Urteilskopf

118 IV 88

17. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Februar 1992 i.S. T. gegen Öffentliches Amt des Kantons Wallis und Kantonales Amt für Inkasso und Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 89

BGE 118 IV 88 S. 89

T. wird unter anderem vorgeworfen, in den Monaten Juli und August 1989 seiner familienrechtlichen Unterstützungspflicht gegenüber seiner Ehefrau nicht nachgekommen zu sein. Das Kantonsgericht Wallis verurteilte T. am 29. Januar 1991 unter anderem wegen Vernachlässigung der Unterstützungspflichten zu 22 Monaten Zuchthaus und zu Fr. 500.-- Busse. T. erhebt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. a) In einer Trennungsvereinbarung hatte sich der Beschwerdeführer verpflichtet, seiner Ehefrau einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 600.-- zu bezahlen. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, der Beschwerdeführer habe in den Monaten Juli und August 1989 in strafbarer Weise die Erfüllung dieser Verpflichtung unterlassen. Der Beschwerdeführer macht einzig geltend, das Urteil beruhe in tatsächlicher Hinsicht auf einem offensichtlichen Versehen. b) Der Kassationshof ist an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde gebunden. Offensichtlich auf Versehen beruhende Feststellungen berichtigt er von Amtes wegen (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Diese für das Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde massgebliche Vorschrift entspricht der in Art. 55 Abs. 1 lit. d OG für das Berufungsverfahren enthaltene Regel, wonach die Feststellung einer nach dem Bundesrecht zu beurteilenden Tatsache durch die kantonale Instanz als offensichtliches Versehen angefochten werden kann. Allerdings lässt sich ein offensichtliches Versehen im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde von Amtes wegen berichtigen, im Berufungsverfahren dagegen nur auf Begehren einer Partei. Aus der Funktion der Versehensrüge ergibt sich, dass ihr im Rahmen eines Rechtsmittels, mit dem die Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden kann, eine selbständige Bedeutung nur zukommt, wenn das gerügte offensichtliche Versehen im Zusammenhang mit einer aufgeworfenen Rechtsfrage steht. Die Versehensrüge ist also nicht selbständiger Berufungsgrund, sondern hat lediglich Bedeutung, wenn durch die versehentliche Feststellung eidgenössisches Recht verletzt wird. Darauf muss sie Einfluss und ihre Berichtigung eine andere rechtliche Entscheidung zur Folge haben
BGE 118 IV 88 S. 90

(BGE 61 II 114 E. 2; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, Art. 55 N 9 lit. d; POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, art. 55 N 1.6.2). Entsprechendes hat für die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde zu gelten (vgl. BGE 97 IV 179). Nicht festgehalten werden kann somit an der Rechtsprechung, wonach ein offensichtliches Versehen mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht vorgebracht werden könne, weil es ausschliesslich dem Kassationshof anheimgegeben sei, ein offensichtliches Versehen von Amtes wegen zu berichtigen, wenn er darauf stösst (BGE 76 IV 63). Die Versehensrüge hat allerdings einen sehr engen Anwendungsbereich. Sie darf nicht verwechselt werden mit der Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung, die ausschliesslich mit der staatsrechtlichen Beschwerde vorgebracht werden kann. Sobald die kantonale Behörde eine Tatsache gestützt auf Beweiswürdigung festgestellt hat, kommt die Versehensrüge im Sinne von Art. 277bis Abs. 1 BStP nicht mehr in Betracht (BERNARD CORBOZ, Le pourvoi en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral, La Semaine judiciaire, 1991, S. 93 N 237). c) Der Beschwerdeführer bringt vor, die tatbeständliche Annahme des Kantonsgerichts, er habe nur im Frühling 1989, nicht aber im Sommer 1989 mit seiner Gattin zusammengelebt, beruhe auf einem offensichtlichen Versehen. Der Beschwerdeführer, auf dessen Aussagen die Vorinstanz verweise, habe nämlich ausgesagt, er sei im Sommer 1989 vor die Türe gesetzt worden. Er sei im übrigen gemäss den Feststellungen der Vorinstanz bis zum 13. April 1989 in Lenzburg in Sicherheitshaft gewesen. Das Schreiben der Ehefrau vom 9. Juni 1990 erwähne mit keinem Wort, wann sie den Beschwerdeführer hinauskomplimentiert habe.
Der Beschwerdeführer will also geltend machen, dass die tatsächlichen Annahmen, die seine Verurteilung wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten begründen, auf einem offensichtlichen Versehen beruhen. Insoweit ist sein Vorbringen zulässig. Im Hinblick auf die Unbestimmtheit der Begriffe Frühling und Sommer ergibt sich jedoch nicht, dass die tatsächliche Annahme der Vorinstanz auf einem offensichtlichen Versehen beruht. Auch wenn der Beschwerdeführer bis zum 13. April 1989 in Untersuchungshaft war, konnte er noch im Laufe des Frühlings von seiner Frau an die Luft gesetzt werden, und auch seine Aussage, er sei im Sommer 1989 hinausgeworfen worden, schliesst nicht aus, dass dies vor dem 1. Juli 1989 geschehen ist. d) Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht somit nicht auf einem offensichtlichen Versehen im Sinne von Art. 277bis Abs. 1
BGE 118 IV 88 S. 91

BStP. Da der Beschwerdeführer gegen seine Verurteilung wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten sonst nichts vorbringt, ist auf diesen Punkt nicht einzutreten.