Urteilskopf

111 V 51

14. Auszug aus dem Urteil vom 14. Februar 1985 i.S. Bavier gegen Ausgleichskasse Schweizer Wirteverband und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 52

BGE 111 V 51 S. 52

Aus den Erwägungen:

4. Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin in ihrem Revisionsentscheid vom 4. März 1983 ohne nähere Begründung Kosten auferlegt. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird diesbezüglich ein Verstoss gegen Art. 85 Abs. 2 lit. a
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 85
AHVG geltend gemacht. Zu prüfen ist, ob diese Bestimmung auch auf das kantonale Revisionsverfahren Anwendung findet. a) Im nicht veröffentlichten Urteil Jucker vom 15. November 1984 hat das Eidg. Versicherungsgericht festgestellt, dass das Bundesrecht - abgesehen vom Grundsatz der Revisionsmöglichkeit als solchem - keine Bestimmungen über die nähere Ausgestaltung des kantonalen Revisionsverfahrens enthält. Allerdings war in diesem Fall (und auch im Urteil Tschopp vom 5. November 1984, BGE 110 V 393) bloss die Frist für die Einreichung eines Revisionsgesuchs streitig und damit ein Punkt, dessen Regelung - mangels jeden Hinweises in Art. 85 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 85
AHVG auf eine bundesrechtliche Bestimmung - von vornherein im kantonalen Recht zu suchen war. Im vorliegenden Verfahren ist die Lage insofern eine andere, als Art. 85 Abs. 2 lit. a
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AHVG Art. 85
AHVG den Grundsatz der Kostenlosigkeit aufstellt. Es fragt sich, ob den Ausführungen im Urteil Jucker eine allgemeine Tragweite beizumessen ist in dem Sinne, dass die Ordnung prozessualer Fragen, die sich - wie etwa diejenige
BGE 111 V 51 S. 53

der Verfahrenskosten - in gleicher Weise im einen wie im andern Verfahren stellen können, für das Revisionsverfahren auch dann in die Zuständigkeit der Kantone fällt, wenn das Bundesrecht für das Beschwerdeverfahren eine entsprechende Bestimmung aufgestellt hat. b) In seiner ursprünglichen Fassung betraf Art. 85 Abs. 2
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AHVG Art. 85
AHVG allein das ordentliche Rechtsmittelverfahren und umfasste nur sehr rudimentäre Minimalanforderungen an das von den Kantonen zu regelnde Verfahren, welche sich im wesentlichen in dem heute in lit. a und g Enthaltenen erschöpften (AS 1947 867). Weil sich diese Ordnung in der Folge als allzu knapp erwies, wurde sie - bei grundsätzlichem Festhalten an der Zuständigkeit der Kantone zur Regelung des Prozessverfahrens - auf den 1. Januar 1960 durch die heutigen lit. b bis f ergänzt (BBl 1958 II 1285). Zusätzlich zu diesen Vorschriften zum ordentlichen Rechtsmittelverfahren der Beschwerde stellte der Gesetzgeber mit lit. h neu auch eine Bestimmung zum ausserordentlichen Rechtsmittelverfahren der Revision auf. Anlass dazu war der Umstand, dass dieses damals nur in einer Minderheit der kantonalen Prozessordnungen positivrechtlich geregelt war oder die bestehenden Ordnungen zum Teil grundsätzliche Unterschiede aufwiesen (BBl 1958 II 1286). Somit ging es bei lit. h bloss darum, den Grundsatz der Revisionsmöglichkeit kantonaler Entscheide im Bundesrecht zu verankern, und zwar bei Vorliegen der beiden "klassischen" Revisionsgründe (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 262). Nichts spricht dafür, dass mit der Einfügung von lit. h die Absicht verbunden gewesen wäre, das kantonale Revisionsverfahren auch den - soweit angesichts grundsätzlicher prozessualer Unterschiede überhaupt anwendbaren - bundesrechtlichen Vorschriften über das Beschwerdeverfahren, insbesondere dem Grundsatz der Kostenlosigkeit zu unterwerfen. Somit ist festzuhalten, dass Art. 85 Abs. 2 lit. a
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AHVG Art. 85
AHVG auf das kantonale Revisionsverfahren keine Anwendung findet.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte des Militärversicherungsgesetzes, welches in Art. 56 Abs. 1 lit. h
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AHVG Art. 56 3. Verfahren - 1 Verbände, die eine Ausgleichskasse errichten wollen, haben dem Bundesrat ein schriftliches Gesuch einzureichen unter Beilage des Entwurfes zu einem Kassenreglement. Gleichzeitig haben sie den Nachweis zu erbringen, dass die Voraussetzungen des Artikels 53 und gegebenenfalls des Artikels 54 erfüllt sind.
1    Verbände, die eine Ausgleichskasse errichten wollen, haben dem Bundesrat ein schriftliches Gesuch einzureichen unter Beilage des Entwurfes zu einem Kassenreglement. Gleichzeitig haben sie den Nachweis zu erbringen, dass die Voraussetzungen des Artikels 53 und gegebenenfalls des Artikels 54 erfüllt sind.
2    Der Bundesrat erteilt die Bewilligung zur Errichtung einer Verbandsausgleichskasse, sofern die Voraussetzungen des Artikels 53 und gegebenenfalls des Artikels 54 erfüllt sind und Sicherheit gemäss Artikel 55 geleistet ist.
3    Die Verbandsausgleichskasse gilt als errichtet und erlangt das Recht der Persönlichkeit mit der Genehmigung des Kassenreglementes durch den Bundesrat.
bereits seit 1950 eine dem Art. 85 Abs. 2 lit. h
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AHVG entsprechende Vorschrift kennt. Der im Laufe der Kommissionsberatungen vom zuständigen Departement ausgearbeitete Katalog von Prozessvorschriften betraf ursprünglich nur das ordentliche Rechtsmittelverfahren (Protokoll der dritten Session der nationalrätlichen Kommission vom 20. bis 22. Juli 1948, S. 1 ff.), wurde
BGE 111 V 51 S. 54

