Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung VI

F-6106/2019

Urteil vom 3. Dezember 2020

Richterin Susanne Genner (Vorsitz),

Richterin Regula Schenker Senn,
Besetzung
Richter Daniele Cattaneo,

Gerichtsschreiber Rudolf Grun.

A._______,

Parteien vertreten durch lic. iur. Matthias Frey, Rechtsanwalt,

Beschwerdeführerin,

gegen

Staatssekretariat für Migration SEM,

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Einreiseverbot.

Sachverhalt:

A.
Die Beschwerdeführerin (geb. 1983, tschechische Staatsangehörige) reiste am 1. Januar 2008 erstmals in die Schweiz ein. Im Januar 2010 erhielt sie eine Kurzaufenthaltsbewilligung zwecks Vorbereitung der Heirat mit einem in der Schweiz Niederlassungsberechtigten. Zuvor hatte sie sich illegal in der Schweiz aufgehalten. Die Heirat erfolgte am 17. November 2010, worauf die Beschwerdeführerin zum Verbleib bei ihrem Ehegatten eine Aufenthaltsbewilligung erhielt. Am 3. Januar 2017 wurde die Ehe geschieden. Wegen Vorliegens eines nachehelichen Härtefalles wurde die Aufenthaltsbewilligung verlängert. Aus dieser Beziehung ging ein Sohn (geb. 2009) hervor, welcher seit über vier Jahren beim Kindsvater lebt. Das Sorgerecht üben die Ex-Eheleute gemeinsam aus, wobei durch die örtlich zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) am 26. November 2014 eine Erziehungsbeistandschaft errichtet wurde.

Nach der Ehescheidung führte die Beschwerdeführerin eine Beziehung mit einem Schweizer Bürger, aus der ein weiterer Sohn (geb. 2015) hervorging. Dieser lebt beim Kindsvater. Die örtlich zuständige KESB errichtete auch hier eine Erziehungsbeistandschaft. Die Kindseltern üben seit Juli 2017 das gemeinsame Sorgerecht aus. Aus einer früheren Beziehung stammt schliesslich ein dritter Sohn (geb. 2003), der bei seinem Vater in Österreich lebt.

B.
Während ihres bisherigen Aufenthalts in der Schweiz bezog die Beschwerdeführerin Sozialhilfeleistungen im Umfang von Fr. 200'752.-- und gegen sie bestehen Verlustscheine im Umfang von Fr. 55'242.25. Sodann trat sie im Zeitraum zwischen dem 3. März 2010 und dem 21. März 2019 insgesamt 21 Mal strafrechtlich in Erscheinung. Die schwerste Straftat war dabei ein Raub (Gehilfenschaft), begangen am 3. März 2010, der mit einer bedingt vollziehbaren Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 10.- sanktioniert wurde. Es folgten Verurteilungen wegen mehrfachem Diebstahl (teilweise geringer Vermögenswert), Ungehorsam in einem Betreibungsverfahren, mehrfachem Hausfriedensbruch, mehrfachen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz sowie mehrfachen Widerhandlungen gegen das Personenbeförderungsgesetz. Aufgrund ihrer wiederholten Straffälligkeit, ihrer Sozialhilfeabhängigkeit sowie der gegen sie vorliegenden Verlustscheine wurde die Beschwerdeführerin mit Verfügung der Einwohnerdienste, Migration und Fremdenpolizei der Stadt Bern (EMF) vom 12. Februar 2017 ausländerrechtlich verwarnt. Nach der ausländerrechtlichen Verwarnung delinquierte sie weiter und wurde wegen Hausfriedensbruchs, mehreren Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz sowie mehrfachen Widerhandlungen gegen das Personenbeförderungsgesetz rechtskräftig verurteilt.

C.
Am 1. Oktober 2019 teilten die EMF der Beschwerdeführerin mit, dass sie beabsichtigten, ihre Aufenthaltsbewilligung nicht zu verlängern und sie aus der Schweiz wegzuweisen. Auch könne das SEM den Erlass einer Fernhaltemassnahme für die Schweiz prüfen. Von der ihr dazu eingeräumten Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme machte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 8. Oktober 2020 Gebrauch.

