Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1C 240/2014
Urteil vom 24. Oktober 2014
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Stohner.
Verfahrensbeteiligte
A. und B. C.________
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Lüthi,
gegen
D. und E. F.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Fürsprecher Michael Ueltschi,
Einwohnergemeinde Saanen, Baubewilligungsbehörde, Gemeindeverwaltung, 3792 Saanen,
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Rechtsamt, Reiterstrasse 11, 3011 Bern.
Gegenstand
Baubewilligung,
Beschwerde gegen das Urteil vom 4. April 2014 des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern.
Sachverhalt:
A.
Am 16. Mai 2012 stellten D. und E. F.________ bei der Einwohnergemeinde Saanen ein Baugesuch für den Abbruch und den Neubau eines Einfamilienchalets auf der in der Wohnzone W2 gelegenen Parzelle Gbbl. Nr. 3698. Mit Gesamtentscheid vom 10. Oktober 2012 erteilte die Einwohnergemeinde Saanen die Baubewilligung und wies die erhobenen Einsprachen ab.
Dagegen erhoben unter anderem die Einsprecher A. und B. C.________ am 13. November 2012 Beschwerde bei der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (BVE). A. und B. C.________ sind Eigentümer von Grundstücken, welche an die Parzelle Gbbl. Nr. 3698 angrenzen. Im Verfahren vor der BVE sicherten D. und E. F.________ zu, dass der Neubau künftig als Erstwohnung genutzt werde. Mit Entscheid vom 2. Dezember 2013 hiess die BVE die Beschwerde teilweise gut und ergänzte die Baubewilligung mit einem Hinweis auf die Rechtsverwahrung von A. und B. C.________ und mit der Auflage, dass das Einfamilienchalet nur als Erstwohnung genutzt werden darf. lm Übrigen wies sie die Beschwerde ab.
Die von A. und B. C.________ am 31. Dezember 2013 erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 4. April 2014 ab.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 14. Mai 2014 beantragen A. und B. C.________, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 4. April 2014 sei bezüglich der Qualifikation des Bauvorhabens als Erstwohnung aufzuheben und es sei der Bauabschlag zu erteilen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur materiellen Entscheidfindung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegner, die BVE, das Verwaltungsgericht und das Bundesamt für Raumentwicklung ARE beantragen in ihren Vernehmlassungen die Beschwerdeabweisung. Die Einwohnergemeinde Saanen hat sich nicht geäussert. Die Beschwerdeführer verzichten auf eine weitere Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid des Verwaltungsgerichts steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a und 86 Abs. 1 lit. d BGG). Die Beschwerdeführer sind als Nachbarn zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
2.1. Am 11. März 2012 ist mit Annahme der Volksinitiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!" Art. 75b BV in Kraft getreten (vgl. Art. 195 BV i.V.m. Art. 15 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte [BPR; SR 161.1]; BGE 139 II 243 E. 8 S. 248 f.). Die neue Verfassungsnorm bestimmt, dass der Anteil von Zweitwohnungen am Gesamtbestand der Wohneinheiten und der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche einer Gemeinde auf höchstens 20 % beschränkt ist. Art. 75b Abs. 1 BV ist seit seinem Inkrafttreten anwendbar. Zwar bedarf die Bestimmung in weiten Teilen der Ausführung durch ein Bundesgesetz. Unmittelbar anwendbar ist sie jedoch insoweit, als sie (in Verbindung mit Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV) ein Baubewilligungsverbot für Zweitwohnungen in allen Gemeinden anordnet, in denen der 20 %-Anteil bereits erreicht oder überschritten ist (BGE 139 II 243 E. 9 ff. S. 249 ff.).
Nach Art. 4 der Verordnung über Zweitwohnungen vom 22. August 2012 (SR 702; Zweitwohnungsverordnung) dürfen in Gemeinden mit einem Anteil von mehr als 20 % Zweitwohnungen Bewilligungen nur für den Bau von Wohnungen erteilt werden, die als Erstwohnungen (lit. a) oder als qualifiziert touristisch bewirtschaftete Wohnungen (vgl. lit. b) genutzt werden. Vorliegend steht die Anwendung von Art. 4 lit. a Zweitwohnungsverordnung in Frage. Gemäss Art. 6 Abs. 2 Zweitwohnungsverordnung ist in diesen Fällen das Grundbuchamt in der Bewilligung anzuweisen, auf dem Grundbuchblatt des betroffenen Grundstücks die Anmerkung "Erstwohnung" anzubringen (vgl. auch das Merkblatt des ARE für die Erteilung von Baubewilligungen, S. 1).
