Urteilskopf

110 Ia 87

18. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. Juli 1984 i.S. C. gegen O. (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Erwägungen ab Seite 87

BGE 110 Ia 87 S. 87

Aus den Erwägungen:

3. Das Obergericht und das Kassationsgericht des Kantons Zürich haben unter Hinweis darauf, dass dem Beschwerdeführer
BGE 110 Ia 87 S. 88

von der Vormundschaftsbehörde ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt worden ist, die Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters als nicht notwendig abgelehnt, da § 87 ZPO ZH eine solche Anordnung davon abhängig mache, dass eine Partei für die gehörige Führung des Prozesses eines unentgeltlichen Rechtsvertreters bedürfe. Sie sind davon ausgegangen, dass die Frage, wer am Ende die Kosten der Vertretung des Beschwerdeführers zu tragen habe, von der Frage des Bedürfnisses nach der Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes zu trennen sei. In der Beschwerde wird demgegenüber die Auffassung vertreten, die Ablehnung der Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters in einem Fall wie dem vorliegenden, wo ein Rechtsanwalt zum vormundschaftlichen Beistand bestellt worden sei, sei vor Art. 4
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 4 Langues nationales - Les langues nationales sont l'allemand, le français, l'italien et le romanche.
BV nicht haltbar. Der Beschwerdeführer habe vielmehr unmittelbar aufgrund dieser Bestimmung der Bundesverfassung Anspruch auf einen Armenanwalt. Dieser Anspruch könne nicht entfallen, weil die zuständige Vormundschaftsbehörde nicht einen Laien, sondern einen Anwalt mit der Interessenwahrung betraut habe.
4. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts hat eine bedürftige Person in einem für sie nicht aussichtslosen Zivilprozess unmittelbar aufgrund von Art. 4
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BV Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und auf Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, sofern sie eines solchen zur gehörigen Wahrung ihrer Interessen bedarf (BGE 104 Ia 32 E. 2 und 73 E. 1, BGE 99 Ia 327 E. 2 mit Hinweisen). Ob dieser Anspruch verletzt sei, prüft das Bundesgericht in rechtlicher Hinsicht frei (BGE 109 Ia 7 E. 1, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob der unmittelbar aus Art. 4
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BV fliessende Armenrechtsanspruch dadurch verletzt worden sei, dass die Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes unter Hinweis auf die Bestellung eines Rechtsanwaltes zum vormundschaftlichen Beistand des Beschwerdeführers als unnötig abgelehnt wurde. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers lässt sich aus dem Entscheid des Bundesgerichts vom 30. April 1984 über die beiden im gleichen Prozess erhobenen staatsrechtlichen Beschwerden in bezug auf diese Frage nichts ableiten. Wenn das Bundesgericht den Beistand des Beschwerdeführers damals zu dessen unentgeltlichem Rechtsbeistand ernannt hat, so geschah dies nicht aufgrund des unmittelbar aus Art. 4
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BV fliessenden Armenrechtsanspruchs, sondern in Anwendung der Bestimmungen
BGE 110 Ia 87 S. 89