Am 18. Oktober 2019 verfügten die EMF die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin und deren Wegweisung aus der Schweiz (Ausreisefrist bis 28. Januar 2020). Dieses Verfahren ist derzeit bei der Sicherheitsdirektion des Kantons Bern rechtshängig.

D.
Aus den gleichen Gründen verhängte das SEM gegen die Beschwerdeführerin am 21. Oktober 2019 ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren (gültig ab 29. Januar 2020) und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung.

E.
Mit Rechtsmitteleingabe vom 19. November 2019 beantragte die Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung, wobei sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege samt Rechtsverbeiständung ersuchte.

F.
Am 27. November 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege samt Rechtsverbeiständung wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels ab. Die dagegen am 6. Dezember 2019 erhobene Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten hiess das Bundesgericht mit Urteil 2C_1020/2019 vom 31. März 2020 gut. Mit Zwischenverfügung vom 5. Mai 2020 hiess hierauf das Bundesverwaltungsgericht das Gesuch der Beschwerdeführerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gut und ordnete ihr den unterzeichnenden Rechtsvertreter als unentgeltlichen Rechtsbeistand bei.

G.
In seiner Vernehmlassung vom 4. Juni 2020 schloss das SEM auf Abweisung der Beschwerde. Mit Replik vom 30. Juni 2020 hielt die Beschwerdeführerin an ihrem Antrag um ersatzlose Aufhebung des Einreiseverbots fest.

H.
Auf die eingereichten Beweismittel wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen einzugehen sein.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Verfügungen des SEM, die ein Einreiseverbot im Sinne von Art. 67 AIG zum Gegenstand haben, unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 122 Abs. 1 AIG i.V.m. Art. 31 ff . VGG).

1.2 Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG; vgl. auch Art. 2 Abs. 4 VwVG).

1.3 Die Beschwerdeführerin ist als Verfügungsadressatin zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).

2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG nicht an die Begründung der Begehren gebunden und kann eine Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt des Entscheids (BVGE 2014/1 E. 2).

3.
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Tschechiens und damit einer Vertragspartei des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA, SR 0.142.112.681). Sie hat deshalb gemäss Art 3 FZA i.V.m. Art. 1 Anhang I FZA ein Recht auf Einreise in die Schweiz und fällt somit im Sinne von Art. 11 FZA unter das Abkommen (BGE 143 IV 97 E. 1.2.1; Urteil des BGer 2C_270/2015 vom 6. August 2015 E. 1). Gemäss Art. 2 Abs. 2 AIG ist daher das nationale Ausländerrecht - bestehend aus dem AIG und seinen Ausführungsverordnungen - nur soweit anwendbar, als das FZA keine abweichenden Bestimmungen enthält oder die Bestimmungen des nationalen Ausländerrechts günstiger sind.

4.

4.1 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe zufolge unzureichender Begründung das rechtliche Gehör verletzt. Insbesondere fehle eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des FZA sowie eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem privaten Interesse. Diese formelle Rüge ist vorab zu beurteilen, da sie allenfalls geeignet ist, eine Kassation der vorinstanzlichen Verfügung zu bewirken (BGE 142 II 218 E. 2.8.1).

4.2 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Für das Verwaltungsverfahren auf Bundesebene hat der Gesetzgeber diese Garantie konkretisiert. Sie umfasst im Wesentlichen all jene Befugnisse, die einer betroffenen Person einzuräumen sind, damit diese ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (BGE 144 II 427 E. 3.1). Dazu gehören das Recht auf Einsicht in die Akten (Art. 26 -28 VwVG), der Anspruch auf Abnahme der rechtzeitig und formrichtig angebotenen rechtserheblichen Beweismittel (Art. 33 Abs. 1 VwVG), das Recht, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache äussern zu können (Art. 30 -31 VwVG) sowie der Anspruch, dass die Behörde, bevor sie verfügt, alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien würdigt (Art. 32 Abs. 1 VwVG). Die in Art. 29 -33 VwVG verankerten Rechte werden auch als «Anspruch auf rechtliches Gehör stricto sensu» bezeichnet (vgl. etwa Urteil des BVGer F-1084/2019 vom 8. Juni 2020 E. 4.2).

