Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

1B 520/2021

Urteil vom 1. Dezember 2021

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Chaix, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Jametti,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
A.________,,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, 4500 Solothurn.

Gegenstand
Strafverfahren; Sicherheitsleistung,

Beschwerden gegen die Verfügungen vom 6. Mai 2021 des Obergerichts des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer (BKBES.2021.60, 61,62, 63 + 64).

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn hat mit separaten Entscheiden fünf Verfahren, an denen A.________ als Privatkläger beteiligt war, eingestellt (Verfahren 1B 348/2021, 1B 351/2021 und 1B 352/2021) oder nicht an die Hand genommen (Verfahren 1B 349/2021, 1B 350/2021).
A.________ erhob gegen diese Entscheide Beschwerde, worauf ihm das Obergericht des Kantons Solothurn mit fünf übereinstimmenden Verfügungen vom 6. Mai 2021 Prozesskostensicherheiten von je Fr. 600.-- auferlegte, unter der Androhung, bei Säumnis auf die Rechtsmittel nicht einzutreten.
A.________ erhob dagegen fünf übereinstimmende Beschwerden. Das Bundesgericht hat die Verfahren mit Urteil 1B 348/2021 vom 29. Juni 2021 vereinigt und ist auf die Beschwerden wegen Verspätung nicht eingetreten.
Mit Eingabe vom 27. Juli 2021 hat A.________ die Revisionsgesuche 1F 27, 28, 29, 30 und 21/2021 gestellt und beantragt, das Urteil 1B 348/2021 aufzuheben und die Verfahren 1B 348, 349, 350, 351 und 352/2021 wiederaufzunehmen.
Mit Urteil 1F 27/2021 hat das Bundesgericht die fünf Revisionsverfahren vereinigt, die Revisionsgesuche gutgeheissen, sein Urteil 1B 348/2021 aufgehoben und bestimmt, dieses Verfahren unter der neuen Nummer 1B 520/2021 wiederaufzunehmen und weiterzuführen.

B.

B.a. Im vom Beschwerdeführer gegen eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Solothurn angehobenen Beschwerdeverfahren hat das Obergericht am 6. Mai 2021 das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen und ihm die Bezahlung einer Prozesskostensicherheit von Fr. 600.- auferlegt, unter der Androhung, bei Säumnis auf das Rechtsmittel nicht einzutreten. Zur Begründung hat es angeführt, die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege setze voraus, dass der Privatkläger prozessarm und seine Zivilklage nicht aussichtslos sei. Vorliegend unterstehe die vom Beschwerdeführer angezeigte Person als Staatsanwalt dem kantonalen Verantwortlichkeitsgesetz. Für allfällige durch dessen Tätigkeit verursachten Schäden hafte der Kanton Solothurn. Der betroffene Beamte könne nicht unmittelbar zivilrechtlich belangt werden, weshalb die Zivilklage aussichtslos sei.

B.b. Im vom Beschwerdeführer gegen eine Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Solothurn angehobenen Beschwerdeverfahren hat das Obergericht am 6. Mai 2021 das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen und ihm die Bezahlung einer Prozesskostensicherheit von Fr. 600.- auferlegt, unter der Androhung, bei Säumnis auf das Rechtsmittel nicht einzutreten. Zur Begründung hat es das Gleiche angeführt wie im Verfahren 1B 348/2021.

B.c. Im vom Beschwerdeführer gegen eine Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Solothurn angehobenen Beschwerdeverfahren hat das Obergericht am 6. Mai 2021 das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen und ihm die Bezahlung einer Prozesskostensicherheit von Fr. 600.- auferlegt, unter der Androhung, bei Säumnis auf das Rechtsmittel nicht einzutreten. Zur Begründung hat es das Gleiche angeführt wie im Verfahren 1B 348/2021.

B.d. Im vom Beschwerdeführer gegen eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Solothurn angehobenen Beschwerdeverfahren hat das Obergericht am 6. Mai 2021 das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen und ihm die Bezahlung einer Prozesskostensicherheit von Fr. 600.- auferlegt, unter der Androhung, bei Säumnis auf das Rechtsmittel nicht einzutreten. Zur Begründung hat es das Gleiche angeführt wie im Verfahren 1B 348/2021.

B.e. Im vom Beschwerdeführer gegen eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Solothurn angehobenen Beschwerdeverfahren hat das Obergericht am 6. Mai 2021 das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen und ihm die Bezahlung einer Prozesskostensicherheit von Fr. 600.- auferlegt, unter der Androhung, bei Säumnis auf das Rechtsmittel nicht einzutreten. Zur Begründung hat es das Gleiche angeführt wie im Verfahren 1B 348/2021.

C.
Mit fünf übereinstimmenden, auf den 3. Juni 2021 datierten Beschwerden beantragt A.________, die Verfügungen des Obergerichts vom 6. Mai 2021 aufzuheben.

D.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Das Verfahren 1B 348/2021 ist wiederaufzunehmen und weiterzuführen. Es rechtfertigt sich, die fünf gleichgelagerten Verfahren zu vereinigen.

