Urteilskopf

110 II 255

52. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Mai 1984 i.S. S. gegen Staat Indien (Berufung)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 256

BGE 110 II 255 S. 256

A.- Mit Schreiben vom 11. Dezember 1957 offerierte die indische Botschaft in Bern dem italienischen Staatsangehörigen S., ihn als Radiotelegraphisten anzustellen. S., der bis dahin in Rom gewohnt hatte, im November 1957 in die Schweiz eingereist war, sich da zunächst als Tourist aufgehalten hatte und im Dezember 1957 nach Bern gekommen war, erklärte sich mit dem Angebot einverstanden und nahm die Arbeit am 13. Januar 1958 auf. Noch im gleichen Monat liess er sich definitiv in Bern nieder. Im Verlauf der Zeit erfüllte S. immer weniger technische Aufgaben als Telegraphist und übernahm dafür untergeordnete Büroarbeiten; er hatte insbesondere die eingehenden Telexmeldungen aus der technischen Sprache in stilistisch gutes Englisch zu übertragen, französische Zeitungstexte und italienische Korrespondenz ins Englische zu übersetzen sowie Photographien herzustellen. Ab 1976 war er schliesslich nur noch als Bürogehilfe tätig. Das Arbeitsverhältnis endete am 30. Juni 1979.

B.- Daraufhin klagte S. aus dem Arbeitsvertrag gegen den Staat Indien auf Zahlung eines Fr. 20'000.- übersteigenden Betrags. Der Appellationshof des Kantons Bern, der das Verfahren auf die Vorfrage des Geltungsbereichs der staatlichen und diplomatischen Immunität beschränkt hatte, wies am 25. Mai 1983 die
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Klage ohne Prüfung ihrer materiellen Begründetheit zurück, weil er fand, der Anspruch falle zwar nicht unter die staatliche Immunität des Beklagten, jedoch unter die diplomatische Immunität des Klägers, weshalb er der Beurteilung durch die schweizerische und bernische Gerichtsbarkeit entzogen sei. Der Kläger hat Berufung eingereicht und beantragt, das Urteil des Appellationshofs aufzuheben, die schweizerische Gerichtsbarkeit zu bejahen und die Sache an die kantonale Instanz zur materiellen Beurteilung zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. Der Appellationshof verneint die Gerichtsbarkeit deshalb, weil der Kläger als Mitglied des Verwaltungs- und technischen Personals der indischen Botschaft gemäss dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 18. April 1961 (SR 0.191.01) die persönliche (diplomatische) Immunität genossen und der Beklagte auf die diplomatische Immunität nicht dadurch verzichtet habe, dass er dem Kläger erlaubt hätte, Klage zu erheben. Die Annahme, auch Klagen bedürften der Ermächtigung des Entsendestaates, belegt die Vorinstanz mit einem Gutachten des Bundesamtes für Justiz, Sektion für internationales Privatrecht, vom 6. Mai 1983, das jedoch diese These nicht näher begründet. Gemäss Art. 31 Ziff. 1 des Wiener Übereinkommens steht dem diplomatischen Vertreter die Immunität von der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaates zu; er ist nicht verpflichtet, als Zeuge auszusagen (Art. 31 Ziff. 2). Dass er umgekehrt ohne Einwilligung des Entsendestaates keine Klagemöglichkeit hat, kann dem Wortlaut von Art. 31, aber auch den anderen Bestimmungen des Übereinkommens, nicht entnommen werden. Art. 32 Ziff. 3 enthält vielmehr ein Argument für die selbständige Klagebefugnis des Diplomaten, indem er vorsieht, dass ein Diplomat, der Klage erhoben hat, sich einer Widerklage, die mit der Hauptklage in unmittelbarem Zusammenhang steht, nicht unter Berufung auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit entziehen kann. Zu beachten ist ferner Art. 2 Abs. 3 des Freundschafts- und Niederlassungsvertrages zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und seiner Majestät dem König des Vereinigten Königreichs von Grossbritannien und Irland und der Dominien jenseits der Meere, namens