Schliesslich umfasst der Anspruch auf rechtliches Gehör das Recht, einen begründeten Entscheid zu erhalten (Art. 35 Abs. 1 VwVG).

4.3 Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die verfügende Behörde die Vorbringen des Betroffenen tatsächlich hört, sorgfältig und ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt, was sich entsprechend in der Entscheidbegründung niederschlagen muss. Nicht erforderlich ist, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt. Sofern erkennbar ist, welche Gründe zu der Entscheidung geführt haben, ist dem Recht auf einen begründeten Entscheid Genüge getan, selbst wenn die Begründung unzutreffend ist bzw. sich im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens als unzutreffend erweist (vgl. BGE 141 V 557 E. 3.2.1; 136 I 229 E. 5.2; 136 V 351 E. 4.2). In Bezug auf die Begründungsdichte gilt: Je weiter der Entscheidungsspielraum, je komplexer die Sach- und Rechtslage und je schwerwiegender der Eingriff in die Rechtsstellung der betroffenen Person ist, desto höhere Anforderungen sind an die Begründung zu stellen (BGE 142 II 324 E. 3.6; BVGE 2017 I/4 E. 4.2; Kölz/Häner/Bertschi, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Aufl. 2013, Rz. 629 ff.).

4.4 Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser Voraussetzung ist darüber hinaus - im Sinne einer Heilung des Mangels - selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 137 I 195 E. 2.3.2).

5.
Was die Einreiseverbote betrifft, ist zu berücksichtigen, dass diese zu den am häufigsten ausgesprochenen Anordnungen der schweizerischen Verwaltungspraxis zählen und das SEM als erstinstanzliche Behörde speditiv zu entscheiden hat. An die Begründungsdichte dürfen deshalb keine überspannten Anforderungen gestellt werden (vgl. Urteil des BVGer F-4156/2016 vom 8. Dezember 2017 E. 3.4 m.H.), zumal es sich bei den Einreiseverboten nicht um eine komplexe Rechtsmaterie handelt.

5.1 Die Begründung der angefochtenen Verfügung beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die gesetzlichen Bestimmungen des AIG zu nennen (Art. 67 Abs. 2 Bst. a und b AIG), auf welche sich das Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführerin stützt, da sie mehrfach gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz verstossen sowie Sozialhilfekosten in erheblichem Masse verursacht habe.

5.2 Ferner hat die Vorinstanz Folgendes erwogen: «Die Ausländerin kann kein Aufenthaltsrecht nach den Bestimmungen des FZA resp. seiner Protokolle begründen». Dieses Begründungselement ist wertlos, da es sich nicht auf das durch die Vorinstanz zu regelnde Rechtsverhältnis (Einreiseverbot) bezieht, sondern auf ein nicht zur Debatte stehendes Aufenthaltsrecht nach FZA. Indessen scheint die Vorinstanz zu verkennen, dass die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einreiseverbots bei freizügigkeitsberechtigten Personen im Vergleich zu Drittstaatsangehörigen unterschiedlich sind (BGE 139 II 121 E. 5.3 f.; vgl. auch Urteil des BVGer C-5826/2012 vom 28. März 2013 E. 3.2.3). Vor dem Hintergrund, dass die Vorinstanz diesen - entscheidwesentlichen - Aspekt ausser Acht gelassen bzw. nicht berücksichtigt hat, erscheint die Begründung mangelhaft.

5.3 Eine im erwähnten Sinn mangelhafte Begründung kann als unzutreffend oder als unzureichend (lückenhaft) betrachtet werden.

