Urteilskopf

104 IV 140

34. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. April 1978 i.S. Liwo GmbH gegen Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Wallis
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Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 141

BGE 104 IV 140 S. 141

A.- Am 14. Dezember 1976 erhob der Walliser Lebensmittelinspektor bei der Coop Oberwallis in Glis/Brig eine Probe aus einer Flasche Williams-Branntwein mit der Etikette "Fine eau-de-vie de poires Williams du Valais 41o, distillé par LIWO Distillerie Worb."
B.- Das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Wallis verurteilte die Liwo Distillerie GmbH Worb (im folgenden "Liwo" genannt) zu einer Busse von Fr. 200.- wegen Übertretung des Staatsratsbeschlusses vom 30. April 1969 betreffend Branntwein aus Walliser Williamsbirnen und Art. 8 und 15 der Lebensmittelverordnung, weil sie "Fine eau-de-vie de poires Williams du Valais" in Verkehr gebracht habe, welcher nicht mit dem im Staatsratsbeschluss vorgeschriebenen Qualitäts-Label versehen war.
C.- Auf Beschwerde der Liwo hat der Staatsrat des Kantons Wallis am 9. Dezember 1977 einerseits Art. 3 Abs. 2 des Staatsratsbeschlusses vom 30. April 1969 als bundesverfassungswidrig aufgehoben und die Veröffentlichung der Aufhebung angeordnet anderseits aber die Bussenverfügung bestätigt. Der Entscheid des Staatsrates beruft sich für die Busse besonders auf Art. 41 Abs. 1
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 41 Vollzug in der Armee - 1 In ortsfesten Anlagen, die von der Armee benützt werden, vollzieht der Bund die Lebensmittelkontrolle soweit möglich durch die kantonalen Vollzugsbehörden.
1    In ortsfesten Anlagen, die von der Armee benützt werden, vollzieht der Bund die Lebensmittelkontrolle soweit möglich durch die kantonalen Vollzugsbehörden.
2    Im Übrigen sorgt die Armee selbst dafür, dass die Anforderungen dieses Gesetzes eingehalten werden.
3    Der Bundesrat regelt die Zuständigkeiten und das Verfahren.
des Lebensmittelgesetzes (LMG), Art. (8 und) 15 Abs. 1 und 487 der Lebensmittelverordnung (LMV) und Art. 47 lit. a
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 41 Vollzug in der Armee - 1 In ortsfesten Anlagen, die von der Armee benützt werden, vollzieht der Bund die Lebensmittelkontrolle soweit möglich durch die kantonalen Vollzugsbehörden.
1    In ortsfesten Anlagen, die von der Armee benützt werden, vollzieht der Bund die Lebensmittelkontrolle soweit möglich durch die kantonalen Vollzugsbehörden.
2    Im Übrigen sorgt die Armee selbst dafür, dass die Anforderungen dieses Gesetzes eingehalten werden.
3    Der Bundesrat regelt die Zuständigkeiten und das Verfahren.
der Vollziehungsbestimmungen des Kantons Wallis zum eidg. Lebensmittelgesetz und zur eidg. Lebensmittelverordnung gemäss grossrätlichem Dekret vom 13. Mai 1966.
D.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt die Liwo, der Staatsratsentscheid vom 9. Dezember 1977 sei aufzuheben, soweit sie gebüsst und mit Kosten belastet wurde. Der Staatsrat beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Gesetzliche Ausnahmen vorbehalten, sind juristische Personen nicht strafbar. An ihrer Stelle haften die Organe usw., die für sie gehandelt haben (BGE 82 IV 45 b, BGE 85 IV 97 E. 2, BGE 90 IV 116 E. 1, BGE 97 IV 203 E. 1b, BGE 100 IV 39 E. 2). Das Justiz- und Polizeidepartement hat die "Liwo-Distillerie, Worb" gebüsst. Namens dieser Firma hat die Rechtsabteilung der Coop Schweiz Beschwerde erhoben. Im angefochtenen
BGE 104 IV 140 S. 142