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des Dominions Indien, vom 14. August 1948 (SR 0.142.114.231). Auch er schränkt die Klagemöglichkeit ebenfalls in keiner Weise ein. Die Lehre, soweit sie sich überhaupt dazu äussert, neigt mehrheitlich ebenfalls dazu, eine selbständige Klagebefugnis zu bejahen. VERDROSS/SIMMA (Universelles Völkerrecht, S. 458) behandeln die Immunität unter der Überschrift "Vorrechte der Missionsmitglieder und ihrer Angehörigen im Empfangsstaat"; das können sie nur dann, wenn sie in der Immunität einen Schutz vor Prozessen, nicht aber eine Beschränkung der Klagebefugnis erblicken. KUMMER (Grundriss des Zivilprozessrechts, 3. Aufl. S. 29) erklärt ausdrücklich, dass die gerichtsbefreite Person in der Schweiz klagen kann (vgl. ferner BERBER, Lehrbuch des Völkerrechts, I. Band 2. Aufl., S. 187; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 81; DERSELBE, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 3; MENZEL/IPSEN, Völkerrecht, 2. Aufl. S. 278; PERRENOUD, Régime des privilèges et immunités des missions diplomatiques étrangères et des organisations internationales en Suisse, Diss. Lausanne 1949, S. 187; gegenteilig anscheinend BINDSCHEDLER, in SJIR 1961/XVIII, S. 38/39; SEIDL-HOHENVELDERN, Völkerrecht, S. 220 N. 741 und vor allem der dort zitierte RGZ 111, 149; SUY, in Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht, Bd. XII S. 107). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz kann deshalb die Gerichtsbarkeit nicht unter Hinweis auf die diplomatische Immunität des Klägers verneint werden.
3. Zu prüfen bleibt, ob die Begründung und der Vollzug des umstrittenen Arbeitsverhältnisses zur hoheitlichen Tätigkeit des Beklagten zu zählen sind; denn nach der herrschenden Rechtsprechung und Lehre unterliegt der fremde Staat dann nicht der inländischen Zivilgerichtsbarkeit, wenn er hoheitlich handelt (acta iure imperii im Gegensatz zu acta iure gestionis: BGE 106 Ia 147 E. a mit Verweisung auf Literatur; BGE 104 Ia 374 E. a, BGE 86 I 29 E. 2, BGE 56 I 237 ff., BGE 44 I 54; ferner SEIDL-HOHENVELDERN, Neue Entwicklungen im Recht der Staatenimmunität, in Festschrift Beitzke, Berlin 1979, S. 1081 ff.; HERNDL, Zur Problematik der Gerichtsbarkeit über fremde Staaten, in Festschrift Verdoss, Berlin 1980, S. 426; MÜLLER/WILDHABER, Praxis des Völkerrechts, 2. Aufl. S. 298). Der Appellationshof geht auf diese Fragen einlässlich ein. Er berücksichtigt, dass Arbeits- und Wohnort des Klägers während mehr als 20 Jahren Bern gewesen sei und dass dort das
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Arbeitsverhältnis begründet und anschliessend auch erfüllt worden sei; es liege somit ein Rechtsgeschäft und kein Hoheitsakt vor, und die staatliche Immunität des Beklagten entfalle, zumal auch die Schweiz übereinstimmend mit andern Staaten ausländisches Botschaftspersonal mit niedrigen Funktionen gemäss dem Recht am konkreten Arbeitsort, d.h. fast ausnahmslos nach Privatrecht anstelle. Der Beklagte findet demgegenüber, die Anstellung des Klägers habe die Erfüllung einer staatlichen Aufgabe bezweckt und sei deshalb als Hoheitsakt zu betrachten, genau so wie die Tätigkeiten, die der Kläger in Ausübung seiner dienstlichen Pflichten verrichtet habe.
