).
L'obbligo di ricusarsi, imposto dall'art. 10 LEF, vale anche per i membri
della commissione di vigilanza (consid. 3).

Der später in Konkurs geratene E. Weber in Triengen hatte einer Anzahl seiner
Gläubiger Teilbeträge einer Brandversicherungssumme von 64000 Fr. abgetreten,
die dann beim Amtsgerichtspräsidenten von Sursee hinterlegt wurde. In der
ersten Gläubigerversammlung wurde ein Gläubigerausschuss ernannt. Noch vor der
Auflage des Kollokationsplanes wurde eine ausserordentliche
Gläubigerversammlung einberufen und am 28. September 1929 abgehalten und in
derselben der Verzicht auf die Admassierung der Brandversicherungssumme
beschlossen. Abtretungen des bezüglichen Masserechtsanspruches wurden im
Anschluss an diesen Beschluss weder angeboten noch verlangt.
Am 7. November 1929 legte das Konkursamt den Kollokationsplan auf und erliess
die Einladung zur zweiten Gläubigerversammlung auf den 30. November 1929
mittelst des Konkursformulares Nr. 5 ohne Ergänzung oder Abänderung der
vorgedruckten Traktandenliste. An dieser Versammlung wurde auf Antrag eines
Gläubigers die Aufhebung des Beschlusses vom 28. September 1929 über den
Verzicht auf die Admassierung der Brandversicherungssumme beschlossen und an
Konkursverwaltung und Gläubigerausschuss bezügliche Prozessvollmacht erteilt.

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Gegen diesen Beschluss vom 30. November 1929 führten eine Anzahl
Konkursgläubiger, die keine Abtretungen auf die Brandversicherungssumme
erhalten hatten, Beschwerde mit den Anträgen: 1. er sei aufzuheben und die
Konkursverwaltung sei anzuweisen, die bezüglichen Masserechtsansprüche gemäss
Art. 260
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 260 - 1 Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
1    Jeder Gläubiger ist berechtigt, die Abtretung derjenigen Rechtsansprüche der Masse zu verlangen, auf deren Geltendmachung die Gesamtheit der Gläubiger verzichtet.
2    Das Ergebnis dient nach Abzug der Kosten zur Deckung der Forderungen derjenigen Gläubiger, an welche die Abtretung stattgefunden hat, nach dem unter ihnen bestehenden Range. Der Überschuss ist an die Masse abzuliefern.
3    Verzichtet die Gesamtheit der Gläubiger auf die Geltendmachung und verlangt auch kein Gläubiger die Abtretung, so können solche Ansprüche nach Artikel 256 verwertet werden.458
SchKG den Konkursgläubigern abzutreten; 2. eventuell sei der aus
Zessionaren und einem Zessionarvertreter bestehende Gläubigerausschuss zufolge
unzweifelhaften Interessenkonfliktes seines Amtes durch die Aufsichtsbehörde
zu entheben und durch die Aufsichtsbehörde ein Gläubigerausschuss zu
bezeichnen, der aus Gläubiger-Nichtzessionaren bestehe.
Die untere Aufsichtsbehörde gab dem Hauptantrag durch Entscheid vom 17. Mai
1930 statt, der am 20. Mai dem Vertreter der Beschwerdeführer und dem
Konkursamte zugestellt wurde, das hievon zunächst dem X. Pfenniger-Vonarburg
mündlich Kenntnis gab, der von sämtlichen Zessionaren des Gemeinschuldners
ermächtigt worden war, einen gemeinsamen Vergleichsvorschlag zu machen. Durch
Zirkular vom 12./13. Juni 1930 sodann machte das Konkursamt sämtlichen
Konkursgläubigern Mitteilung vom Beschwerdeentscheid der unteren
Aufsichtsbehörde und setzte ihnen eine Frist von zehn Tagen, um Abtretung der
Masserechtsansprüche gegen die Zessionare der Brandversicherungssumme zu
verlangen. Am 23. Juni zogen nun die Rekurrenten den Entscheid der unteren
Aufsichtsbehörde an die kantonale Aufsichtsbehörde weiter mit dem Antrag auf
Aufhebung desselben.
Die kantonale Aufsichtsbehörde ist am 22. August 1930 auf den Rekurs wegen
Verspätung nicht eingetreten und hat ihn eventuell als unbegründet abgewiesen.
Diesen Entscheid haben die Rekurrenten an das Bundesgericht weitergezogen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1. - Der angefochtene Gläubigerversammlungsbeschluss

