Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

6B_184/2016

Urteil vom 7. Juli 2016

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. C.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Rechtsmittellegitimation,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 13. Oktober 2015.

Erwägungen:

1.
Das Bezirksgericht Dietikon erklärte X.________ am 24. Juni 2014 der sexuellen Handlungen mit Kindern zum Nachteil von A.________ sowie der Hinderung einer Amtshandlung schuldig. Es bestrafte ihn mit einer teilbedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 90.--, widerrief den bedingten Vollzug einer im Jahr 2009 ausgesprochenen Geldstrafe und erteilte ihm die Weisung, sich einer psychologischen Behandlung zu unterziehen.

2.
X.________ erhob Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts und beantragte Freispruch. Die Staatsanwaltschaft und Rechtsanwalt C.________, angeblich handelnd für A.________, erhoben Anschlussberufung. Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Schärfung der Strafe; Rechtsanwalt C.________ den Freispruch von X.________.

3.
Das Obergericht des Kantons Zürich trat am 13. Oktober 2015 auf die von Rechtsanwalt C.________ eingereichte Anschlussberufung nicht ein. Es hielt fest, dass A.________ als Privatklägerin nicht legitimiert sei, den Freispruch des Beschuldigten zu verlangen.

4.
Rechtsanwalt C.________ führt im Namen von A.________ Beschwerde in Strafsachen. Er führt aus, er sei dazu von B.________, der Mutter von A.________, bevollmächtigt worden. Eventualiter handle er in seiner Eigenschaft als bisheriger ernannter Interessenvertreter eigenständig für A.________.
In der Sache rügt Rechtsanwalt C.________, die Vorinstanz habe zu Unrecht die Legitimation von A.________ verneint. Letzterer sei für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren.

5.

5.1. Haben die Eltern in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber (Art. 306 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 306 - 1 Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
1    Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
2    Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber.408
3    Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit.409
ZGB). Die Befugnisse der Eltern entfallen bei Interessenkollision in der entsprechenden Angelegenheit von Gesetzes wegen (Art. 306 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 306 - 1 Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
1    Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
2    Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber.408
3    Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit.409
ZGB). Eine abstrakte Gefährdung der Interessen des Kindes genügt. Eine solche ist regelmässig bereits dann vorhanden, wenn zwischen dem Dritten und den Eltern eine so nahe persönliche Beziehung besteht, dass angenommen werden muss, die Rücksichtnahme auf die Interessen des Dritten könnte das Handeln der Eltern allenfalls beeinflussen (BGE 107 II 105 E. 4; BGE 118 II 101 E. 4; Urteil 1P.848/2005 vom 18. Juli 2006 E. 1.3; Urteil 5A_111/2015 vom 20. Oktober 2015 E. 3.3).

5.2. X.________ war zum Tatzeitpunkt der Freund von B.________. Der Beschwerde ist zu entnehmen, dass sie weiterhin mit ihm zusammenlebt und von ihm ein Kind erwartet. Zwischen B.________ und X.________ besteht eine enge Beziehung und mithin eine Interessenkollision im Sinne von Art. 306 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 306 - 1 Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
1    Urteilsfähige Kinder, die unter elterlicher Sorge stehen, können mit Zustimmung der Eltern für die Gemeinschaft handeln, verpflichten damit aber nicht sich selbst, sondern die Eltern.407
2    Sind die Eltern am Handeln verhindert oder haben sie in einer Angelegenheit Interessen, die denen des Kindes widersprechen, so ernennt die Kindesschutzbehörde einen Beistand oder regelt diese Angelegenheit selber.408
3    Bei Interessenkollision entfallen von Gesetzes wegen die Befugnisse der Eltern in der entsprechenden Angelegenheit.409
ZGB. B.________ ist vorliegend nicht befugt, ihre Tochter zu vertreten. Die von ihr in deren Namen an Rechtsanwalt C.________ erteilte Vollmacht ist demnach unwirksam.

5.3. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich bestellte Rechtsanwalt C.________ am 28. Januar 2014 als unentgeltlichen Rechtsbeistand von A.________ (kantonale Akten, act. 11/5). Diese Ernennung erfolgte in Anwendung von Art. 136
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 136 Voraussetzungen - 1 Die Verfahrensleitung gewährt auf Gesuch ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege:
1    Die Verfahrensleitung gewährt auf Gesuch ganz oder teilweise die unentgeltliche Rechtspflege:
a  der Privatklägerschaft für die Durchsetzung ihrer Zivilansprüche, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Zivilklage nicht aussichtslos erscheint;
b  dem Opfer für die Durchsetzung seiner Strafklage, wenn es nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Strafklage nicht aussichtslos erscheint.71
2    Die unentgeltliche Rechtspflege umfasst:
a  die Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen;
b  die Befreiung von den Verfahrenskosten;
c  die Bestellung eines Rechtsbeistands, wenn dies zur Wahrung der Rechte der Privatklägerschaft oder des Opfers notwendig ist.
3    Im Rechtsmittelverfahren ist die unentgeltliche Rechtspflege neu zu beantragen.73
StPO. Sie gilt nur für das kantonale Verfahren unter Ausschluss einer Beschwerde vor dem Bundesgericht. Rechtsanwalt C.________ kann sich nicht darauf berufen.

6.
Rechtsanwalt C.________ war nicht befugt, A.________ vor dem Bundesgericht zu vertreten. Es ist daher weder auf die von ihm eingereichte Beschwerde noch auf das damit verbundene Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung einzutreten. Als vollmachtsloser Stellvertreter trägt er alleine die Kosten des Verfahrens (Art. 39 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 39 - 1 Wird die Genehmigung ausdrücklich oder stillschweigend abgelehnt, so kann derjenige, der als Stellvertreter gehandelt hat, auf Ersatz des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens belangt werden, sofern er nicht nachweist, dass der andere den Mangel der Vollmacht kannte oder hätte kennen sollen.
1    Wird die Genehmigung ausdrücklich oder stillschweigend abgelehnt, so kann derjenige, der als Stellvertreter gehandelt hat, auf Ersatz des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens belangt werden, sofern er nicht nachweist, dass der andere den Mangel der Vollmacht kannte oder hätte kennen sollen.
2    Bei Verschulden des Vertreters kann der Richter, wo es der Billigkeit entspricht, auf Ersatz weitern Schadens erkennen.
3    In allen Fällen bleibt die Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung vorbehalten.
OR; Art. 66 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG; Urteil 6B_226/2012 vom 15. Mai 2012 E. 1.2 und 1.3).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Auf das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden Rechtsanwalt C.________ auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Juli 2016

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Denys

Der Gerichtsschreiber: Moses