Urteilskopf

111 Ib 6

2. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. März 1985 i.S. Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Gemeinde Schwerzenbach (verwaltungsrechtliche Klage)
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Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 6

BGE 111 Ib 6 S. 6

Im Jahre 1968 kaufte die schweizerische Eidgenossenschaft in der Gemeinde Schwerzenbach zwecks Erstellung eines neuen Postgebäudes die Liegenschaft Kat. Nr. 933, überbaute diese jedoch in der Folge nicht. Mit Tauschvertrag vom 10. November 1983 trat die Eidgenossenschaft das Grundstück an den Kanton Zürich ab; gegen eine "Tauschaufzahlung" erhielt sie dafür 279/1000 Mieteigentum an der Liegenschaft Kat. Nr. 1444 in Schwerzenbach mit Sonderrecht an den auf der Liegenschaft befindlichen Postlokalitäten. Mit Verfügungen vom 26. März 1984 erhob der Gemeinderat Schwerzenbach von der Schweizerischen Eidgenossenschaft für die von ihr veräusserte Liegenschaft Kat. Nr. 933 Grundstückgewinn- und Handänderungssteuern. Mit Eingabe vom 4. April 1984 hat die Schweizerische Eidgenossenschaft gegen die Gemeinde Schwerzenbach verwaltungsrechtliche Klage beim Bundesgericht eingereicht. Sie beantragt, es sei
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festzustellen, dass sie für die Veräusserung der Liegenschaft Kat. Nr. 993 in Schwerzenbach weder Grundstückgewinn- noch Handänderungssteuern zu entrichten habe. Zur Begründung beruft sie sich auf den Steuerbefreiungstatbestand gemäss Art. 10 GarG (SR 170.21). Das Bundesgericht heisst die Klage gut, aus folgenden

Erwägungen

Erwägungen:

1. Art. 10 GarG hat folgenden Wortlaut:
"Die Eidgenossenschaft sowie ihre Anstalten, Betriebe und
unselbständigen Stiftungen sind von jeder Besteuerung durch die Kantone und Gemeinden befreit; ausgenommen sind Liegenschaften, die nicht unmittelbar öffentlichen Zwecken dienen."
Diese Fassung geht auf eine Revision aus dem Jahre 1977 zurück (Bundesgesetz vom 5. Mai 1977 über Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushaltes). Zuvor lautete die Bestimmung wie folgt: "Die Bundeskasse und alle unter der Verwaltung des Bundes stehenden Fonds sowie diejenigen Liegenschaften, Anstalten und Materialien, die unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt sind, dürfen von den Kantonen nicht mit einer direkten Steuer belegt werden."

2. Nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Streitigkeiten über Steuerbefreiungen nach Art. 10 GarG im direkten verwaltungsrechtlichen Prozess nach Art. 116 ff . OG auszutragen (Art. 116 lit. f OG, 15 Abs. 1 GarG; BGE 103 Ib 258). Hieran hat sich durch die Revision des Art. 10 GarG vom 5. Mai 1977 nichts geändert.
3. Die Klägerin macht geltend, die Besteuerung entfalle schon deshalb, weil die in Frage stehende Liegenschaft öffentlichen Zwecken gedient habe. Die Beklagte bestreitet dies. Sie hält fest, das Grundstück sei einem Landwirt verpachtet gewesen, es habe der Klägerin lediglich als Zahlungsmittel und mithin nicht unmittelbar zu öffentlichen Zwecken gedient. Über die Zweckbestimmung der von der Klägerin abgetauschten Liegenschaft braucht nicht entschieden zu werden, falls sich ergibt, dass die Steuerbefreiung auch für den Fall zu bejahen ist, dass die Liegenschaft nie unmittelbar öffentlichen Zwecken gedient hat.
4. a) Nach der alten Fassung von Art. 10 Abs. 1 GarG waren indirekte Steuern unbeschränkt zulässig, direkte Steuern hingegen nur auf Liegenschaften, Anstalten und Materialien, die nicht unmittelbar für
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Bundeszwecke bestimmt waren. Und auch bei Vorliegen dieser Voraussetzung waren nach der Praxis nicht beliebige direkte Steuern zulässig, sondern nur besondere Objektsteuern, insbesondere sogenannte Liegenschafts- oder Grundsteuern, mit denen ein Grundstück als solches oder ein Recht daran besteuert wird (BGE 103 Ib 260 E. 3). Die Erhebung von Handänderungssteuern, die zu den indirekten Steuern zählen (so schon die Botschaft des Bundesrates zum ursprünglichen Garantiegesetz, BBl 1851 III, S. 252), war demnach erlaubt. Unzulässige direkte Steuern waren demgegenüber die Einkommens- und Ertragssteuern sowie die Vermögens- und Eigenkapitalsteuern auf Grundeigentum, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuersubjektes erhoben werden (BGE 103 Ib 259/60), ferner die Grundstückgewinnsteuern, mit denen der durch die Veräusserung des Grundstücks erzielte Gewinn besteuert wird (BGE 100 Ib 235).
b) Der revidierte Gesetzeswortlaut könnte den Eindruck erwecken, auf Liegenschaften des Bundes, die nicht unmittelbar öffentlichen Zwecken dienen, dürften jedwelche Steuern erhoben werden, also auch die von der Praxis bisher ausgenommenen Einkommens- und Vermögenssteuern sowie insbesondere die Grundstückgewinnsteuern. Diese von der Beklagten vertretene Auffassung trifft indes den Gesetzessinn nicht. Den Materialien lässt sich nicht entnehmen, dass durch die Revision von Art. 10 Abs. 1 GarG die Besteuerung des Bundes ausgedehnt werden sollte. Hingegen sollte nach dem sowohl in der Botschaft des Bundesrats als auch in den Räten ausgedrückten Willen die unklare Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Steuern fallengelassen werden. Dies im Interesse einer Vereinfachung der Rechtslage (vgl. Botschaft, BBl 1977 I, S. 803; Amtl.Bulletin des Ständerats 1977, S. 168), dann aber auch zwecks finanzieller Entlastung des Bundes (die Revision von Art. 10 Abs. 1 GarG war eine der 1977 beschlossenen Massnahmen zum Ausgleich des Bundeshaushalts, vgl. das diesbezügliche Gesetz vom 5. Mai 1977, SR 611.04). Die bisherige Praxis, wonach die Steuerbefreitung bei allen - direkten - Steuern eintritt, die nicht streng auf das Objekt (die Liegenschaft) bezogen sind, hat daher auch unter der neuen Rechtslage Geltung - nun aber sowohl für die direkten wie die indirekten Steuern. Diese restriktive Interpretation von Art. 10 (in der alten und neuen Fassung) rechtfertigt sich umso mehr, als die gegenseitige Besteuerung der verschiedenen

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Hoheitsträger ein wenig taugliches Mittel zur Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs ist (vgl. BBl 1977 I, S. 803). Auch staatsrechtliche Gründe sprechen grundsätzlich für die Steuerbefreiung des Bundes, weshalb im Zweifel die Vermutung für die Steuerfreiheit besteht. Eine ausnahmsweise Besteuerung lässt sich immerhin aus der Überlegung rechtfertigen, dass Liegenschaften des Bundes, die nicht unmittelbar öffentlichen Zwecken dienen, wie alle andern Liegenschaften zur Deckung der darauf bezüglichen öffentlichen Lasten beitragen sollen; gerade diesen Zweck aber verfolgen die von der bisherigen Praxis als Objektsteuern bezeichneten Liegenschafts- und Grundsteuern. c) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Bund wie nach der Praxis zum alten Recht auch unter neuem Recht von der Grundstückgewinnsteuer befreit ist, da diese nicht die Liegenschaft als solche, sondern den durch den Bund erzielten Gewinn erfasst. Dasselbe gilt für die Handänderungssteuer, nachdem die Steuerbefreiung nun grundsätzlich auch auf die indirekten Steuern ausgedehnt wurde. Sie ist eine Rechtsverkehrssteuer, mit der nicht ein Recht an der Liegenschaft oder diese selbst besteuert wird, sondern ein Verkehrsvorgang. Die Handänderungssteuer dient - im Unterschied zu den periodisch fliessenden Liegenschafts- und Grundsteuern - auch nicht zur Abgeltung der unmittelbar durch die Liegenschaft verursachten öffentlichen Lasten; sie ist vielmehr eine allgemeine Einnahmequelle des kantonalen oder kommunalen Haushalts, die der Bund nicht zu speisen hat. Der Bund ist mithin generell sowohl von der Grundstückgewinn- wie auch von der Handänderungssteuer befreit.