5.3.1 Unzutreffend und damit einer Motivsubstitution (vgl. BGE 142 V 118 E. 1.2) zugänglich ist die Begründung, wenn die Rechtsmittelinstanz zum Schluss kommt, die Vorinstanz sei «mit der falschen Begründung zum richtigen Resultat» gelangt. Die Rechtsmittelbehörde kann diesen Mangel korrigieren, indem sie die im Ergebnis unzutreffende Begründung der Vorinstanz durch eine zutreffende Begründung ersetzt. Vorliegend würde damit das Bundesverwaltungsgericht quasi erstinstanzlich, aber gestützt auf die vorliegenden Akten prüfen, ob in materieller Hinsicht die Voraussetzungen für ein Einreiseverbot erfüllt sind.

5.3.2 Kommt die Rechtsmittelbehörde zum Schluss, dass die Begründung lückenhaft und damit unzureichend ist, liegt - im Unterschied zur Konstellation der unzutreffenden Begründung (vgl. den bereits zitierten BGE 141 V 557 E. 3.2.1) eine Verletzung der Begründungspflicht vor. Diesfalls kann die Rechtsmittelbehörde, sofern sie in Bezug auf die streitige Frage über die gleiche Kognition verfügt wie die Vorinstanz, den Mangel heilen, indem sie der Vorinstanz Gelegenheit gibt, im Rechtsmittelverfahren eine Begründung nachzuschieben, zu der sich die rechtsuchende Partei replikweise äussern kann (vgl. E. 4.4 hiervor).

5.4 Der Übergang zwischen unzutreffender und unzureichender Begründung ist fliessend, was sich hier exemplarisch zeigt. Zu beachten ist immerhin, dass es nicht die Aufgabe einer Rechtsmittelbehörde ist, grundlegende rechtliche Aspekte einer Streitigkeit zu erörtern, welche die Vorinstanz übersehen hat. Vielmehr muss ein Entscheid so begründet sein, dass die Rechtsmittelbehörde ihre Kontrolle (auch) hinsichtlich der angewendeten Rechtsnormen ausüben kann (vgl. BGE 139 V 496 E. 5.1). Von einer Verwaltungsbehörde darf und muss erwartet werden, dass sie die einschlägigen Rechtsgrundlagen für die Bearbeitung ihrer Fälle heranzieht.

Mit Blick auf das Gesagte und die Tendenz des Bundesgerichts, welche im Urteil 2C_1020/2019 vom 31. März 2020 E. 3.4 deutlich zum Ausdruck kommt, ist hier eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz der Heilung durch Motivsubstitution vorzuziehen, zumal jene im vorliegenden Rechtsgebiet über ein sehr weites Ermessen verfügt (vgl. Urteil F-5360/2019 / F-5363/2019 vom 26. Mai 2020 E. 8.2 [betreffend fedpol]).

5.5 Schliesslich geht aus der Begründung der angefochtenen Verfügung nicht hervor, ob und gegebenenfalls inwieweit eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Fernhaltemassnahme und den geltend gemachten privaten Interessen der Beschwerdeführerin vorgenommen wurde. Zwar erwähnt die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung vom 4. Juni 2020 die privaten Interessen der Beschwerdeführerin an Einreisen in die Schweiz und geht, indem sie an ihrer Verfügung festhält, offensichtlich von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an ihrer Fernhaltung aus. Würde man diesen Punkt isoliert betrachten, könnte die Gehörsverletzung als geheilt gelten (vgl. E. 5.3.2 hiervor). Indessen taugt diese Interessenabwägung insofern nichts, als die von der Vorinstanz genannten öffentlichen Interessen nicht auf die einschlägigen Bestimmungen des FZA bzw. dessen Anhang I Bezug nehmen. Auf die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einreiseverbots bei freizügigkeitsberechtigten Personen geht die Vorinstanz in ihrer dreiseitigen Stellungnahme mit keinem Wort ein, obwohl sie durch die Erwägungen im Urteil des Bundesgerichts 2C_1020/2019 vom 31. März 2020 (insbes. E. 3.4.5) hätte wissen müssen, dass es sich dabei um einen entscheidwesentlichen Punkt handelt. In der Frage, welche öffentlichen Interessen zur Beschränkung von Einreisen zulässigerweise herangezogen werden dürfen, liegt die wichtigste Unterscheidung bei der Behandlung von EU-Bürgerinnen und -bürgern einerseits und Drittstaatsangehörigen andererseits. Indem die Vorinstanz die öffentlichen Interessen an der streitigen Massnahme nicht unter diesem Aspekt gewürdigt hat, hat sie ihre Begründungspflicht verletzt. Da dieser Mangel auch im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens nicht geheilt wurde und das Bundesverwaltungsgericht aus den genannten Gründen (vgl. E. 5.4 hiervor) von einer Motivsubstitution absieht, ist die angefochtene Verfügung infolge Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (vgl. auch Urteile des BVGer F-4567/2947/2020 vom 10. September 2020 E. 4.4; F-5360/2019 / F-5363/2019 vom 26. Mai 2020 E. 8.2).