2.2. Das Baugesuch der Beschwerdegegner wurde am 16. Mai 2012 und damit nach lnkrafttreten von Art. 75b BV eingereicht. In der Einwohnergemeinde Saanen beträgt der Zweitwohnungsanteil unbestrittenermassen mehr als 20 % (vgl. Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Anhang Zweitwohnungsverordnung, Gemeinde Nr. 843). Die BVE erteilte die Baubewilligung daher unter der Auflage, dass das Einfamilienchalet als Erstwohnung genutzt werden muss, und wies die Einwohnergemeinde Saanen an, die Anmerkung "Erstwohnung" beim Grundbuchamt zu veranlassen (Art. 4 lit. a i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Zweitwohnungsverordnung).
Die Vorinstanz hat den Entscheid der BVE bestätigt. Sie hat zusammenfassend erwogen, die Kontrolle der Nutzungsbeschränkung nach der Bauvollendung obliege der Baupolizeibehörde. Die BVE habe deshalb keine weiteren Abklärungen zur späteren Nutzung als Erstwohnung vornehmen müssen.
2.3. Die Beschwerdeführer bringen vor, es bestünden begründete Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der angeordneten Nutzungsbeschränkung. Die Beschwerdegegner hätten die Baupläne nie angepasst, d.h. es sei immer noch für jedes Schlafzimmer ein Badezimmer vorgesehen. Ihren Wohnsitz hätten die Beschwerdegegner nach wie vor nicht nach Saanen verlegt. Ihr Lebensmittelpunkt befinde sich in Muri bei Bern, wo sie Eigentümer einer grossen Villa seien, die sie seit Jahrzehnten bewohnten. Zudem seien sie Eigentümer eines weiteren Ferienchalets in der Gemeinde Saanen, welches als Altersresidenz besser geeignet sei als das projektierte Chalet. All dies mache deutlich, dass die Zustimmung der Beschwerdegegner zur Nutzungsbeschränkung nur vorgeschoben sei und dass sie gar nicht die Absicht hätten, das Chalet als ihre Erstwohnung zu nutzen.
2.4. Die Beschwerdegegner führen in ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht vom 23. Juni 2014 aus, sie würden die ihnen auferlegte Nutzungsverpflichtung selbstverständlich befolgen und beabsichtigten in keiner Art und Weise, irgendwelche Bestimmungen und Vorschriften zu umgehen. Es sei jedoch ihnen zu überlassen, von wem das Chalet als Erstwohnung genutzt werde. Denkbar sei, dass ihre Tochter dort Wohnsitz nehmen oder aber dass das Chalet an eine ortsansässige Person vermietet werde.
2.5. Den Beschwerdegegnern ist zuzustimmen, dass das Chalet nicht zwingend von ihnen selbst, sondern auch von Drittpersonen als Erstwohnung genutzt werden kann. Der fehlende Wohnsitz der Beschwerdegegner in Saanen und der Umstand, dass sie weitere Liegenschaften besitzen, können deshalb entgegen den Ausführungen in der Beschwerde nicht als Hinweis auf eine bestehende Umgehungsabsicht gedeutet werden. Gleiches gilt für die Tatsache, dass gemäss den Bauplänen zu jedem Schlafzimmer ein Badezimmer erstellt werden soll, schliesst dies doch, wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, die Nutzung des Chalets als Erstwohnung keineswegs aus.
Wie die Vorinstanz des Weiteren zu Recht festgehalten hat, wird die Einhaltung der Nutzungsbeschränkung nach Bauabschluss von der Baupolizeibehörde zu kontrollieren sein (vgl. Aldo Zaugg/Peter Ludwig, Kommentar zum bernischen BauG, Band I, 4. Aufl. 2013, Art. 45 N. 2). Mangels konkreter Indizien für eine Umgehungsabsicht (vgl. auch Urteil 1C 874/2013 vom 4. April 2014 E. 4.5) mussten die Vorinstanzen insoweit den Sachverhalt nicht vertiefter abklären und keine weiteren Beweise abnehmen. Die Vorinstanzen haben sich daher weder eine willkürliche, weil unvollständige Sachverhaltsfeststellung noch eine Gehörsverletzung zu Schulden kommen lassen.
Die Vorbringen der Beschwerdeführer erweisen sich damit als unbegründet.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Gerichtskosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind den unterliegenden Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die kommunalen und kantonalen Behörden haben keinen Anspruch auf eine Entschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Einwohnergemeinde Saanen, der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Raumentwicklung ARE schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. Oktober 2014
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Stohner