Urteilskopf

128 III 4

2. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung i.S. X. gegen X.-Y. und Appellationshof (II. Zivilkammer) des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) 5P.322/2001 vom 30. November 2001

Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 4

BGE 128 III 4 S. 4

Die Parteien sind verheiratet und Eltern zweier Töchter. Ein erstes Eheschutzverfahren fand im Frühling 1996 statt und wurde durch gerichtlich genehmigte Trennungsvereinbarung beendet. Ab Juni 1997 führten die Ehegatten wieder einen gemeinsamen Haushalt. Im September 2000 suchte X. erneut um gerichtliche Regelung des Getrenntlebens nach. Das Eheschutzgericht verpflichtete ihn, seiner Ehefau und den beiden Kindern monatlich insgesamt Fr. 1'550.- zu bezahlen; es legte seinen Berechnungen das von X. tatsächlich erzielte Einkommen zugrunde. Auf Antrag der Ehefrau X.-Y. erhöhte der Appellationshof den monatlichen Unterhaltsbeitrag auf insgesamt Fr. 2'435.-; er ging vom Einkommen aus, das X. bis 1996 als Betriebsleiter einer Firma erzielt hatte, mit der Begründung, X. habe seine frühere Arbeitsstelle freiwillig aufgegeben. Das Bundesgericht heisst die von X. dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf.
BGE 128 III 4 S. 5

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

4. Die Aufrechnung eines hypothetischen, höheren statt des tatsächlich erzielten Einkommens hat der Appellationshof für gerechtfertigt gehalten, weil der Beschwerdeführer seine frühere Stelle freiwillig aufgegeben habe. Der Beschwerdeführer wirft dem Appellationshof eine willkürliche Beurteilung der Voraussetzungen vor, deren Erfüllung ausnahmsweise das Abstellen auf ein hypothetisches Einkommen rechtfertigen kann; ob ihm ein höheres Einkommen tatsächlich möglich und auch zumutbar sei, habe der Appellationshof überhaupt nicht geprüft. Die Beschwerdegegnerin bestreitet diesen Einwand nicht grundsätzlich und versucht vielmehr zu belegen, dass die nicht beurteilten Voraussetzungen beim Beschwerdeführer gegeben seien. a) Bei der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen darf vom tatsächlichen Leistungsvermögen des Pflichtigen, das Voraussetzung und Bemessungsgrundlage der Beitragspflicht bildet, abgewichen und statt dessen von einem hypothetischen Einkommen ausgegangen werden, falls und soweit der Pflichtige bei gutem Willen bzw. bei ihm zuzumutender Anstrengung mehr zu verdienen vermöchte, als er effektiv verdient. Wo die reale Möglichkeit einer Einkommenssteigerung fehlt, muss eine solche jedoch ausser Betracht bleiben. Diesen Grundsatz hat das Bundesgericht für sämtliche Matrimonialsachen festgehalten (im Eheschutz: BGE 117 II 16 E. 1b S. 17; während der Dauer des Scheidungsprozesses: BGE 119 II 314 E. 4a S. 316; für Scheidungsalimente: BGE 127 III 136 E. 2a S. 139; bei der gerichtlichen Ehetrennung: BGE 110 II 116 E. 2a S. 117). Aus welchem Grund ein Ehegatte auf das ihm angerechnete höhere Einkommen verzichtet, ist im Prinzip unerheblich (SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, N. 47 zu Art. 125
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 125 - 1 Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten.
1    Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten.
2    Beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange, sind insbesondere zu berücksichtigen:
1  die Aufgabenteilung während der Ehe;
2  die Dauer der Ehe;
3  die Lebensstellung während der Ehe;
4  das Alter und die Gesundheit der Ehegatten;
5  Einkommen und Vermögen der Ehegatten;
6  der Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder;
7  die berufliche Ausbildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten sowie der mutmassliche Aufwand für die berufliche Eingliederung der anspruchsberechtigten Person;
8  die Anwartschaften aus der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus der beruflichen oder einer anderen privaten oder staatlichen Vorsorge einschliesslich des voraussichtlichen Ergebnisses der Teilung der Austrittsleistungen.
3    Ein Beitrag kann ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden, wenn er offensichtlich unbillig wäre, insbesondere weil die berechtigte Person:
1  ihre Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt hat;
2  ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat;
3  gegen die verpflichtete Person oder eine dieser nahe verbundenen Person eine schwere Straftat begangen hat.
ZGB; Urteil des Bundesgerichts 5C.177/2000 vom 19. Oktober 2000, E. 2a). Unterlässt es ein Ehegatte aus bösem Willen oder aus Nachlässigkeit oder verzichtet er freiwillig darauf, ein für den Familienunterhalt ausreichendes Einkommen zu erzielen, kann auf das Einkommen abgestellt werden, das er bei gutem Willen verdienen könnte (BRÄM, Zürcher Kommentar, 1998, N. 83 zu Art. 163
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
1    Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
2    Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern.
3    Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände.
ZGB; SCHWENZER, in: Praxiskommentar Scheidungsrecht, Basel 2000, N. 16 zu Art. 125
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 125 - 1 Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten.
1    Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten.
2    Beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange, sind insbesondere zu berücksichtigen:
1  die Aufgabenteilung während der Ehe;
2  die Dauer der Ehe;
3  die Lebensstellung während der Ehe;
4  das Alter und die Gesundheit der Ehegatten;
5  Einkommen und Vermögen der Ehegatten;
6  der Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder;
7  die berufliche Ausbildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten sowie der mutmassliche Aufwand für die berufliche Eingliederung der anspruchsberechtigten Person;
8  die Anwartschaften aus der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus der beruflichen oder einer anderen privaten oder staatlichen Vorsorge einschliesslich des voraussichtlichen Ergebnisses der Teilung der Austrittsleistungen.
3    Ein Beitrag kann ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden, wenn er offensichtlich unbillig wäre, insbesondere weil die berechtigte Person:
1  ihre Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt hat;
2  ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat;
3  gegen die verpflichtete Person oder eine dieser nahe verbundenen Person eine schwere Straftat begangen hat.
ZGB; Urteil des Bundesgerichts 5C.154/1996 vom 2. September 1997, E. 3b).
BGE 128 III 4 S. 6

