74 Obligationenrecht. N° 10.

10. Urteil dezI. Zivilabteilung vom 30. Januar 1922 i. S. Reich gegen
Hilty-Kneuss.

K o m rn i s s io n. Pflichten des Verkaufskommissionärs, Haftung
gegenüber dem Kommittenten aus Verletzung derselben. Schadenersatz in
ausländischer W ä h r u n g. Zahlungsverzug, Umrechnungskurs in

Schweizerwährung : massgebend ist das Datum der Fälligkeit des Anspruchs.

A. Mit Zuschrift vom 21. Januar 1919 empfahl der Kläger Reich dem
Beklagten Hilty Kneuss seine Erzeugnisse, insbesondere Dachshaare. Der
Beklagte antwortete am 27. Januar, er sei nicht Selbstverbrancher,
habe aber ein grosses Interesse, für diese Artikel die Vertretung des
Klägers in der ganzen Schweiz zu übernehmen.

Am 15./26. März 1919 einigten die Parteien sich dahin, '

dass der Kläger dem Beklagten die Vertretung übertrug und ihm für den
direkten und indirekten Verkauf seiner Ware in der Schweiz eine Provision
von 10%, sowie die Vergütung der Porri und Telegrammspesen zusicherte;
gleichzeitig erteilte er ihm Weisungen über die Dachshaare und setzte
ihm Preise in Frankenwährung für dieselben fest. '

Der Beklagte ersuchte mit Zuschrift vom 1. April 1919 um Angabe von
Markpreisen, da es in der Schweiz üblich sei, solche Ware in Mark zu,
bezahlen.

Der Kläger machte dann dem Beklagten eine Mustersendung. Auch erschien
am 30. April 1919 der Sohn des Klägers beim Beklagten und übergab ihm ein
Quantum Dachshaare, worüber in Abwesenheit des Beklagten sein Angestellter
Gugerli folgende Empfangsbescheinigung ausstellte : Hiemit bescheinige,
von Herrn Simon Reich in Leipzig zur vorläufigen Aufbewahrung erhalten zu

haben: Dachshaare Einlage 5 kg 300, Dachshaare

Mantel La 11 kg 750. Trotz mehrfacher Reklamationen teilte der
Kläger dem Beklagten die Markpreise erst am 20. Mai 1919 mit;
sieObligationenrecht. N° 10. 75

betrugen: 700 Mk. per kg für Dachszupf Mantel la, 620 Mk. für Dachszupf
Mantel Ha, 540 Mk. für Dachszupf Einlage. Der Kläger fügte bei: obige
Offerte ist freibleibend, doch kommt laufend neues Material herein und
wird sich immerhin eine kleine Preisverschiebung nach unten oder oben
nötig machen.

Von den dem Beklagten übergehenen 25 kg 75 mit-den im Mai 1919 3,6 kg
an C. Schmid & Cie in Mollis verkauft ; der Kläger selbst fakturierte
diese Ware.

Nachdem die Parteien über andere Waren korrespondiert hatten,
telegraphierte der Beklagte am 17. Septem--

ber 1919 dem Kläger : Kann hierliegenden Posten Dachs-

haare Einlage 113 und Mantel, zusammen 22 kg, zum Durchschnittspreis von
600 Mk. per kg verkaufen, soll Ihnen darüber Markcheck zukommen lassen
oder zum Tageskurs Franken auf Ihr Konto hier einzahlen '? Draht-antwort.
Der Kläger, welcher diese Depesche am 18. September erhielt, antwortete
sofort telegraphisch: Haare nicht verkaufen, kosten jetzt 2000 Mk. kg,
Brief folgt. In seinem.Bestätigungsschreiben vom 19. September bemerkte
der Kläger, Extra Mantel koste heute 2000 Mk. per kg, die Einlage 1000
Mk. per kg ; er fügte bei : Sollten Sie diese Preise nicht erzielen
können, bitte ich Sie, mir die Ware zurückzusurden, da ich hier ohne
weiteres diese Preise erzielen kann. '

Der Beklagte hatte jedoch die Ware schon an eine Firma Carlo Pacchetti
S. A. in Mailand verkauft. Er erstattete dem Kläger mit Brief vom
20. September 1919 Abrechnung ;Ilaut derselben betrug der Erlös 16,200 Mk.
(22,5 kg zum Durchschnittspreis von 720 Mk. per kg); hievon zog der
Beklagte im ganzen 1888 Mk. 25 für Provision und Spesen ab ; den Saldo
von 14,311 Mk. 75 übermittelte er dem Kläger per Check.

Der Kläger protestierte durch Brief vom 23. September 1919 gegen den
Verkauf; er machte geltend, der Beklagte _ hätte seinen Bescheid auf das
Telegramm vom 17. September abwarten sollen, der Erlös entspreche keines-

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wegs dem Marktpreis ; der Beklagte solle den Kauf rückgängig machen
und die Ware zurücksenden, ansonst er ihn für den entgangenen Gewinn
verantwortlich machen müsste.

B. Am 30. März 1920 hob der Kläger die vorliegende Klage an, mit
dem Rechtshegehren, der Beklagte habe an ihn zu bezahlen : 25,920
Mk. Valuta 17. September 1919 gleich 5054 Fr. 40 Cts., nebst 8% Zins seit
19. September 1919. Zur Begründung dieser Schadenersatzforderung brachte
der Kläger vor : er habe die verkauften Dachshaare dem Beklagten nur
zur Aufbewahrung übergeben; dieser sei deshalb nicht berechtigt gewesen,
darüber frei zu verfügen. Jedenfalls habe er die Pflicht gehabt, sich vor
einem Weiterverkauf nach den damals geltenden Preisen zu. erkundigen. Bei
Annahme eines Marktpreises von 2000 Mk. per kg ergebe sich, nach Abzug
des vom Beklagten eingesandten Betrages von 14,311 Mk. 75, ein Ausfall von
25,920 Mk., was zum Kurse vom 17. September 1919 (19.50) umgerechnet --

einein Betrag von 5054 Schweizeriranken 40 (Its. entspreche.

Der Beklagte hat gänzliche Abweisung der Klage beantragt. s

C. Durch Urteil vom 10. Juni 1921 hat das Handelsgericht des Kantons
Zürich, nachdem es durch eine Expertise den Verkäufiichkeitswert von
Dachshaaren in der Schweiz zur massgebenden Zeit festgestellt hatte,
die Klage im Betrag] von 17,612 Mk. 31, nebst 6 % Zins seit 19. September
1919, geschützt und die Mehrkorderung abgewiesen. , .

D. {Gegen dieses Urteil haben [beide Parteien die Berufung an das
Bundesgericht erklärt.

Der Kläger verlangt, dass der ihm zukommende Betrag

in Frankenwährung, Wert 17. September 1919, zuzu_

sprechen sei, (1. h. mit der ausdrücklichen Fassung, dass der Beklagte
verpflichtet wird, 17,612 Mk. 31, Valuta 17. September 1919, plus 6%
Zins seit 19. September 1919, gleich der Frankensumme 3434.40 zu
bezahlen.Obligationenrecht. N° 10. 77

Der Beklagte beantragt wiederum, die Klage sei in vollem Umfang
abzuweisen-

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. In Uebereinstimmung mit der Vorinstanz ist das zwischen den
Parteien begründete Rechtsverhältnis als Kommissionsvertrag im sinne
von Art. 425
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 425 - 1 Einkaufs- oder Verkaufskommissionär ist, wer gegen eine Kommissionsgebühr (Provision) in eigenem Namen für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) den Einkauf oder Verkauf von beweglichen Sachen oder Wertpapieren zu besorgen übernimmt.
1    Einkaufs- oder Verkaufskommissionär ist, wer gegen eine Kommissionsgebühr (Provision) in eigenem Namen für Rechnung eines anderen (des Kommittenten) den Einkauf oder Verkauf von beweglichen Sachen oder Wertpapieren zu besorgen übernimmt.
2    Für das Kommissionsverhältnis kommen die Vorschriften über den Auftrag zur Anwendung, soweit nicht die Bestimmungen dieses Titels etwas anderes enthalten.
OR aufzufassen. Der Kläger hat dem Beklagten den Vertrieb
seiner Erzeugnisse in der Schweiz übertragen, in der Meinung, dass der
Beklagte die Verkäufe in eigenem Namen, aber für seine, des Klägers,
Rechnung und gegen

