Urteilskopf

122 V 218

32. Auszug aus dem Urteil vom 23. Mai 1996 i.S. Z. gegen IV-Stelle Bern und Verwaltungsgericht des Kantons Bern
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 219

BGE 122 V 218 S. 219

Aus den Erwägungen:

4. b) Art. 10 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 10 Beginn und Ende des Anspruchs - 1 Der Anspruch auf Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung sowie auf Massnahmen beruflicher Art entsteht frühestens im Zeitpunkt der Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG104.
1    Der Anspruch auf Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung sowie auf Massnahmen beruflicher Art entsteht frühestens im Zeitpunkt der Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG104.
2    Der Anspruch auf die übrigen Eingliederungsmassnahmen und die Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Artikel 8a entsteht, sobald die Massnahmen im Hinblick auf Alter und Gesundheitszustand der versicherten Person angezeigt sind.105
3    Der Anspruch erlischt, sobald die versicherte Person eine ganze Altersrente nach Artikel 40 Absatz 1 AHVG106 vorbezieht, spätestens aber am Ende des Monats, in dem sie das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG erreicht.107
IVG sieht vor, dass der Anspruchsberechtigte verpflichtet ist, die Durchführung aller Massnahmen, die zu seiner Eingliederung ins Erwerbsleben getroffen werden, zu erleichtern. Die Versicherung kann ihre Leistungen einstellen, wenn der Anspruchsberechtigte die Eingliederung erschwert oder verunmöglicht; unter den Begriff der Leistungen im Sinne von Art. 10 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 10 Beginn und Ende des Anspruchs - 1 Der Anspruch auf Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung sowie auf Massnahmen beruflicher Art entsteht frühestens im Zeitpunkt der Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG104.
1    Der Anspruch auf Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung sowie auf Massnahmen beruflicher Art entsteht frühestens im Zeitpunkt der Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Artikel 29 Absatz 1 ATSG104.
2    Der Anspruch auf die übrigen Eingliederungsmassnahmen und die Massnahmen zur Wiedereingliederung nach Artikel 8a entsteht, sobald die Massnahmen im Hinblick auf Alter und Gesundheitszustand der versicherten Person angezeigt sind.105
3    Der Anspruch erlischt, sobald die versicherte Person eine ganze Altersrente nach Artikel 40 Absatz 1 AHVG106 vorbezieht, spätestens aber am Ende des Monats, in dem sie das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG erreicht.107
IVG fallen Eingliederungsmassnahmen und Taggelder. Nach der Rechtsprechung ist die Einstellung dieser Leistungen allerdings erst nach durchgeführtem Mahn- und Bedenkzeitverfahren im Sinne von Art. 31 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 31
IVG zulässig (ZAK 1983 S. 28 Erw. 3 Abs. 1; MAURER, Bundessozialversicherungsrecht, Basel und Frankfurt a.M. 1993, S. 169 f.). Gemäss dieser Gesetzesbestimmung kann die Verweigerung oder der Entzug der Leistung erst verfügt werden, wenn die Verwaltung den Versicherten vorgängig durch eine schriftliche Mahnung und unter Einräumung einer angemessenen Bedenkzeit auf die Folgen seiner Widersetzlichkeit aufmerksam gemacht hat. Die Sanktion muss in gehöriger Form und unter Fristansetzung angekündigt werden (MAURER, a.a.O., S. 150 und 169 f.; MEYER-BLASER, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985, S. 140 f.; vgl. auch BGE 108 V 215 f. als Beispiel einer Fristansetzung zur Selbsteingliederung).
BGE 122 V 218 S. 220

Nach der Rechtsprechung (BGE 97 V 175 unten Erw. 2; ZAK 1984 S. 36 f. Erw. 1) erübrigt sich die Durchführung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens, wenn der Eingliederungsmassnahmen ablehnende Versicherte in der leistungsausschliessenden oder -beschränkenden Verfügung auf die Möglichkeit der Neuanmeldung hingewiesen wird für den Fall, dass er seinen Widerstand gegen die Durchführung von Eingliederungsmassnahmen aufgibt. Diese Rechtsprechung wurde kritisiert (MEYER-BLASER, a.a.O., S. 140 ff., insbes. S. 142): Nur eine konsequente Handhabung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens schaffe klare Verhältnisse in dem Sinne, dass der Versicherte wisse, woran er ist; der Hinweis auf die Möglichkeit einer späteren Neuanmeldung sei nicht zulässig, weil der rechtsunkundige Versicherte nicht abschätzen könne, welche nachteiligen Folgen eine verspätete Anmeldung nach sich zieht (Art. 48 Abs. 2
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 48 Nachzahlung von Leistungen - 1 Macht eine versicherte Person ihren Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, auf medizinische Massnahmen oder auf Hilfsmittel mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Leistung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG297 nur für die zwölf Monate nachgezahlt, die der Geltendmachung vorangehen.
1    Macht eine versicherte Person ihren Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, auf medizinische Massnahmen oder auf Hilfsmittel mehr als zwölf Monate nach dessen Entstehung geltend, so wird die Leistung in Abweichung von Artikel 24 Absatz 1 ATSG297 nur für die zwölf Monate nachgezahlt, die der Geltendmachung vorangehen.
2    Die Leistung wird für einen längeren Zeitraum nachgezahlt, wenn die versicherte Person:
a  den anspruchsbegründenden Sachverhalt nicht kennen konnte; und
b  den Anspruch spätestens zwölf Monate, nachdem sie davon Kenntnis erhalten hat, geltend macht.
IVG: Beschränkung der Nachzahlung von Leistungen auf die letzten zwölf der Anmeldung vorangegangenen Monate). Diese Kritik ist begründet. Sinn und Zweck von Art. 31 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 31
IVG ist es, den Versicherten in jedem Fall auf die möglichen nachteiligen Folgen seines Widerstandes gegen Eingliederungsmassnahmen aufmerksam zu machen und ihn so in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller wesentlichen Faktoren seine Entscheidung zu treffen. Die bisherige Praxis erweist sich deshalb als unrichtig, weshalb daran nicht festgehalten werden kann (BGE 119 V 260 Erw. 4a). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass gemäss ZAK 1983 S. 28 Erw. 3 (Abs. 2 und 3) auch an der in BGE 100 V 190 Erw. 4 veröffentlichten Rechtsprechung nicht festzuhalten ist, wonach sich die Durchführung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens erübrigt, wenn die Verwaltung eine konkrete, erfolgversprechende, zumutbare Eingliederungsmassnahme bezeichnet und der Versicherte diese unmissverständlich abgelehnt hat. Zwar nimmt ZAK 1983 S. 28 Erw. 3 nicht ausdrücklich auf BGE 100 V 190 Bezug; inhaltlich wurde indessen die in diesem Urteil begründete Rechtsprechung durch den neuen Entscheid geändert. Es ist somit festzustellen, dass weder unter den in BGE 97 V 175 Erw. 2 und ZAK 1984 S. 36 f. Erw. 1 noch unter den in BGE 100 V 190 Erw. 4 umschriebenen Voraussetzungen von der Durchführung des Mahn- und Bedenkzeitverfahrens gemäss Art. 31 Abs. 1
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG)
IVG Art. 31
IVG Abstand genommen werden darf.