[AZA 7]
U 43/02 Bh

IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ursprung; Gerichtsschreiberin Bollinger

Urteil vom 6. September 2002

in Sachen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdeführerin,

gegen

R.________, 1962, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Hubert Cesna, Albert Zwyssig-Strasse 83, 5430 Wettingen,

und

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

A.- Der 1962 geborene R.________ war seit Mai 1992 als Sanierungsmonteur für Brandschadensanierungen bei der Q.________ AG tätig und damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfälle versichert. Am 13. März 1997 wurde er bei Montagearbeiten von einem herabfallenden Rohr am Kopf getroffen und stürzte aus etwa zwei Metern Höhe auf den Boden. Dabei zog er sich eine Commotio cerebri, eine Querfortsatzfraktur bei LWK-1 sowie einen Bruch der linken Hand zu. Nach medizinischer Behandlung im Spital A.________ sowie im Spital B.________ wurde er am 20. März 1997 nach Hause entlassen. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Ab dem 25. März 1997 war R.________ wegen Kopf-, Rücken-, Rippen- und Thoraxschmerzen, Gedächtnisstörungen, Schwindel, Unsicherheit beim Gehen und Sensibilitätsstörungen an der Stirn, über dem rechten Auge sowie Seh- und Schlafstörungen und Vergesslichkeit bei seinem Hausarzt, Dr. med. Z.________ in Behandlung. Dieser ersuchte die SUVA um weitere Abklärungen und Durchführung von medizinischen Massnahmen in der Rehaklinik K.________, wo R.________ in der Folge mehrmals stationär behandelt wurde. Nach Untersuchungen in dieser Klinik sowie durch den Kreisarzt Dr. med.
Y.________ eröffnete ihm die SUVA mit Verfügung vom 4. Januar 1999, dass keine erheblichen organischen Unfallfolgen mehr vorlägen und bezüglich der psychischen Beschwerden der adäquate Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis zu verneinen sei. Das Taggeld werde daher nur noch bis und mit 17. Januar 1999 ausbezahlt; ab diesem Datum stelle sie sämtliche Leistungen ein. Die dagegen erhobene Einsprache wies die SUVA mit Entscheid vom 28. Juli 1999 ab.

B.- Beschwerdeweise liess R.________ beantragen, es sei der Einspracheentscheid aufzuheben, ein Obergutachten anzuordnen und nach Bejahung des Kausalzusammenhangs die Sache an die SUVA zurückzuweisen, damit diese alle gesetzlichen Leistungen inklusive Psychotherapie erbringe. Zudem liess er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nachsuchen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, zog die IV-Akten bei, aus denen ersichtlich war, dass die IV-Stelle Dr. med. X.________ mit einem psychiatrischen Gutachten beauftragt hatte (vgl. Expertise vom 6. Juli 2001). Es unterbreitete diesem verschiedene Zusatzfragen, auf welche der Facharzt am 9. Juli 2001 einging. Am 18. Dezember 2001 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde in dem Sinne gut, als es den adäquaten Kausalzusammenhang der psychischen Unfallfolgen bejahte, den Einspracheentscheid diesbezüglich aufhob und die Sache an die SUVA zur Festsetzung der gesetzlichen Leistungen zurückwies.

C.- Hiegegen erhebt die SUVA Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheids.
R.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen und gleichzeitig beantragen, die SUVA sei zu verpflichten, die Kosten eines Aufenthalts in der Rehaklinik J.________ zu übernehmen; überdies sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. Die beigeladenen Versicherungen, CSS Versicherung, Luzern, sowie Zürich Versicherungen, Zürich, verzichten auf eine Vernehmlassung. Auch das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen.