a) Bei der Abgrenzung der acta iure imperii von den acta iure gestionis steht die Frage im Vordergrund, ob der Staat als Privatrechtssubjekt, wie ein Privater gehandelt hat (BGE 106 Ia 147 E. a, BGE 56 I 247 E. 2, BGE 44 I 54). Namhafte Autoren erblicken darin in Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Frage der Natur des Rechtsverhältnisses (BGE 106 Ia 145 E. b und c, BGE 104 Ia 374 E. a mit Verweisung, BGE 56 I 247 oben; MÜLLER/WILDHABER, S. 298; SCHAUMANN, in Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 8, Die Immunität ausländischer Staaten nach Völkerrecht und deutschem Zivilprozessrecht, S. 103 ff.; SEIDL-HOHENVELDERN, Neue Entwicklungen, S. 1087). Dabei ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass ein ernsthaftes Indiz für einen Akt iure gestionis vorliegt, wenn der fremde Staat mit dem Privaten ausserhalb seines Staatsgebiets in Beziehung getreten ist (BGE 104 Ia 371 oben, BGE 86 I 29 oben). Ferner hat sich die Qualifikation der Handlung am Sinn und Zweck der staatlichen Immunität zu orientieren. Dieser besteht in erster Linie im Schutz der hoheitlichen Funktionen des ausländischen Staates im Aussenbereich, in zweiter Linie im Schutz der Souveränität und Unabhängigkeit des ausländischen Staates sowie in der Verhütung internationaler Konflikte (SCHAUMANN, S. 63, 93; HERNDL, S. 443; SUY, in Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht, Bd. XII S. 110). Dabei sind den die Immunität rechtfertigenden Gründen das Interesse des Gerichtsstaates auf Ausübung seiner Gerichtshoheit und jenes des Klägers auf Rechtsschutz gegenüberzustellen und gegeneinander abzuwägen (SCHAUMANN, S. 60 f., 93; GAMILLSCHEG, Internationales Arbeitsrecht, S. 190). Die Tendenz in der neueren Lehre und Rechtsprechung geht eher dahin, den Bereich der staatlichen Immunität einzuschränken; namentlich die schweizerische Praxis neigt seit
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jeher in diese Richtung (HERNDL, S. 423, 437; vgl. ferner HABSCHEID, in Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, Heft 8, Die Immunität ausländischer Staaten nach Völkerrecht und deutschem Zivilprozessrecht, S. 217; Abs. 3 der Präambel des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität, das für die Schweiz am 7. Oktober 1982 in Kraft getreten ist (SR 0.273.1); allgemein und zur indischen Praxis im besonderen auch SINCLAIR, in Académie de droit international, Recueil des cours 1980 Bd. II, S. 194 ff.). b) Das Bundesgericht hatte sich bisher noch nie zur Frage zu äussern, ob die Begründung und Weiterführung eines Arbeitsverhältnisses zwischen einem ausländischen Staat und einem Botschaftsangestellten, der nicht Angehöriger dieses ausländischen Staates ist, als actum iure imperii anzusehen sei. In BGE 86 I 29 E. 3 wurde ein Vertrag, mit dem der Eigentümer sein Haus als Botschaftsgebäude vermietet hatte, als actum iure gestionis qualifiziert. Das Bundesgericht berücksichtigte dabei als Indiz, dass der ausländische Staat das Geschäft auf dem Gebiet eines andern Staates getätigt hatte und die diplomatischen Beziehungen zum andern Staat nicht betroffen waren. Ähnlich entschied im Ergebnis das deutsche Bundesverfassungsgericht zu einem Vertrag über Reparaturarbeiten an den Heizungsanlagen eines Botschaftsgebäudes (BVerfGE 16 (1964), 27, wiedergegeben bei MÜLLER/WILDHABER, S. 299 ff.). Anstelle des fremden Staates hätte irgendein Privater beide Verträge abschliessen können. Ebenso hätte im vorliegenden Fall anstelle des Beklagten irgendein