6.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht verletzt (Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist daher gutzuheissen. Die Verfügung vom 21. Oktober 2019 ist aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

7.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 und 2 VwVG). Der Beschwerdeführerin ist für die ihr durch die anwaltliche Vertretung erwachsenen notwendigen Kosten zulasten der Vorinstanz eine Parteientschädigung in gerichtlich festzusetzender Höhe zuzusprechen (Art 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 7 ff
SR 173.320.2 Regolamento del 21 febbraio 2008 sulle tasse e sulle spese ripetibili nelle cause dinanzi al Tribunale amministrativo federale (TS-TAF)
TS-TAF Art. 7 Principio
1    La parte vincente ha diritto alle ripetibili per le spese necessarie derivanti dalla causa.
2    Se la parte vince solo parzialmente, le spese ripetibili sono ridotte in proporzione.
3    Le autorità federali e, di regola, le altre autorità con qualità di parte non hanno diritto a un'indennità a titolo di ripetibili.
4    Se le spese sono relativamente modeste, si può rinunciare a concedere alla parte un'indennità a titolo di ripetibili.
5    L'articolo 6a è applicabile per analogia.7
des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Mangels Kostennote ist die Höhe der Parteientschädigung aufgrund der Akten festzulegen. Mit Blick auf den aktenkundigen Aufwand und die Komplexität des Falles sowie in Anwendung der gesetzlichen Bemessungskriterien von Art. 8 ff
SR 173.320.2 Regolamento del 21 febbraio 2008 sulle tasse e sulle spese ripetibili nelle cause dinanzi al Tribunale amministrativo federale (TS-TAF)
TS-TAF Art. 8 Spese ripetibili
1    Le ripetibili comprendono le spese di rappresentanza o di patrocinio ed eventuali altri disborsi di parte.
2    Per spese non necessarie non vengono corrisposte indennità.
. VGKE erscheint eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- als angemessen. Darin ist der Mehrwertsteuerzuschlag im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Bst. c
SR 173.320.2 Regolamento del 21 febbraio 2008 sulle tasse e sulle spese ripetibili nelle cause dinanzi al Tribunale amministrativo federale (TS-TAF)
TS-TAF Art. 9 Spese di rappresentanza e di patrocinio
1    Le spese di rappresentanza e di patrocinio comprendono:
a  l'onorario dell'avvocato o l'indennità dovuta ai mandatari professionali che non sono avvocati;
b  i disborsi quali, segnatamente, le spese di fotocopiatura, le spese di viaggio, di vitto e di alloggio, le spese di porto e le spese telefoniche;
c  l'imposta sul valore aggiunto eventualmente dovuta sulle indennità ai sensi delle lettere a e b, a meno che la stessa non sia già stata considerata.
2    Non è dovuta alcuna indennità se esiste un rapporto di lavoro tra il mandatario e la parte.
VGKE eingeschlossen. Da mit der Ausrichtung einer Parteientschädigung die Auslagen der Beschwerdeführerin gedeckt sind, ist kein zusätzliches Honorar für den am 5. Mai 2020 amtlich eingesetzten Anwalt zu entrichten (vgl. Urteil des BVGer C-5331/2009 vom 3. August 2012 E. 6 m.H.).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Verfügung vom 21. Oktober 2019 wird aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben.