Die Anrechnung eines hypothetischen, höheren Einkommens hat keinen pönalen Charakter. Es geht vielmehr darum, dass der Unterhaltspflichtige das Einkommen zu erzielen hat, das ihm zur Erfüllung seiner Pflichten tatsächlich möglich und zumutbar ist. Selbst bei Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit in Schädigungsabsicht darf dem rechtsmissbräuchlich handelnden Ehegatten ein hypothetisches Einkommen nur angerechnet werden, wenn er die Verminderung seiner Leistungskraft rückgängig machen kann (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1999, N. 22 und N. 59f zu Art. 163
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
1    Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
2    Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern.
3    Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände.
sowie N. 20 zu Art. 176
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 176 - 1 Ist die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes begründet, so muss das Gericht auf Begehren eines Ehegatten:
1    Ist die Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes begründet, so muss das Gericht auf Begehren eines Ehegatten:
1  die Unterhaltsbeiträge an die Kinder und den Unterhaltsbeitrag an den Ehegatten festlegen;
2  die Benützung der Wohnung und des Hausrates regeln;
3  die Gütertrennung anordnen, wenn es die Umstände rechtfertigen.
2    Diese Begehren kann ein Ehegatte auch stellen, wenn das Zusammenleben unmöglich ist, namentlich weil der andere es grundlos ablehnt.
3    Haben die Ehegatten minderjährige Kinder, so trifft das Gericht nach den Bestimmungen über die Wirkungen des Kindesverhältnisses die nötigen Massnahmen.226
ZGB, unter Hinweis auf die teilweise nicht veröffentlichte Rechtsprechung des Bundesgerichts). Die vom Appellationshof zitierten Autoren vertreten keinen anderen Standpunkt (HAUSHEER/SPYCHER, Handbuch des Unterhaltsrechts, Bern 1997, N. 01.62-.64, S. 51 ff.). Die gezeigten Grundsätze stützen sich auf die veröffentlichte Rechtsprechung des Bundesgerichts (z.B. für einen Fall der Vermögensentäusserung: BGE 117 II 16 E. 1b S. 17). Vorab aus BGE 119 II 314 Nr. 61 und BGE 121 III 297 Nr. 60 kann nichts Abweichendes abgeleitet werden: Im ersten Urteil hat das Bundesgericht ausgeführt, ein freiwilliger Verzicht auf Erwerbstätigkeit sei gegebenenfalls unbeachtlich und es sei von der bisherigen Leistungskraft auszugehen, "sofern diese auch wieder erreicht werden kann"; strittig war alsdann nur mehr die Frage der Freiwilligkeit (BGE 119 II 314 E. 4a S. 317). Im zweiten Urteil ist es um die (verneinte) Frage gegangen, ob ein Unterhaltsbeitrag auf den Zeitpunkt hin abzustufen sei, in dem der Unterhaltspflichtige vorzeitig in Pension gehen wollte; da der Unterhaltspflichtige bei der Beitragsfestsetzung noch im Erwerbsleben stand, war nicht zu prüfen, ob ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit tatsächlich möglich und zumutbar sei (BGE 121 III 297 E. 3b S. 299). Der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist teilweise Kritik erwachsen (z.B. BRÄM, N. 97 zu Art. 163
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
1    Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
2    Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern.
3    Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände.
ZGB, betreffend Vermögensentäusserung). Es wird vertreten, dass dem Ehegatten, der sein Einkommen böswillig vermindert, ein hypothetisches Erwerbseinkommen selbst dann angerechnet werden soll, wenn sich die Verminderung nicht mehr rückgängig machen lässt (vgl. dazu SPYCHER, Unterhaltsleistungen bei Scheidung, Diss. Bern 1996, S. 80/81; SUTTER/FREIBURGHAUS, N. 48 zu Art. 125
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 125 - 1 Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten.
1    Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten.
2    Beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange, sind insbesondere zu berücksichtigen:
1  die Aufgabenteilung während der Ehe;
2  die Dauer der Ehe;
3  die Lebensstellung während der Ehe;
4  das Alter und die Gesundheit der Ehegatten;
5  Einkommen und Vermögen der Ehegatten;
6  der Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder;
7  die berufliche Ausbildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten sowie der mutmassliche Aufwand für die berufliche Eingliederung der anspruchsberechtigten Person;
8  die Anwartschaften aus der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus der beruflichen oder einer anderen privaten oder staatlichen Vorsorge einschliesslich des voraussichtlichen Ergebnisses der Teilung der Austrittsleistungen.
3    Ein Beitrag kann ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden, wenn er offensichtlich unbillig wäre, insbesondere weil die berechtigte Person:
1  ihre Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt hat;
2  ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat;
3  gegen die verpflichtete Person oder eine dieser nahe verbundenen Person eine schwere Straftat begangen hat.
ZGB; unklar: SCHWENZER, N. 32 zu Art. 137
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 125 - 1 Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten.
1    Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten.
2    Beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange, sind insbesondere zu berücksichtigen:
1  die Aufgabenteilung während der Ehe;
2  die Dauer der Ehe;
3  die Lebensstellung während der Ehe;
4  das Alter und die Gesundheit der Ehegatten;
5  Einkommen und Vermögen der Ehegatten;
6  der Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder;
7  die berufliche Ausbildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten sowie der mutmassliche Aufwand für die berufliche Eingliederung der anspruchsberechtigten Person;
8  die Anwartschaften aus der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus der beruflichen oder einer anderen privaten oder staatlichen Vorsorge einschliesslich des voraussichtlichen Ergebnisses der Teilung der Austrittsleistungen.
3    Ein Beitrag kann ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden, wenn er offensichtlich unbillig wäre, insbesondere weil die berechtigte Person:
1  ihre Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt hat;
2  ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat;
3  gegen die verpflichtete Person oder eine dieser nahe verbundenen Person eine schwere Straftat begangen hat.
ZGB). Die Frage kann hier aus nachstehendem Grund offen bleiben. b) Der Appellationshof hat dem Beschwerdeführer statt des

BGE 128 III 4 S. 7

tatsächlich erzielten von ca. Fr. 4'050.- ein hypothetisches Monatseinkommen von Fr. 5'300.- angerechnet einzig mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe seine frühere Arbeitsstelle freiwillig aufgegeben. Von Mut- oder Böswilligkeit ist der Appellationshof angesichts der konkreten Umstände - Berufswechsel im Jahre 1996, gemeinsamer Haushalt ab 1997, Eheschutzgesuch vom September 2000 - selber nicht ausgegangen. Ein solcher Schluss wäre auf Grund der Beweislage auch nicht zulässig. Dennoch hat der Appellationshof in keiner Weise die Frage erörtert, ob dem Beschwerdeführer die Erzielung des angenommenen Einkommens tatsächlich möglich und zumutbar ist. In Anbetracht dessen ist die Willkürrüge des Beschwerdeführers begründet (Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
BV). Der Appellationshof ist ohne Grundangabe von den in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abgewichen (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56 und 60 E. 5a S. 70) und hat in seinen Ermessensentscheid Umstände nicht einbezogen, die hätten berücksichtigt werden müssen (BGE 109 Ia 107 E. 2c S. 109; BGE 126 III 8 E. 3c S. 10). c) Mit ihren Vorbringen zur tatsächlichen Möglichkeit des Beschwerdeführers, das hypothetisch angenommene, höhere Einkommen zu erzielen, versucht die Beschwerdegegnerin den angefochtenen Appellationsentscheid wenigstens im Ergebnis zu rechtfertigen. aa) Die Vorgehensweise der Beschwerdegegnerin ist zulässig; die Beschwerdeantwort hat dabei die formellen Anforderungen gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
OG zu erfüllen (BGE 115 Ia 27 E. 4a S. 30; bezüglich Noven: BGE 118 III 37 E. 2a S. 39). Da die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf Willkür beschränkt ist, genügt eine willkürfreie Ersatzbegründung (BGE 112 Ia 166 E. 3f S. 172), die vom Appellationshof allerdings nicht ausdrücklich verworfen worden sein darf (BGE 112 Ia 353 E. 3c/bb S. 355); letzteres ist hier nicht der Fall.
bb) Ob dem Beschwerdeführer ein hypothetisches Einkommen in der angenommenen Höhe zugemutet werden kann, ist Rechtsfrage, ob dessen Erzielung auch als tatsächlich möglich erscheint, ist hingegen Tatfrage, die durch entsprechende Feststellungen oder durch die allgemeine Lebenserfahrung beantwortet wird (BGE 126 III 10 E. 2b S. 12); auch letzternfalls müssen aber jene Tatsachen als vorhanden festgestellt sein, die eine Anwendung von Erfahrungssätzen überhaupt erst ermöglichen (vgl. KUMMER, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., Bern 1984, S. 225/226). Die Beschwerdegegnerin stützt ihre Vorbringen unter anderem auf die Lohnstrukturerhebung
BGE 128 III 4 S. 8