eine Provision von 10% des Kaufpreises sowie Vergütung

gewisser Spesen abschliessen solle. Dass sich der Beklagte demgegenüber
nicht auf die Bescheinigung seines Angestellten vom 30. April 1919 berufen
kann, wonach er die Dachshaare zur vorläufigen Aufbewahrung erhielt,
hat die Vorinstanz zutreffend ausgeführt. Auch spricht sein Verhalten
bei dem ersten Verkauf an C. Schmid &. Cie in Mollis nicht gegen die
Annahme? eines Kommissionsvertrags; da er damals noch nicht im Besitz
der klägerischen Preisliste war, musste er sowieso das Einverständnis
des Klägers einholen.

2. Kann somit der Kläger seine Schadenersatz i ansprüche nur aus dem
Kommissionsverhältnis und nicht etwa aus einem Hinterlegungsvertrag
herleiten, so fragt es sich, ob der Beklagte die ihm als
Verkaufskommissionär obliegenden Verpflichtungen durch den Abschluss
mit der Firma Pacchetti verletzt habe. Die Vorinstanz hat dies mit Recht
bejaht. Denn die Wahrung der Interessen des Kommittenten machte es dem
Beklagten zur Pflicht, die Preisschwankungen zu verfolgen; er musste also
über die seit der Preisangabe vom 20. Mai 1919 eingetretene erhebliche
Preissteigerung orientiert sein, und durfte sich nicht damit beguügen,
ohne Rücksichtnahme auf die Marktlage, auf die ihm vier Monate zuvor
vom Kläger mitgeteilten Preise abzustellen. Uebrigens hat er durch
die telegraphisehe Anfrage vom 17. September 1919 anerkannt, dass er
einer Ermächtigung des Klägers bedurfte, um die Dachshaare zu den ihm
angebotenen Preisen zu verkaufen.

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Wenn er, ohne die Antwort auf das Telegramm abzuwarten, schon am gleichen
Tage den Verkauf abgeschlossen hat, so muss ihm das zum Verschulden
angerechnet werden. Er haftet deshalb dem Kläger für den Schaden, den
er ihm durch den Verkauf unter den damals geltenden Preisen verursacht
hat. Da der Beklagte in der Berufungsinstanz nur seine grundsätzliche
Haftbarkeit bestreitet, die Schadensberechnung der Vorinstanz dagegen
nicht anficht, erweist sich seine Berufung sonach als unbegründet.

