Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B 7/2012

Urteil vom 5. Juli 2012
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Schöbi,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ernst Kistler,
Beschwerdeführerin,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer,
vom 29. September 2011.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau wirft X.________ unter anderem vor (Anklagepunkte 1.3 und 1.4), im Februar 2007 ihren mitangeklagten Ehemann A.________ (Verfahren 6B 12/2012) zweimal nach Horw gefahren zu haben. Während der Fahrt habe dieser einen Treffpunkt beim Warenhaus Otto's vereinbart, wo er B.________ zwei Drogenblöcke von insgesamt 1 kg Heroin übergeben habe. Im März 2007 habe A.________ erneut einen Drogentransport nach Horw durchgeführt, wo er B.________ wiederum ca. 1 kg Heroin beim Warenhaus Otto's übergeben habe. X.________ habe auch bei diesem Transport das Fahrzeug gelenkt.

B.
Das Bezirksgericht Lenzburg sprach X.________ am 24. März 2011 vom Vorwurf der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Anklagepunkte 1.1-1.4) frei. Die von der Staatsanwaltschaft dagegen erhobene Berufung hiess das Obergericht des Kantons Aargau am 29. September 2011 teilweise gut, sprach X.________ der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Anklagepunkte 1.3 und 1.4) schuldig und verurteilte sie zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten unter Anrechnung von sieben Tagen Untersuchungshaft. Den Vollzug der Strafe schob es bei einer Probezeit von zwei Jahren auf.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben, und sie sei von Schuld und Strafe freizusprechen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei aktenwidrig und eine willkürliche Annahme, dass sie um den Transport von Heroin gewusst habe. Selbst ihr Ehemann habe davon keine Kenntnis gehabt. Aufgrund ihrer geringen Schulbildung seien ihr Details aus der Drogenszene wie Preise, Verteilkanäle, Handelsmengen, Herkunftsorte, Wirkung und Suchtpotential von Drogen nicht bekannt. Es sei unhaltbar, dass die Vorinstanz auf die Aussagen von C.________ alias D.________, wonach sie alles über die Drogentransporte gewusst habe, abstelle. Aus den Akten ergäben sich über diese unbekannte Person keine weiteren Informationen, weshalb die Vorinstanz nicht auf deren Aussagen abstellen dürfe. Die Vorinstanz argumentiere widersprüchlich, wenn sie die Aussage ihres Ehemannes, er habe Drogen transportiert, als glaubhaft, seine Aussage, sie habe nichts vom Drogentransport gewusst, hingegen als nicht glaubhaft beurteile (Beschwerde, S. 3 ff.).
Die Fahrten nach Horw seien in den Akten völlig vage dargestellt. Sie sei von den Untersuchungsbehörden lediglich zu den Fahrten nach Pratteln und Olten (Anklagepunkte 1.1 und 1.2) einvernommen worden. Erst das Bezirksgericht Lenzburg habe sie viereinhalb Jahre später zur Sache befragt. Die Fahrten nach Horw zum Essen im McDonald's Restaurant seien Familienausflugsfahrten gewesen. Da nur sie über einen Führerausweis verfüge und damals verfügt habe, sei es normal, dass sie mit dem Auto gefahren sei. Aus den Akten ergebe sich nichts, weshalb sie hätte Verdacht auf Drogentransporte schöpfen müssen. Sie habe dazu auch keinen Grund gehabt, da sich die Fahrten nach Horw nicht von anderen Familienausflügen unterschieden hätten. Ihr Ehemann habe ihre Abscheu vor Drogen gekannt. Sie habe höchstens fahrlässig gehandelt. Eine fahrlässige Begehung von Art. 19
SR 812.121 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) - Betäubungsmittelgesetz
BetmG Art. 19 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
1    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  Betäubungsmittel unbefugt anbaut, herstellt oder auf andere Weise erzeugt;
b  Betäubungsmittel unbefugt lagert, versendet, befördert, einführt, ausführt oder durchführt;
c  Betäubungsmittel unbefugt veräussert, verordnet, auf andere Weise einem andern verschafft oder in Verkehr bringt;
d  Betäubungsmittel unbefugt besitzt, aufbewahrt, erwirbt oder auf andere Weise erlangt;
e  den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln finanziert oder seine Finanzierung vermittelt;
f  öffentlich zum Betäubungsmittelkonsum auffordert oder öffentlich eine Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekannt gibt;
g  zu einer Widerhandlung nach den Buchstaben a-f Anstalten trifft.
2    Der Täter wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn er:92
a  weiss oder annehmen muss, dass die Widerhandlung mittelbar oder unmittelbar die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann;
b  als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Ausübung des unerlaubten Betäubungsmittelhandels zusammengefunden hat;
c  durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt;
d  in Ausbildungsstätten vorwiegend für Jugendliche oder in ihrer unmittelbaren Umgebung gewerbsmässig Betäubungsmittel anbietet, abgibt oder auf andere Weise zugänglich macht.
3    Das Gericht kann in folgenden Fällen die Strafe nach freiem Ermessen mildern:
a  bei einer Widerhandlung nach Absatz 1 Buchstabe g;
b  bei einer Widerhandlung nach Absatz 2, wenn der Täter von Betäubungsmitteln abhängig ist und diese Widerhandlung zur Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums hätte dienen sollen.
4    Nach den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 ist auch strafbar, wer die Tat im Ausland begangen hat, sich in der Schweiz befindet und nicht ausgeliefert wird, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist. Ist das Gesetz des Begehungsortes für den Täter das mildere, so ist dieses anzuwenden. Artikel 6 des Strafgesetzbuches93 ist anwendbar.
BetmG sei jedoch nicht strafbar (Beschwerde, S. 6 ff.).

