Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B 729/2009

Urteil vom 9. Oktober 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Ferrari, Mathys,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, 8021 Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Rechtsverzögerung.

Erwägungen:

1.
Vor dem Obergericht des Kantons Zürich ist ein Verfahren betreffend die Verwahrungsüberprüfung des Beschwerdeführers sowie ein weiteres betreffend die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug hängig. Der Beschwerdeführer gelangt mit einer Rechtsverzögerungsbeschwerde direkt an das Bundesgericht. Er macht geltend, die Überprüfung der Verwahrung hätte gemäss Ziff. 2 Abs. 2 der Schlussbestimmungen des StGB (SchlBestStGB) innerhalb von 12 Monaten seit dem Inkrafttreten des neuen Rechts erfolgen müssen. Dies sei bis heute nicht geschehen. Ebenso wenig habe das Obergericht innert angemessener Frist über seine bedingte Entlassung befunden. Die letzte Überprüfung sei am 20. Dezember 2006 erfolgt. Das Vorgehen des Obergerichts verletze das Beschleunigungsgebot im Sinne von Art. 29 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV und der EMRK.

Das Obergericht des Kantons Zürich und die Justizdirektion des Kantons Zürich haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.

2.
Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung der Gerichtsbehörden kann im Kanton Zürich bei der nächst übergeordneten Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden (§ 108 des Gerichtsverfassungsgesetzes des Kantons Zürich [GVG/ZH]). Dem Obergericht - als Gesamtgericht - steht gemäss § 106 GVG/ZH die Aufsicht über seine Kammern zu. Eine Beschwerde von Rechtssuchenden wegen Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung durch die Kammern des Obergerichts ist mithin im Gesetz vorgesehen. Besteht somit eine entsprechende Beschwerdemöglichkeit im Kanton, so ist die direkte Anrufung des Bundesgerichts ausgeschlossen. Da der Beschwerdeführer den kantonalen Instanzenzug nicht ausgeschöpft hat, ist auf die Beschwerde folglich nicht einzutreten (BGE 119 Ia 237 E. 2b).

3.
Wenn darauf eingetreten werden könnte, wäre die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten wäre. Dies aus folgenden Gründen:

3.1 Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 1. Januar 2007 nicht mehr im Verwahrungs-, sondern im Strafvollzug. Das zuständige Gericht - vorliegend das Obergericht - hat deshalb nicht nur zu prüfen, ob er aus der Freiheitsstrafe bedingt entlassen werden kann (Art. 64 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 64 - 1 Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59
1    Das Gericht ordnet die Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, eine Vergewaltigung, einen Raub, eine Geiselnahme, eine Brandstiftung, eine Gefährdung des Lebens oder eine andere mit einer Höchststrafe von fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begangen hat, durch die er die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer andern Person schwer beeinträchtigt hat oder beeinträchtigen wollte, und wenn:59
a  auf Grund der Persönlichkeitsmerkmale des Täters, der Tatumstände und seiner gesamten Lebensumstände ernsthaft zu erwarten ist, dass er weitere Taten dieser Art begeht; oder
b  auf Grund einer anhaltenden oder langdauernden psychischen Störung von erheblicher Schwere, mit der die Tat in Zusammenhang stand, ernsthaft zu erwarten ist, dass der Täter weitere Taten dieser Art begeht und die Anordnung einer Massnahme nach Artikel 59 keinen Erfolg verspricht.
1bis    Das Gericht ordnet die lebenslängliche Verwahrung an, wenn der Täter einen Mord, eine vorsätzliche Tötung, eine schwere Körperverletzung, einen Raub, eine Vergewaltigung, eine sexuelle Nötigung, eine Freiheitsberaubung oder Entführung, eine Geiselnahme, ein Verschwindenlassen, Menschenhandel, Völkermord, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Kriegsverbrechen (Zwölfter Titelter) begangen hat und wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:60
a  Der Täter hat mit dem Verbrechen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person besonders schwer beeinträchtigt oder beeinträchtigen wollen.
b  Beim Täter besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass er erneut eines dieser Verbrechen begeht.
c  Der Täter wird als dauerhaft nicht therapierbar eingestuft, weil die Behandlung langfristig keinen Erfolg verspricht.61
2    Der Vollzug der Freiheitsstrafe geht der Verwahrung voraus. Die Bestimmungen über die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe (Art. 86-88) sind nicht anwendbar.62
3    Ist schon während des Vollzugs der Freiheitsstrafe zu erwarten, dass der Täter sich in Freiheit bewährt, so verfügt das Gericht die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe frühestens auf den Zeitpunkt hin, an welchem der Täter zwei Drittel der Freiheitsstrafe oder 15 Jahre der lebenslänglichen Freiheitsstrafe verbüsst hat. Zuständig ist das Gericht, das die Verwahrung angeordnet hat. Im Übrigen ist Artikel 64a anwendbar.63
4    Die Verwahrung wird in einer Massnahmevollzugseinrichtung oder in einer Strafanstalt nach Artikel 76 Absatz 2 vollzogen. Die öffentliche Sicherheit ist zu gewährleisten. Der Täter wird psychiatrisch betreut, wenn dies notwendig ist.
StGB; vgl. hierzu das Urteil des Bundesgerichts vom 4. März 2008 6B 589/2007), sondern auch, ob die angeordnete Verwahrung durch eine therapeutische Massnahme zu ersetzen ist. Nach Ziff. 2 Abs. 2 SchlBestStGB sind die laufenden Verwahrungen innerhalb Jahresfrist nach Inkrafttreten des neuen Rechts zu überprüfen.

Bei Ziff. 2 Abs. 2 SchlBestStGB handelt es sich um eine (reine) Ordnungsvorschrift. Ein (auch massives) Überschreiten des gesetzlichen Zeitrahmens von einem Jahr kann daher allenfalls Indiz für eine verfassungswidrige Rechtsverzögerung sein, genügt aber für sich allein nicht, um eine solche anzunehmen. Davon geht der Beschwerdeführer indessen zu Unrecht aus, indem er ausschliesslich aus der Fristüberschreitung auf das Vorliegen einer unzulässigen Rechtsverzögerung schliesst. Dass und inwiefern das Obergericht das Verfahren verschleppt haben sollte, ergibt sich aus der Beschwerde jedoch nicht. Mangels einer genügenden Begründung (Art. 42 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1    Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
2    In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 14 15
3    Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen.
4    Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201616 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement:
a  das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.17
5    Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt.
6    Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden.
7    Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig.
BGG; Art. 106 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 106 Rechtsanwendung - 1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
1    Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an.
2    Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist.
BGG) ist darauf nicht einzutreten. Im Übrigen erwiese sich sein Vorbringen als unbegründet, zumal eine verzögerliche Behandlung des Verfahrens durch das Obergericht nicht ersichtlich ist. Die vorliegende Verfahrenslänge ist vielmehr zum grossen Teil dem Verhalten des Beschwerdeführers bzw. seines Verteidigers zuzuschreiben (vgl. kantonale Akten, act. 42, Fristerstreckungen zur Stellungnahme zur Eingabe des Amts für Justizvollzug; act. 50/58, Fristerstreckungen zur Stellungnahme zum Gutachten).

Nichts anderes gilt für das vor Obergericht hängige Verfahren betreffend die bedingte Entlassung. Nachdem sich der Beschwerdeführer mit dem diesbezüglichen Verfahrensgang überhaupt nicht auseinandersetzt, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Anzumerken bleibt, dass das Bundesgericht am 4. März 2008 entschied, dass das Obergericht für die Beurteilung der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug zuständig ist. Eine verfassungs- bzw. konventionswidrige Rechtsverzögerung ist mithin nicht erkennbar.

3.2 Soweit die Ausführungen des Beschwerdeführers ausserhalb des Verfahrensgegenstands liegen, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Das gilt insbesondere für seine Vorbringen, die übergangs-rechtliche Anwendung des neuen Rechts verstosse gegen das Verschlechterungs- und das Rückwirkungsverbot. Ebenfalls nicht einzutreten ist auf die Kritik, welche der Beschwerdeführer hinsichtlich des Mitteilungsschreibens des Bundesamts für Justiz vom 7. Juli 2009 anbringt. Es handelt sich dabei nicht um ein taugliches Anfechtungsobjekt (vgl. Art. 80
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 80 Vorinstanzen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
2    Die Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 200749 (StPO) ein Zwangsmassnahmegericht oder ein anderes Gericht als einzige kantonale Instanz entscheidet.50
BGG).

4.
Auf eine Kostenauflage kann ausnahmsweise verzichtet werden. Anspruch auf eine Entschädigung hat der Beschwerdeführer nicht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, und der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Oktober 2009

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Arquint Hill