des OG, die sich nicht auf den verfassungsmässigen Minimalanspruch beschränken. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts zu der hier zu entscheidenden Frage lässt keine eindeutige Antwort zu. In BGE 78 I 1 ff. hatte das Bundesgericht die Auffassung vertreten, der von der Vormundschaftsbehörde als Beistand eines Kindes im Ehelichkeitsanfechtungsprozess bestellte Rechtsanwalt sei grundsätzlich als unentgeltlicher Rechtsbeistand zu ernennen, sofern das Kind zur Führung des Prozesses überhaupt eines Anwaltes bedürfe. Das Schwergewicht des betreffenden Urteils lag jedoch auf der Frage, ob die kantonale Instanz die Aussichtslosigkeit des Prozessstandpunktes des Kindes ohne Verletzung von Art. 4
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BV habe bejahen dürfen. In BGE 89 I 1 ff. wurde der Anspruch eines Kindes auf einen Armenanwalt im Ehelichkeitsanfechtungsprozess verneint, da es in jenem Fall als Pflicht der Vormundschaftsbehörde Basel-Stadt betrachtet wurde, als Beistand zur Wahrung der Interessen des Kindes im Prozess eine Person zu bestellen, die den Prozess selber führen konnte. Nur wenn eine solche Person im Vormundschaftskreis nicht zu finden gewesen wäre, hätte das Bundesgericht den Anspruch auf Ernennung eines Armenanwalts bejaht. In BGE 99 Ia 430 ff. wurde jedoch unter entsprechender Einschränkung des zuletzt zitierten Urteils der Anspruch eines ausserhalb der Ehe geborenen Kindes, zu dessen Beistand von der zuständigen Vormundschaftsbehörde ein Landwirt bestellt worden war, auf Ernennung eines Armenanwalts zur Führung des Vaterschaftsprozesses bejaht. Es wurde ausgeführt, der verfassungsmässige Armenrechtsanspruch müsse der bevormundeten oder verbeiständeten Partei offen stehen wie jedem anderen Rechtssuchenden; massgebend könne einzig sein, ob sie selber arm sei; die Verweisung des Kindes auf den von der Vormundschaftsbehörde zu bestellenden Prozessvertreter könne daher den Anspruch, im Armenrecht einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu erhalten, nicht aufwiegen. In BGE 100 Ia 119 E. 8 schliesslich hat das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Beurteilung der staatsrechtlichen Beschwerde eines Kindes wegen Verweigerung des Armenrechts für einen als aussichtslos betrachteten Vaterschaftsprozess ausgeführt, es bestehe kein Anlass, den Beistand des Kindes, einen praktizierenden Anwalt, zum Armenanwalt für das Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht zu ernennen, da dieser in seiner Eigenschaft als Beistand über die nötigen juristischen Kenntnisse verfüge, um die Interessen des Kindes vor Bundesgericht
BGE 110 Ia 87 S. 90

zu wahren; die Anwaltsentschädigung für dieses Verfahren gehöre zu den Kosten der Beistandschaft. Unter dem Gesichtspunkt des unmittelbar aus Art. 4
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BV fliessenden Armenrechtsanspruchs kommt es allein darauf an, dass einer bedürftigen Partei der Zugang zum Gericht nicht infolge ihrer Bedürftigkeit verwehrt oder erschwert ist. Dieser durch die Verfassung garantierte Minimalanspruch umfasst indessen nicht auch das Recht, von Verfahrens- oder Vertretungskosten überhaupt befreit zu werden (BGE 99 Ia 439 E. 2, BGE 97 I 630 f., BGE 69 I 159 ff., BGE 67 I 67 ff.). Eine Partei, die über einen geeigneten rechtskundigen Vertreter verfügt, der zu ihrer Vertretung im Prozess nicht nur in der Lage, sondern ohne Vorschiessung der Kosten auch bereit oder verpflichtet ist, kann daher nicht unter Berufung auf Art. 4
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BV die Ernennung eines Armenanwalts verlangen. Ein solcher Fall liegt hier vor, da Rechtsanwalt Markus Bucher ausdrücklich mit dem Auftrag zum Beistand des Beschwerdeführers bestellt worden ist, diesen im hängigen Prozess zu vertreten. Ist aber von der zuständigen Vormundschaftsbehörde für die rechtskundige Vertretung des Kindes in dieser Weise Vorsorge getroffen worden, durften die zürcherischen Instanzen die Notwendigkeit der Ernennung eines Armenanwalts verneinen, ohne den unmittelbar aus Art. 4
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BV fliessenden Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu verletzen. Unter dem Gesichtspunkt dieses Anspruchs ist nicht wesentlich, wer letzten Endes die Kosten der Prozessvertretung trägt und nach welchen Regeln sich der Entschädigungsanspruch des Vertreters richtet. Massgebend ist allein, dass die erforderliche Vertretung der Kindesinteressen im Prozess gesichert ist. Das ist hier der Fall, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.