Staatsratsentscheid wird die "Liwo-Distillerie, Worb", eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, als Partei aufgeführt. Auch im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht erscheint sie unbestritten als Gebüsste und Partei. Dass in den Akten neben der Liwo mitunter auch deren Direktor als Partei genannt ist, Ist unerheblich. Die Lebensmittelgesetzgebung des Bundes enthält keine Vorschrift, wonach die juristische Person, in deren Bereich die strafbare Handlung begangen wurde, strafbar ist, so dass gemäss Art. 333 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 333 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
1    Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Taten, die in andern Bundesgesetzen mit Strafe bedroht sind, insoweit Anwendung, als diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen.
2    In den anderen Bundesgesetzen werden ersetzt:
a  Zuchthaus durch Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr;
b  Gefängnis durch Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe;
c  Gefängnis unter sechs Monaten durch Geldstrafe, wobei einem Monat Freiheitsstrafe 30 Tagessätze Geldstrafe zu höchstens 3000 Franken entsprechen.
3    Wird Haft oder Busse oder Busse allein als Höchststrafe angedroht, so liegt eine Übertretung vor. Die Artikel 106 und 107 sind anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974492 über das Verwaltungsstrafrecht. Eine Übertretung ist die Tat auch dann, wenn sie in einem anderen Bundesgesetz, welches vor 1942 in Kraft getreten ist, mit einer Gefängnisstrafe bedroht ist, die drei Monate nicht übersteigt.
4    Vorbehalten sind die von Absatz 2 abweichenden Strafdauern und Artikel 41 sowie die von Artikel 106 abweichenden Bussenbeträge.
5    Droht ein anderes Bundesgesetz für ein Verbrechen oder Vergehen Busse an, so ist Artikel 34 anwendbar. Von Artikel 34 abweichende Bemessungsregeln sind nicht anwendbar. Vorbehalten bleibt Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht. Ist die Busse auf eine Summe unter 1 080 000 Franken begrenzt, so fällt diese Begrenzung dahin. Ist die angedrohte Busse auf eine Summe über 1 080 000 Franken begrenzt, so wird diese Begrenzung beibehalten. In diesem Fall ergibt der bisher angedrohte Bussenhöchstbetrag geteilt durch 3000 die Höchstzahl der Tagessätze.
6    ...493
6bis    Wird eine Tat mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe mit einer Mindestanzahl Tagessätzen bedroht, so gilt diese Untergrenze auch für die Mindestanzahl Tage Freiheitsstrafe.494
7    Die in andern Bundesgesetzen unter Strafe gestellten Übertretungen sind strafbar, auch wenn sie fahrlässig begangen werden, sofern nicht nach dem Sinne der Vorschrift nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist.
StGB die allgemeine Ordnung gilt und die juristische Person nicht straffähig ist. Insbesondere findet Art. 7 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974, der unter gewissen Voraussetzungen die Strafbarkeit der juristischen Person anstelle der handelnden natürlichen Personen zulässt, hier nicht Anwendung. Denn die Verfolgung und Beurteilung von Übertretungen der eidgenössischen Lebensmittelgesetzgebung obliegt den Kantonen, sodass das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht nicht anwendbar ist (Art. 56 Abs. 1
SR 817.0 Bundesgesetz vom 20. Juni 2014 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) - Lebensmittelgesetz
LMG Art. 56 Schweigepflicht - Personen, die mit dem Vollzug dieses Gesetzes beauftragt sind, unterstehen der Schweigepflicht. Die Artikel 24 und 60 bleiben vorbehalten.
LMG, Art. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 1 - Ist die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen, so findet dieses Gesetz Anwendung.
VStrR). Ist aber die Liwo als juristische Person nicht strafbar, muss ihre Verurteilung wegen Verletzung von Bundesrecht aufgehoben werden. Zwar hat sich die Beschwerdeführerin nicht auf den Grundsatz "societas delinquere non potest" berufen. Das schadet ihr indessen nicht. Denn sie hat Aufhebung der Bestrafung beantragt, und aus der Begründung ergibt sich, dass sie damit auch Rückweisung zum Freispruch erreichen will. Die Aufhebung und die Rückweisung zum Freispruch gehen daher nicht über den Antrag der Beschwerdeführerin hinaus. Der Kassationshof ist an die Beschwerdebegründung nicht gebunden (Art. 277bis
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 1 - Ist die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen, so findet dieses Gesetz Anwendung.
BStP).
3. Die Vorinstanz ist allerdings der Ansicht, auch Art. 15 Abs. 1 und eventuell Art. 8 LMV seien verletzt. Wenn eine Williamsbranntwein-Flasche auf der Etikette den Herkunftsvermerk "du Valais" trage, ohne dass ihr Inhalt eine Echtheits- und Qualitätskontrolle gemäss den Vorschriften des Staatsratsbeschlusses vom 30. April 1969 betreffend Branntwein aus Walliser Williamsbirnen bestanden habe, bestehe keine Gewähr für die Herkunft und die Natur des Branntweins; die Liwo könne denn auch keinen Beleg über die Qualitätskontrolle vor dem Einmischen vom Zentralamt des Walliser
BGE 104 IV 140 S. 143