1.2 Die Vorinstanz erwägt, die Beschwerdeführerin habe bereits im Rahmen der Fahrten nach Olten (Anklagepunkte 1.1 und 1.2) von den Drogengeschäften ihres Ehemannes erfahren. Sie habe gewusst, worum es bei den Treffen ging. Spätestens als es zwischen ihr und dem Ehemann zum Streit gekommen sei und er ihr über die Drogentransporte erzählt habe, habe sie vom Zweck der Fahrten erfahren. In dubio pro reo sei dennoch davon auszugehen, dass sie bei den ersten beiden Fahrten noch nichts von den Drogentransporten wusste. Demgegenüber habe sie bei den Fahrten nach Horw zumindest in Kauf nehmen müssen, Drogen zu transportieren. Die beiden Fahrten nach Horw (Anklagepunkte 1.3 und 1.4) seien im Wesentlichen gleich abgelaufen wie die ersten beiden. So habe sich der Ehemann jeweils für kurze Zeit mit dem Abnehmer der Drogen getroffen, wobei der Treffpunkt telefonisch während der Fahrt vereinbart worden sei. Es sei nicht glaubhaft, dass sie nichts gewusst oder zumindest vermutet habe. So hätte es etwa näher gelegene McDonald's-Restaurants gegeben, in denen die Familie hätte essen können. Die Begleitumstände der Fahrten seien zudem sehr eigenartig gewesen (angefochtenes Urteil, S. 15 f.).

1.3 Dem Sachgericht steht im Bereich der Beweiswürdigung ein erheblicher Ermessensspielraum zu (BGE 120 Ia 31 E. 4b). Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn das Sachgericht diesen missbraucht, insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (BGE 132 III 209 E. 2.1; zum Begriff der Willkür BGE 137 I 1 E. 2.4 mit Hinweisen). Inwiefern das kantonale Gericht sein Ermessen missbraucht haben soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3). Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 134 II 244 E. 2.2 mit Hinweis).

1.4 Die Beschwerdeführerin vermag keine Willkür an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung darzutun. Sie zeigt nicht auf, und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz ihr Ermessen missbraucht hätte, indem sie die Stellung der Beschwerdeführerin als Fahrerin zweier Drogentransporte von E.________ nach Horw bejahte. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin, wie etwa ihre geringe Schulbildung, ihre mangelnden Detailkenntnisse der Drogenszene und der Umstand, dass sie bei diesen Ausflugsfahrten nicht an Drogentransporte habe denken müssen, sind appellatorisch und können die willkürfreien vorinstanzlichen Erwägungen nicht in Frage stellen. Darauf ist nicht einzutreten.

1.5 Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin argumentiert die Vorinstanz nicht widersprüchlich, wenn sie lediglich teilweise auf die Aussagen des Ehemannes abstellt. Sie qualifiziert dessen Aussage, die Beschwerdeführerin habe von den Drogentransporten nichts gewusst, als Schutzbehauptung. Dies ist gestützt auf ihre ausführliche Begründung, auf die verwiesen werden kann (angefochtenes Urteil, S. 13 f.), nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin zeigt denn auch nicht auf, inwiefern die ursprünglichen belastenden Aussagen ihres Ehemannes unglaubhaft wären.
Die Umstände und Abläufe der Fahrten nach Horw sind unbestritten und werden von der Beschwerdeführerin nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Dass sie nichts von den Drogentransporten gemerkt haben will, leitet sie aus der Behauptung ab, es habe sich um gewöhnliche Familienausflugsfahrten gehandelt. An der willkürfreien vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung kann dies ebenso wenig ändern wie die fehlenden Angaben in den Akten über den Belastungszeugen C.________ alias D.________ oder der Umstand, dass die Beschwerdeführerin schwergewichtig zu den Fahrten nach Pratteln und Olten (Anklagepunkte 1.1 und 1.2) befragt worden ist.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang trägt die Beschwerdeführerin die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Juli 2012
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller