Urteilskopf

129 I 65

6. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. A. gegen Obergericht des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde) 5P.202/2002 vom 21. November 2002

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 65

BGE 129 I 65 S. 65

Im Rahmen eines hängigen Scheidungsverfahrens regelte das Vizegerichtspräsidium Arbon mit Verfügung vom 4. März 2002 die Kinderbelange (Ziff. 1-4) und sprach dem Offizialanwalt der Ehefrau zu Lasten des Staates ein Honorar von Fr. 2'152.- zu (Ziff. 5). Nachdem diese beschränkt auf die Kinderalimente rekurriert hatte, setzte das Obergericht des Kantons Thurgau die Entschädigung des Offizialanwaltes für das erstinstanzliche Verfahren mit Entscheid vom 8. April 2002 von Amtes wegen auf Fr. 1'400.- herab (Ziff. 3a). Das Bundesgericht heisst die gegen die Honorarkürzung erhobene staatsrechtliche Beschwerde des Offizialanwaltes gut.
BGE 129 I 65 S. 66

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, er habe einzig gegen Ziff. 4 des erstinstanzlichen Entscheides (Kinderunterhalt) rekurriert. Gemäss § 237 ZPO/TG hemme der Rekurs "Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Entscheides im Umfang der Rekursanträge", und die Rekursinstanz habe nach § 241 ZPO/TG "Verfahren und Entscheid der ersten Instanz im Rahmen der Rekursanträge" zu prüfen. Es sei nicht ersichtlich, woher das Obergericht seine Kompetenz nehme, von Amtes wegen über nicht angefochtene Punkte zu entscheiden; weder aus dem Anwaltstarif noch aus der Zivilprozessordnung ergebe sich diese Möglichkeit. Die Kürzung des Honorars für das erstinstanzliche Verfahren bedeute eine willkürliche Anwendung des kantonalen Zivilprozessrechts und verletzte damit Art. 9
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 9 Protection contre l'arbitraire et protection de la bonne foi - Toute personne a le droit d'être traitée par les organes de l'État sans arbitraire et conformément aux règles de la bonne foi.
BV.
2.2 Das Obergericht hat in seiner Vernehmlassung ausgeführt, als Auftraggeber des Offizialanwalts sei der Staat berechtigt und verpflichtet, die Angemessenheit des Honorars zu überprüfen. Dies sei das Gegenstück dazu, dass keine Partei legitimiert sei, das Honorar anzufechten, und diene mit Rücksicht auf das Rückgriffsrecht des Staates vorab dem Schutz der vertretenen Partei. Das Honorar sei von derjenigen Instanz festzusetzen, die das Verfahren rechtskräftig erledige. Aus diesem Grund spreche das Obergericht häufig auch eine einzige Entschädigung für das Verfahren vor beiden Instanzen.
2.3 Es trifft zu, dass von Amtes wegen über die Kosten zu befinden ist und dass insbesondere auch das Verfahren um Erteilung der unentgeltlichen Prozessführung der Offizialmaxime unterliegt. Indes bedeutet dies nicht, dass die Rechtsmittelbehörde von Amtes wegen alle Punkte des erstinstanzlichen Verfahrens überprüfen kann; vielmehr ergeben sich die Schranken aus den einschlägigen Bestimmungen der kantonalen Zivilprozessordnung. Für den Kanton Thurgau sieht diese vor, dass die obere Instanz die Streitsache einzig im Rahmen der Rekursanträge überprüfen darf (§ 241 ZPO/TG), während die nicht angefochtenen Ziffern des Dispositivs in Rechtskraft erwachsen sind (§ 237 ZPO/TG). Die Herabsetzung des Honorars bedeutet für den amtlichen Anwalt eine Reformatio in peius. Die thurgauische Zivilprozessordnung enthält keine gesetzliche Grundlage für eine von keiner Seite beantragte, sondern von Amtes wegen vorgenommene Honorarkürzung. Insbesondere liesse sich dies nicht auf § 83 Abs. 2 ZPO/TG
BGE 129 I 65 S. 67

stützen, der die obere Instanz befugt, für die Fortsetzung des Verfahrens die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung von Amtes wegen zu überprüfen. Da es sich beim Verbot der Reformatio in peius um einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz handelt, begründet dessen Missachtung Willkür (BGE 110 II 113 E. 3c S. 115). Der Argumentation des Obergerichts ist Folgendes entgegenzuhalten: Es mag zutreffen, dass die Herabsetzung des Honorars für das erstinstanzliche Verfahren im Interesse des die Prozesskosten vorschiessenden Staates, aber auch in demjenigen der rückforderungsbelasteten Partei liegen kann. Indes ist nicht ausgeschlossen, dass die letztlich kostenbelastete Partei gegen eine überhöhte Entschädigung ihres amtlichen Anwaltes opponiert, während sich die finanziellen Interessen des Staates durch ein Rekursrecht des zuständigen Departementes oder der Staatskasse gegen überhöhte Entschädigungen wahren lassen (vgl. etwa Art. 19 Abs. 1
SR 747.201 Loi fédérale du 3 octobre 1975 sur la navigation intérieure (LNI)
LNI Art. 19 - 1 Les permis et les autorisations doivent être retirés lorsque les conditions de leur délivrance ne sont pas ou ne sont plus remplies.
1    Les permis et les autorisations doivent être retirés lorsque les conditions de leur délivrance ne sont pas ou ne sont plus remplies.
2    Les permis et les autorisations peuvent être retirés lorsque les restrictions ou les obligations liées à leur délivrance ne sont pas observées ou que des taxes ou des émoluments n'ont pas été acquittés pour le bateau.
3    Une infraction aux règles de route ou aux dispositions sur l'aptitude à la conduite passible d'une peine privative de liberté ou d'une peine pécuniaire en vertu de la présente loi entraîne un avertissement ou le retrait du permis de conduire des bateaux.34
4    La durée du retrait du permis de conduire des bateaux est fixée en fonction des circonstances du cas particulier, notamment de l'atteinte à la sécurité de la navigation, de la gravité de la faute, des antécédents en tant que conducteur de véhicules automobiles ou de bateaux ainsi que de la nécessité professionnelle de conduire un bateau. La durée minimale du retrait ne peut toutefois être réduite.35
des Berner Dekretes über die Anwaltsgebühren [BSG 168.81]; Art. 34 des Freiburger Gesetzes über die unentgeltliche Rechtspflege [SGF 136.1]). Im Übrigen bringt eine (drohende) Honorarkürzung den amtlichen Anwalt insofern in einen Konflikt, als die Interessen des Mandanten seinen eigenen zuwiderlaufen können.