3.
Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht mit Fr. 2'000.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil geht an:

- die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)

- die Vorinstanz (gegen Empfangsbestätigung; Akten Ref-Nr. [...] zurück)

- die Migrationsbehörde der Stadt Bern (BN [...])

Für die Rechtsmittelbelehrung wird auf die nächste Seite verwiesen.

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Susanne Genner Rudolf Grun

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden, sofern die Voraussetzungen nach Art. 82 ff
SR 173.320.2 Regolamento del 21 febbraio 2008 sulle tasse e sulle spese ripetibili nelle cause dinanzi al Tribunale amministrativo federale (TS-TAF)
TS-TAF Art. 9 Spese di rappresentanza e di patrocinio
1    Le spese di rappresentanza e di patrocinio comprendono:
a  l'onorario dell'avvocato o l'indennità dovuta ai mandatari professionali che non sono avvocati;
b  i disborsi quali, segnatamente, le spese di fotocopiatura, le spese di viaggio, di vitto e di alloggio, le spese di porto e le spese telefoniche;
c  l'imposta sul valore aggiunto eventualmente dovuta sulle indennità ai sensi delle lettere a e b, a meno che la stessa non sia già stata considerata.
2    Non è dovuta alcuna indennità se esiste un rapporto di lavoro tra il mandatario e la parte.
., Art. 90 ff
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1    Le spese di rappresentanza e di patrocinio comprendono:
a  l'onorario dell'avvocato o l'indennità dovuta ai mandatari professionali che non sono avvocati;
b  i disborsi quali, segnatamente, le spese di fotocopiatura, le spese di viaggio, di vitto e di alloggio, le spese di porto e le spese telefoniche;
c  l'imposta sul valore aggiunto eventualmente dovuta sulle indennità ai sensi delle lettere a e b, a meno che la stessa non sia già stata considerata.
2    Non è dovuta alcuna indennità se esiste un rapporto di lavoro tra il mandatario e la parte.
. und Art. 100
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1    Le spese di rappresentanza e di patrocinio comprendono:
a  l'onorario dell'avvocato o l'indennità dovuta ai mandatari professionali che non sono avvocati;
b  i disborsi quali, segnatamente, le spese di fotocopiatura, le spese di viaggio, di vitto e di alloggio, le spese di porto e le spese telefoniche;
c  l'imposta sul valore aggiunto eventualmente dovuta sulle indennità ai sensi delle lettere a e b, a meno che la stessa non sia già stata considerata.
2    Non è dovuta alcuna indennità se esiste un rapporto di lavoro tra il mandatario e la parte.
BGG erfüllt sind. Die Frist ist gewahrt, wenn die Beschwerde spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben worden ist (Art. 48 Abs. 1
SR 173.320.2 Regolamento del 21 febbraio 2008 sulle tasse e sulle spese ripetibili nelle cause dinanzi al Tribunale amministrativo federale (TS-TAF)
TS-TAF Art. 9 Spese di rappresentanza e di patrocinio
1    Le spese di rappresentanza e di patrocinio comprendono:
a  l'onorario dell'avvocato o l'indennità dovuta ai mandatari professionali che non sono avvocati;
b  i disborsi quali, segnatamente, le spese di fotocopiatura, le spese di viaggio, di vitto e di alloggio, le spese di porto e le spese telefoniche;
c  l'imposta sul valore aggiunto eventualmente dovuta sulle indennità ai sensi delle lettere a e b, a meno che la stessa non sia già stata considerata.
2    Non è dovuta alcuna indennità se esiste un rapporto di lavoro tra il mandatario e la parte.
BGG). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (Art. 42
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1    Le spese di rappresentanza e di patrocinio comprendono:
a  l'onorario dell'avvocato o l'indennità dovuta ai mandatari professionali che non sono avvocati;
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c  l'imposta sul valore aggiunto eventualmente dovuta sulle indennità ai sensi delle lettere a e b, a meno che la stessa non sia già stata considerata.
2    Non è dovuta alcuna indennità se esiste un rapporto di lavoro tra il mandatario e la parte.
BGG).

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