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vom 30. November 1929 läuft darauf hinaus, dass die Gläubigerschaft auf den an
der früheren Versammlung beschlossenen Verzicht auf die Erhebung von
Anfechtungsklagen gegen die durch Abtretungen von Teilbeträgen der
Brandversicherungssumme gedeckten Gläubiger zurückgekommen ist. Damit hat die
zweite Gläubigerversammlung eine Befugnis ausgeübt, die erst ihr zustand,
nicht schon der ersten oder der dieser gleichzuachtenden ausserordentlichen
Gläubigerversammlung vom 28. September 1929, die schon vor der Entscheidung
der Konkursverwaltung und des Gläubigerausschusses über die Zulassung der
eingebenden Gläubiger im Kollokationsplane stattgefunden hatte und daher von
Personen beschickt worden war, von denen noch nicht feststand, ob ihnen an der
massgebenden zweiten Gläubigerversammlung wirklich Stimmrecht zukomme (vgl.
SchKG Art. 238, 252/3, KV Art. 48 und obligatorisches Konkursformular Nr. 5,
Ziffer 8). Der Aufhebung des von der früheren Versammlung unzuständigerweise
gefassten Verzichtsbeschlusses stund um so weniger etwas entgegen, als noch
nichts zu seiner Ausführung geschehen, namentlich noch nicht einmal Frist zur
Stellung von Abtretungsbegehren gestellt worden war, weshalb schlechterdings
nicht die Rede sein kann von der Verletzung wohlerworbener Rechte von
Konkursgläubigern auf Erteilung von Abtretungen, worüber sich die
Beschwerdeführer beklagen. Wieso unter diesen Umständen der angefochtene
Gläubigerversammlungsbeschluss vom 30. November 1929 eine Gesetzesverletzung
ausmachen könnte, ist nicht erfindlich; namentlich ist der Hinweis der
Vorinstanz auf BGE 52 III S. 66 Erw. 4 unbehelflich. Nur mit
Gesetzesverletzung, nicht mit blosser Unangemessenheit kann aber nach
ständiger, auf den weiten Wortlaut des Art. 253
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 253 - 1 Die Konkursverwaltung erstattet der Gläubigerversammlung einen umfassenden Bericht über den Gang der Verwaltung und über den Stand der Aktiven und Passiven.
1    Die Konkursverwaltung erstattet der Gläubigerversammlung einen umfassenden Bericht über den Gang der Verwaltung und über den Stand der Aktiven und Passiven.
2    Die Versammlung beschliesst über die Bestätigung der Konkursverwaltung und, gegebenen Falles, des Gläubigerausschusses und ordnet unbeschränkt alles Weitere für die Durchführung des Konkurses an.
(i. f.) SchKG gestützter
Rechtssprechung (vgl. BGE 48 III S. 42 und die dort angeführten früheren
Entscheide) eine gegen die zweite Gläubigerversammlung gerichtete Beschwerde
begründet werden, was die untere Aufsichtsbehörde übersehen hat.

