118 IV 88
17. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Februar 1992 i.S. T. gegen Öffentliches Amt des Kantons Wallis und Kantonales Amt für Inkasso und Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):
- Art. 277bis Abs. 1
BStP und Art. 55 Abs. 1 lit. d
OG.
- Offensichtlich auf Versehen beruhende Feststellungen der kantonalen Behörde berichtigt der Kassationshof nicht nur von Amtes wegen. Eine entsprechende Rüge - die nicht mit jener willkürlicher Beweiswürdigung im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren verwechselt werden darf - ist bloss in sehr engen Grenzen und nur dann zulässig, wenn sie den nötigen Zusammenhang mit einer in der Nichtigkeitsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage aufweist (Änderung der Rechtsprechung).
Regeste (fr):
- Art. 277bis al. 1 PPF et art. 55 al. 1 let. d OJ.
- La Cour de cassation ne rectifie pas exclusivement d'office les constatations de l'autorité cantonale reposant manifestement sur une inadvertance. Un grief formulé en ce sens - qui ne doit pas être confondu avec celui d'appréciation arbitraire des preuves soulevé dans le cadre d'un recours de droit public - est recevable dans d'étroites limites, mais seulement si les constatations en cause sont nécessaires pour examiner une question de droit soulevée dans le pourvoi en nullité (changement de jurisprudence).
Regesto (it):
- Art. 277bis cpv. 1 PP e art. 55 cpv. 1 lett. d
OG.
- La Corte di cassazione penale del Tribunale federale non rettifica esclusivamente d'ufficio gli accertamenti di fatto dell'autorità cantonale dovuti manifestamente a una svista. Una censura addotta in questo senso - che non va confusa con quella della valutazione arbitraria delle prove, da far valere con ricorso di diritto pubblico - è ammissibile entro stretti limiti ma soltanto laddove gli accertamenti di cui trattasi siano rilevanti per l'esame di una questione di diritto sollevata nel ricorso per cassazione (cambiamento della giurisprudenza).
Sachverhalt ab Seite 89
BGE 118 IV 88 S. 89
T. wird unter anderem vorgeworfen, in den Monaten Juli und August 1989 seiner familienrechtlichen Unterstützungspflicht gegenüber seiner Ehefrau nicht nachgekommen zu sein. Das Kantonsgericht Wallis verurteilte T. am 29. Januar 1991 unter anderem wegen Vernachlässigung der Unterstützungspflichten zu 22 Monaten Zuchthaus und zu Fr. 500.-- Busse. T. erhebt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. a) In einer Trennungsvereinbarung hatte sich der Beschwerdeführer verpflichtet, seiner Ehefrau einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 600.-- zu bezahlen. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, der Beschwerdeführer habe in den Monaten Juli und August 1989 in strafbarer Weise die Erfüllung dieser Verpflichtung unterlassen. Der Beschwerdeführer macht einzig geltend, das Urteil beruhe in tatsächlicher Hinsicht auf einem offensichtlichen Versehen. b) Der Kassationshof ist an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde gebunden. Offensichtlich auf Versehen beruhende Feststellungen berichtigt er von Amtes wegen (Art. 277bis Abs. 1


BGE 118 IV 88 S. 90
(BGE 61 II 114 E. 2; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, Art. 55 N 9 lit. d; POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, art. 55 N 1.6.2). Entsprechendes hat für die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde zu gelten (vgl. BGE 97 IV 179). Nicht festgehalten werden kann somit an der Rechtsprechung, wonach ein offensichtliches Versehen mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht vorgebracht werden könne, weil es ausschliesslich dem Kassationshof anheimgegeben sei, ein offensichtliches Versehen von Amtes wegen zu berichtigen, wenn er darauf stösst (BGE 76 IV 63). Die Versehensrüge hat allerdings einen sehr engen Anwendungsbereich. Sie darf nicht verwechselt werden mit der Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung, die ausschliesslich mit der staatsrechtlichen Beschwerde vorgebracht werden kann. Sobald die kantonale Behörde eine Tatsache gestützt auf Beweiswürdigung festgestellt hat, kommt die Versehensrüge im Sinne von Art. 277bis Abs. 1

Der Beschwerdeführer will also geltend machen, dass die tatsächlichen Annahmen, die seine Verurteilung wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten begründen, auf einem offensichtlichen Versehen beruhen. Insoweit ist sein Vorbringen zulässig. Im Hinblick auf die Unbestimmtheit der Begriffe Frühling und Sommer ergibt sich jedoch nicht, dass die tatsächliche Annahme der Vorinstanz auf einem offensichtlichen Versehen beruht. Auch wenn der Beschwerdeführer bis zum 13. April 1989 in Untersuchungshaft war, konnte er noch im Laufe des Frühlings von seiner Frau an die Luft gesetzt werden, und auch seine Aussage, er sei im Sommer 1989 hinausgeworfen worden, schliesst nicht aus, dass dies vor dem 1. Juli 1989 geschehen ist. d) Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht somit nicht auf einem offensichtlichen Versehen im Sinne von Art. 277bis Abs. 1
BGE 118 IV 88 S. 91
BStP. Da der Beschwerdeführer gegen seine Verurteilung wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten sonst nichts vorbringt, ist auf diesen Punkt nicht einzutreten.