Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas

Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts

Prozess {T 7}
I 912/05

Urteil vom 5. Dezember 2006
IV. Kammer

Besetzung
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön; Gerichtsschreiber Nussbaumer

Parteien
Z.________, 1945, Beschwerdeführerin, vertreten
durch die Pro Infirmis Bern, Brunngasse 30, 3011 Bern,

gegen

IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin

Vorinstanz
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 7. November 2005)

Sachverhalt:
A.
Z.________ (geboren 1945) leidet an einer Multiple Sklerose. Seit 1. März 2002 bezieht sie gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Invalidenrente sowie seit Oktober 2002 eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades. Gestützt auf einen Bericht der SAHB Regionales Hilfsmittelzentrum Bern vom 4. Dezember 2003 sprach die IV-Stelle Bern Z.________ mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 23. Dezember 2003 einen Kostenbeitrag von Fr. 8000.- an die Anschaffung eines Plattformliftes für den Aussenbereich in Austauschbefugnis zu einem Treppenfahrstuhl zu.

Mit Gesuch vom 12. Januar 2005 liess Z.________ durch die Pro Infirmis die Wiedererwägung der Verfügung vom 23. Dezember 2003 beantragen. Dieses Ansinnen lehnte die IV-Stelle Bern mit Verfügung vom 3. März 2005 ab. Die hiegegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 9. Juni 2005 ab.
B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 7. November 2005 ab.
C.
Z.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die IV-Stelle zu verpflichten, auf das Wiedererwägungsgesuch einzutreten und ihr einen Plattformtreppenlift in Austauschbefugnis zuzusprechen.