jedoch in der Folge durch eine Bestimmung über das Revisionsverfahren erweitert (erwähntes Protokoll S. 5 ff., 13; vgl. auch S. 108). Dabei stand - wie später bei der Neufassung von Art. 85 Abs. 2
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AHVG - ebenfalls der Gedanke im Vordergrund, ungeachtet der Unterschiede in den kantonalen Prozessordnungen wenigstens den Grundsatz der Revisionsmöglichkeit sowie zwei Revisionsgründe bundesrechtlich abzustützen. c) Ist nach dem Gesagten Art. 85 Abs. 2 lit. a
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AHVG auf das kantonale Revisionsverfahren nicht anwendbar, so bleibt die Regelung der Kostenfrage dem kantonalen Recht vorbehalten. Mit diesem hat sich das Eidg. Versicherungsgericht grundsätzlich nicht zu befassen (Art. 128
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in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1
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OG und Art. 5
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 5 - 1 Als Verfügungen gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
1    Als Verfügungen gelten Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
a  Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten;
b  Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von Rechten oder Pflichten;
c  Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten oder Nichteintreten auf solche Begehren.
2    Als Verfügungen gelten auch Vollstreckungsverfügungen (Art. 41 Abs. 1 Bst. a und b), Zwischenverfügungen (Art. 45 und 46), Einspracheentscheide (Art. 30 Abs. 2 Bst. b und 74), Beschwerdeentscheide (Art. 61), Entscheide im Rahmen einer Revision (Art. 68) und die Erläuterung (Art. 69).25
3    Erklärungen von Behörden über Ablehnung oder Erhebung von Ansprüchen, die auf dem Klageweg zu verfolgen sind, gelten nicht als Verfügungen.
VwVG). Die Anwendung des Verfahrensrechts in einem kantonalen Revisionsentscheid kann deshalb vom Eidg. Versicherungsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob die hiefür massgeblichen kantonalen Bestimmungen zu einer Verletzung von Bundesrecht geführt haben, wobei in diesem Bereich als Beschwerdegrund praktisch nur das Willkürverbot des Art. 4 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV in Betracht kommt (BGE 110 V 58 mit Hinweisen). Gemäss Art. 74 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 79 VGG/GR ist das kantonale Revisionsverfahren kostenpflichtig, wobei nebst besonderen Auslagen und Kanzleigebühren eine Staatsgebühr von Fr. 10.-- bis Fr. 8000.-- erhoben wird (Art. 1 lit. a der Gebührenverordnung für das Verwaltungsgericht vom 25. August 1980). Offenbar hat sich die Vorinstanz auf diese Bestimmungen gestützt, als sie der Beschwerdeführerin Gerichtskosten (Staatsgebühr und Kanzleiauslagen) von insgesamt Fr. 312.-- auferlegte. Dies lässt sich weder als willkürlich noch als sonstwie bundesrechtswidrig beanstanden. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den vorinstanzlichen Entscheid vom 4. März 1983 ist somit auch im Kostenpunkt abzuweisen.