Dritter den Kläger als Radiotelegraphisten anstellen können. Kein hinreichendes Kriterium ist, ob das zum Zweck der Nachrichtenvermittlung in einer diplomatischen Mission erfolgt ist, denn wollte man in dieser Art ganz generell auf den Zweck abstellen, so hätte auch in den beiden zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen die Staatenimmunität bejaht werden müssen. Es genügt daher nicht, anzunehmen, der Betrieb einer Mission gehöre zu den hoheitlichen Aufgaben eines Staates und die Anstellung von Personal zu diesem Zweck sei deshalb ein Akt iure imperii (so aber offenbar HERNDL, S. 431/32; ferner ausländische, namentlich ältere italienische Entscheidungen: vgl. bei GAMILLSCHEG, S. 404 f.; SCHAUMANN, S. 99/100). Der Zweck des Rechtsverhältnisses kann ein beachtenswerter, jedoch für sich allein kein hinreichender Hinweis auf die Rechtsnatur eines Verhältnisses sein (SCHAUMANN, S. 101 ff., 111, 124; CAHIER, Le droit diplomatique contemporain, 2. Aufl. S. 238).
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Kauf- und Mietverträge beispielsweise bleiben nichthoheitlicher Natur, auch wenn sie ein Botschaftsgebäude zum Gegenstand haben (SCHAUMANN, S. 81, 100, 111 ff., 148; SEIDL-HOHENVELDERN, Neue Entwicklungen, S. 1088 ff.). Der Entsendestaat wird namentlich nicht in seiner Tätigkeit auf fremdem Staatsgebiet beeinträchtigt, wenn Streitigkeiten aus derartigen Verträgen der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates unterliegen.
4. Arbeitsverhältnisse sind analog den erwähnten Miet- und Kaufverträgen zu qualifizieren. Kann der Entsendestaat bei Botschaftsangehörigen mit höheren Funktionen ein namhaftes Interesse daran haben, dass Rechtsstreitigkeiten, in die sie verwickelt sind, nicht vor fremden Gerichten ausgetragen werden, so liegen die Verhältnisse bei Angestellten mit niedrigen Chargen wesentlich anders. Die Gerichtsbarkeit kann hier in der Regel jedenfalls dann bejaht werden, wenn der Angestellte nicht Angehöriger des Entsendestaates ist und sich am Ort der Botschaft hat anwerben und anstellen lassen (ebenso Urteil des italienischen Kassationshofs vom 24.5.1956 und des Zivilgerichts Neapel vom 2.12.1957, bei GAMILLSCHEG, S. 406). Der Entsendestaat wird damit in der Erfüllung seiner Aufgaben nicht behindert. a) Ob der Kläger zu Beginn seiner Anstellung in einer untergeordneten Funktion tätig war, könnte allenfalls zweifelhaft sein. Nach der schweizerischen Regelung für die analoge Funktion der Telegraphisten wäre die Frage zu bejahen (vgl. nachstehend d). Später jedenfalls verrichtete der Kläger während vielen Jahren eindeutig untergeordnete Arbeiten. Inwiefern der Streit über Ansprüche aus seiner Tätigkeit insgesamt vor einem fremden Gericht die Interessen des Beklagten, namentlich die Erfüllung seiner diplomatischen Aufgaben, gefährdet oder gar behindert, ist nicht einzusehen und wird vom Beklagten auch nicht dargetan. Seiner Berufung auf die staatliche Immunität stehen vielmehr gewichtige und letztlich überwiegende Interessen des Klägers gegenüber. Er hatte als italienischer Staatsangehöriger von allem Anfang an keine Beziehung zu Indien, und auch seine Tätigkeit in der Mission konnte, weil sie hauptsächlich untergeordneter Art war, keine solche herstellen. Er wurde überdies ausserhalb des Entsendestaates angeworben und angestellt. Es ist ihm deshalb nicht zuzumuten, dass er sein Recht vor indischen Gerichten suchen muss. b) Gegen die Annahme eines hoheitlichen Rechtsverhältnisses sprechen auch die Umstände des Briefs der indischen Botschaft vom 11. Dezember 1957 an den Kläger, wonach er den "standing