Die IV-Stelle Bern schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 sind am 1. Juli 2006 Änderungen des IVG und OG (Art. 97 Abs. 2, 105 Abs. 3, 132 Abs. 2 und 134) in Kraft getreten. Mit dieser Novelle ist das Einspracheverfahren im Bereich der Invalidenversicherung aufgehoben und durch das frühere, vor Inkrafttreten von ATSG und ATSV geltende Vorbescheidverfahren ersetzt worden. Dies bedeutet, dass gegen eine Verfügung der IV-Stelle nicht mehr Einsprache erhoben werden kann, sondern direkt eine Beschwerde an das kantonale Versicherungsgericht eingereicht werden muss (Art. 69 Abs. 1
SR 831.20 Loi fédérale du 19 juin 1959 sur l'assurance-invalidité (LAI)
LAI Art. 69 Particularités du contentieux - 1 En dérogation aux art. 52 et 58 LPGA422,
1    En dérogation aux art. 52 et 58 LPGA422,
a  les décisions des offices AI cantonaux peuvent directement faire l'objet d'un recours devant le tribunal des assurances du domicile de l'office concerné;
b  les décisions de l'office AI pour les assurés résidant à l'étranger peuvent directement faire l'objet d'un recours devant le Tribunal administratif fédéral.424
1bis    La procédure de recours en matière de contestations portant sur des prestations de l'AI devant le tribunal cantonal des assurances est soumise à des frais judiciaires.425 Le montant des frais est fixé en fonction de la charge liée à la procédure, indépendamment de la valeur litigieuse, et doit se situer entre 200 et 1000 francs.426
2    L'al. 1bis et l'art. 85bis, al. 3, LAVS427 s'appliquent par analogie à la procédure devant le Tribunal administratif fédéral.428
3    Les jugements des tribunaux arbitraux cantonaux rendus en vertu de l'art. 27quinquies peuvent faire l'objet d'un recours auprès du Tribunal fédéral, conformément à la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral429.430
IVG in der ab 1. Juli 2006 geltenden Fassung). Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängigen Beschwerden bisheriges Recht anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, ist diese Neuerung im vorliegenden Verfahren ebensowenig anwendbar wie die angeführten Änderungen des OG.
2.
Art. 53 Abs. 2
SR 830.1 Loi fédérale du 6 octobre 2000 sur la partie générale du droit des assurances sociales (LPGA)
LPGA Art. 53 Révision et reconsidération - 1 Les décisions et les décisions sur opposition formellement passées en force sont soumises à révision si l'assuré ou l'assureur découvre subséquemment des faits nouveaux importants ou trouve des nouveaux moyens de preuve qui ne pouvaient être produits auparavant.
1    Les décisions et les décisions sur opposition formellement passées en force sont soumises à révision si l'assuré ou l'assureur découvre subséquemment des faits nouveaux importants ou trouve des nouveaux moyens de preuve qui ne pouvaient être produits auparavant.
2    L'assureur peut revenir sur les décisions ou les décisions sur opposition formellement passées en force lorsqu'elles sont manifestement erronées et que leur rectification revêt une importance notable.
3    Jusqu'à l'envoi de son préavis à l'autorité de recours, l'assureur peut reconsidérer une décision ou une décision sur opposition contre laquelle un recours a été formé.
ATSG schreibt vor, dass ein Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide zurückkommen kann, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Diese Bestimmung wurde in Anlehnung an die bis zum Inkrafttreten des ATSG von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien (BGE 127 V 469 Erw. 2c mit Hinweisen) erlassen. Nachdem die IV-Stelle auf das Wiedererwägungsgesuch eingetreten und die erhebliche Bedeutung einer allfälligen Berichtigung ausgewiesen ist, beschränkt sich im Folgenden die Prüfung auf die Frage der zweifellosen Unrichtigkeit der Verfügung vom 23. Dezember 2003.
3.
3.1 Die für die Wiedererwägung rechtskräftiger Verfügungen vorausgesetzte zweifellose Unrichtigkeit liegt praxisgemäss vor, wenn kein vernünftiger Zweifel daran möglich ist, dass die Verfügung unrichtig war. Die Unrichtigkeit kann sich sowohl auf die Rechtsanwendung als auch auf die Sachverhaltsfeststellung beziehen (BGE 127 V 14). Die Wiedererwägung darf jedoch nicht zu einer voraussetzungslosen Überprüfung zugesprochener Leistungen führen. Es darf nur ein einziger Schluss - derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung - möglich sein (BGE 126 V 401, 125 V 393 oben; SVR 2005 AlV Nr. 8 Erw. 3.1.1 [Urteil H. vom 23. April 2004, C 214/03]; vgl. auch Thomas Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. A. Bern 2003, S. 470 Rz 16).
3.2 Eine gesetzeswidrige Leistungszusprechung gilt in der Regel als zweifellos unrichtig (BGE 126 V 401), sofern die Leistungszusprechung auf Grund falscher oder unzutreffender Rechtsregeln erlassen wurde oder bei deren Erlass massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden, nicht aber, wenn der Wiedererwägungsgrund im Bereich materieller Anspruchsvoraussetzungen liegt, deren Beurteilung in Bezug auf gewisse Schritte und Elemente (z.B. Schätzungen, Beweiswürdigungen, Zumutbarkeitsfragen) notwendigerweise Ermessenszüge aufweist. Erscheint die Beurteilung solcher Anspruchsvoraussetzungen vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung darbot (BGE 125 V 389 f. Erw. 3 mit Hinweisen), als vertretbar, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus (RKUV 1998 Nr. K 990 S. 251; ARV 1982 Nr. 11 S. 74 f. Erw. 2c; ZAK 1980 S. 496, 1965 S. 60; Urteile B. vom 23. Februar 2005, I 632/04, Erw. 3.1, und B. vom 19. Dezember 2002, I 222/02, Erw. 3.2, je mit Hinweisen). Allerdings darf nicht die im Gesetz vorgezeichnete Verfahrensweise bei der Leistungsfestsetzung verlassen und im Einzelfall durch eine auf Ermessen beruhende Schätzung ersetzt werden. Die Ausübung
von Ermessen bleibt auf die Konkretisierung einzelner begrifflicher Elemente der Anspruchsvoraussetzung beschränkt (Urteile A. vom 7. Dezember 2004, I 410/04, Erw. 4.1, und B. vom 19. Dezember 2002, I 222/02, Erw. 3.2, je mit Hinweisen).
3.3 Wie aus dem Bericht der SAHB vom 4. Dezember 2003 hervorgeht, kann die Beschwerdeführerin das von ihr bewohnte Haus im Rollstuhl nur über einen Rampenweg oder über einen Plattformtreppenlift für den Aussenbereich verlassen. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob unter den in Ziff. 14.05 HVI enthaltenen Begriff "Rampen" auch der Rampenweg subsumiert werden könne und ob deshalb die Verfügung vom 23. Dezember 2003 offensichtlich unrichtig ist. Während die Beschwerdeführerin diese Frage bejaht, weil es sich um eine bauliche Änderung handle, die ihr den Zugang zu ihrem Haus gewähren solle, ist die IV-Stelle der Auffassung mit dem Begriff Rampen sei ein weniger aufwändiges und daher auch kostengünstigeres Hilfsmittel gemeint als ein Rampenweg. Sowohl bei dieser Auslegungsfrage wie auch im Zusammenhang mit der Rechtsfigur der Austauschbefugnis (vgl. hiezu BGE 127 V 121) verfügen die rechtsanwendenden Behörden beim erstmaligen Entscheid über einen gewissen Spielraum. Im Rahmen der Beurteilung der zweifellosen Unrichtigkeit kann daher nicht gesagt werden, eine Verfügung, welche den Rampenweg nicht unter den Begriff der Rampe subsumiert, erfülle diese Wiedererwägungsvoraussetzung. Soweit die Beschwerdeführerin auf BGE 127 V 121
hinweist, vermag dieses Urteil nicht zu einem andern Ergebenis zu führen. In diesem Urteil hatte das Eidgenössische Versicherungsgericht nicht zu entscheiden, wie es sich mit dieser Auslegungsfrage verhält. Nach dem Gesagten sind der Einspracheentscheid und der vorinstanzliche Entscheid rechtens.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse der Migros-Betriebe und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 5. Dezember 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: