VPB 68.148

(Auszug aus dem Urteil der Schweizerischen Asylrekurskommission vom 11. Februar 2004 i.S. Y.A., Türkei, auch erschienen in Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 2004 Nr. 16)

Art. 32 Abs. 2
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 32 - 1 Die Behörde würdigt, bevor sie verfügt, alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien.
1    Die Behörde würdigt, bevor sie verfügt, alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien.
2    Verspätete Parteivorbringen, die ausschlaggebend erscheinen, kann sie trotz der Verspätung berücksichtigen.
und Art. 57 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 57 - 1 Die Beschwerdeinstanz bringt eine nicht zum vornherein unzulässige oder unbegründete Beschwerde ohne Verzug der Vorinstanz und allfälligen Gegenparteien des Beschwerdeführers oder anderen Beteiligten zur Kenntnis, setzt ihnen Frist zur Vernehmlassung an und fordert gleichzeitig die Vorinstanz zur Vorlage ihrer Akten auf.100
1    Die Beschwerdeinstanz bringt eine nicht zum vornherein unzulässige oder unbegründete Beschwerde ohne Verzug der Vorinstanz und allfälligen Gegenparteien des Beschwerdeführers oder anderen Beteiligten zur Kenntnis, setzt ihnen Frist zur Vernehmlassung an und fordert gleichzeitig die Vorinstanz zur Vorlage ihrer Akten auf.100
2    Sie kann die Parteien auf jeder Stufe des Verfahrens zu einem weiteren Schriftenwechsel einladen oder eine mündliche Verhandlung mit ihnen anberaumen.
VwVG. Art. 106 Abs. 1 Bst. b
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 106 Beschwerdegründe - 1 Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
1    Mit der Beschwerde kann gerügt werden:
a  Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Missbrauch und Überschreitung des Ermessens;
b  unrichtige und unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts;
c  ...
2    Artikel 27 Absatz 3 und Artikel 68 Absatz 2 bleiben vorbehalten.
AsylG: Verspätete Vernehmlassung der Vorinstanz. Unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts.

1. Eine nach Ablauf der angesetzten Vernehmlassungsfrist eingereichte Stellungnahme der Vorinstanz zur Beschwerde ist trotz der Verspätung zu berücksichtigen, wenn ihr Inhalt als ausschlaggebend erscheint (E. 6).

2. Aufhebung der vorinstanzlichen Asylverfügung infolge unvollständiger Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts: Übersehen eines bei den Akten liegenden Haftbefehls wegen Unterstützung illegaler Organisationen (E. 7).

Art. 32 al. 2 et art. 57 al. 1 PA. Art. 106 al. 1 let. b LAsi. Détermination tardive de l'autorité de première instance. Établissement incomplet de l'état de fait pertinent.

1. Une réponse au recours déposée par l'autorité de première instance, après le délai qui lui a été imparti pour ce faire, doit néanmoins être prise en considération lorsque son contenu apparaît décisif (consid. 6).

2. Annulation de la décision de l'autorité de première instance pour constatation incomplète des faits pertinents. In casu, l'Office fédéral des réfugiés a omis de prendre en considération un mandat d'arrêt pour soutien à une organisation illégale, figurant parmi les pièces du dossier (consid. 7).

Art. 32 cpv. 2 nonché art. 57 cpv. 1 PA. Art. 106 cpv. 1 lett. b LAsi. Inoltro tardivo della risposta al ricorso da parte dell'Ufficio federale dei rifugiati (UFR). Accertamento incompleto dei fatti giuridicamente rilevanti.

1. È tenuto conto di una risposta al ricorso inoltrata tardivamente dall'UFR allorquando il contenuto della stessa è decisivo (consid. 6).

2. Annullamento della decisione di prima istanza a causa dell'accertamento incompleto dei fatti giuridicamente rilevanti. In casu, l'UFR ha ignorato il mandato d'arresto esibito dalla parte concernente il sostegno ad un'organizzazione illegale (consid. 7).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der Beschwerdeführer machte zur Begründung des am 16. August 2000 in der Empfangsstelle Genf gestellten Asylgesuchs geltend, sein Leben sei in der Türkei bedroht gewesen. Er sei mehrere Male, letztmals anfangs 1999, auf die Terrorbekämpfungsabteilung der Gendarmerie mitgenommen und unter Todesdrohung dazu aufgefordert worden, als Spitzel für die Behörden tätig zu sein. Der Beschwerdeführer gab zu Protokoll, er sei Kurde und Mitglied der Kurdenpartei HADEP («Halkin Demokrasi Partisi», prokurdische Demokratiepartei des Volkes) und für diese bei den Parlamentswahlen im Jahre 1999 als Wahlbeobachter tätig gewesen. Im Dezember 1999 sei er zu Hause von Polizeibeamten gesucht worden. Anlässlich seiner Teilnahme an der Maifeier im Jahre 2000 sei er festgenommen, geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert worden.

Das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) stellte mit Verfügung vom 11. September 2002 fest, der Beschwerdeführer erfülle die Flüchtlingseigenschaft nicht, und lehnte das Asylgesuch ab. Gleichzeitig verfügte es die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz und ordnete den Wegweisungsvollzug an.

Mit Beschwerde vom 16. Oktober 2002 beantragte der Beschwerdeführer, die vorinstanzliche Verfügung sei vollständig aufzuheben. Es sei festzustellen, dass er die Flüchtlingseigenschaft erfülle und ihm sei Asyl zu gewähren. Eventuell sei festzustellen, dass der Wegweisungsvollzug unzulässig respektive unzumutbar sei und es sei die vorläufige Aufnahme anzuordnen. In der Beschwerde wurde unter anderem gerügt, die Vorinstanz habe in der angefochtenen Verfügung einen vom Beschwerdeführer zu den Akten gereichten türkischen Haftbefehl mit keinem Wort gewürdigt.

Die Vorinstanz hielt in einer nach Ablauf der vom Instruktionsrichter angesetzten Frist eingereichten Vernehmlassung vom 3. Februar 2003 an ihrer Verfügung fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Die Schweizerische Asylrekurskommission (ARK) hebt die Verfügung des BFF auf und weist die Akten zum neuen Entscheid an die Vorinstanz zurück.

Aus den Erwägungen:

6.a. Die Vorinstanz hat im vorliegenden Beschwerdeverfahren auch nach wiederholter Aufforderung durch den Instruktionsrichter der ARK keine Vernehmlassung zur Beschwerde abgegeben. Einen Monat nach Ablauf der letzten diesbezüglich angesetzten Frist hat sie am 3. Februar 2003 eine Stellungnahme zu den Akten gereicht, die im Lichte von Art. 32 Abs. 2
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 32 - 1 Die Behörde würdigt, bevor sie verfügt, alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien.
1    Die Behörde würdigt, bevor sie verfügt, alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien.
2    Verspätete Parteivorbringen, die ausschlaggebend erscheinen, kann sie trotz der Verspätung berücksichtigen.
des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021) zu prüfen ist. Gemäss dieser Bestimmung kann die ARK verspätete Parteivorbringen, die ausschlaggebend erscheinen, trotz der Verspätung berücksichtigen.

b. In ihrer Vernehmlassung vom 3. Februar 2003 hält die Vorinstanz fest, nach der amtsinternen Analyse des Haftbefehls habe zwar keine formelle Fälschung festgestellt werden können; es hätten sich jedoch eine Anzahl Ungereimtheiten ergeben, welche auf eine Fälschung hinweisen würden. Mangels Vergleichsdokumenten werde das Dokument vom BFF «nicht als formelle Fälschung i.e.S.» qualifiziert. Hingegen könne das Beweismittel aufgrund der erkannten Ungereimtheiten «keine materielle Überzeugungskraft» entfalten.

In diesem Zusammenhang ist vorab festzuhalten, dass Urkunden grundsätzlich entweder authentisch oder gefälscht - allenfalls verfälscht - sind; als einzige diesbezügliche «Zwischenform» war bisher die Konstellation der von Unberechtigten missbräuchlicherweise verwendeten echten Dokumente bekannt (vgl. Art. 10 Abs. 4
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 10 Sicherstellung und Einziehung von Dokumenten - 1 Das SEM24 nimmt die Reisepapiere und Identitätsausweise von Asylsuchenden zu den Akten.25
1    Das SEM24 nimmt die Reisepapiere und Identitätsausweise von Asylsuchenden zu den Akten.25
2    Behörden und Amtsstellen stellen zuhanden des SEM Reisepapiere, Identitätsausweise oder andere Dokumente sicher, wenn sie Hinweise auf die Identität einer Person, welche in der Schweiz ein Asylgesuch eingereicht hat, geben können. Bei anerkannten Flüchtlingen gilt Absatz 5.26
3    Überprüft die sicherstellende Behörde oder Amtsstelle Dokumente nach Absatz 2 auf ihre Echtheit hin, so ist dem SEM das Resultat dieser Überprüfung mitzuteilen.
4    Verfälschte und gefälschte Dokumente sowie echte Dokumente, die missbräuchlich verwendet wurden, können vom SEM oder von der Beschwerdeinstanz eingezogen oder zuhanden des Berechtigten sichergestellt werden.
5    Pässe oder Identitätsausweise, welche den in der Schweiz anerkannten Flüchtlingen von deren Heimatstaat ausgestellt wurden, sind zuhanden des SEM sicherzustellen.27
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG], SR 142.31). Die vom BFF getroffene Unterscheidung zwischen formellen Fälschungen im engeren und im weiteren Sinn ist unverständlich. Im Ergebnis geht die Vorinstanz offenbar davon aus, die Frage der Authentizität des vom Beschwerdeführer eingereichten Dokuments offen lassen zu können. Ein solches Vorgehen wäre dann zulässig (und regelmässig sachgerecht, weil damit aufwändige Abklärungen vermieden werden können), wenn mit dem betreffenden Beweismittel ein flüchtlings- oder wegweisungsrechtlich offensichtlich irrelevantes Vorbringen belegt werden soll. Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer Belege für seine Mitgliedschaft bei der mittlerweile verbotenen Kurdenpartei HADEP zu den Akten gereicht, welches Vorbringen, soweit feststellbar, von der Vorinstanz nicht bestritten wird. Die Flüchtlingseigenschaft seines Bruders A., der gemäss Begründung der
diesbezüglichen Verfügung als regionalverantwortliches Kadermitglied der «Partiya karkeren kurdistan» (PKK, Arbeiterpartei Kurdistans) tätig gewesen sei, wurde vom BFF am 1. März 2000 anerkannt.

Bei dem vom Beschwerdeführer eingereichten Dokument handelt es sich um einen Haftbefehl (Formular Örnek Nr. 5) aus dem Jahre 1999, in dem ihm eine Verletzung von «Art. 169» zur Last gelegt wird. Gemeint ist offenkundig der berüchtigte Art. 169 des türkischen Strafgesetzbuches, der - als faktischer Terror-Generalstraftatbestand (vgl. etwa amnesty international, Jahresbericht 2003/Türkei, S. 583) - die «Unterstützung und Beihilfe bei Straftaten einer illegalen Organisation» unter Strafe stellt. Die potenzielle asylrechtliche Relevanz eines solchen Asylvorbringens liegt auf der Hand. Angesichts der geschilderten persönlichen und familiären Umstände des Beschwerdeführers müsste die Auffassung, ein solches Beweismittel vermöchte bloss einen asylrechtlich irrelevanten Umstand zu belegen, als völlig unhaltbar bezeichnet werden.

c. Die Vorbringen der Vorinstanz in ihrer Stellungnahme vom 3. Februar 2003 sind nach dem Gesagten offensichtlich nicht ausschlaggebend. Die verspätet eingereichte Vernehmlassung des BFF ist demnach nicht weiter zu beachten.

7.a. Die Asylbehörde hat den rechtserheblichen Sachverhalt vor ihrem Entscheid von Amtes wegen vollständig und richtig abzuklären (vgl. Art. 6
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 6 Verfahrensgrundsätze - Verfahren richten sich nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196810 (VwVG), dem Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 200511 und dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200512, soweit das vorliegende Gesetz nichts anderes bestimmt.
AsylG in Verbindung mit Art. 12
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 12 - Die Behörde stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest und bedient sich nötigenfalls folgender Beweismittel:
a  Urkunden;
b  Auskünfte der Parteien;
c  Auskünfte oder Zeugnis von Drittpersonen;
d  Augenschein;
e  Gutachten von Sachverständigen.
VwVG; Art. 32
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 32 - 1 Die Behörde würdigt, bevor sie verfügt, alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien.
1    Die Behörde würdigt, bevor sie verfügt, alle erheblichen und rechtzeitigen Vorbringen der Parteien.
2    Verspätete Parteivorbringen, die ausschlaggebend erscheinen, kann sie trotz der Verspätung berücksichtigen.
und Art. 49
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 49 - Der Beschwerdeführer kann mit der Beschwerde rügen:
a  Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens;
b  unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes;
c  Unangemessenheit; die Rüge der Unangemessenheit ist unzulässig, wenn eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat.
VwVG). Dabei muss sie die für das Verfahren erforderlichen Sachverhaltsunterlagen beschaffen und die rechtlich relevanten Umstände abklären und darüber ordnungsgemäss Beweis führen (vgl. A. Kölz/I. Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, Zürich 1998, S. 97). Gemäss Art. 8
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 8 Mitwirkungspflicht - 1 Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
1    Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
a  ihre Identität offen legen;
b  Reisepapiere und Identitätsausweise abgeben;
c  bei der Anhörung angeben, weshalb sie um Asyl nachsuchen;
d  allfällige Beweismittel vollständig bezeichnen und sie unverzüglich einreichen oder, soweit dies zumutbar erscheint, sich darum bemühen, sie innerhalb einer angemessenen Frist zu beschaffen;
e  bei der Erhebung der biometrischen Daten mitwirken;
f  sich einer vom SEM angeordneten medizinischen Untersuchung unterziehen (Art. 26a).
2    Von Asylsuchenden kann verlangt werden, für die Übersetzung fremdsprachiger Dokumente in eine Amtssprache besorgt zu sein.
3    Asylsuchende, die sich in der Schweiz aufhalten, sind verpflichtet, sich während des Verfahrens den Behörden von Bund und Kantonen zur Verfügung zu halten. Sie müssen ihre Adresse und jede Änderung der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde des Kantons oder der Gemeinde (kantonale Behörde) sofort mitteilen.
3bis    Personen, die ohne triftigen Grund ihre Mitwirkungspflicht verletzen oder den Asylbehörden während mehr als 20 Tagen nicht zur Verfügung stehen, verzichten damit auf eine Weiterführung des Verfahrens. Dasselbe gilt für Personen, die den Asylbehörden in einem Zentrum des Bundes ohne triftigen Grund während mehr als 5 Tagen nicht zur Verfügung stehen. Die Gesuche werden formlos abgeschrieben. Ein neues Gesuch kann frühestens nach drei Jahren deponiert werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung der Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 195120.21
4    Nach Vorliegen eines vollziehbaren Wegweisungsentscheides sind die betroffenen Personen verpflichtet, bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken.
AsylG hat die asylsuchende Person indessen die Pflicht und - unter dem Blickwinkel des rechtlichen Gehörs - das Recht, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken. Aus Art. 8 Abs. 1 Bst. d
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 8 Mitwirkungspflicht - 1 Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
1    Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
a  ihre Identität offen legen;
b  Reisepapiere und Identitätsausweise abgeben;
c  bei der Anhörung angeben, weshalb sie um Asyl nachsuchen;
d  allfällige Beweismittel vollständig bezeichnen und sie unverzüglich einreichen oder, soweit dies zumutbar erscheint, sich darum bemühen, sie innerhalb einer angemessenen Frist zu beschaffen;
e  bei der Erhebung der biometrischen Daten mitwirken;
f  sich einer vom SEM angeordneten medizinischen Untersuchung unterziehen (Art. 26a).
2    Von Asylsuchenden kann verlangt werden, für die Übersetzung fremdsprachiger Dokumente in eine Amtssprache besorgt zu sein.
3    Asylsuchende, die sich in der Schweiz aufhalten, sind verpflichtet, sich während des Verfahrens den Behörden von Bund und Kantonen zur Verfügung zu halten. Sie müssen ihre Adresse und jede Änderung der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde des Kantons oder der Gemeinde (kantonale Behörde) sofort mitteilen.
3bis    Personen, die ohne triftigen Grund ihre Mitwirkungspflicht verletzen oder den Asylbehörden während mehr als 20 Tagen nicht zur Verfügung stehen, verzichten damit auf eine Weiterführung des Verfahrens. Dasselbe gilt für Personen, die den Asylbehörden in einem Zentrum des Bundes ohne triftigen Grund während mehr als 5 Tagen nicht zur Verfügung stehen. Die Gesuche werden formlos abgeschrieben. Ein neues Gesuch kann frühestens nach drei Jahren deponiert werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung der Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 195120.21
4    Nach Vorliegen eines vollziehbaren Wegweisungsentscheides sind die betroffenen Personen verpflichtet, bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken.
AsylG ergibt sich insbesondere die Berechtigung, Beweise anzubieten respektive einzureichen, welche die Verwaltungsbehörde grundsätzlich im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs zu würdigen hat, bevor sie verfügt (vgl. auch Kölz/Häner, a.a.O., S. 98, zur Generalbestimmung von Art. 33 Abs. 1
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 33 - 1 Die Behörde nimmt die ihr angebotenen Beweise ab, wenn diese zur Abklärung des Sachverhaltes tauglich erscheinen.
1    Die Behörde nimmt die ihr angebotenen Beweise ab, wenn diese zur Abklärung des Sachverhaltes tauglich erscheinen.
2    Ist ihre Abnahme mit verhältnismässig hohen Kosten verbunden und ist die Partei für den Fall einer ihr ungünstigen Verfügung kostenpflichtig, so kann die Behörde die Abnahme der Beweise davon abhängig machen, dass die Partei innert Frist die ihr zumutbaren Kosten vorschiesst; eine bedürftige Partei ist von der Vorschusspflicht befreit.
VwVG).

b. In der Beschwerde wird gerügt, die Vorinstanz habe den anlässlich der kantonalen Befragung eingereichten Haftbefehl in ihrem Entscheid nicht berücksichtigt.

