Urteilskopf

123 II 218

25. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. April 1997 i.S. X. gegen Kantonales Steueramt Zürich und Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
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Sachverhalt ab Seite 219

BGE 123 II 218 S. 219

X. erwarb am 1. November 1985 eine Liegenschaft zum Preis von Fr. 2'280'000.--. In den Jahren 1988-1990 unterzog er das Objekt einer umfassenden Renovation, wobei auch Um- und Anbauten realisiert wurden. Die diesbezüglichen Kosten beliefen sich auf Fr. 3'379'539.--. In den Steuererklärungen für die direkte Bundessteuer 1989/90 und 1991/92 machte X. insgesamt Fr. 2'311'168.-- als Unterhaltskosten für die Liegenschaft geltend. Für die Veranlagungsperiode 1989/90 anerkannte der Steuerkommissär Renovationskosten im Betrag von Fr. 924'041.-- als abzugsfähigen Liegenschaftsunterhalt. Die Veranlagungsverfügung erwuchs in Rechtskraft. Für die Periode 1991/92 liess der Steuerkommissär nur noch die Kosten des laufenden Unterhalts von Fr. 23'599.-- (1989) und Fr. 31'162.-- (1990) zum Abzug zu. Eine Beschwerde des Steuerpflichtigen gegen diese Veranlagung wies die Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich ab. Der Steuerpflichtige führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit welcher er die Berücksichtigung von zusätzlichem Unterhaltsaufwand in der Veranlagungsperiode 1991/92 verlangt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen

aus folgenden Erwägungen:

1. Gemäss Art. 22 Abs. 1 lit. e des hier noch anwendbaren Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt) sind vom rohen Einkommen abziehbar die Kosten für den Unterhalt von Grundstücken und Gebäuden während der Berechnungsperiode. Nicht zum Abzug zugelassen werden die Aufwendungen für Anschaffung oder Verbesserung von Vermögensgegenständen (Art. 23 BdBSt). a) In seiner früheren Rechtsprechung hat das Bundesgericht den Begriff des Unterhalts im Sinne von Art. 22 Abs. 1 lit. e BdBSt rein
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technisch verstanden und entsprechende Kosten auch dann zum Abzug zugelassen, wenn die Instandstellungsarbeiten kurz nach dem Erwerb eines Gebäudes vorgenommen worden sind und dessen Wert im Vergleich zum Wert im Zeitpunkt des Erwerbs erhöht haben (Urteil vom 27. Oktober 1961 in ASA 30 S. 375 ff.). In einer Praxisänderung vom 15. Juni 1973 (BGE 99 Ib 362 ff.) hat es indessen das rein technische Verständnis von den Unterhaltsarbeiten zugunsten einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aufgegeben und erwogen, dass nur diese der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen Rechnung trage: Im Zeitpunkt, wo die Liegenschaft in das Vermögen des Steuerpflichtigen eintrete, weise diese einen inneren Wert auf, der insbesondere auch vom Unterhaltszustand abhänge. Einzig die zur Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung dieses Zustandes notwendigen Ausgaben könnten daher als Unterhaltskosten nach Art. 22 Abs. 1 lit. e BdBSt vom Roheinkommen abgezogen werden. Unterhaltsaufwendungen im technischen Sinn, durch die der innere Wert der Liegenschaft über denjenigen im Zeitpunkt des Erwerbs hinaus vermehrt werde, seien als Aufwendungen für die Anschaffung oder Verbesserung von Vermögensgegenständen im Sinne von Art. 23 BdBSt zu betrachten. Deshalb könnten Kosten von Unterhaltsarbeiten, die unmittelbar nach dem Grundstückserwerb vorgenommen werden, grundsätzlich nicht vom Einkommen abgezogen werden. Auf diese Weise werde die Rechtsgleichheit hergestellt zwischen dem Steuerpflichtigen, der eine Liegenschaft nach der Renovation durch den früheren Eigentümer erwerbe, und demjenigen, der eine im Unterhalt vernachlässigte Liegenschaft - zu einem entsprechend niedrigeren Preis - kaufe, um sie anschliessend zu renovieren (BGE 99 Ib 362 E. 3b, c).
Diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht in einer mittlerweile gefestigten Praxis wiederholt bestätigt (sog. "Dumont-Praxis"; vgl. BGE 108 Ib 316 ff., 103 Ib 197 ff.; Urteil vom 16. Januar 1991, ASA 60 S. 350). Sie wird auch von der Lehre im Grundsatz gebilligt (ERNST HÖHN, Steuerrecht, 7. Aufl. 1993, § 16 Rz. 27, 32a; ERNST KÄNZIG, Die eidgenössische Wehrsteuer [Direkte Bundessteuer], 2. Aufl. 1982, Rz. 165 zu Art. 22; THOMAS KOLLER, Aspekte der Wertungskongruenz bzw. Wertungsdisparität zwischen dem Privatrecht und dem Steuerrecht, ASA 57 S. 471 ff.; MARKUS W. STADLIN, Zur steuerlichen Abzugsfähigkeit der Kosten des Liegenschaftsunterhaltes, Der Schweizer Treuhänder, 1988, S. 19; B. ZWAHLEN, Privatvermögen, Vermögensertrag und Vermögensgewinn, in: ERNST HÖHN/PETER ATHANAS [Hrsg.], Das neue Bundesrecht über die direkten
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Steuern: direkte Bundessteuer und Steuerharmonisierung, Bern/Stuttgart/Wien 1993, S. 91). Der Bundesrat hat diese Praxis für die direkte Bundessteuer nun mit Wirkung ab 1. Januar 1995 auf Verordnungsstufe verankert; als "anschaffungsnah" gelten dabei die Kosten, die während den ersten fünf Jahren seit dem Erwerb der Liegenschaft anfallen (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung vom 24. August 1992 über den Abzug der Kosten von Liegenschaften des Privatvermögens bei der direkten Bundessteuer, SR 642.116). Eine Ausnahme ist vorgesehen für Investitionen, die dem Energiesparen dienen (Art. 32 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer, SR 642.11; vgl. auch Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements vom 24. August 1992 über die Massnahmen zur rationellen Energieverwendung und zur Nutzung erneuerbarer Energien, SR 642.116.1). b) Die Rechtsprechung ist allerdings auch auf Kritik gestossen. Der Beschwerdeführer verweist auf einen Bericht des Bundesamtes für Konjunkturfragen, das die Aufgabe dieser Praxis als dringend bezeichnet. Das Bundesamt beanstandet, dass die Rechtsprechung der Bau-Erneuerung klar hinderlich sei und überdies zur Folge habe, dass während der ganzen Lebensdauer eines Gebäudes, das im Unterhalt vernachlässigt und verkauft werde, Unterhaltskosten teilweise steuerlich nicht abgezogen werden könnten. Die Praxis sei zudem ungerecht, weil sie indirekt zu einer Steuererhöhung führe (Bundesamt für Konjunkturfragen, Liegenschaftskosten und Bauerneuerung im Steuerrecht, Bern 1993, S. 87). Die Kritik übersieht, dass die Rechtsprechung nur die Rechtsgleichheit herstellt zwischen dem Eigentümer, der eine Liegenschaft in schlechtem Zustand kauft, um sie zu renovieren, und demjenigen, der eine Liegenschaft nach der Renovation durch den bisherigen Eigentümer zu einem höheren Einstandspreis erwirbt: Obschon beide nach der Renovation Eigentümer eines Wirtschaftsgutes von demselben Wert sind und die gleichen Beträge aufgewendet haben, könnte der erste einen grossen Betrag vom Einkommen abziehen, was mit dieser Rechtsprechung korrigiert wird (vgl. BGE 99 Ib 362 E. 3c). Im Vordergrund steht bei der Einkommenssteuer auch nicht die Beibehaltung der Abzugsmöglichkeit bei der Übertragung eines Vermögenswertes von einem Steuersubjekt auf ein anderes, wie das Bundesamt geltend macht, sondern der Grundsatz der Besteuerung der Steuerpflichtigen nach ihrer Leistungsfähigkeit. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise, wie sie dieser Rechtsprechung zugrunde liegt, trägt diesem Gedanken Rechnung (vgl. KOLLER, a.a.O., S. 481).
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c) Indessen bedarf ein anderer Gesichtspunkt, der in den bis anhin ergangenen Urteilen keine Rolle gespielt hat und soweit ersichtlich auch von den Kritiken nicht berücksichtigt wird, näherer Betrachtung. Grund für die Änderung der früheren Rechtsprechung bildete das Motiv, dass der Eigentümer, der eine Liegenschaft kauft, um sie zu renovieren, nicht besser gestellt sein soll als derjenige, der ein bereits renoviertes Grundstück erwirbt. Es geht typischerweise um Liegenschaften, die im Unterhalt vernachlässigt worden sind und bei denen die Instandstellung (Renovation) zu einer Wertvermehrung des Grundstückes führt. Beim Kauf von solchen Liegenschaften hat die Praxis ihre volle Berechtigung. Die zitierte Verordnung des Bundesrates vom 24. August 1992 über den Abzug der Kosten von Liegenschaften des Privatvermögens bei der direkten Bundessteuer (Art. 1 Abs. 1) bestimmt denn auch, nicht abzugsfähig seien die Kosten, die ein Steuerpflichtiger zur Instandstellung einer neuerworbenen, "vom bisherigen Eigentümer vernachlässigten Liegenschaft" in den ersten fünf Jahren aufwenden muss. Anders verhält es sich jedoch bei Liegenschaften, die vom bisherigen Eigentümer normal instand gehalten worden sind und bei denen folglich nicht von einer Entwertung wegen fehlenden Unterhalts gesprochen werden kann. Hier bezwecken die Renovationsarbeiten, die Liegenschaft in ihrem bisherigen baulichen und nutzungsmässigen Zustand zu erhalten. Es handelt sich um Arbeiten, die den Wert des Grundstückes nicht oder höchstens kurzfristig über denjenigen im Zeitpunkt des Erwerbs erhöhen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der neue Eigentümer einer gut unterhaltenen Mietliegenschaft bei einem Mieterwechsel Unterhaltsarbeiten ausführen lässt, die erforderlich sind oder sich bald als notwendig erweisen. Auch wenn die diesbezüglichen Ausgaben unmittelbar nach dem Erwerb der Liegenschaft getätigt werden und den Wert des Grundstückes vielleicht sogar vorübergehend erhöhen können, so beeinflussen sie diesen nicht dauernd und nachhaltig. Trotzdem konnten diese Ausgaben bei Mietliegenschaften des Privatvermögens bisher nicht oder nur im Rahmen des Pauschalabzuges geltend gemacht werden. (Bei Liegenschaften des Geschäftsvermögens können diese Kosten aktiviert und innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes abgeschrieben werden.) In dieser Hinsicht war die Praxis möglicherweise zu streng und sollte gelockert werden. Es würde sich auch rechtfertigen, bei selbstgenutzten Liegenschaften von der bisherigen - strengen - Praxis abzuweichen und die Kosten des Unterhalts neuerworbener, nicht vernachlässigter
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Liegenschaften zum Abzug zuzulassen, sofern nur die normalen Unterhaltsarbeiten ausgeführt werden. Die Rechtsprechung bezweckt, die Person, welche eine schlecht unterhaltene Liegenschaft zu einem entsprechend niedrigen Preis erwirbt, um sie zu renovieren, nicht besser zu stellen als diejenige, die eine bereits renovierte Liegenschaft ersteht. Die meisten Fälle, die das Bundesgericht zu entscheiden hatte, betrafen denn auch Liegenschaften, die in einem renovationsbedürftigen Zustand erworben worden sind, oder bei denen die Instandstellungs- und Ausbauarbeiten wirtschaftlich einem Um- oder Neubau gleichkamen, weshalb die Kosten als Aufwendungen für die Anschaffung oder Verbesserung von Vermögenswerten (Art. 23 BdBSt) betrachtet werden mussten (vgl. z.B. BGE 103 Ib 197; BGE 99 Ib 362; Urteil vom 16. Januar 1991, ASA 60 S. 348; und vom 24. März 1981, ASA 50 S. 73 f.). Wo diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, rechtfertigt sich jedoch diese Praxis nicht.
Die Rechtsprechung ist daher in dem Sinn zu präzisieren, dass die Kosten für den Unterhalt neuerworbener, nicht vernachlässigter Liegenschaften dann vom rohen Einkommen abgezogen werden können, wenn es um den periodischen Unterhalt (und nicht um das Nachholen unterbliebenen Unterhaltes) geht. Davon zu unterscheiden ist der Fall, wo der neue Vermieter oder Verpächter die Liegenschaft renoviert, um den Miet- oder Pachtertrag zu steigern, oder wo eine (auch selbstgenutzte) Liegenschaft ganz oder teilweise umgebaut oder einer neuen Nutzung zugeführt wird. Hier dienen die Ausgaben nicht dazu, die Liegenschaft in ihrem bisherigen vertrags- oder nutzungsmässigen Zustand zu erhalten, sondern zielen darauf ab, die Einkommensquelle zu verbessern. Sie fallen folglich als Herstellungsaufwendungen unter Art. 23 BdBSt.