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administrative regulations applicable to the locally recruited employees in this Mission" unterstehen sollte. Die Vorinstanz schliesst nicht aus, dass die "administrative regulations" allenfalls Aufschluss über die Natur des Rechtsverhältnisses hätten geben können. Der Beklagte brachte sie jedoch nicht bei, so dass die Vorinstanz zu Recht annehmen durfte, es liege ein weiteres Indiz für ein actum iure gestionis vor. Ausserdem machte er weder im kantonalen Verfahren noch vor Bundesgericht geltend, der Prozess über die eingeklagten Ansprüche zwänge ihn, staatliche Geheimnisse preiszugeben. Gleichwohl behauptet er in der Berufung weiterhin, es komme indisches öffentliches Recht zur Anwendung und eine andere Lösung widerspreche dem Wiener Übereinkommen. Er vermag jedoch keine Bestimmung des Übereinkommens zu nennen, aus der sich das ergeben soll. Im Schreiben vom 3. Februar 1983 erklärte der Botschafter der Beklagten: "According to the general practice based on administrative resolutions all members of the administrative and technical staff of a diplomatic mission and enjoying the immunities provided for in the Vienna Convention on Diplomatic Relations are regarded to be officers of the Government whose position is not susceptible to be determined or modified by way of contractual stipulations." Der Nachweis, dass der Kläger von der geltend gemachten Praxis bei Abschluss des Anstellungsvertrages Kenntnis hatte, fehlt indessen, so dass sie ihm unter den bekannten Umständen nicht nachträglich vorgehalten werden darf. c) Das Bundesamt für Justiz weist in seinem Gutachten im Sinne eines weiteren Anhaltspunktes auf das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität (SR 0.273.1) hin. Dieses Übereinkommen ist im Verhältnis zwischen der Schweiz und Indien nicht anwendbar; allein es können ihm auch Staaten beitreten, die nicht Mitglieder des Europarates sind (Art. 37). Das Bundesgericht nahm auf es als Ausdruck der Entwicklungstendenz des Völkerrechts bereits Bezug, als ihm die Schweiz noch nicht beigetreten war (BGE 104 Ia 368 E. a, 372/73). Das heisst freilich nicht, das Übereinkommen spiegle den gegenwärtigen Stand des Völkergewohnheitsrechts wieder. So erklärte das Bundesgericht im Zusammenhang mit einem Vollstreckungsverfahren, dem Übereinkommen lägen Anschauungen zugrunde, die mit seiner Rechtsprechung nicht ohne weiteres vereinbar seien (Urteil vom 20. Juli 1979 i.S. République Arabe d'Egypte gegen Cinetelevision International Registered Trust et Office des poursuites de Genève, in SJIR
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1981/XXXVII, S. 211). Das Übereinkommen kann ferner dort von vornherein nicht Ausdruck des bestehenden Völkergewohnheitsrechts sein, wo es einem seiner wesentlichen Ziele entsprechend die Schwierigkeiten aus dem Weg räumen will, die in der Vergangenheit bei der Bestimmung des Ausmasses der gerichtlichen Immunität aufgetreten sind (dazu vgl. Botschaft in BBl 1981 II S. 982, 984). Das gilt insbesondere für Art. 5 des Übereinkommens, der eine "besondere Regelung" enthält und allein aus der Sicht der Vertragsparteien gerechtfertigt erschien (Botschaft, S. 986). Gemäss Abs. 1 dieser Bestimmung besteht für Verfahren zwischen einem Staat und einer natürlichen Person über einen Arbeitsvertrag, der im Gerichtsstaat zu erfüllen ist, keine Immunität von der Gerichtsbarkeit. Nach Abs. 