2.
Angefochten sind fünf kantonal letztinstanzliche Entscheide in strafrechtlichen Angelegenheiten. Dagegen steht die Beschwerde nach Art. 78 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
1    Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
2    Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über:
a  Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind;
b  den Vollzug von Strafen und Massnahmen.
. BGG offen. Es ist allerdings Sache des Beschwerdeführers, sowohl darzulegen, dass die Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, soweit das nicht offensichtlich ist (Art. 42 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 42 Rechtsschriften - 1 Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
1    Rechtsschriften sind in einer Amtssprache abzufassen und haben die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten.
2    In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist auszuführen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist. 14 15
3    Die Urkunden, auf die sich die Partei als Beweismittel beruft, sind beizulegen, soweit die Partei sie in Händen hat; richtet sich die Rechtsschrift gegen einen Entscheid, so ist auch dieser beizulegen.
4    Bei elektronischer Einreichung muss die Rechtsschrift von der Partei oder ihrem Vertreter beziehungsweise ihrer Vertreterin mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Bundesgesetz vom 18. März 201616 über die elektronische Signatur versehen werden. Das Bundesgericht bestimmt in einem Reglement:
a  das Format der Rechtsschrift und ihrer Beilagen;
b  die Art und Weise der Übermittlung;
c  die Voraussetzungen, unter denen bei technischen Problemen die Nachreichung von Dokumenten auf Papier verlangt werden kann.17
5    Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt.
6    Unleserliche, ungebührliche, unverständliche, übermässig weitschweifige oder nicht in einer Amtssprache verfasste Rechtsschriften können in gleicher Weise zur Änderung zurückgewiesen werden.
7    Rechtsschriften, die auf querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen, sind unzulässig.
BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1, 353 E. 1), als auch, dass die angefochtenen Entscheide Bundesrecht verletzen (BGE 135 III 127 E. 1.6 S. 130; 134 II 244 E. 2.1 und 2.2 S. 245 f.; je mit Hinweisen).
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allerdings einzig die Abweisung der Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege. Soweit sich der Beschwerdeführer über die seiner Ansicht nach zu Unrecht ergangenen Einstellungs- bzw. Nichtanhandnahmeverfügungen beklagt - was im Wesentlichen auf die ersten rund 30 Seiten der Beschwerdeschrift zutrifft -, geht die Beschwerde an der Sache vorbei. Darauf ist insoweit nicht einzutreten.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer kritisiert die Rechtsauffassung des Obergerichts, die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege an den Privatkläger setze voraus, dass er nicht über die finanziellen Mittel zur Finanzierung des Verfahrens verfüge und seine Zivilklage nicht aussichtslos sei, zu Recht nicht. Er bestreitet auch nicht oder jedenfalls nicht substantiiert, dass er gegen die von ihm angezeigten Beamten und Beamtinnen keine Zivilansprüche geltend machen kann, weil für sie der Kanton Solothurn nach Verantwortlichkeitsgesetz und damit nach öffentlichem Recht unmittelbar und ausschliesslich haftet. Er macht indessen unter Berufung auf das Urteil 1B 355/2012 vom 12. Oktober 2012 geltend, in seinem Fall müsse ihm unentgeltliche Rechtspflege unabhängig von Zivilansprüchen gewährt werden.

3.2. Nach dieser Rechtsprechung hat, wer in vertretbarer Weise behauptet, Opfer von Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung geworden zu sein, gestützt auf Art. 10 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 10 Recht auf Leben und auf persönliche Freiheit - 1 Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten.
1    Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Die Todesstrafe ist verboten.
2    Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit.
3    Folter und jede andere Art grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sind verboten.
BV, Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
und 13
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 13 Recht auf wirksame Beschwerde - Jede Person, die in ihren in dieser Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, hat das Recht, bei einer innerstaatlichen Instanz eine wirksame Beschwerde zu erheben, auch wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.
EMRK, Art. 7
IR 0.103.2 Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte
UNO-Pakt-II Art. 7 - Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Insbesondere darf niemand ohne seine freiwillige Zustimmung medizinischen oder wissenschaftlichen Versuchen unterworfen werden.
UNO-Pakt II (SR 0.103.2) sowie Art. 13 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (Anti-Folter-Konvention; SR 0.105) Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz (Urteil 1B 355/2012 E. 1.2.2 S. 4). Unter diesen Umständen hat das mutmassliche Opfer solcher Übergriffe staatlicher Funktionäre, sofern er bedürftig ist und seine Begehren nicht aussichtslos sind, unabhängig vom Bestehen von Zivilansprüchen gestützt auf Art. 29 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV ausnahmsweise Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege (a.a.O. E. 5.1. und 2 S. 7 f.).
Der Beschwerdeführer wirft den von ihm angezeigten Beamten keine Gewaltdelikte vor, die unter das Folterverbot fallen könnten. Seine Berufung darauf bzw. auf die Rechtsprechung, wonach ihm als mutmasslichem Opfer solcher Delikte unabhängig vom Bestehen von Zivilansprüchen ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege zusteht, ist offenkundig unbegründet. Die Beschwerden sind damit im vereinfachten Verfahren nach Art. 109
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 109 Dreierbesetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
1    Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung.
2    Sie entscheiden ebenfalls in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über:
a  Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden;
b  Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden, insbesondere wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen.
3    Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden.
BGG abzuweisen, wobei auf die Erhebung von Kosten ausnahmsweise verzichtet werden kann.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 1B 348/2021, 1B 349/2021, 1B 350/2021, 1B 351/2021 und 1B 352/2021 werden vereinigt.

2.
Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Dezember 2021

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Chaix

Der Gerichtsschreiber: Störi