1998 des Bundesamtes für Statistik. Das ist im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde zulässig, zumal Grundlage der Tatsachenfeststellung auch das Wissen des Gerichts über allgemein- oder gerichtsnotorische Tatsachen bildet; dazu können allgemein zugängliche Tatsachen gezählt werden, selbst wenn das Gericht sie ermitteln muss (vgl. GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1979, S. 161 Ziff. II/1 und S. 320 Ziff. III/3). cc) Die Lohnstrukturerhebung weist den monatlichen Bruttolohn nach Wirtschaftszweigen, Anforderungsniveau des Arbeitsplatzes ("Kategorien") und Geschlecht aus. Die unbestrittenen Tatsachen, dass der Beschwerdeführer männlichen Geschlechts ist und vor nunmehr rund fünf Jahren die Funktion eines Betriebsleiters eingenommen hat, gestatten es von vornherein nicht - anhand welchen Erfahrungssatzes auch immer - ihn einem bestimmten Wirtschaftszweig mit konkret umschriebenem Anforderungsniveau des Arbeitsplatzes zuzuweisen, solange weder über seine Ausbildung noch über seine Berufs- und Fachkenntnis irgendetwas festgestellt ist; die allgemeine Lebenserfahrung zeigt vielmehr, dass Betriebsleiter ihre berufliche Stellung oftmals in einer bestimmten Firma auf Grund ihrer spezifischen Fähigkeiten und Kenntnisse erreicht haben und alsdann nicht leichthin die gleiche Funktion in einer beliebigen anderen Firma übernehmen können. Die von der Beschwerdegegnerin vorgenommene Einreihung des Beschwerdeführers in eine bestimmte Kategorie beruht auf keinem Erfahrungssatz und ist ohne festgestellte Tatsachengrundlage zufällig. Mangels Feststellungen oder nachprüfbaren Behauptungen über die berufliche Qualifikation des Beschwerdeführers kann sodann auch nach Erfahrungswissen nicht beurteilt werden, ob es sich bei ihm um eine eigentliche Fachkraft handelt, die auf dem Arbeitsmarkt verzweifelt gesucht wird, wie die Beschwerdegegnerin das darstellt. Die unbestrittene Tatsache schliesslich, dass der Beschwerdeführer bis zu seinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung im März 2000 einen Beitrag von Fr. 2'250.- bezahlt haben soll, gestattet keine eindeutigen Rückschlüsse auf seinen damaligen Verdienst, da er bis zu jenem Zeitpunkt ja auch nicht für eine eigene Wohnung und einen eigenen Haushalt aufzukommen brauchte. Insgesamt kann auf Grund der Ausführungen in der Beschwerdeantwort willkürfrei nicht angenommen werden, die Erzielung eines Einkommens von Fr. 5'300.- sei dem Beschwerdeführer tatsächlich möglich. Dazu lässt sich auch den kantonalen Akten nichts entnehmen, zumal die zum Beweis verstellten Unterlagen den Parteien
BGE 128 III 4 S. 9

vor Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde retourniert worden sind. Der angefochtene Appellationsentscheid kann deshalb nicht auf eine willkürfreie Ersatzbegründung gestützt werden.