2 lit. b gilt diese Regel allerdings dann nicht, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder Angehöriger des Gerichtsstaates war noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat hatte. Man könnte sich nun streiten, wo der Kläger im Dezember 1957 seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Wäre das Rom gewesen, so läge ein Argument zur Bejahung der Immunität vor. Die Frage kann freilich offen gelassen werden, denn die Auffassung, dass im vorliegenden Fall auf den gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen sei, überzeugt kaum. Zumindest für langjährige Anstellungsverhältnisse muss eine Ausnahme möglich sein, um so mehr, als nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung in der Tatsache, dass der ausländische Staat mit dem Privaten ausserhalb seines Staatsgebiets in Beziehung getreten ist, ein ernsthaftes Indiz für einen Akt iure gestionis liegt (BGE 104 Ia 371 oben, BGE 86 I 29 oben). Mit der Vorinstanz ist daher in Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens ein Indiz für ein nichthoheitliches Rechtsverhältnis zwischen den Parteien zu erblicken. d) Nach Auffassung des Bundesamtes für Justiz im erwähnten Gutachten erlaubt die Praxis der europäischen Staaten, namentlich jene der Schweiz, nicht, ein hoheitliches Rechtsverhältnis anzunehmen. Die Weisung 240 des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) unterwerfe das Anstellungsverhältnis der nicht der Angestelltenordnung unterstellten ausländischen Lokalangestellten im Ausland in der Regel dem privaten Lokalrecht, und nur soweit dieses keine Bestimmungen enthalte, fänden die Normen der Weisung Anwendung. Die Erwägung trifft zu. Die Weisung gilt regelmässig für die am Ort der Botschaft angestellten ausländischen Staatsangehörigen mit
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untergeordneten Funktionen, namentlich für Büropersonal (Sachbearbeiter, Telephonisten, Übersetzer, Bürogehilfen; vgl. auch CAHIER, S. 86). Art. 1 Abs. 3 der Verordnung über das Dienstverhältnis der Angestellten der allgemeinen Bundesverwaltung und der Post-, Telephon- und Telegraphenbetriebe vom 10. November 1959 (Angestelltenverordnung) sieht ausdrücklich vor, dass, wenn das EDA Ausländer nach ausländischem Recht anstellt, die Angestelltenverordnung nur im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Personalamt zur Anwendung kommt. Art. 7 des Reglements des schweizerischen diplomatischen und konsularischen Dienstes vom 24. November 1967 (SR 191.1) ermächtigt seinerseits die Missions- und Postenchefs, im Rahmen der Gesetzgebung des Empfangsstaates an Ort und Stelle Hilfspersonal schweizerischer oder ausländischer Staatsangehörigkeit anzustellen. Die Dienstverträge unterliegen dem schweizerischen Recht, wenn anwendbare Gesetzesvorschriften fehlen. Gemäss schweizerischer Ordnung ist der Vertrag zwischen den Parteien daher eindeutig als privatrechtliches Rechtsgeschäft zu qualifizieren (siehe ferner RHINOW, Privatrechtliche Arbeitsverhältnisse in der öffentlichen Verwaltung, in Festschrift Vischer, S. 429 Anm. 2), womit ein weiteres Indiz für die Annahme eines Akts iure gestionis vorliegt.
5. In Würdigung aller relevanten Elemente ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien daher dem nichthoheitlichen Tätigkeitsbereich des Beklagten zuzuordnen und folglich die schweizerische Gerichtsbarkeit zu bejahen, da auch die dazu notwendige Binnenbeziehung der Streitsache zum schweizerischen Staatsgebiet unbestrittenermassen vorliegt.