3. Anders verhält es sich mit der Berufung des .Klägers, mit welcher
die Zusprechung des von der Vorinstanz auf 17,612 Mk.31 festgesetzten
Entschädigungsbetrages in Schweizerwährung auf Grund des Markkurses
vom 17. September 1919 verlangt wird. Zwar ist zuzugeben, dass nach
den getroffenen Abmachungen der Beklagte den Erlös aus dem Verkauf der
Kommissionsware in Mark an den Kläger hätte abliefern sollen. Allein
hieraus folgt nicht, dass dieser auch den Schadenersatzder ihm wegen
Nichterfüllung der dem Beklagten obliegenden Verpflichtungen gebührt,
unter alien Umständen nur in Markwährung fordern dürfe. Angesichts
der Bestimmung in Art. 84
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 84 - 1 Geldschulden sind in gesetzlichen Zahlungsmitteln der geschuldeten Währung zu bezahlen.
1    Geldschulden sind in gesetzlichen Zahlungsmitteln der geschuldeten Währung zu bezahlen.
2    Lautet die Schuld auf eine Währung, die am Zahlungsort nicht Landeswährung ist, so kann die geschuldete Summe nach ihrem Wert zur Verfallzeit dennoch in Landeswährung bezahlt werden, sofern nicht durch den Gebrauch des Wortes «effektiv» oder eines ähnlichen Zusatzes die wortgetreue Erfüllung des Vertrags ausbedungen ist.
OR, wonach Geldschulden in Landesmünze
zu bezahlen sind, sowie mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, für
den Fall der Zwangsvollstreckung einen bestimmten Umrechnungstermin
festzusetzen, lässt sich gegen die Art und Weise, wie der Kläger den
Ent-schädigungsanspruch eingeklagt hat: 25,920 Mk., Valuta 17. September
1919, gleich 5054 Fr. 40 Cts. nichts einwenden. Für die Umrechnung in
Schweizerwährung kann in der Tat nur der Zeitpunkt in Betracht kommen,
in dem die Sehadensersatzforderung fällig geworden ist, und es ist auf
den damaligen Markknrs abzustellen. Denn die Folgen der Bestreitung
und Nichtzahlung der Schuld, worunter bei Verpflichtung zur Zahlung in
ausländischer Währung auch die-Gefahr eines Knrsstnrzes fällt, gehen zu
Lasten des säumigen Schuldners. So wenig nach Art. 103
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 103 - 1 Befindet sich der Schuldner im Verzuge, so hat er Schadenersatz wegen verspäteter Erfüllung zu leisten und haftet auch für den Zufall.
1    Befindet sich der Schuldner im Verzuge, so hat er Schadenersatz wegen verspäteter Erfüllung zu leisten und haftet auch für den Zufall.
2    Er kann sich von dieser Haftung durch den Nachweis befreien, dass der Verzug ohne jedes Verschulden von seiner Seite eingetreten ist oder dass der Zufall auch bei rechtzeitiger Erfüllung den Gegenstand der Leistung zum Nachteile des Gläubigers betroffen hätte.
OR der Gläubiger
unter einem solchen zufäl-Obligationenrecht. N° 10. 79

ligen Ereignis leiden darf, so wenig gienge es an, dass der im Verzuge
befindliche Schuldner aus einem Sinken des Kurses Nutzen ziehe. Das
Bundesgericht hat denn auch in mehreren Entscheidungen den Schuldner,
welcher mit der Zahlung einer in fremder Währung ausgedrückten.
Geldschuld im Verzug ist, für die zwischen der Fäliigkeit und der Zahlung
eingetretene Kursdifferenz haftbar erklärt (vgl. AS 46 II s. 380 f.,
408; 47 II 193 f., 439)Wie der Vertreter des Klägers heute zutreffend
bemerkt hat, wird also die Höhe der Schadenersatzforderung des Klägers
(17,612 Mk. 31 per 17. September 1919) an sich durch die Währung nicht
beeinflusst; es kommt m. a.W., nicht darauf an, ob die Entschädigung
in Mark oder in Schweizerfranken ausbezahlt werde: da der Beklagte im.
einen wie im andern Falle den Wert zur Verfallzeit schuldet, könnte er
sich durch Zahlung in Mark nur befreien, wenn er zu den 17,612 Mk. 31
hinzu die Differenz zwischen dem damaligen Markkurse und dem zur Zeit der
Zahlung bestehenden niedrigeren Kurse ausgleichen würde. Dem klägerischen
Begehren, die von der Vorinstanz festgesetzte Entschädigungssumme sei
zum Kurse vom 17. September 1919 in Schweizerwährung umzurechnen, ist
deshalb Felge zu geben.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

1. Die Berufung des Beklagten wird abgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers wird in dem Sinne begründet erklärt und das
Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 10. Juni 1921 dahin
abgeändert, dass der vom Beklagten an den Kläger zu bezahlende Betrag
von 17,612 Mk. 31, nebst 6 % Zins seit 19. September 1919, zum Kurse
vom 17. September 1919 in SchwelzerWährung umzurechnen ist.