Früchte- und Gemüseverbandes bzw. einem kantonalen Lebensmittelinspektor vorweisen. Diese Begründung geht fehl. a) Gemäss Art. 8 LMV dürfen Lebensmittel nicht verfälscht sein. Werden sie als vollwertig ausgegeben, dürfen sie nicht verunreinigt, ganz oder teilweise verdorben oder sonst im Wert verringert sein. Der angefochtene Entscheid stellt weder das eine noch das andere fest. Eine solche Feststellung liegt auch nicht in dem Hinweis, der Beschwerdeführer habe sich nicht der Kontrolle unterzogen, der gemäss Staatsratsbeschluss vom 30. April 1969 diejenigen unterstehen, die für ihr Produkt die Qualitätsmarke verwenden. Denn die Liwo hat die Qualitätsmarke gerade nicht verwendet und war daher dieser zusätzlichen Kontrolle nicht unterworfen. Auch Art. 409 Abs. 3 LMV verpflichtet die Liwo nicht, die Qualitätsmarke gemäss Staatsratsbeschluss zu verwenden. Schon gar nicht geht es an, dem Beschwerdeführer vorzuwerfen, sich dieser Marke nicht bedient zu haben, nachdem bis zum 9. Dezember 1977 (Fällung des angefochtenen Entscheides) gemäss Art. 3 Abs. 2 des Staatsratsbeschlusses vom 30. April 1969 und der Praxis auswärtigen Distilleuren die Verwendung der Qualitätslabel versagt blieb. Mit der blossen Feststellung, die Liwo habe sich den für die Qualitätsmarke erforderlichen Kontrollen nicht unterzogen, ist deshalb keineswegs positiv festgestellt, dass der Williams-Branntwein der Liwo verfälscht oder wertvermindert ist. Diese Feststellung wäre aber für eine Verurteilung gemäss Art. 8 LMV nötig gewesen. b) Nicht anders steht es mit Art. 15 Abs. 1 LMV. Darnach dürfen für Lebensmittel verwendete Bezeichnungen, Angaben, Abbildungen, Packungen und Packungsaufschriften sowie Arten der Aufmachung nicht zur Täuschung über Natur, Herkunft, Menge, Gewicht usw. der betreffenden Lebensmittel geeignet sein. Inwiefern die beanstandete Etikette der Liwo zur Täuschung Anlass geben könnte, wird nicht gesagt. Das wäre nur der Fall, wenn die Etikette vortäuschen könnte, die Williamsbirnen, die von der Liwo zur Herstellung des Branntweins verwendet wurden, stammten aus dem Wallis, während dies in Wirklichkeit nicht zuträfe. Dass aber die Williamsbirnen nicht im Wallis erzeugt wurden, ist nicht festgestellt worden. Zwar wurde ausserhalb des Kantons Wallis distilliert. Das steht aber gut sichtbar und klar unten auf der Etikette geschrieben:
BGE 104 IV 140 S. 144

"Distillé par Liwo Distillerie Worb". Die Etikette gibt auch nicht in anderer Weise Anlass zur Täuschung. Die Qualitätslabel gemäss Staatsratsbeschluss vom 30. April 1969 wurden nicht verwendet und damit auch nicht mittelbar vorgetäuscht, die in diesem Beschluss vorgeschriebenen Kontrollen (Art. 4 und 9) hätten stattgefunden.
Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, Ziffern 1 und 4 des Urteilsspruchs des Staatsrates des Kantons Wallis vom 9. Dezember 1977 aufgehoben und die Sache zur Einstellung des Verfahrens oder zum Freispruch an die Vorinstanz zurückgewiesen.