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Deren Entscheid hätte daher von der kantonalen Aufsichtsbehörde aufgehoben
werden sollen, wenn er rechtzeitig an sie weitergezogen worden ist, was
entgegen ihrer Auffassung der Fall ist.
2. - Zutreffend hat die Vorinstanz in Anlehnung an BGE 52 III S. 65 Erw. 1 den
Rekurrenten die Legitimation zur Weiterziehung des Beschwerdeentscheides der
unteren Aufsichtsbehörde nicht abgesprochen, obwohl sie bisher am
Beschwerdeverfahren nicht beteiligt waren. Sie haben nämlich insofern
unverkennbar ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Beschlusses der
zweiten Gläubigerversammlung, als sie sich diesfalls nur gegen einen
Anfechtungskläger, die Konkursmasse, zu verteidigen haben, andernfalls zudem
von der Teilnahme am Ergebnis der Anfechtungsklagen ausgeschlossen wären.
Indessen wäre dieses Rekursrecht der einzelnen Konkursgläubiger regelmässig
illusorisch, wenn die Rekursfrist auch für sie schon mit der Mitteilung des
Entscheides der unteren Aufsichtsbehörde an die bisher einzig ins Verfahren
einbezogene Konkursverwaltung zu laufen beginnen würde, namentlich im Falle,
dass letztere ihn nicht unverzüglich durch Zirkular zur Kenntnis der
Konkursgläubiger bringt. Massgebend für den Fristbeginn kann daher nur sein
die Mitteilung, sei es durch die Aufsichtsbehörde selbst, sei es durch die
Konkursverwaltung, an die Konkursgläubiger, dass eine Verfügung der
Konkursverwaltung oder ein Gläubigerversammlungsbeschluss durch
Beschwerdeentscheid der Aufsichtsbehörde aufgehoben bezw. ersetzt worden ist.
Bisher sind dann sowohl von oberen kantonalen Aufsichtsbehörden als vom
Bundesgericht Rekurse einzelner Konkursgläubiger gegen solche
Beschwerdeentscheide auch noch nach Ablauf von zehn Tagen seit der Zustellung
an die Konkursverwaltung ohne Bedenken entgegengenommen worden. Die von der
Vorinstanz befürchtete Ungewissheit darüber, ob ein derartiger Entscheid noch
weitergezogen werden wolle, kann das Konkursamt sehr einfach und rasch durch
Zirkular an die

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Konkursgläubiger beheben. Die früher als zehn Tage vor der Weiterziehung
erfolgte mündliche Mitteilung vom Beschwerdeentscheid an den Rekurrenten
Pfenninger-Vonarburg, die übrigens den in Art. 34
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 34 - 1 Die Zustellung von Mitteilungen, Verfügungen und Entscheiden der Betreibungs- und Konkursämter sowie der Aufsichtsbehörden erfolgen durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung, sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
1    Die Zustellung von Mitteilungen, Verfügungen und Entscheiden der Betreibungs- und Konkursämter sowie der Aufsichtsbehörden erfolgen durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung, sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
2    Mit dem Einverständnis der betroffenen Person können Mitteilungen, Verfügungen und Entscheide elektronisch zugestellt werden. Sie sind mit einer elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201659 über die elektronische Signatur zu versehen. Der Bundesrat regelt:
a  die zu verwendende Signatur;
b  das Format der Mitteilungen, Verfügungen und Entscheide sowie ihrer Beilagen;
c  die Art und Weise der Übermittlung;
d  den Zeitpunkt, zu dem die Mitteilung, die Verfügung oder der Entscheid als zugestellt gilt.60
SchKG aufgestellten
Erfordernissen nicht entspricht, brauchen sich die übrigen Rekurrenten nicht
entgegenhalten zu lassen, da ihm keine andere Vollmacht als zur Stellung eines
gemeinsamen Vergleichsvorschlages erteilt worden war.
3. - Dem eventuellen Beschwerdeantrag werden die Mitglieder des
Gläubigerausschusses dadurch Rechnung tragen müssen, dass sie bei der
Behandlung der sie selbst oder ihre Auftraggeber betreffenden Geschäfte in den
Ausstand treten.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird begründet erklärt, die angefochtenen Entscheidungen der
kantonalen Aufsichtsbehörden werden aufgehoben und die Beschwerde gegen den
Gläubigerversammlungsbeschluss vom 30. November 1929 wird abgewiesen.