2. Die Liegenschaft, um die es hier geht, wurde früher offenbar als Mehrfamilienhaus genutzt. Nachdem der Beschwerdeführer sie erworben hatte, stellte die Y. einen langfristigen Mietvertrag in Aussicht. Diese beabsichtigte, aus Anlass ihres Jubiläums einen Teil der Liegenschaft der U. für ein Institut zur Verfügung zu stellen, teilweise wollte sie die Liegenschaft selbst nutzen. Sie verlangte aber eine angemessene innere und äussere Gestaltung des Gebäudes. Der Beschwerdeführer nahm die Auflagen der Y. zum Anlass, Arbeiten an der gesamten Liegenschaft auszuführen. Dies geschah aus der naheliegenden Überlegung, dass es der Mieterin kurz nach dem Einzug nicht zuzumuten gewesen wäre, grössere Unterhaltsarbeiten zu dulden. Zudem verlangte diese selbst gewisse Umbauarbeiten.
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Relativ hohe Kosten verursachte überdies eine Auflage der städtischen Bausektion, welche die Wiederherstellung der ursprünglichen Fassade und des Hauseingangs verlangte. Der Beschwerdeführer hat eine Baukostenabrechnung eingereicht, in welcher er die seiner Ansicht nach wertvermehrenden und werterhaltenden Aufwendungen ausgeschieden hat. Als bauliche Änderungen und damit wertvermehrend betrachtete er den Kellerausbau im Bereich des Hinterhofes, den Ausbau des oberen Dachgeschosses mit einer 3-Zimmer-Wohnung sowie die Massnahmen zur Komfortverbesserung, wie z.B. den Einbau von Doppelböden für Büroflächen sowie die Installation von Geschirrspülern und Kaminfeuerstellen. Diese Qualifikation trifft zweifellos zu. Es handelt sich um einen Betrag von Fr. 992'998.--.
Indessen tragen auch die weiteren Aufwendungen im Betrag von rund Fr. 2,3 Mio., die der Beschwerdeführer als werterhaltenden Aufwand abgezogen wissen möchte, zur Verbesserung des Grundstückes bei. Wie aus dem Baugesuch und aus den bei den Akten liegenden Plänen hervorgeht, wurde die Liegenschaft nicht nur renoviert, sondern umgebaut. So wurden die im Untergeschoss bestehenden Ladengeschäfte aufgehoben und zwei neue Seminar- bzw. Bibliotheksräume eingerichtet. Zudem wurden diese Räumlichkeiten erweitert und zusätzliche Toiletten eingebaut. Im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss wurden die bestehenden Wohnungen zu Büros ausgebaut. Auch wenn diese Wohnungen schon vor dem Umbau zu Bürozwecken genutzt wurden, wie der Beschwerdeführer geltend macht, kann der Umbau dieser beiden Stockwerke nicht mehr als blosser Unterhalt betrachtet werden. Für das zweite Obergeschoss liegen keine Angaben vor, hingegen wurde das gesamte erste Dachgeschoss nicht nur modernisiert, sondern gänzlich umgebaut, indem anstelle der alten Wohnungen und der Einzelzimmer zwei neue 3-Zimmer-Wohnungen eingerichtet wurden. Zudem erhielt das zweite Dachgeschoss, wo sich früher der Estrich befand, eine Dachwohnung.
Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, welche Aufwendungen lediglich der Erhaltung der Liegenschaft in ihrem bisherigen baulichen Zustand dienen. Die fraglichen Arbeiten überschreiten den normalen Unterhalt bei weitem und haben einen eigentlichen Um- und Ausbau zum Gegenstand; zum Teil wurde damit die Liegenschaft deutlich verbessert. Dass es dabei nicht um den gewöhnlichen Unterhalt geht, erhellt bereits daraus, dass die gesamten Arbeiten sich auf über Fr. 2,3 Mio. beliefen (bei einem Erwerbspreis von
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Fr. 2,28 Mio.). Wirtschaftlich kommt dies annähernd einem Neubau gleich (vgl. auch BGE 103 Ib 197 E. 3). Auch im Lichte der präzisierten Praxis (E. 1c) können daher die daraus erwachsenen Kosten nicht vom Roheinkommen abgezogen werden.