Diese Rüge ist berechtigt, werden doch in der angefochtenen Verfügung mehrere Beweismittel, nicht aber dieses Dokument erwähnt, dessen potenzielle Asylrelevanz bereits oben festgestellt worden ist (vgl. E. 6.b).

Im Rahmen der E-Mail-Korrespondenz zwischen der ARK und dem BFF im Zusammenhang mit dem Nichteinreichen einer Vernehmlassung der Vorinstanz hatte der zuständige Sachbearbeiter festgehalten, der in der Beschwerde eingereichte Haftbefehl sei «nicht in den Akten» gewesen. Diesbezüglich ist auf das kantonale Befragungsprotokoll zu verweisen, in dem folgende Aussage erwähnt ist: «Heute abgegeben: Dokument, dass ich gesucht werde von der Gend.kommandatur A. vom 10.12.99, gemäss Art. 169 werde ich gesucht». Im Beilagenverzeichnis des Begleitschreibens der zuständigen Behörde des Kantons X. vom 25. Oktober 2000 an das BFF wird nicht nur das Befragungsprotokoll vom gleichen Tag, sondern, nebst anderen Beweismitteln, auch ein «Dokument, dass GS gesucht werde» erwähnt. Das Dokument befindet sich samt dem eingereichten Briefumschlag im Original im Beweismittelcouvert des BFF.

Nach diesen Ausführungen ist festzustellen, dass die Vorinstanz das zu den Akten gereichte Beweismittel übersehen und damit den rechtserheblichen Sachverhalt ungenügend erstellt hat. An dieser Einschätzung vermag auch die von der Vorinstanz nach Beendigung des Vernehmlassungsverfahrens vorgenommene Analyse der Echtheit des Haftbefehls (Prüfungsergebnis: Authentizität unbestimmt) nichts zu ändern, zumal die verfügende Behörde - wie erwähnt - gehalten ist, den Sachverhalt vor ihrer Verfügung vollständig abzuklären.

c. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen, soweit die Aufhebung der angefochtenen Verfügung beantragt wird. Die Sache ist - vorab zur vollständigen und richtigen Sachverhaltsermittlung - an das BFF zurückzuweisen.

Die Vorinstanz wird sich abschliessend zu Frage der Authentizität des eingereichten Haftbefehls äussern müssen. Vor seinem erneuten Entscheid wird das BFF zudem einerseits die Akten des Bruders des Beschwerdeführers - sowie seines Cousins A., der HADEP-Parteipräsident der Provinz X gewesen und vom BFF ebenfalls als Flüchtling anerkannt worden sei - sorgfältig zu konsultieren haben. Andererseits ist in diesem Zusammenhang zusammenfassend festzuhalten, dass die vorliegend für die Glaubhaftigkeit der Vorbringen des Beschwerdeführers sprechenden Umstände (namentlich die offenkundige Herkunft aus einer Familie mit engen Beziehungen zu PKK und HADEP, die eingereichten Beweismittel, die bei Durchsicht der Befragungsprotokolle ins Auge stechenden Realitätskennzeichen oder die sich aus den Akten des Bruders ergebenden Hinweise) nur ungenügend gewürdigt worden sind; eine sorgfältige Abwägung der für und der gegen die Glaubhaftigkeit sprechenden Argumente (vgl. etwa Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1993 Nr. 21, S. 137 f. = VPB 58.26) ist der aufzuhebenden Verfügung jedenfalls ebenso wenig zu entnehmen, wie eine praxiskonforme Prüfung der Frage, ob der Beschwerdeführer [...] eine so
genannte Reflexverfolgung zu befürchten hätte.

Dokumente der ARK
Decision information   •   DEFRITEN
Document : VPB-68.148
Date : 11. Februar 2004
Published : 11. Februar 2004
Source : Vorgängerbehörden des BVGer bis 2006
Status : Publiziert als VPB-68.148
Subject area : Schweizerische Asylrekurskommission (ARK)
Subject : Art. 32 Abs. 2 und Art. 57 Abs. 1 VwVG. Art. 106 Abs. 1 Bst. b AsylG: Verspätete Vernehmlassung der Vorinstanz. Unvollständige...


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1993/21 S.137 • 2004/16
VPB
58.26