D.- Mit Verfügung vom 7. Mai 2002 wies der Instruktionsrichter die Eingabe von R.________ vom 15. April 2002 wegen Ausführungen ungebührlichen Inhalts an dessen Rechtsvertreter zur Umänderung zurück.
Am 18. Juni 2002 liess R.________ eine verbesserte Rechtsschrift einreichen.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.- Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen), zur im Weiteren erforderlichen Adäquanz im Allgemeinen (BGE 125 V 461 Erw. 5a mit Hinweisen) und bei Unfällen mit psychischen Folgeschäden im Besonderen (BGE 115 V 138 Erw. 6 mit Hinweisen), zu dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen) sowie zum Untersuchungsgrundsatz (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen) und zum Beweiswert von Arztberichten (BGE 125 V 352 Erw. 3a; RKUV 2000 Nr. KV 124 S. 214) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.- Wie das kantonale Gericht in einlässlicher Würdigung der medizinischen Unterlagen, insbesondere auch der verschiedenen Berichte der Rehaklinik K.________ richtig festgestellt hat, ist nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass nach dem 17. Januar 1999 noch organische Folgen des versicherten Unfalls vom 13. März 1997 mit Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit vorhanden waren. Dem Austrittsbericht der Rehaklinik K.________ vom 2. Dezember 1998 ist zu entnehmen, dass 20 Monate nach dem Unfall keine wesentlichen unfallkausalen somatischen Folgen mehr vorlagen. Zum selben Schluss kamen Kreisarzt Dr. med. Y.________ in der Abschlussuntersuchung vom 7. August 1998 und Frau Prof. Dr. med. W.________ von der Rehaklinik K.________ in einem Schreiben an den Rechtsvertreter des Versicherten vom 8. Juni 1999. Dr. med. X.________ schliesslich führte in seinem Gutachten vom 6. Juli 2001 sowie im Ergänzungsschreiben vom 9. Juli 2001 aus, dass psychogene Ursachen dominant seien und mehrheitlich eine selbständige (sekundäre) Gesundheitsschädigung vorliege. Der Unfall sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit natürlich kausal für die im Vordergrund stehenden psychischen Beschwerden.

3.- Zu prüfen bleibt, ob der für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzte adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 13. März 1997 und den vom Versicherten geklagten psychischen Beeinträchtigungen gegeben ist.

a) Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat mit Bezug auf den adäquaten Kausalzusammenhang in BGE 115 V 138 ff. Erw. 6 erkannt, dass - ausgehend vom augenfälligen Geschehensablauf - die Unfälle zweckmässigerweise in drei Gruppen einzuteilen sind: Banale bzw. leichte Unfälle einerseits, schwere Unfälle anderseits und schliesslich der dazwischenliegende mittlere Bereich. Bei Stürzen kommt der Fallhöhe ein grosses Gewicht zu (vgl. RKUV 1998 Nr. U 307 S. 449 Erw. 3a mit Hinweisen). Das vorliegende Unfallgeschehen mit einem Sturz aus zwei Metern Höhe hat die Vorinstanz zu Recht im mittleren Bereich angesiedelt, ohne dass er im Grenzbereich zu den schweren Unfällen einzureihen wäre (RKUV 1999 Nr. U 330 S. 122 Erw. 4b/bb). Demnach müssen für die Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs die von der Rechtsprechung entwickelten unfallbezogenen Kriterien (vgl. BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa) gehäuft oder eines in besonders ausgeprägter Weise erfüllt sein (BGE 115 V 140 Erw. 6c/bb).

b) aa) Das kantonale Gericht hat erwogen, da eine Hirnverletzung nachweisbar sei, müsse die Voraussetzung der besonderen Eignung, psychische Fehlentwicklungen auszulösen, bejaht werden. Auch werde der Versicherte immer noch hausärztlich betreut und medikamentös behandelt, weshalb die ungewöhnlich lange Dauer der ärztlichen Behandlung ebenfalls gegeben sei. Daraus schloss es, dass die massgebenden unfallbezogenen Kriterien in gehäufter Weise erfüllt seien und bejahte die Adäquanz zwischen dem Unfallereignis und den anhaltenden psychischen Beschwerden. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wendet die SUVA ein, selbst wenn davon ausgegangen würde, dass zwei der Kriterien (knapp) erfüllt seien, wäre die Adäquanz zu verneinen, da es sich um einem Unfall aus dem mittleren Bereich handle.

bb) Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass sich der Unfall weder unter besonders dramatischen Begleitumständen ereignete, noch von besonderer Eindrücklichkeit war. Zu Recht hat sie auch festgestellt, dass erhebliche Komplikationen, ein schwieriger Heilungsverlauf und Dauerschmerzen in somatischer Hinsicht nicht auszumachen sind. Soweit sie indessen die erlittene milde traumatische Hirnverletzung (anterograde Amnesie) als geeignet erachtet, eine psychische Fehlentwicklung auszulösen, kann ihr nicht beigepflichtet werden. Bei einer Commotio cerebri, wie sie der Beschwerdegegner erlitten hat, handelt es sich nicht um eine schwere Verletzung, die erfahrungsgemäss geeignet wäre, psychische Fehlentwicklungen auszulösen (Urteil B. vom 25. Januar 2002, U 154/00).

cc) Wie die SUVA unter Hinweis auf die Berichte der Rehaklinik K.________ und des Kreisarztes Dr. med. Y.________ zutreffend feststellt, war die ärztliche Behandlung der somatischen Unfallfolgen mit der Entlassung aus der Rehaklinik K.________ Ende 1997 im Wesentlichen abgeschlossen (vgl. Austrittsbericht vom 11. Dezember 1997) und dauerte somit nicht ungewöhnlich lange. Soweit das kantonale Gericht darauf hinweist, dass der Versicherte auch vier Jahre nach dem Unfall noch in Behandlung stehe, übersieht es, dass dabei psychisch bedingte Beschwerden im Vordergrund stehen, welche vorliegend bei der Beurteilung der Adäquanz ausser Acht zu lassen sind (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa; vgl. auch RKUV 1993 Nr. U 166 S. 94 Erw. 2c).

dd) Der (sinngemässe) Einwand des Beschwerdegegners, die Unterlassung psychotherapeutischer Massnahmen stelle eine ärztliche Fehlbehandlung dar, verfängt nicht. Der Unfallversicherer hat die Kosten einer Psychotherapie nur dann zu übernehmen, wenn das psychische Leiden adäquat unfallkausal ist. Aus deren Unterlassung darf, entgegen der Meinung des Beschwerdegegners, aber nicht auf eine Fehlbehandlung geschlossen werden, noch geht es an, gestützt auf dieses Kriterium die Adäquanzfrage zu beurteilen. Es verhält sich diesbezüglich nicht anders wie mit der psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit, die weder in Bezug auf Dauer noch Ausmass in die Adäquanzbeurteilung einbezogen werden darf (RKUV 1993 Nr. U 166 S. 94 Erw. 2c).

ee) Was Grad und Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit betrifft, lässt sich diese zwar nicht zuverlässig festlegen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Einschränkung der Leistungsfähigkeit erheblich von psychischen Faktoren beeinflusst wurde und dieses Kriterium für sich allein betrachtet die Adäquanz des Kausalzusammenhangs ohnehin nicht zu begründen vermöchte.

ff) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass von den in BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa genannten Kriterien - unter Ausserachtlassung psychischer Einflüsse (BGE 117 V 367 Erw. 6a in fine) - weder ein einzelnes in besonders ausgeprägter noch mehrere in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sind. Da zwischen dem Unfall und den anhaltenden psychischen Beschwerden kein adäquater Kausalzusammenhang besteht, lässt sich nicht beanstanden, dass die SUVA ihre Leistungen eingestellt hat.

4.- Die SUVA beantragte mit Eingaben vom 27. Mai und 1. Juli 2002, dem Beschwerdegegner sei wegen ungebührlicher Ausführungen in seiner Vernehmlassung vom 15. April 2002 in Anwendung von Art. 31 OG eine Ordnungsbusse aufzuerlegen. Auf einen Verweis oder eine Busse im Sinne von Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG wird vorliegend verzichtet. Der Anwalt des Beschwerdegegners wird allerdings darauf aufmerksam gemacht, dass er im Wiederholungsfall mit einem Verweis oder einer Busse belegt wird.

5.- Dem Versicherten wurde im vorinstanzlichen Verfahren die unentgeltliche Verbeiständung gewährt, soweit er unterlag. In diesem Punkt wird der kantonale Entscheid nicht aufgehoben. Aufzuheben ist hingegen die vor dem kantonalen Gericht wegen teilweiser Gutheissung der Beschwerde zugesprochene Parteientschädigung; demzufolge hat die Vorinstanz über das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung zu befinden.

6.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der SUVA ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 126 V 150 Erw. 4a mit Hinweisen).

7.- Dem Beschwerdegegner kann die unentgeltliche Verbeiständung für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden
Dispositiv-Ziffer 2 vollständig und DispositivZiffer
1 des Entscheides des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern vom 18. Dezember 2001 insoweit aufgehoben,
als der Einspracheentscheid der SUVA vom
28. Juli 1999 bezüglich der psychischen Unfallfolgen
aufgehoben und die Sache an die SUVA zurückgewiesen
wurde, damit diese im Sinne der Erwägungen verfahre
und hinsichtlich dieser Folgen über die gesetzlichen
Ansprüche des Versicherten neu entscheide.

II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
wird Rechtsanwalt Hubert Cesna, Wettingen, für das
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
eine Entschädigung (einschliesslich Mehrwertsteuer)
von Fr. 2500.- ausgerichtet.

IV. Die Akten werden dem Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern zugestellt, damit es über das Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung für das kantonale Verfahren
entscheide.

V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht
des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, der CSS Versicherung, Luzern,
den Zürich Versicherungen, Zürich, und dem Bundesamt
für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 6. September 2002

Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der IV. Kammer:

Die Gerichtsschreiberin: